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DIE
WELT DES ISLAMS
ZEITSCHRIFT DER
DEUTSCHEN GESELLSCHAFT
FÜR ISLAMKUNDE
HERAUSGEGEBEN VON
PROF. DR. GEORG KAMPFFMEYER
BAND 6
MIT BIBLIOGRAPHIE NR 778—879
BERLIN 1918
VERLAG „DER NEUE ORIENT" G. M. B. H.
BERLIN W 50, TAUENTZIENSTRASSE 19 a
;o. , , J.
VV
ALLE RECHTE VORBEHALTEN
Jnhalts-Ü hellsieht zu Band 6. DI
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INHALTS-ÜBERSICHT ZU BAND 6.
I. ABHANDLUNGEN.
Seite
Otto Hachtmann, Türkische Übersetzungen aus europäischen
Literaturen i
Martin Hartmann f 67
Martin Hartmann, Die große Steppe Asiens und die West-
oststraßen 41
Kriegsurkunden. 18. Eine Kriegsurkunde aus Mekka.
Übersetzt von C. Brockelmann 33
Charlotte Lorenz, Die Frauenfrage im Osmanischen Reiche
mit besonderer Berücksichtigung der arbeitenden Klasse . 72
n. LITERATUR.
1. Die Presse Syriens (Heffening) 24
2. Die Zeitungen in Konstantinopel (Heffening) 61
3. Besprechungen von Büchern 27.215
4. Bibliographie
Nr. 778—823 29
Nr. 824—856 ^ 64
Nr. 857—879 ' 218
m. REGISTER.
Namenregister 220
Sachregister 222
IV. NACHRICHTEN.
Siebente ordentliche Hauptversammlung DI
Jahresrechnung . IV
Voranschlag für 1918 V
Ausschuß der D. G. L VE
Vorstand der D. G. I VI
Geschäftsführung . ! VI
Mitglieder-Verzeichnis VEL
HildiUnann, Türkische Ü bei'setzungen aus europäischen Literaturen. i
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TÜRKISCHE ÜBERSETZUNGEN
AUS EUROPÄISCHEN LITERATUREN.
EIN BIBLIOGRAPHISCHER VERSUCH.
VON
DR. O. HACHTMANN.
Einleitung.
Um die türkischen Übersetzungen aus europäischen Literaturen in
richtigem Lichte erscheinen zu lassen, muß ich eine kurze Ein-
leitung über Übersetzungstätigkeit überhaupt und im besonderen
über solche von türkischer Seite vorausschicken. Da wir jetzt ge-
wöhnt sind, alles Türkische mit Deutschland in Beziehung zu
setzen, gehe ich dabei von uns selbst aus. Aber auch tiefere, in
der Sache selbst hegende Gründe empfehlen diesen Weg, wie sich
gleich nachher zeigen wird.
Wir Deutschen sind das Übersetzervolk. Übersetzen scheint uns
etwas so Selbstverständliches, daß wir kaum die Frage aufwerfen,
warum wir es tun. Andere Völker, vor allem die Westeuropäer,
sind im Übersetzen wesentüch zurückhaltender. Wenn man sagt:
„Sie beherrschen eben fremde Sprachen nicht gut genug, um in
solchem Umfange wie wir übersetzen zu können", so ist das zwar
richtig, aber es läßt doch wieder die Frage offen: „Ja, warum be-
herrschen sie fremde Sprachen nicht so wie wir?" „Sie sind nicht
so sprachbegabt wie wir!" wird die Antwort sein. Auch das ist
richtig; aber auch hier erhebt sich wieder die Frage: „Weshalb
sind sie nicht so sprachbegabt?" Es mag ja sein, daß zumal bei
Franzosen und Engländern mit ihren im Vergleich zum Deutschen
leichten Sprachen die Fähigkeit zum Erlernen schwieriger Sprachen
verkümmert ist, aber damit wäre nur erklärt, daß sie längst nicht
so viel aus dem Deutschen übersetzt haben wie wir aus ihren
Sprachen. Aber auch aus dem Französischen ins Englische und
umgekehrt ist viel weniger übersetzt worden als aus beiden Sprachen
ins Deutsche. Der Grund zu der geringeren Übersetzungstätigkeit
der Westeuropäer kann also nicht nur in ihrer geringeren Sprach-
begabung hegen. Der Hauptgrund ist ein anderer: ihr überspanntes
Nationalgefühl und — Ursache und Wirkung zugleich — ihre Un-
Die Welt des Ulams. Band 6. I
2 IHfi Welt äff Ishnus. Hn7i</ (;.- 1918, Heft 1
ooaoaeceoooo o oece^ooooooooocxwooooooooooooooocxxxxieooooocxxxxxxxioooooooooooooooooooooooooooooooa^
fähigkeit, andere Völker zu verstehen. Umgekehrt bei uns: wir
haben jahrhundertelang gar kein Nationalgefühl gehabt, dafür aber
eine wundervolle Fähigkeit, andere Völker zu verstehen. Vor
unserer klassischen Literaturepoche überwog der erste Grund, der
uns jetzt beschämt, danach der zweite, auf den wir stolz sein
dürfen. Der Begriff „Weltliteratur" konnte nur in Deutschland
gefunden werden!
Die bisherige Erörterung betrifft aber nur die Grundmotive des
Übersetzens oder Nichtübersetzens. Sie wirken noch heute fort,
aber in neuester Zeit ist dazu ein anderes, sehr mächtiges ge-
kommen, das mit Sprachbegabung und Nationalgefühl und Völker-
verständnis nichts zu tun hat: das geschäftliche Interesse. Früher
konnte man als Schriftsteller nicht reich werden, heute dagegen
Millionär. Das lockt natürUch zu schriftstellerischer Betätigung.
Wer nicht selbst produzieren kann, hält sich ans Reproduzieren,
also ans Nachahmen und Übersetzen. Der Übersetzer wird selbst-
verständlich nur solche Werke wählen, von denen er überzeugt ist,
daß sie „ziehen". Anders gesagt: minderwertige. Mit Meister-
werken lassen sich geschäftliche Massenerfolge nicht erzielen!
Mit einer Ausnahme jedoch: auch Meisterwerke können auf das
PubHkum wirken wie Sensationsromane, wenn sie einem aktuellen
Bedürfnis entsprechen. Da nun das politische Interesse im all-
gemeinen von jeher sehr viel größer gewesen ist als das rein
üterarische, wird es sich dabei wesentlich um politisch bedeut-
same Werke handeln. So werden z. B. Fenelons „Telemaque",
Montesquieus „L'Esprit des Lois" und Rousseaus „Contrat social"
stets glühendes Interesse bei Völkern finden, die danach lechzen,
ein Tyrannenjoch abzuschütteln. Das werden wir auch bei den
Türken bestätigt finden. Wenn die ebengenannten Motive des
Übersetzens: geschäftUche Selbstsucht und politische Tendenz, auch
bei uns nicht fehlen, so treten sie doch längst nicht so stark her-
vor wie bei anderen Völkern. Bei uns überwiegt doch die selbst-
lose, künstlerische Freude an der adäquaten Wiedergabe fremd-
.sprachlicher Werke, die wir als groß empfinden, mögen sie unserem
eigenen Fühlen auch noch so fern stehen. Andere Völker
dagegen übersetzen im wesentlichen das, was ihrer eigenen Art
verwandt ist, oder wovon sie sich irgend eine außerliterarische
Wirkung versprechen. Das Kennenlernen fremder Literaturen als
Selbstzweck will ihnen nicht in den Kopf, weü sie in ganz anderem
Maße als wir nationalisiert und poUtisiert sind.
Hachtmamu Türkische L bersetzuugeii aus europäischen L,iieraturen. 3
oceoeeeeoooooooooeoocxxxx>ooooooooooooocaooocxyxxxxxxxxxxxxxxxxx)oooo(X)00(xxxxoooooocx3ooooo(x^^
Nun die Anwendung auf die Türken! Sie sind bis in die neueste
Zeit eigentlich nur Übersetzer gewesen: zuert^t jahrhundertelang
aus dem Arabischen und Persischen, dann jahrzehntelang aus dem
Französischen. In ihrem Übersetzungseifer scheinen sie uns Deutschen
also verwandt. Die Motive waren und sind aber doch ganz andere:
weder Mangel an Nationalgefühl noch liebevolles Verständnis für
andere Völker haben sie zum Übersetzervolk des Orients g^emacht.
Denn der Nationalitätsgedanke ist dem islamischen Orient bis in
die neueste Zeit überhaupt fremd gewesen; folglich kann mit
seinem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein überhaupt kaum
operiert werden. Die Türken sahen in Arabern und Persern nicht
Angehörige fremder Nationen oder Rassen, sondern Angehörige
derselben Religion, und sie bedurften deshalb auch gar keines be-
sonderen Verständnisses für sie. Wenn sie so viel nachahmten
und übersetzten, geschah es nur deshalb, weil ihre eigene Sprache
und Kultur im Vergleich zu der arabischen und persischen zu un-
entwickelt war, um sich behaupten zu können. Die Dichter konnten
aber darüber nicht einmal Schmerz und Scham empfinden, denn
die Sprache, die sie schrieben, war ja kaum noch Türkisch. Der
Wort- und Gedankenschatz der gehobenen Rede war in allen
Islamsprachen ziemlich derselbe. Es war eigentlich keine Über-
setzung aus einer Sprache in die andere, sondern nur eine solche
aus einem Dialekt in den andern. Einen persischen Dichter ins
Türkische übersetzen, bedeutete nicht viel mehr als etwa einen
hochdeutschen Dichter in plattdeutsches Gewand zu stecken.
Und das Übersetzen aus dem Französischen? Auch dieses ent-
sprang ebensowenig einem Mangel an Nationalgefühl wie einem
liebevollen Verständnis. Der Mangel an Nationalgefühl war zwar
da, aber die Übersetzung"en aus dem Französischen entsprangen
ihm nicht; im Gegenteil: der Zweck der Übersetzer war gerade,
ein solches bei denen zu schaffen, die es noch nicht hatten. Sie
selbst hatten es gerade in besonders starkem Maße. Sie faßten
Fenelon und Rousseau, die um die Mitte des 19. Jahrhunderts
vielfach übersetzt wurden, nicht etwa als gToße literarische
Meister auf, zu denen sie mit Verehrung aufschauen müßten,
sondern als politische Gehilfen, die zum Besten der Türkei
mitarbeiten sollten. Die französische politische Literatur war so-
zusagen ein notwendiger Importartikel, weil sich der Parlamen-
tarismus nicht auf orientalischer Grundlage herstellen ließ. Wir
haben also hier den eigenartigen Fall, daß das erwachende National-
4 fne ^y^'lt il,'s hlains. I'.nwl 6. lUld, lieft I
ec<ioeoeeoooooooeeaooooooooooooooooooooooooooc)oooooo(xxx)<>>xxxKKxxxxxxxxxx>oc>^^
bewußtsein zur ereistigen Unterordnung unter eine fremde Nation
führte. Aber was half es? Das geistige Rüstzeug für eine nationale
Erneuerung der Türkei war eben nur in liuropa zu holen, und
Europa bedeutete um 1850, wo die türkische Übersetzungstätigkeit
begann, nichts anderes als Frankreich. Gewiß hat dann die nähere
Bekanntschaft mit französischer Literatur auch weitere Kreise ge-
zogen und zu zahlreichen Übersetzungen auch nichtpolitischer
Werke geführt. Rousseau bot sich auch hier als erster Stoff: (mit
der „Nouvelle H61oise!"). Aber der Ursprung der Beziehungen war
mehr politisch als literarisch. Weniger auf den französischen
Parnaß als auf das französische Parlament waren die sehnsüchtigen
Blicke der modern gesinnten Türken gerichtet.
Auch die seit der erfolgreichen Staatsumwälzung von 1 908/09 ein-
setzende Übersetzungstätigkeit aus dem Englischen — meist freilich
durch Vermittlung des Französischen — war wesentlich politisch
inspiriert. Seit 1870 war Frankreichs Ansehen gesunken, und so
wurde das mächtige England das Vorbild für die konstitutionell
regierte Türkei.
Deutschland erschien den Türken infolge der Hetzereien der
französisch-englischen Presse als Hochburg des Absolutismus, so-
zusagen als ein zweites hamidisch regiertes Reich, konnte sie also
politisch nicht zur Nachahmung reizen. So blieb auch die deutsche
Literatur bis kurz vor dem Kriege ziemlich außerhalb des tür-
kischen Gesichtskreises. Daß auch bei den wenigen Übersetzungen
aus anderen Literaturen das politische Interesse der Spiritus rector
war, wird sich nachher bei der Einzelbesprechung zeigen.
Die neueste turanistische Strömung mit ihrer scharfen Abweisung
alles Nichttürkischen scheint der weiteren Entwicklung der tür-
kischen Übersetzungstätigkeit aus europäischen Sprachen nicht
günstig, wenigstens soweit es sich um Literatur im engeren Sinne
handelt. Naturwis^nschaftliche, technologische und pädagogische
Werke werden sicherlich massenhaft übersetzt werden, aber auf
dem Gebiete der schönen Literatur scheint mir das Übersetzungs-
bedürfnis der Türken — der turanistischen sowohl wie der nicht-
turanistischen — ziemlich gering: dazu sind die zweitgenannten
viel zu stolz auf das uralte, ehrwürdige Schrifttum des islamischen
Orients^, und bei den erstgenannten waltet eine gewisse Besorg-nis:
* Dieser Stolz verbietet ihnen aber durchaus nicht, tue türkische Literatur meist «ehr
geringschätzig zu behandeln: sie ist für sie ja nur ein kleiner Bruchteil der großen
islamischen, die sie durchaus als gemeinsamen Besitz aller Islamsvölker ansehen.
Ilacldmanit, lüvkit<(he L' hi-rselzuugeit aus ewopäisc/uii Lilcraiiiieii. 5
!>C0OOOOOC><XX)OOeeCe0CO0OOO000O0OO00OOO00OOO0<XXXXXXX>0CX>00OOO0O(XXXXXXXXXXXX>O(XXXXX«O00OO(^^
die neugegründete türkische Nationalliteratur soU reinrassig bleiben:
lieber soll sie zentralasiatisch-barbarisch ausschauen als europäisch-
zivilisiert!
Der Turanismus wird bei uns im allgemeinen nicht mit günstigen
Augen angesehen. Es ist auch gar keine Frage, daß er politisch
etwas unbequem ist. Aber er hat trotzdem seine Berechtigung
als begeisterndes Ideal, und wenn er sich auch manchmal noch
etwas täppisch g'ebärdet, hat er dafür den edlen Überschwang der
Jugendlichkeit. Er wird mit den Jahren schon reifer werden. Vor-
läufig wdrd er aber höchstwahrscheinlich die Übersetzungstätigkeit
einschränken. Er gleicht einer jungen Industrie, die zum Erstarken
des Schutzzolles bedarf. Ganz ohne Übersetzungen kommen frei-
lich auch die Turanisten nicht aus, da sie für die Erforschung und
Darstellung der neuentdeckten zentralasiatischen Vergangenheit
europäischer Wissenschaft bedürfen. Besonders behebt sind bei
ihnen die halb wissenschaftlichen Werke von Leon Cahun.
Nach diesen allgemeinen Bemerkungen gehe ich nun dazu über,
die türkischen Übersetzungen europäischer Werke nach den Ur-
sprungsländern der Orginale zu besprechen. Von dem Wert der
Übersetzungen wird dabei selten die Rede sein. Über diesen kann
ich in vielen Fällen schon deshalb nichts aussagen, weil die betreffenden
Bücher und Feuilletons (die häufigste Form !) überhaupt nicht mehr
oder nur mit ungeheuerhchen Kosten zu beschaffen sind. Vielleicht
finde ich später einmal Gelegenheit, eine gTÖßere Menge inhaltlich
besonders bedeutsamer Übersetzungen auf ihren literarischen Wert
zu prüfen. Für jetzt ist meine Absicht nur, zunächst einmal ein
Inventar dessen aufzustehen, was denjenigen Türken, die keine
europäische Sprache hinreichend beherrschen, um deren Werke in
der Ursprache lesen zu können, von europäischem Geistesleben
bisher auf dem Wege der Übersetzung zug^änglich geworden ist.
Mein Aufsatz möchte also einerseits die Erkenntnis des Geisteslebens
der modernen Türkei fördern helfen, indem er festzustellen versucht,
welche Kenntnis europäischer Literaturen wir bei dem türkischen
Durchschnittsgebüdeten vorauszusetzen haben, und aus der Wahl
der übersetzten Werke Schlüsse auf die Neigungen des türkischen
Geistes zu ziehen sucht; andererseits aber auch einen Beitrag zur
Feststellung der europäischen Einflüsse auf die Türkei liefern. Ich
behandle deshalb die bedeutsamen Übersetzungen in der ge'schicht-
hchen Reihenfolge; Französisch, Englisch, Deutsch. Die weniger
bedeutsamen, z. B. die aus dem Italienischen und Russischen und
ö hn \V,ll drs Js/,,mi<. Band 6 1918. Thft t
•oooeocoooooooooeooooooooooooooooo(X30oooooooocKX>(xx>ooooooooooocnxioocooci^^
den antiken Sprachen fasse ich am Schluß kurz zusammen. Eine
allgfemeine Bemerkung- muß ich noch vorausschicken: soweit es sich
um Übersetzungen aus anderen Sprachen als aus dem Französischen
handelt, hat dieses meist den Vermittler gespielt: wir haben es
also im wesentlichen mit Übersetzungen von Übersetzungen zu tun,
Ehe ich in eine Besprechung der Übertragungen aus dem Französischen
eintrete, gebe ich die Liste zu übersetzender Werke, die 1897
'Abdullah Dschewdet in der Vorrede (S. 9.) zu seiner Übersetzung
des „Wilhelm Teil" aufgestellt hat. (Gesondert erschienen unter
dem Titel ,Jh emel^^ (Zwei Wünsche); Idschtihad-Bibliothek No 38.
3. Auflage 1914.)
Frankreich
Montesquieu
Rousseau
Voltaire
V. Hugo
Spanien Portugal
Calderon Camoens
Äschylos
Rußland Polen Amerika
Puschkin A. Mickiewicz Longfellow
A. Dschewdets Geschmack ist natürlich nicht ohne weiteres mit
dem türkischen überhaupt gleichzusetzen — seine Schwärmerei für
Byron den Türkenfeind z. B. wird nur von wenigen geteilt! ^ —
aber die Liste ist doch bezeichnend: schon äußerlich tritt das zahlen-
mäßige Übergewicht des Französischen her\or!
Deutschland
Schiller
Goethe
England
Italien
Byron
Dante
Milton
Alfieri
Shakespeare
Römer G
riechen
Lukrez
Homer
I. Übersetzungen aus dem Französischen.
Schon oben hatte ich betont, daß die Türken zuerst — d. h. um
die Mitte des 19. Jahrhunderts — wesentlich politische Werke über-
setzten. Besonderer Beliebtheit erfreuten sich F^nelon und Jean-
Jacques Rousseau. Drei geistig hervorragende Paschas haben
aus diesen beiden übersetzt: Wefiq Pascha, Pertew Pascha und
Zija Pascha. Wenn man die sonstigen französischen Autoren
mustert, die später ins Türkische übersetzt sind, drängt sich die
1 So betont 'Abd-ül-haqq Hamid in seinen Briefen S. 24, daß er den müharek (hier =
rerdammt!) B. gar nicht liebt, und sein Kommentator Süleiman Nazif schließt sich
diesem Urteil von ganzem Herzen an (S. 23 Anm.).
TTarJdmavn, Tfcrkischi' Uht'rsetziinift'n uns europäischen lAteralvreyi. 7
ooc< a ceeocooeooiA»ooooocoe o ceoeoooooooooeoooooeoooooeooooooeoooeooooooooooocxx)oo(xxxxxxxxxxxx)oo<^^
Beobachtung- auf, daß es vorzugsweise solche sind, die sich durch
Sentimentalität oder Rhetorik auszeichnen. Diese entsprachen dem
türkischen Geschmack am besten und entsprechen ihm noch heute,
wenn auch bei vielen Dichtern und Schriftstellern neuerdings eine
erfreuliche Hinwendung zu männlicher Schlichtheit hen'ortritt.
Daneben darf freihch nicht verg^essen werden, daß auch Moliere
schon früh fast vollständig übersetzt ist — ganz eigenartig, mit
Anpassung an türkische Verhältnisse, von dem geistvollen Ahmed
Wefiq Pascha: hier war der speziell türkische Geschmack am
Humoristischen und Possenhaften bestimmend. Immerhin stehen
der sentimentale Lamartine und der rhetorische Victor Hugo
in erster Reihe. Sicherlich hat dazu mit beigetragen, daß in
Schinassis Müntehahat, die 1859 erschienen und den ersten Anstoß
zur literarisch orientierten türkischen Übersetzungstätigkeit gaben,
Lamartine stark vertreten war. Möglich, daß auch seine 1855 ver-
öffentlichte „Histoire de la Turquie" das Interesse für ihn verstärkt hat.
Hauptsächlich aber verdankt er seineBehebtheit seiner schwärmerischen
Naturschilderung' 1. Deren Spuren begegnet man in den meisten
türkischen Romanen: Wasser und Sonnenuntergang sind wie bei
ihm die stehenden Requisiten. Auch übersetzungstechnisch blieb
Schinassi Vorbüd, insofern als vorwiegend Proben und nicht ganze
Werke übersetzt wurden. Die moderne türkische Literatur steckt
ja zum großen Teü in Zeitungen und Zeitschriften. Damit war
der Zwang zur Raumbeschränkung gegeben. Selbstverständlich
waren nicht alle Übersetzer literarisch so hochstehend wie Schinassi.
Bald ergoß sich eine Flut von türkischen Übersetzungen französischer
Sensationsliteratur: Eugene Sue und Paul de Kock z. B. sind
vielfach übersetzt und nachgeahmt worden. Es wäre aber wohl
nicht berechtigt, daraus einen Schluß auf den Geschmack der Türken
zu ziehen. Eine Übersetzung ist eben sehr oft, ja meist, nicht ein
literarisches, sondern ein geschäftliches Unternehmen. Wenn Verleger
und Übersetzer etwas verdienen wollen, müssen sie dem Geschmack
der großen Menge schmeicheln. Das ist bei uns und überall genau
so wie in der Türkei. Dazu kommt für diese noch ein anderes
1 Für die Erkenntnis des ungeheuren Einflusses der französischen Literatur, zumal der
romantischen, auf die moderne türkische sind zwei Bücher besonders wichtig: Hüsein
Dschahids Kritikensammlung: Ghawghalarym (Meine Kämpfe) 19 10 (besonders die
höchst fesselnde Einleitung), und der sehr bedeutende Literatenroman Mavi ire syah
(Blau und Schwarz) von Halid Zija (neugedruckt in seinen „Gesammelten Werken"
19 16, Bibliothek Muhtar Halid).
8 l>ie Welt des Js/anus, Band 6. lUiS, Hejt 1
•oooeecoooocxxaeeeooooooooooooooooooocwoooocxxxxxxweooocwxxxxioooooo^^
Moment: die Kenntnis des Französischen ist bei den höheren Ständ<'n
der Türkei gfanz anders verbreitet als bei uns. Die meisten Türken
der besseren Gesellschatt sind von französischen Erzieherinnen und
in ganz oder halb französischen Anstalten erzogen worden und
sprechen Französisch wie ihre Muttersprache. Es lag und liegt
also ein wirkliches Bedürfnis zu Übersetzungen für diese literarisch
kompetenten Kreise gar nicht vor. So erklärt es sich, daß in der
Türkei so viele französische Literatur zweiten Ranges übersetzt
worden ist, während ragende Gestalten wie Flaubert, Daudet,
Zola und Anatole France auffallend wenig vertreten sind. Bei
den drei ersten mögen auch die sprachlichen und sachlichen Schwierig-
keiten von der Übersetzung abgeschreckt habend. So finden wir
dann besonders häufig den jüngeren Dumas, Octave Feuillet,
Xavier de Mont^pin, Emile Richebourg, George Ohnet u. ä.
Besonders die „Kameliendame" mit ihrem Schwindsuchtsmotiv hat
geradezu verheerende Wirkungen angerichtet. Als Übersetzer solcher
Literatur zweiten Ranges hat sich besonders der fabelhaft schreib-
selige Ahmed Midhat hervorgetan. Wenn man ein wirkliches
Bild davon gewinnen will, was die Türken von französischer Literatur
kennen, muß man sich also nicht an die Übersetzungen halten, sondern
vor allem auf die Erwähnungen und Zitate achten, die in türkischen
Werken verstreut sind. Solche sind überaus zahlreich. Wie früher
die europäischen Schriftsteller ihre Werke mit altklassischen Zitaten
spickten, so jetzt die Türken die ihrigen mit französischen. Ganz
besonders häufig Avird H. Taine zitiert. Unter den Literarkritikern
genießt der bei uns kaum bekannte Antoine Albalat ein außer-
ordentliches Ansehen. Auf Schritt und Tritt werden Aussprüche
von ihm zitiert. In soziologischen Schriften — und mit einem
Tropfen soziologischen Öles ist jedes moderne türkische Werk
gesalbt! — begegnet besonders oft Gustave le Bon, der Ver-
fasser des „Psychologie des Foules". Dieses Werk ist in der
Türkei geradezu zur soziologischen Bibel geworden und vielfach
übersetzt. Zija Gök Alp, der F'ührer der Turanisten, basiert
seine soziologischen Studien vorwiegend auf Durkheim und bringt
viele übersetzte Zitate aus seinen Werken. Französische schöne
Literatur wird dagegen, von dem unvermeidlichen V. Hugo ab-
1 *Ali Kemal in seinem aus freien Wiedergaben \on Litcraturvorträgen G. Larroumets
begehenden Buche : „Sorbonne darülfünunuiida edcbyjat-i haqiqijjc deraleri'' S. 128
erklärt „Madame Bovary" wegen der unnarhahmlichen Stilkunst und des für einen Türken
allzu fremdartigen Milieus für unübersetzbar.
HachUnann. Türkische Iheisetzunoeii aus enrofiäixclieii JÄle/aturen. 9
OC«Oe0O0OO0O0O00OO00OCXXXX30OCX>0OO000000O00OO0O0O0OO00OOCXXXXXXXXW0O00O0OO00CXXXXXXXX)OOCX
gesehen, weit weniger zitiert, wie überhaupt die geistig führenden
Türken für das rein Literarische wenig Sinn haben. Dazu sind
die Verhältnisse auch wirklich noch nicht angetan. Die Jungtürken
sind in derselben Lage wie seinerzeit das „Junge Deutschland", sie
sind politisch und kulturell reformatorisch gestimmt. Zum ästhetischen
Genuß fehlt ihnen die Ruhe^. Außerdem ist der Türke wie über-
haupt der Orientale weit davon entfernt, die abendländische Kunst
der seinigen überlegen zu finden. Was er vom Abendland lernen
will, ist wissenschaftliche Methode. So findet sich bezeichnender-
weise in dem Buche von Ahmed Schu'aib: IJajat we kitablar
{Leben und Bücher; igoi) nur eine Studie über einen französischen
Romandichter (Flaubert) neben drei über Philosophen und Gelehrte:
G. Monod, H. Taine, E. Lavisse.
IL Übersetzungen aus dem Englischen.
Aus diesem ist sehr viel weniger übersetzt. Ganz natürlich:
die Sprache war und ist kaum bekannt. Aber auch die Türken
haben sich der Anglisierung nicht ganz entziehen können. Hier
ist vor allem die Frauenbildung und überhaupt die Frauenfrage zu
nennen. Beide standen hauptsächlich unter angelsächsischem Ein-
fluß. Die türkischen Schriftstellerinnen haben ihre Bildung meist
auf einem englischen oder amerikanischem Mädchen-College emp-
fangen. Ich erinnere nur an die größte unter allen: Halide Edib.
Ferner scheint die Staatsumwälzung von 1908/oQ den Blick auf
England als das gelobte Land des Parlamentarismus gelenkt zu
haben. Dann kommt das im 20. Jahrhundert allmählich erwachende
Sportsinteresse in Betracht. Endlich führte die vor dem Weltkriege
ja allgemein verbreitete Überschätzung der englischen Flotte dazu,
England als Vorbild für die ersehnte neue türkische Seemacht
anzustaunen und nachzuahmen. Es ist bekannt, welch schwere
Enttäuschung die Türken mit der englischen Marinemission erlebt
haben! Dieses vierfache Interesse an England führte dann auch
zu einer zunehmenden Kenntnis der Sprache und Literatur, zumal
der letzten: denn Übersetzungen aus dem englischen Orginal sind
noch kaum anzutreffen. Hier spielte, wie auch bei Übersetzungen
aus dem Deutschen, das Französische den Vermittler.
^ Eine Ausnahme bildet allerdings die — leider viel zu zahlreiche — Gruppe der
Nurliteraten. Diese schwelgen in französischer Lyrik symbolistischer und dekadenter
Obserranz.
lO rH>' Wdt <le.^ hhnn.<. Hcniil H. I'HH, Hrff 1
•oooeoeooooo<»©oe«ooooooooooooooooooooc«oooooocwoooooocxxx)C)cxxxxxxxxxKX)ooooo
Im 10. Jahrhundert ist so gut wie nichts aus der englischen
Literatur übersetzt worden. Ich fand nur einmal erwähnt, daß
Namyq Kemal einiges aus Bacon übersetzt habe, und der viel-
gewandte Ahmed Midhat betätigte durch die Übertragung des
berühmten Räuberromans „The mysteries of Udolpho" (1794) der
Anne Radcliffe seine Vorliebe für Sensationsliteratur zweiten
Ranges, die ihn etwa in derselben Zeit zum Übersetzer Paul de
Kocks machte.
Im 20. Jahrhundert dagegen nimmt ein bedeutender, mit europäischem
Geistesleben tief vertrauter Mann als Übersetzer aus dem Englischen
eine hervorragende Stellung ein: der schon obengenannte 'Abdullah
Dschewdeti, der leidenschaftlich revolutionär gesinnte Leiter
der Zeitschrift „hUchtihad" (geb. 1 869). Daß er weniger aus literarischen
als aus politischen Beweggründen übersetzt, tritt in der Wahl der
Werke hervor. Byrons „Prisoner of Chillon", den er 1904 über-
trug (in Prosa), war für ihn vor allen Dingen die Verherrhchung
eines aus politischen Gründen Eingekerkerten. So wurde ihm die
Übersetzung zu einer Kampfschrift gegen Abdulhamid. Er selbst,
der oftmals ins Gefängnis Geworfene und Verbannte, fühlte sich
mit dem in Schloß Chillon schmachtenden Genfer Freiheitshelden
innerlich nahe verwandt. Auch als Shakespeare-Übersetzer kann
'Abdullah Dschewdet den Tyrannenfeind nicht verleugnen. Rs ist
gewiß nicht zufällig, daß er gerade „Hamlet", „Julius Caesar" und
„Macbeth" übersetzt hat. Gestalten wie Brutus und Macduff standen
seinem freiheitsdürstenden Herzen nahe, und bei dem Sturze der
Tyrannen Cäsar und Macbeth mag er wohl an den Tyrannen
Abdulhamid gedacht haben! Sollte nicht auch bei „Hamlet" es
besonders die Gestalt des schurkischen Königs Claudius gewesen
sein, die ihn zur Übersetzung reizte? Oder tue ich ihm unrecht,
wenn ich ihn nur als politisch orientierten Übersetzer betrachte?
Die ganz vor kurzem veröffentlichte Übertragung von „König Lear"
scheint dagegen zu sprechen. Jedenfalls aber steht das politische
Interesse bei diesem interessanten Freiheitsfanatiker obenan. Das
wird sich auch nachher bei der Besprechung seiner Übersetzungen
aus dem Deutschen und Italienischen zeigen. Ich habe mehrere
seiner Shakespeare-Übertragungen Wort für Wort mit dem Urtext
verglichen und bewunderte dabei die Treffsicherheit des Ausdrucks.
Er hat allerdings nur in ganz seltenen Fällen — z. B. beim Hamlet-
* Vgl. meinen Aufsatz „Abdiillah Dschewdet als Übersetzer" in ., Islamische Welt" Nr. 9.
H'irhhiwyiii. Tärlisrlie Uht-rniizinigeu au!<^ enropäii^chon TJterntureti. ii
aocoaciooooooooeooaoo90oo(xxxxxxxxiooooooooooooooooc)(X)oooc>oooooocxxx)oooooooooo<xxxx)oo(X3<^^
monolog- — die Verse des Originals als solche übertragen. Übrigens
hat er außer dem Urtext auch mehrere französische Übersetzungen
(Montegut, Fran9ois Hugo) zu Rate gezogen. Neben 'Abi^ullah
Dschewdet habe ich als Shakespeare-Übersetzer den Armenier
Bojadschijan und den Türken Sirri Bey ermitteln können.
Soweit ich sehe, sind bisher 9 Dramen Shakespeares übersetzt.
Damit ist natürlich nicht gesagt, daß nur diese 9 bekannt sind.
*Abd-ül haqq Hamid, der berühmteste Dramatiker der Türkei,
kennt Shakespeare sehr genau, wie sich aus vielfachen Anklängen
in seinen Werken ergibt. Auch eine Abhandlung von Müfid
Ratib „Shahspeann qadynlary'' (Sh. Frauengestalten) zeigt eine
reiche Kenntnis der Shakespearischen Welt. Dieser kleine Aufsatz
istübrigens durch die reichlich sentimentaleAuffassungderbehandelten
Gestalten — Portia, Ophelia, Cordelia und Julia — sehr bezeichnend
für die türkische Darstellung des Loses der Frauen. Ratib findet
nämlich, daß Shakespeares Mädchengestalten ein zu schweres Schicksal
auf ihren zarten Schultern tragen und fragt vorwurfsvoll, weshalb
der Dichter über die unschuldige Julia einen so grausamen Tod
verhänge? Isma' il Haqqi, der Verfasser der ziemlich wertlosen
Essay-Serie„Schriftstellerdes 14. Jahrhunderts" i(i895)zitiert allerdings
Shakespeare noch nach einer Prosawiedergabe von Luigi Portio.
Vor 1900 scheint also Shakespeare nicht einmal in französischen
Übersetzungen gelesen worden zu sein. An diese halten sich jetzt noch
die meisten türkischen Shakespeare-Leser, die übrigens immer zahl-
reicherzu werden scheinen. Man kann geradezu von ein er Shakespeare-
Mode sprechen. In der Tat entspricht Shakespeare mit seinen
Überschwenglichkeiten und seiner Sucht zu kühnen Vergleichen
dem türkischen Geschmack ganz außerordentlich. Zu einem flüchtigen
Überblick genügt ja auch vielen schon Victor Hugos Buch über
ihn. Es lohnte wirklich, einmal eine Untersuchung über den tief-
greifenden Einfluß des französischen Dichters auf die moderne
türkische Literatur zu schreiben. Es ist aber sehr zu wünschen, daß
die Türken sich allmählich daran gewöhnen, fremdes Geistesleben
nicht mehr ausschließlich durch die französische Brille zu betrachten!
Von sonstigen Übersetzungen aus dem Englischen (diesmal aus
dem Original) ist „Baber Chan", ein Roman von Florie Anne
Steel aus der Zeit des großen Mongolenfürsten zu nennen, eine
Übersetzung, die sowohl wegen des Stoffes wie wegen der Uber-
1 On dw'dündschi ^a.sryn wnhat^'irlen.
12 iHc Writ lies lalaitiK. Band 6. lUiH. Ihft 1
t»ceoeeooooooooece»cxxaoooooooooc)oooooooooooocxxxxxxaeoooooococxxx)ooc)ooo^^
setzerin bemerkenswert ist: diese ist nämlich die große Halide Edib.
In doppelter Hinsicht ist die Wahl dieses Werkes für sie bezeich-
nend: sie zeigt erstens die englische Bildung der Verfasserin und
zweitens ihre schwärmerische Begeisterung für die große zentral-
asiatische Vergangenheit des Mongolen tums, das ja die Turanisten ohne
weiteres mit Türkentum gleichzusetzen pflegen.
Endlich erwähne ich, daß „Robinson Crusoe" und „Gullivers
Reisen" den türkischen Kindern ebenso bekannt sind wie den
deutschen.
III. Übersetzungen aus dem Deutschen *.
Es ist für uns natürlich besonders fesselnd, einmal zusammen-
zustellen, was dem weder Deutsch noch sonst eine andere euro-
päische Sprache verstehenden Türken von den Schätzen deutschen
Schrifttums bisher durch Uersetzungen zugänglich geworden ist.
Viel ist es freilich nicht. Aktuelle Broschüren zum Weltkriege
u. ä. lasse ich dabei allerdings außer Betracht. Daß die Türken
vorläufig noch keine rechte Orientierung über die deutsche Literatur
haben, zeigt sich in folgender Liste der wichtigsten deutschen
Autoren in der angesehenen Zeitschrift ,,Türk Judu*' Nr. 5: Kant,
Hegel, Goethe, Heine, Niebuhr, Mommscn, E. v. Hartmaiin
und — Sudermann!^
Soweit ich sehe, ist der erste Deutsche, der von einem Türken
übersetzt wurde, Heinrich Heine. Münif Effardi hat um 1860
Heinesche Gedichte übertragen — allerdings nicht ins Türkische,
sondern ins Persische. Offenbar erschien dem Übersetzer seine
Muttersprache damals noch nicht elegant genug zur Wiedergabe
von Poesie! Ich verdanke diese Notiz dem hochinteressanten zwei-
bändigen Werk: „Stambul und das moderne Türkentum. Von
einem Osmanen". (Leipzig, Duncker und Humblot 1877, I, 174.)
Leider fand ich dort keine näheren Angaben über die Stelle, wo
diese Übersetzungen veröffentlicht, ja nicht einmal darüber, ob sie
überhaupt veröffentlicht wurden. In demselben Buche ist auch eine
Übersetzung von Schillers „Kabale und Liebe" von dem schon
mehrfach erwähnten Ahmed Midhat angeführt. Sie .soll .sogar
in den siebziger Jahren aufgeführt worden sein (a. a. O. I, 163).
^ Vgl. meinen Aufsatz: ,, Deutsches Geistesgut in türkiscliem Sprachgewaiul" in der Stutt-
garter „Lese" 1917, Nr. 38.
* Mordtmann.
Hachtnianii, Türkische Ibcrsetzyngcn aus eftropäisc/ini lAteratiireii. 13
tOaOBOeOOOO(XXX>OOOOOOOOOUO(XXXXaOOOOOOOOOOOOOOOOO(X3000CXXXXXX30<XXXX)OOCXXXX>JO(XXXX)OC<XXXXXXXXXX^^
Schiller ist auch sonst mehrfach übersetzt worden. Zu seinem
150. Geburtstagfe wurden Akte aus den „Räubern" und der „Jung-
frau von Orleans" von armenischen Schauspielern in türkischer
Sprache in Konstantinopel gespielt (Vossische Zeitung vom 25. ö. 14,
Morgenausgabe). 1896 hat 'Abdullah Dschewdet, der schon
oben besprochene Shakespeare-Übersetzer, eine Übersetzung des
„Wilhelm TeU" vei'öffentlicht, allerdings nicht nach dem deutschen
Urtext, sondern nach einer französischen Übertragung. Selbst der
Titel „Gijom Tel" zeigt noch die französische Form! Es ist kein
Wunder, daß Schiller die modernen Türken begeistert: die frei-
heitsatmende glänzende Rhetorik seiner Dramen mußte sie ebenso
berauschen wie diejenige V. Hugos. Um diese verwandte Wirkung-
Schillers zu erkennen, muß man die Vorrede *A. Dschewdets lesen,
die auch gesondert erschienen ist. (U. d. Titel: „Jld Emel" (Zwei
Wünschet 3. Auflage Konst. 1914.) Hier wird beständig auf V.
Hugo Bezug genommen. Literarisch Wichtiges enthält übrigens
dieses Manifest kaum: es ist im wesentlichen eine glühende Ver-
teidigung der Gedankenfreiheit und der Menschenrechte. Schon
oben bei der Besprechung Dschewdets als Shakespeare-Übersetzer
war betont worden, daß er weniger aus literarischen als aus poli-
tischen Gründen zum Übersetzer wurde: diese Vorrede ist der
schlagendste Beweis dafür. Seltsam, daß Dschewdet nicht auch den
,J)on Carlos" übersetzt hat. Die große Szene zwischen Marquis
Posa und Philipp 11. wäre gerade für ihn ein wundervoller Stoff!
Übrigens könnte er jetzt wohl auch aus dem Original übersetzen :
ich ersehe aus manchen Stellen seiner Briefe an mich, daß er
Deutsch lesen kann. Außerdem nehme ich an, daß ihm für seine
Prosaübertragungen von Schillers „Worte des Glaubens", „Die
Führer des Lebens", „Die Würde der Frauen", „Das Lied von der
Glocke" und „Sängers Abschied" (1913) keine französische Über-
setzung vorgelegen hat : er nennt wenigstens keine.
Während von Schiller immerhin vier größere Werke ganz oder
teilweise übersetzt sind, ist Goethe bisher nur mit drei vertreten:
„Werthers Leiden" von 'Ali Kjami, „Egmont" von Hassan Fehmi
(nach einer Mitteilung von W. Feldmann in einem Aufsatz über
den 1916 verstorbenen Dichter, „Berliner Tageblatt" vom 25. 2. 1916,
Morgenblatt; wohl nicht veröffentlicht?) und Szenen aus „Faust"'
^ Nachträglich entdeckte ich in dem Skizzensammelband „Bamazan baghtschesi" von
Ibn'Ömer Dschewdet (Konst. 1908) eine Übersetzung der Faust- Wagner-Szene „Vom
Eise befreit sind Ströme und Bäche".
14 Die Wi'li df.K Islams, Band 6. IBIS, Heft 1
orooeocioooooooeeoooooooooooooocxxxxxwooooooooooooooooocxxxxxxxxxxxjocMoooooocxxxxxxKxxxxxx^^
von Dr. 'Ali Bcj Hüseinzade, veröft entlicht in der Zeitschrift
„läschtihad" Nr. 24 u. 2Ö). (Vgl. auch den Aufsatz über die neueste
türkische Literatur von Fr. v. Kraelitz-(ireifen hörst, „öster-
reichische Rundschau" vom 15. März 1916.) Die Werther-Über-
setzung erschien zuerst als „Feuilleton" in der von 'Abdullah
Dschewdet geleiteten Zeitschrift „Idschtihad^'. In der Vorbemerkung,
datiert 5. Dezember 1913, teilt der Übersetzer mit, er habe seine
Übersetzung auf Grund einer französischen Übertragung schon
1896 vollendet und damals des Deutsehen kundige Freunde gebeten,
eine Übersetzung aus dem Original zu übernehmen: es habe aber
keiner den Mut gehabt. Ich habe die ersten Kapitel des türkischen
Werther, der übrigens 1914 auch in Buchform erschienen ist, mit
dem Urtext verglichen und eine ganze Reihe von Veränderungen
und Auslassungen festgestellt, die offenbar der französischen Vor-
lage zur Last fallen. Die Tatsache der Übersetzung von „Werther"
und „Faust" hat nichts besonders Auffallendes, und sie beweist im
Grunde französischen Einfluß: gerade als „l'auteur de Werther" und
als Stoffgeber zu Gounods „Marguerite" war ja Goethe in Frank-
reich besonders geschätzt. Eine neue Stütze meiner Behauptung,
daß die modernen Türken wesentlich aus politischen Gründen über-
setzen, ist dagegen die Übertragung von „Egmont". Ganz gewiß
hat Hassan Fehmi bei Philipp 11. ebensogut an 'Abd-ul Hamid
gedacht wie 'Abdullah Dschewdet bei Geßler !
Von Goetheschen Gedichten sind übersetzt: der „Erlkönig" u. d.
T. „Qyzyl Schahy'' von R. M. Fu'ad in der Zeitschrift ,,Türk Derneji"
Heft 7 und „Der Fischer" von Hassan Fehmi. W. Feldmann in
dem oben zitierten Aufsatz führt die Anfangszeilen dieses letzten an:
Qabardy jükselib sular scharil scharil.
An sonstigen türkischen Übersetzungen älterer deutscher Literatur
fand ich nur Platens Gedicht „Harmosan" und Freiligraths „Der
Blumen Rache" und „Ein kleiner Irrtum", Schwank von dem jetzt
längst verschollenen, einst aber höchst beliebten Louis Angel y
(1787 — 1835), übersetzt u. d. T.: „Blr kutschük selav'' von Mehmed
Tahir(i89o). Daß die türkischen Übersetzer überhaupt manchmal
auf ganz obskure Werke verfallen, zeigt auch die Übersetzung von
Leopold Kampfs Drama „Die große Nacht", übersetzt von Müfid
Ratib (nach einer Notiz in „New-sali-milli" 1914, S. 125). Derselbe
hat auch Sudermanns „Ehre" übersetzt (a. a. O.).
Damit komme ich zu Übersetzungen aus der modernen deutschen
Literatur. Schöne Literatur fehlt sonst vorläufig ganz. Nach einer
I/ar/dii^iiti. Tüihisii-hi' l' htTsetznnaeii mt» eurojnlisv.heu hiteraturen. 15
X<iO«O000OOOCXXMO0000CXXXXXM0000000O000OC3O00O00000000O00OO0OOCXXXXXXI0O0000O00OO0O0OOOCXXXXX)OCKX}ee)^^
Mitteilung- der „Deutschen Levantezeitung" vom 10. März 1917, S. 208
sollen demnächst W. Bloems „Eisernes Jahr" und R. Herzogs
„Wiskottens" übersetzt werden. Auch die Wahl dieser Werke
würde wieder einmal beweisen, daß die Türken nur aus praktischen
(rründen übersetzen: offenbar soll durch die beiden ebengenannten
Werke den türkischen Lesern der Militär- und Industriestaat
Deutschland interessant gemacht werden.
Daß das eigentlich literarische Interesse überhaupt gering ist,
beweist wiederum der schon oben angeführte Ahmed Schu'aib
mit seiner Essaysammlung „Hajat we kitablar". Hier sind von
Deutschen nur Niebuhr, Ranke und Mommsen vertreten. Leider
schließt sich Schu'aib ganz und gar an die aus Bewunderung und
antipreußischer Gereiztheit gemischte Darstellungs weise seiner fran-
zösischen Gewährsmänner an: das Militarismusgespenst spukt
schon hier!
Sehr beliebt scheint Ludwig Büchner. „Kraft und Stoff" ist
im ganzen und einzelnen mehrfach übersetzt, und Professor Mustafa
Nermi hat ihn in Nr. 1 der Zeitschrift „GendscJi Qaieinler" sogar in
einem Gedicht verherrlicht. Die Übersetzer Büchners, Beha Tewfiq
und Ahmed Nebil haben auch einiges aus Häckels „Monismus"
übersetzt. Nietzsche ist bisher noch nicht in türkischem Gewände
erschienen. Erwähnt wird er allerdings ziemlich oft. Daß aber
wirklich die modernen Türkinnen Kant und Nietzsche im Original
lesen, wie Pierre Loti in seinem „Desenchantees" behauptet, trifft
doch wohl nur in sehr seltenen x\usnahme fällen zu. Genannt wird
allerdings Kant g^ar nicht selten, aber das wiU nicht viel sagen.
„Le pays de Goethe, de Kant et de Beethoven" ist eine ganz ge-
läufige französische Phrase.
Alles in allem ist der bisherige Ertrag an türkischen Über-
setzungen aus dem Deutschen sehr gering. Man möchte die
Türken fast beneiden, wenn man sich vorstellt, welche geistigen
Kostbarkeiten ihnen noch unbekannt sind. Mögen sie sachkundige
Berater finden, die sie vor Minderwertigem bewahren!
IV. Übersetzungen aus anderen europäischen Literaturen.
Hier ist eine eingehendere zusammenhängende Betrachtung noch
nicht möglich, da das Material gar zu gering ist. Höchstens läßt
sich bei den Übersetzungen aus dem Italienischen: z. B. Silvio
Pellico: „Le mie prigioni" (Mahmud Ekrem) und V. Alfieri:
l6 />/« \Ve/f des Isla ms. Ii,ui<i li. I'JIH, Heft 1
••ooeMxxxxxxxMaQaootxxxiCJOOooooooooooooooociooooooaeoooooooooooooooooooooooooooooo
„Della Tirannide" (Abdullah Dschewdet) wieder der politisch-
revolutionäre Charakter der Stoffe feststellen.
Die slavischen Literaturen, zumal die russische, scheinen neuer-
dings in der Türkei starkes Interesse zu erregen: offenbar eine
Folge der bedeutenden literarischen Stellung vieler Nordtürken,
die als russische Untertanen natürlich an russischer Literatur ein
besonderes Interesse haben.
Die antiken Literaturen sind bisher fast ganz vernachlässigt
worden, doch scheint gerade jetzt eine Art „Humanismus" in der
Türkei aufzublühen. Mein Freund Ahmed Muhieddin in Leipzig
teilte mir kürzlich mit, daß ganz neuerdings das literarische Schlag-
wort .,Jeni-Junanylyq" (Neu-Griechentum) aufgetaucht sei. Der
Hauptvertreter dieser neuen Richtung sei Jahja Kemal. Wie mir
scheint, handelt es sich hier aber im wesentlichen um einen Ein-
fluß antikisierender französischer Lyriker wie Leconte de Lisle
und Henri de Regnier. Auffallend war mir schon vorher die
Vorliebe für antikisierende Motive im Buchschmuck: so weist z. B.
das vortreffliche politisch-literarische Jahrbuch: „New-snli-milli" 1914
als Randleisten lauter Motive antiker Vasenmalerei auf. Ich hoffe,
später darüber einmal genauer berichten zu können ; ^ orläufig fehlt
es mir noch an genügend zahlreichen Belegen.
Die nun folgende bibliographische Liste ist aus den verschieden-
artigsten Quellen gespeist: die besten Dienste leisteten mir die
Kataloge von Otto Harrassow^tz in Leipzig und der ausführliche
Kommentar von Süleiman Nazif zu dessen Ausgabe von 'Abd-
ül-haqq Hamids Briefen, wo sehr oft von europäischen Literaturen
die Rede ist. Was ich sonst in europäischen und türkischen Büchern,
Verlagslisten und Bücheranzeigen gefunden habe oder türkischen
Bekannten verdanke, mangelt leider meist der wünschenswerten
bibliographischen Genauigkeit. Aus türkischen Angaben über
Übersetzungen ist oft nicht zu ersehen, ob diese auch wirklich in
den Buchhandel gekommen sind. Ich habe sie trotzdem aufgenommen,
da mir daran lag, ein möglichst vollständiges Bild der türkischen
Geschmacksrichtungen auf literarischem Gebiete zu geben. Dafür
ist ja die Frage der Veröffentlichung belanglos. Auf vollständige
Mitteilung des von mir gesammelten Materials — das natürlich
seinerseits wegen der Schwierigkeit der Belegbeschaffung sehr
lückenhaft ist — habe ich bewußt verzichtet: ich führe — abgesehen
von der deutschen Literatur, wo sie mir als Pflicht erscheint —
nur solche W^erke an, die eine europäische Wirkung hatten oder
Harlitmaivi. Türkische Übt't'setzunc/t^n ans europäischen lÄteraturen. 17
0OOOeoe(XXX)CK>3OOOOOOO0O0OOOOOOOO00OOO0O<XXX)0OOOO0OOOO0OOO0O0OOO00OOOOOOOOOOOOOOCXX)OOO<XXXXX)^^
noch haben und zum geistigen Besitzstand des gebildeten Europäers
gehören 1. Die Liste soll einerseits einen XJberblick darüber gewähren ;
wieviel von diesem Besitzstand dem nur Türkisch verstehenden
Türken zugängüch ist — dabei ist freilich zu bedenken, daß gerade
diese meist zu wenig geistiges Interesse haben werden, um derartige
Übersetzungen überhaupt in die Hand zu nehmen, während die
geistiginteressierten sich lieber an die Originale oder deren französische
Übersetzungen halten werden ! — ; andererseits aber soU die Liste,
wie ich schon eingangs betont habe, dem europäischen Literatur-
historiker Material zur Feststellung europäischer Literaturwirkungen
in der Türkei liefern. Diesem Zwecke sollen auch die Anführungen
von türkischen Abhandlungen über Stoffe und Persönlichkeiten aus
europäischen Literaturen dienen.
EndUch hoffe ich, daß die Liste auch denen willkommen sein
wird, die sich mit türkischer Literatur beschäftigen : enthält sie
doch unter den Übersetzern viele der glänzendsten Namen des
modernen türkischen Schrifttums.
BIBLIOGRAPHISCHE ÜBERSICHT.
I. Übersetzung^en aus dem Französischen.
Bourget, P. : Einiges von Ahmed Ihsan.
Cahun, Leon : ..La Banniere Bleue" (Gök Sandschaq) ; von N e d s c h i b *A s y m. Konst. 1 9 1 2.
— „Eski '^Osmanlylar: Jenitscheri Hasan" von Mehmed Sübhi. Konst. 1912,
Chateaubriand: „Atala" von Mahmud Ekrem. Konst. 1878.
— „Rene" von Mehmed Dschelal. Konst. 1895.
Coppee, A. : Einiges von Halid Zija.
Daudet, A. : Einiges von Ahmed Ihsan.
Dumas, Alexandre (Vater): „Le Comte de Monte-Christo" Konst. 1871.
Dumas, Alexandre (Sohn): „La Dame aux Camelias" von Ahmed Midhat.
— „Le Roman d'une Femme" (Bir qadynyn hikajesi). Konst. 1883.
— „Antonine" von Ahmed Midhat. Konst. 1883.
renelon: „Telemaque" von Mysrly Jusuf Kemal Pascha, Ahmed Wefiq Pascha,
Zija Pascha.
— „Aristonous" von Reschad. Konst. 1890.
— • Aussprüche aus „Telemaque" (Dschümeli-hikmijje-i Tdemaq) von Jussuf Kamil
Pascha. Konst. 1893.
Peuillet, O.: „La Veuve" (I>ul qadyn) von Ahmed 'Ata. Konst. 1885.
— „Honneur d'Artiste" (San'-atkjar namusu) von Ahmed Midhat. Konst. 1892.
^ In wenigen Fällen habe ich allerdings auch Übersetzungen von weniger bekannten euro-
päischen Autoren angeführt, wenn sie mir um des Stoffes oder um des Übersetzers
willen bemerkenswert erschienen.
Die Welt des Islams. Band 6. 2
l8 />'> J^V/ <les lsl,unf. IhindH. 1918, lieft 1
c>oeoeoooooooooeoe«ooooooooooooooooooooooooooo(xooooooooooooooooooooooo<xxxxxx)0(xxxxxxx^
"FTngn, Victor: Einiges von Ferlew Pascha und Ibrahim Schinassi (1859).
— iiLes Miserables" (SefiUer) von Scheins Sami, Hazan Bedreddin, 'Awanzadc
Süleiman.
— „Naghamati qalb" (Gedichte V. Hugos und anderer) von Seh. Mazhar. Konst. 1887.
— „V. Hugonun bir mdctubu" (ein Brief Hugos an den Verleger der italienischen
Übersetzung von „Les Miserables) von Süleiman Nazi f. Bnissa 1890.
Kock, P. de: .,L'Amant de la Lune'" (Qamara '^aschiq) von Ahmed Midhat. Konst. 1890.
- „Le Pantalon Rouge." (?)
Lafontaine, Jean de: Einiges von Zija Pascha u. Ahmed Midhat. (Konst. 1861.)
Lamartine: Einiges von J. Schinassi (1859) von Mustafa Nermi u. a.
— „Graziella" (zitiert von *Ali Kemal in „Sorbonne dnriUfnunundd edebijjat-i-hayi -
qijjc derslen" 19 14, S. 151).
Le Bon, Gustave : „Lois Psychologiques de l'Evolution des Peuples*' ( Ruh-iU-afj[wäm)
von 'Abdullah Dschewdet. Um 1910.
— „Psychologie des Foules"^JSwÄ-Mi-dscÄe»na'(2<) von KöpriilüzadeMehmed Fu'ad.
Konst. 1909.
Maupassant: „Bei- Ami" von Müfid Ratib.
— Einiges von Halid Zija.
Mendes, Catulle: Einiges von Halid Zija.
Moliere: „Tartuffe" von Zija Pascha (1825 — 1881). Neuausgabe. Konst. 1888.
— Bearbeitungen mehrerer Lustspiele mit Anpassung an türkische Verhältnisse ron
Ahmed Wefiq Pascha 1871/72. (Vgl. dazu die Einleitung von M. Hartmann
zu Harrassowitz, Katalog 377, S. 3.)
— „Le Misanthrope"
— „L'Avare"
— „Le Depit amoureux"
— „George Dandin" (zweimal)
— „Le Malade Imaginaire"
'. — nLes Femmes Savantes"
— „L'Ecole des Femmes"
— „L'Ecole des Maris"
— „L'Amour Medecin"
— „Le Tartuffe"
— „Don Juan"
— „Le Mariage Force"
— „Le Medecin volant" (zweimal)
Montesquieu: Einiges von Namyq Kemal.
Murger, Henri : „La vie de Boheme" als Operntext in „Resimli Ghazete". Frühling 1 899.
Napoleon I: („Napoleon Bonapartenin tnüzekkerdeHnd^n müstahradsch olan
zewabyti-harbijje") (Regeln der Kriegsführung, den Memoiren Napoleons ent-
nommen.) Anonym. Konst. 1838.
Ohnet, Georges: „Volonte (MeramJ von Fatmc 'Alijje Hanym.
— „Le Maitre de Forges." (Um 1890.)
— ))Les Dames de Croix-Mort."
— „La Comtesse Sarah." (Um 1890.I
Picard: ,.L'Oncle et \e T^^eveu^^ (Dajy ilejejen) von,Weli Bej Bolland. Konst. 1889.
Pr6vost d'Exiles: „Manon Lescaul". Anonym 1899 in Lieferungen. Vgl. Hüsein
Dschahid: „Ghawghalarym" (1910), S. 290.
Sämtlich anonym und ohne Jahr
(vermutlich 70er Jahre?).
Hachimutin, Tüik/sr/ie U btrstizuiujen (tus earofxiu^cheu L'deitUureu. ig
Prevost, Marcel: „Nouvelles Letlres de Femmes'' (Jeni qadyn mektublary von 'Ali
Kemal. Konst. 1914.
— .,Les Confessions d'un Amant" von *Ali Kemal.
Prudhomme, SuUy: „Zwei patriotische Gedichte" in ,,Batarja ile atesch" von Süleiman
Nazif. Konst. 1917.
Racine, Jean: Einiges von J. Schinassi 1859.
Rousseau, Jean-Jacques: „Emile'- von Zija Pascha.
— Einiges von Namyq Kemal.
Seignobos: „Histoire de l'Europe Contemporaine'' (Tarih-i-'-asri huzyi-). 3 Bände.
Bd. I von 'Ali Kemal und '.\li Reschad, Bd. 2 und 3 von 'Ali Reschad.
— „Histoire de la civilisation contemporaine" von Ahmed Refiq.
Sorel, Albert: Questions d'Orient (Scharq Mes'deri).
Sue, Eugene: „Les Mysteres de Paris" von Halil Edib Bej.
Thierry, A. : „Attila" von Mahmud Ekrem. 4. Auflage. Konst. 1872.
Veme, Jules: 24 Werke von ihm von Ahmed Ihsan.
Voltaire: „Entretiens et Dialogues Philosophiques" von Münif Effendi. (Um 1860.)
(Vgl. „Stambul und das moderne Türkentum. Von einem Osmanen." Duncker
und Humblot, Leipzig 1877, I, I75-)
Zola, E. : Einiges von Halid Zija.
— „Nana", ,,Argent", „Pot-Bouille- (Übersetzer?)
Anthologien.
Frannyz edehijjati, Nümune we tarihi von Halid Zija.
Edebijjati gharbiijeden bir nebze: zusammengestellt und übersetzt von Ahmed Rasira.
Konst. 1887.
Müntehabati teradschimi meschakir (Sammlung berühmter türkischer Übersetzungen mit
den gegenüberstehenden französischen Originalen ; herausgegeben von Isma'il Haqqi
und Ibrahim Fehmi. Konst. 1891). Enthält u. a. Stücke aus Rousseau:
„La Nouvelle Heloise" von Münif Pascha, Pertew Pascha und Ebüzzija
Tewfiq; Lamartine von Mahmud Ekrem; Chateaubriand von Mahmud
Ekrem; A. de Musset von Nigjar Hanym; Alex. Dumas fils von Ahmed
Midhat; V. Hugo von Pertew Pascha.
Abhandlungen über einzelne französische Autoren.
Buffon: Anonyme Biographie in der Sammlung: Bibliothek Ebü'zzija Tewtiq. (Konst.
1889- 1895.) Nr. 85.
Chamfort, N. : Anonyme Biographie, ebenda Nr. 64.
Plaubert, G.: in „Hajat we kitablar" (Leben und Bücher) von Ahmed Schu*aib.
Konst. 1901.
Hugo, Victor: Von Mu'allim Nadschi und Beschir Fu'ad u. d. T.: „Intiqod"
(Kritik): ihr Briefwechsel über V. Hugo. Konst. 1888.
Iiavisse, Ernest : in „Hajat we kitablar". S. o. !
Miehelet: Von Ahmed Refiq in der Zeitschrift „Je7ii MedschmuW, Nr, 12.
Monod, G. : In „Hajat we kitablar". S. o. !
Taine, H.: Ebenda.
20 l'i'' ^Velt des /4'n,is, Band 6. liHö, Heft 1
e<xx]eoc>oooceoocioe«oooooooooooooooooooooooooooo(xxx30oooooo(xxxxxxxxxxxx>oc)oooo^
II. Übersetzung^en aus dem Englischen
(einschließlich amerikanischer Autoren).
Bacon : Einiges von Namyq Kemal.
Byron: „The Prisoner of Chillon" (Chitton Mahbusu) von 'Abdullah Üschewdet.
Genf 1904.
Defoe: „Robinson Crusoe". Nach der Iranzösischen Übersetzung wörtlich übertragen
von Sehe ms Samy. Konst. 1884.
Franklin, ß.: „Tariq-i-refah" (Der Weg zum Reichtum;. Gedanken aus den Werken
B. Franklins. Serajewo 1910.
Jerome, J. Klapka: „Diary of a Pilgrimage" (Bir syahat jurnaly) von Mustafa
Kemal. Konst. 1909.
BadclifiTe, Anne: „The mysteries of Udolpho" (1794) (Udolf hissary) von Ahmed
Midhat. Konst. 1891.
Shakespeare: Einiges von Wefiq Pascha.
— „Hamlet" von 'Abdullah Dschev*rdet. Kairo 1908.
— „Julius Caesar" von demselben. Kairo 1908.
— „Macbeth" von demselben. Kairo 1909.
— „King Lear" von demselben. Konst. 1917. (Nr. 28 der „Kiitühhatie-i-
Idschtilmd").
— „Romeo and Juliet" von demselben (in der Zeitschrift „Schahbal").
— Dasselbe: Als Erzählung bearbeitet von M. Bojadschijan.
— „Antony and Cleopatra" von 'Abdullah Dschewdet (druckfertiges Manuskript).
— „Othello" von M. Bojadschijan. Konst. 1912.
— — von Hasan Bedreddin und Rif'at (in der Sammlung „Z'emascÄa"). Konst.
1878—1887. Bd. 2.
— „The Merchant of Venice" von J [türk. Buchstabe Je]. (Nach brieflicher Mitteilung
von Herrn 'Abdullah Dschewdet war der Übersetzer deutschen Ursprungs und Lehrer
des Deutschen an der Konstantinopler Kriegsschule: Hasan Tahir Bej?)
— Dasselbe: von Sirri Bej (Hamids „Briefe", S. 22 Anm.).
— -.iThe Winter's Tale"; in einen Roman umgewandelt. (Vgl. R. Hörn: Die Tür-
kische Moderne", S. 9.)
— „A Comedy of Errors" von Sirri Bej (Hamids ,, Briefe" S. 22 Anra.).
Steel, Flora Annie: „Baber" von Halide Edib (Türk Jurdu 1916/17).
Swift, J.: „GuUiver's Travels". Daraus: „Im Lande der Riesen" (Diwler metnleketinde)
in „Tschoduchuq Dünjasy Kitahlary" (Bücher der , .Kinderwelt" [Zeitschrift]).
Wilde, Oscar: „Salome" (Tanzszene daraus) von Halide Edib im „Tanin".
Young, A.: ,, Night Thoughts" (Gedschder senuhati) von Ohannes Aramjan, mit
armenischen Lettern in Venedig gedruckt. Von der früheren türkischen Regierung
auf den Index gesetzt. (Vgl. 'Abdullah Dschewdets Vorrede zu seiner Tellübersetzung
„Iki Emd". S. 12 Anm.)
Abhandlungen usw.
Franklin, B.: Anonyme Biographie iu der Bibliothek Ebü'zzija Tewfiq, Nr. 84.
Shakespeare: „Shakespearin Qadynlary" (Shakespeares Fraueugestalten) von Müfid
Ratib {„New-sali-miüi"', S. 136 fr.).
Gedicht auf Shakespeare von 'Abdullah Dschewdet, ins Englische übersetzt
von E. W. Gibb (im Besitz des Herrn Riza Tewfiq-Konstantinopel). Vierzeilei
llaclitintum, Türkischp l ' In i-.ii'lz'tion // ans i uropäi^clun Llteratttroi. 21
€)oeoaococxxxxx>oee<ooixxxxx>oocxxxxooooooooooocioooooeoooooooocwxx)ooo^^
aut Ophelia, Macbeth u. a. in „Les Quatrains Mandits et les Reves Orphelins''
(Verlag „La Plume", Paris 1912); von demselben.
Shakespeare: Hugo, Frangois, Abhandlung über die ,, Eifersüchtigen" in Shakespeares
Dramen von Nadir. Konst. o. J.
III. Übersetzungen aus dem Deutschen.
Angely, L. : .,Ein kleiner Irrtum" (Lustspiel) (,,Bir kütschük sehio") von Mehmed
Tahir. Konst. 1890.
Büchner, L.: ,, Kraft und Stoff" (Madde tce quimvet) von Beha Tewfiq und Ahmed
Nebil. 3 Bände. Konst. o. J.
— Drei Kapitel aus „Kraft und Stoff" (u. d. T. „Fenni ruh" von 'Abd. D scheidet.
Konst. 191 1. Idschtihad-Bibliothek Nr. 25.
Preiügrath: „Der Blumen Rache" (Gedicht) in der Zeitschrift „Büjük Duj'gu".
Friedrich der Große: Aussprüche von ihm, gesammelt von Brussaly Mehmed Tahir
ibn Rif'at. Konst. 1887. (Vergriffen.)
Goethe: „Faust" (einige Monologe daraus) von 'Ali Bej Hüsseinz ade (veröffentlicht
in der Zeilschrift „Idschtihad" Nr. 24 u. 26.
— Szene Faust-Wagner: „Vom Eise befreit sind Ströme und Bäche" von Iba'Ömer
Dschewdet in der Artikelsammlung : „Ramazan baghtschesi" ■ Konst. 1892.
— ,,Die Leiden des jungen Werther" von *Ali Kjamy. Konst. 19 14.
— „Egmont" von Hassan Fehmi.
— „Der Fischer" von demselben.
— „Der Erlkönig" (Qyzyl ScMhy) von R. M. Fu'ad in der Zeitschr. „Türk
denieji", Heft 7.
Haeckel, E. : „Monismus" (Wahdeti meivdschud) von BehaTewfiq und Ahmed Nebil.
Konst. 191 1.
„Humor in der Schule" (Mektebe müte'aüyq lataHfJ aus dem Deutschen übersetzt.
(Harr. Katal. Nr. 18. 4949.) i. Teil Konst. 1892.
Kamp^ Leopold: „Die große Nacht", (?) Drama (Büjük Gedsche) von Müfid Rat ib.
(Vgl. „New sali niiüi" 1330, S. 125).
Platen, Graf: „Harmosan" von Ra'if Fu'ad in der Zeitschrift „Tü/rk Demeji", Heft 3.
Schiller: Einiges von Ahmed Wefiq (vgl. Tury in „MÜH tetebbüHer" 1915, S. 224).
— „Kabale und Liebe" von Ahmed Midhat (vgl. „Stambul und das moderne
Türkentum" I, 163).
— Akte aus den „Räubern" und der , Jungfrau von Orleans" (Vossische Zeitung vom
25. 6. 14, Morgenausgabe). 1909?
— „Wilhelm Teil" (Gijom Td) von 'Abdullah Dschewdet. Konst. 1326.
— „Die Worte des Glaubens von Abdullah Dschewdet. („Idschtihad" vom
5. Dezember 1329.)
— „Die Führer des Lebens" von demselben, ebenda.
— ,, Würde der Frauen" von demselben, ebenda.
— ,, Sängers Abschied" von demselben, ebenda.
— „Lied von der Glocke" von demselben. Ort? („Bügi Med seh mu'asi" oder „Idsch-
tihad" ?)
Schmidt, Christoph von: Mehrere seiner Erzählungen (vgl. Th. Wenzel in „Der Islam"
1914, S. 223.
Sudermann, H. : „Die Ehre" von Müfid Ratib {\gl. „New sali miüi" 19 14, S. 125).
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»«K>o»oeeocee ti cM ) o o «cwocwooooooooooooooooooooooooooooocpooooo(xxxxxxxxxaecic<xxx>0(>jooow
Abhandlungen usw.
deutsche Liiteraturgeechichte" (AUinian Tanhi edehijjati) von Halid Zija. (Nach
dessen Vorlesunj^ an der Kunst. Universität lierausgegeben von Sa*di Effendi.)
(Lithographie; nicht im Buchhandel.)
Büchner, L. : In der Zeitschrift „Oendsch Q<Uemler", ein Gedicht auf ihn von Mustafa
Nernii. (Vgl. M. Harlraann: Aus der neueren Osmanischen Dichtung 1, unter
„Quellen" Nr. i. M. S. O. S. 1916.J
Friedrich der Große: Aufsatz über ihn (Ernest Lavissi ive Büjük Frederiq) von
Ahmed Schu'aib in seiner Essaysammlung „Hajat we kitnblar". Konst. 1901,
2. Aufl. Konst. 1913.
Kant, }.: Aufsatz von M. Rahini in „Türk Jurdu'% Nr. 134.
Mommsen, Th.: Aufsatz von Ahmed Schu'aib in .,Hajat we kitablar". (S. o.i)
Niebuhr, B. : Aufsatz von demselben, ebenda.
Ranke, L. v.: Aufsatz von demselben, ebenda.
Schopenhauer : Abhandlung von AhmedMidhat (Schopenhaurin hikmet'i-dschedidesi).
Konst. 1888. (Streitschr. gegen Sch.I)
Treitschke, 11. v.: Aufsatz von Ahmed Refiq in der Zeitschrift „Jeni Medschmu'a".
(Als erstes Stück einer Reihe .,Die deutschen Historiker". [Nach deutschen und
französischen Quellen.])
IV. Aus andern europäischen Literaturen.
I. Antike Sprachen.
a) Griechisch.
Herodot: (Aus dem 4. Buch) „Siüer" (Die Skythen) von Nedschib 'Asym. Konst. 1894.
— Einiges von Midhat Pascha (vgl. Stambul und das moderne Türkentum, von
einem üsmanen'". Leipzig, Duncker und Humblot. Neue Folge. 1878, S. 88.)
Homer: P. Hörn in seiner „Türkischen Moderne" S. 9 erwähnt Übersetzungen aus
Homer. Wo? Von wem?
Xenophon: ,,Cyropädie" (Choxretmiame) von AhmedMidhat. Konst. 1886. (Vergriffen.)
Abhandlungen usw.
Griechische Sagen (Essatiri jünanijan) von MehmeVl Tewfiq Pascha, General-
major und Inspektor des Militärschulwesens. 1914- (In „Türk Judu", Nr. 69 als
erstes Werk dieser Art bezeichnet.)
Aesop: Biographie in der Sammlung: Bibliothek ,,EbÜE-zija Tewfiq", Konst. 1889, Nr. 90.
Einige äsopische Fabeln von Ahmed Midhat übersetzt.
b) Lateinisch.
Cornelius Nepos: Aus den „Vitae" (McHchhu) qumandanlaryn terdtchüme-i-ahwdli)
von Mehmed Tahir. Konst. 1888.
a. Russische Literatur.
Gorki, Maxim: „Mutter" (Ana) in „Roman Kütübhanesi" , Nr. 12 u. 13. Übersetzer
nicht genannt. Hilal-Druckerei, Verlag von Ibrahim Hilmi.
Puschkin: „Das Kartenspiel" (Kjad ojnnu), [Erzählung] von O. Gülnar (de Lebedeff).
Konst. 1893.
Hachhvann, Türkische l'hersetznncfev aus europäischen JÄleratriren. 23
e<)<»eooccxx)oooeoo>ooooo(»oooooooo(xxToooooooo(»(»xaeoooooooooooooooooooooooooooooocxxxcxxxxyxxxx
Tolstoi, L.: „Philosophie des Lebens" (Fetsefe-i-hajat) von Ahmed Midhat Refatoff.
Konst. 19 14.
— „Vom Tode" (Olüm bßhsi) Ton demselben. Konst. 19 14.
— „Anna Karenina"'. 4 Bände in „Rotnan Kiitübhanesi" . (S. oben unter „Gorki").
Abhandlungen usw.
Russische Literatur (Rus edthüjati) von Olga Gülnar (De Lebedeff). Konst. 1895.
3. Polnische Literatur.
Sienkiewiez: „Quo Vadis?". 3 Bände in „Roman Kütübhanesi" 3 — 5. Hilal-Druckerei,
Verlag von Ibrahim Hilmi.
4. Italienische Literatur.
Alfieri: „Del Principe e delle Lettere" (Herrscher und Literatur) von 'Abdullah Dschewdet
(Idschtihad-Bibliothek.)
— „Della Tirannide" (Über Tyrannenherrschaft) von demselben, ebenda. Genf 1 90 1
und Kairo 1909.
Goldoni: Um 1750 ein Goldonisches Lustspiel ins Türkische übersetzt und in der
Wiener Botschaft aufgeführt. (Jonrnal asiatique?).
Pellico, Silvio: „Le mie prigioni" (Meine Gefängnisse) von Mahmud Ekrem 1. (Ein-
ziger) Band. Konst. 1875. (Vergriffen.)
5. Holländisch.
Dozy, R.: „Het islamisme" (Tarihi isla-mijje) von 'Abdullah Dschewdet. 2 Bände.
Kairo 1908. (Nach der franz. Übersetzung!)
6. Dänisch.
Andersens Märchen von Ruschen F, schref für die Kinderzritschrift „TaJUhi defteri".
(Noch nicht veröffentlicht.)
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LITERATUR.
Die Presse Syriens.
Ohne Zweifel ist in der Geschichte der Presse Syriens ein großer Rückschritt zu Ter-
icichnen. Das Bild, das ich mir aus Erkundigungen bei den Einheimischen über den
Stand der Presse vor dem Kriege notdürftig zusammengestellt habe', hat sich seit 1914
wesentlich verändert. In Ho ms, wo vor dem Kriege zwei Zeitungen und die Zeitschrift
.>\l-'Aris erschienen, ist jetzt die Presse vollständig eingeschlafen. Beirut zählte im
Jahre 1909/10 7 Tageszeitungen und 8 Wochenschriften *, von denen jetzt noch drei be-
stehen. Christliche Blätter — es waren damals acht in Beirut und vier im Libanon —
erscheinen heute weder in Beirut noch im Libanon.
Eingegangen sind ferner sämtliche Zeitschriften, wie z. B. an-Nubräs, al-Muntaqid und
vor allem al-Masriq. In ähnlichem Grade ist in Aleppo und Damaskus der Rückschritt
fühlbar; so stellte in Aleppo die Zeitung as-Sabbä, in Damaskus die Zeitschrift an-Nafa'is
ihr Erscheinen ein. — Die Ursachen für diesen allgemeinen, augenfälligen Rückgang sind
zunächst Erscheinungsverbote seitens der Regierung bzw. Militärverwaltung, dann aber
auch der immer wachsende Papiermangeis.
Die Auflagen der einzelnen Blätter sind sehr gering. Einmal ist die Nachfrage nach
ihnen nicht sehr groß, wenn z. B. in einer Stadt von 62 000 Einwohnern, wie Beirut
(Delil Beirut S. 182), fünf Tageszeitungen mit einer Gesamtauflage von 6000 — 7000 Blatt
erscheinen*. Dazu kommen die schwierigen Bedingungen der Herstellung: Papiermangel
und meist Druckpressen mit Handbetrieb. Der Versand in die Provinz ist belanglos,
außer bei den Damaszener Zeitungen al-Muqtabas und as-Sarq. — Die Blätter enthalten
außer lokalen Mitteilungen im allgemeinen nur die politischen Nachrichten nach Wolf und
Osmänly Azans Milli. Aufsätze, die ernstlich auf den Namen „Leitartikel" Anspruch er-
beben können, sind sehr selten. Unbedeutend ist auch der Anzeigenteil, der fast nie
eine halbe Spalte übersteigt.
Aleppo.
Auf der Straße werden hauptsächlich die Konstantinoplcr Zeitungen (türkische,
firanzösische, deutsche, griechische) angeboten, ferner die beiden Damaszener Blätter al-
Muqtabas und as-Sarq. Die beiden einheimischen Blätter haben eine ganz geringe Auf-
lage und werden in der Wiläjet malba'asy, deren Maschinen nur Handantrieb haben,
hergestellt .
1 Die mir von verschiedenen Seiten bestätigten Angaben verdanke ich namentlich Herrn
Abdul-Qädir Muhammed, dem Sohne des noch zu erwähnenden Muhammed b. at-Tuhäml
Satta al-Gazä'iri, in Damaskus.
• Delll Beirat we-teqwim al-iqbäl li-sene 1327 hegrijje von *Abd al-Bäsit al-Unsi S. 123/4
und 188.
• Z. B. erschien as-Sarq (Damaskus) im Juli 1917 noch im Umfange von 4 Seiten, während
er heute beim gleichen Formate nur noch 2 Seiten hat. Das Blatt al-lhä' 'al-Otmäni
(Beirut) druckt auf altes am Rande vergilbtes Papier, einmal größeres, einmal kleineres
Format, wie es gerade da ist.
• Vgl. dazu, daß bei uns in einer Großstadt von etwa 350000 Einwohnern, wie Düssel-
dorf, nur vier Tageszeitungen mit einer Gesamtauflage von etwa 220000 Blatt existieren.
JAUndin-. 25
oof<)eoeoo(xxx)oeoo«oooooooooooooooooooaooooooooooooeoooooooocxxxx)ocxxx)ooooooooocxxxxxx)OOOoc^^
1. ar-Ra*j al-'ämir. 8. Jahrg. Besitzer mid Schriftleiter Tahe al-Mudawwer. Erscheint
jeden Morgen in arabischer und türkischer Sprache. 2 Seiten stark (gr.2°)i. Bezugspreis
jährlich 125 Piaster, halbjährlich 85 Piaster, das einzelne Blatt i Metalik.
2. Fürst. Amtsblatt des Wilajets. 48. Jahrg. (nach dem arab. Text 47. Jahrg.). Erscheint
jeden Donnerstag türkisch und arabisch, 4 Seiten stark, kl. 2°. Bezugspreis: jährlich I \.'j,
halbjährlich i Medschidijje. — Das Blatt enthält nur Gesetze. Verordnungen und Nach-
richten aus dem \Yilajet.
Damaskus.
a) Zeitungen (in arabischer Sprache).
1. al-Muqlabas. Tageszeitung für Politik, Wirtschafts- und soziale Fragen. Ohne Angabe
des Jahrgangs; mir liegt vor Nr. 2451 vom 15. Nov. 1917. Herausgeber ist Ahmed Kürd 'Ali.
Erscheint täglich außer Freitags, 2 Seiten stark, gr.2°. Bezugspreis für Damaskus jährlich 4,
halbjährlich 2 Medschidijje, für die Türkei jährlich i Ltque, für das Ausland 25 Frcs.
2. as-Sarq. Tageszeitung für Politik, Literatur imd Wirtschaftsfragen, begründet 1334
(1916), 2. Jahrg. Besitzer: Halil al-Ejjubi al-Ansärl. Hauptschriftleiter: J. Zija Köher. Ver-
antwortlicher Schriftleiter: Muhammed Tag ad-din al-Husni. Erscheint täglich 2 Seiten stark,
gr.2'^. Bezugspreis: jährlich lOO Piaster, halbjährlich 60 Piaster. Die einzelne Nummer loPara.
3. al-Ahbär (türk. Titel: Istihbärät). Mir liegt vor Nr. 5 vom 15. Nov. 191 7. Heraus-
gegeben von der Leitung des deutschen Nachrichtensaales. Erscheint täglich arabisch und
türkisch, 2 Seiten stark, kl. 2°. Bezugspreis: monatlich 25 Piaster, Einzelnummer i Piaster. —
Enthält nur die amtlichen Kriegsberichte und Mitteilungen der „Osmanly Azans Milli".
4. Sürijja. Amtsblatt des Wilajets. 52. Jahrg. Die Schrittleitung liegt in den Händen
einer Kommission. Gründungsjahr 1282. Erscheint wöchentlich einmal in türkischer und
arabischer Sprache. 8 Seiten stark, kl. 2°. Bringt im türkischen und arabischen Teil meist
verschiedene Artikel, was bei den anderen zweisprachigen Blättern nicht üblich ist. Für
Damaskus jährlich 100 Piaster. ,\nzeigen die Zeile 5 Piaster.
5. Abäbil. 10. Jahrg. Besitzer und Hauptschriftleiter ist Husein Muh! ad-Din Gebbäl,
dem * . al-Biläni zur Seite steht. Erscheint wöchentlich einmal, 4 Seiten stark, kl. 2°.
Bezugspreis: 120 Piaster, für das Ausland 30 Frcs.
6. al-Ittihäd al-isläml. Zeitung für Politik, Literatur, Wissenschaft, Handel und
Witz. Dient dem Islam und dem Osmanentum. 6. Jahrg. Besitzer und Schriftleiter:
Muhammed b. at-TuhämJ satta al-Gazä'iri*. Erscheint jeden Montag, 2 Seiten stark. gT.2°.
Für Damaskus 4, für die Türkei 5 Medschidijje. Einzelnummer ein Metalik'.
b) Zeitschriften.
al-Muqtabas*. Zeitschrift für Erziehung und Unterricht, Soziologie und Wirtschaft,
Literatur, Geschichte, Altertumskunde (ätär) und Sprache, über Wohnungs- und sanitäre
1 Mit gr.2° bezeichne ich das Format derjenigen Blätter, die ungetähr der Größe des
Berliner Tageblattes oder der Vossischen Zeitung entsprechen, mit kl. 2° diejenigen,
deren Format wesentlich kleiner ist.
2 Derselbe beabsichtigt eine Monatsschrift herauszugeben. Da ihm jetzt durch deutsche
Vermittlung gelungen ist, sich das nötige Papier zu beschaffen, wird das erste Heft bald
aus der Presse hervorgehen. (Mai 1918 noch nicht erschienen.)
3 Die Zeitungen Nr. i und 2 werden in der Matba'at as-Sarq gedruckt, Nr. 5 und 6 in
der Matba'at at-taraqqi. Beide Druckereien haben Motorantrieb.
^ Zurzeit die einzigste in ganz Syrien, die bei uns eine größere Beachtung verdiente.
Ich nenne nur zwei längere Arbeiten: Muhammed Riza as-SebibI, al- Baizara wa-kitäb
2') />;> \Vf/i (ly.< /.</,, ms. Hnuil H. i'JlH, tieft 1
f«or)«occoexMoe»aa*oocxx)ixxMocx>ooooocxxxxxxxxxxxxxxxxi<xxxKxx^^
Fragen, übet Bücher, über den Orient und Okzident. (). Jahrg. Herausgegeben von
Muhammcd Kürd 'All. Erscheint monatlich im Umfange von etwa loo Seiten (Format 8°).
Bt'/.ugspreis für Daraaskui. und die Türkei i Ltque. für das Ausland 25 Frcs.
Beirut.
Auf den Straßen werden außer den einheimischen Blättern die beiden in französischer
Sprache geschriebenen Konstantinopeler Zeitungen Lloyd ottoman und Hilal verkauft.
Die Auflagen der beiden Zeitungen: Beirat und al-Iqbäl betragen je 2000, die der anderen
je Ooo — 800 Stück. — Es bestehen 5 Zeitungen.
a) In arabischer Sprache.
1. Beirut. Tageblatt des Wilajets für innere und auswärtige y\ngelegenheiten, Politik,
Sozial- und Wirlschaftsfragen, Gesetze und Verordnungen, amtliche Bekanntmachungen,
Anzeigen. 31. Jahrg. Schriftleiter ist der Verwalter der Wiläjet matba'asy. Erscheint
täglich in türkischer und arabischer Sprache. 4 Seiten stark, gr.2°, meist auf ein-
seilig gefärbtem graugrünem Glanzpapier. Bezugspreis: jährlich 3, halbjährlich 2 Medschidijje.
Bei Anzeigen kostet die Zeile 3 Piaster. Das Blatt nimmt auch populär-wissenschaftliche
Abhandlungen an, wie ausdrücklich auf dem Titelkopf bemerkt wird.
2. al-Iqbäl, begründet am i. Muharram 1320 d. H. 17. Jahrg. Besitzer und
Herausgeber ist 'Abd al-Bäsit al-Unsi. Erscheint täglich außer Freitags, 2 Seiten stark,
gr.2°, auf grünem oder rosa Papier. Bezugspreis: jährlich 150 Piaster, für das Ausland
45 Frcs. Einzelnummer i Piaster.
Das Blatt hat auch eine 4 Seiten starke Wochenausgabe zum Bezugspreise von
80 Piaster für Beirut, 100 Piaster für die Türkei und 30 Frcs. für das Ausland. Der
Titelkopf dieser Wochenausgabe trägt noch die Zusätze: ,, Zeitung fiir Wissenschafl, Politik
und Kultur. Nimmt Aufsätze über den Dienst für die Nation und über die Bande mit dem
Osmanentum (al-hidmet al-mülijje wa-H-gämi^at al-'^utmänijje).-
3. al-Biläg. 8. Jahrg. Besitzer und Schriftleiter des politischen Teiles: Muhammed
al-Bäqir. Erscheint täglich, 2 Seiten stark, gr.2°. Bezugspreis: 200 Piaster, für das
Ausland 50 Frcs. Einzelnummer 1 Piaster. Anzeigenpreis: Die Zeile 5 Piaster Hart-
geld (grüi säg)!
4. al-Ihä' al-utmäni. b. Jahrg. Besitzer und Herausgeber ist Muhammed Säkir
at-Tibl. Erscheint täglich 2 Seiten stark. Format verschieden (vgl. S. 24 Anmerk. 3).
Bezugspreis: i ';, Ltque, für das Ausland 2 Ltque. Einzelnummer 1 Piaster.
b) In französischer Sprache.
5. Le Journal de Beyrouth. Journal ottoman quotidien. 5. Jahrg. Besitzer ist
Georges Harfouche, Schriftleiter Halim Harfouche. Erscheint täglich im Umfange von
2 Seiten, gr.2°. Bezugspreis: jährlich lOO Piaster für Beirut, 125 Piaster für die Provinzen,
30 Frcs. fiir das Ausland. Einzelnummer 20 Para.
Nachtrag zu meiner Arbeit: Das Zeitungswesen in Konstantinopel (W. I. Bd. 5, I9I7>
S- 79^
Zu A: L'Aurore. Organe des interets des Jnifs de l'Empire Ottoman. 9. Jahrg.
Besitzer: Lucien Scinto. Erscheint zweimal wöchentlich, 4 Seiten stark, gr.2°.
Beirut, den 19. Nov. 1917. Willi Heffcning
ishä (Herausgabc einer älteren Schrift über die Jagd mit dem Falken) und Ibrahim
Hilmi, Baina as-Sa'm wa-M-'Iräq (über eine Reise nach Mesopotamien^.
TJterafur. 2 7
3(^(VMOCOOOOOC)OaOO<»00«K>30000(»X»00(»XXXX)OOOOOOOOOOOCOO<XXX)OOOOOOOOOOOOOOOOOOOCXXXXXXXXa^^
Geg-ensätze [Tezad, deutsch]. Roman von Iset [Izzet] Melyh.
A-utor. Übers, aus d. Türk. von Dr. Arthur Ertogrul von Wurzbach,
Latbach; Leipzig: Harrassowitz in Komm. 1917. 83 S. 8"
Wer jetzt aus dem Türkischen übersetzt, übernimmt eine hohe Verantwortung: es
kommt im Interesse der deutsch-türkischen Freundschaft sehr viel darauf an, wen und
wie er übersetzt. Übersetztes und Übersetzer müssen unbedingt ersten Ranges sein.
Leider ist das hier nicht der Fall: der Übersetzte ist höchstens zweiten, der Übersetzer
mmdestens dritten Ranges. Mit einigem Mißtrauen ging ich von vornherein an die
Lektüre heran: der Kreter 'Izzet Melyh war mir als Halbfranzose bekannt — nicht dem
Blute, aber doch der Art nach — und Wurzbachs ÜT)ersetzungen aus Mehmed Emin
standen mir nicht in bester Erinnerung.
Der Inhalt des 19TI geschriebenen und noch vor 1908 spielenden Romans ist dieser:
ein schöner, junger, genußsüchtiger, französisch gebildeter Offizier, Naschid, ist mit der
schönen, jungen, sittsamen, französisch gebildeten Behire verlobt. Naschid ist freiheitlich
gesinnt — politisch wie moralisch — und deshalb der hamidischen Regierung verdächtig.
Eines Tages bekommt er einen polizeilichen Verweis, weil er auf einem Fest der
französischen Botschaft einen Frack getragen hat. Diese Schikane bringt das Maß zum
Überlaufen: er entschließt sich, die Türkei zeitweise zu verlassen. Mit seinem Oheim,
einem alten Lebemann, geht er nach Batum. Dort verliebt er sich in eine schöne, leiden-
schaftliche Russin, Militza Nelidoff, wird also seiner braven Behire untreu. Er will
Militza sogar heiraten. Aber das Gute siegt doch : ein politischer Wortwechsel mit einem
russischen Offizier bei einer Feier zur Erinnerung an die Eroberung Batums durch die
Russen und ein verzweifelter Brief Behires wecken sein türkisches und menschliches
Gevdssen. Allerdings kehrt er nicht gleich zu Behire zurück, sondern will zunächst seine
Herzcnswoinde in Paris und London ausheilen lassen. Wir verlassen ihn auf der Fahrt
nach Odessa, als er eine höchst seltsame und unmotivierte Vision schaut: er sieht
nämlich, ,,eine der griechischen Fabel angehörige Gestalt, den Meeresgott Neptun'' über
das Meer fahren. Man zweifelt ein bißchen, ob er wirklich später zu Behire zurückfinden
wird. Höchstwahrscheinlich wird dieser für Frauen ebenso unwiderstehliche wie für den
Leser unausstehliche „Veilchenfresser" auch in den Entente-Hauptstädten flott weiterflirten.
In diese reichlich banale Handlung sind langatmige Gespräche über türkisches und
europäisches Frauenlos, türkische Abneigung gegen den kaufmännischen Beruf und patriotische
Tiraden über den Verfall der Türkei und die Eroberungssucht Rußlands eingeschoben. Das
Beste sind die Naturschilderungen, zumal die des Schwarzen Meeres. Im ganzen erinnert
Melyh sehr an Mehmed Ra'uf. Auch er ist kein rechter Türke, noch weniger ein Muslim.
Man empfindet kaum einen „Gegensatz" zwischen Naschid und Militza oder deren russischen
Verwandten: alle sind sie internationale Salonmenschen französischer Färbung. Der ,, Gegen-
satz" zwischen Militza und Behire kommt auch nicht recht heraus, da Behire gleichfalls nur
eine Halbtürkin ist. Aus diesem Roman kann niemand das Wesen des heutigen männiich-
arbeitsfreudigen. unerotischen, fast zu antierotischen Türkentums kennen lernen. — —
Und nun zum LT)ersetzer! Fast in jeder Zeile sind sprachliche Ungeschicklichkeiten z«i
rügen 1 ! Daß die Übersetzung wörtlich genau ist, kann ich auch ohne Vergleich mit dem —
mir leider nicht vorliegenden — türkischen Original beschwören : diese Gespräche, Tiraden
und Vergleiche habe ich in andern türkischen Romanen schon tausendfach gelesen.
Zum Schluß noch ein Wort zu Wurzbachs Einleitung. Die Lebensdaten sind richtig. Sie
stammen wohl aus New-sal-i-milli 1914, wo der Melyh tausendfach überlegene Ja'qub Qadri
1 Umfangreiche Belege des Herrn Berichterstatters sind von uns hier nicht abgedruckt.
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einen kurzen Artikel über ihn veröffentlicht hat. Daher slaminl jedenfalls auch die Notiz,
daß Melyh .jetzt" an einem Schauspiel ..Der große Pascha • .irbeitct. Das war 1914!
Sollte es wirklich Ende 1916 noch nicht fertig geworden sein? Zu Melyhs kleinem Drama
,4^eila" ist nachzutragen, dafl es schon 1913 von Oesterheld übersetzt und bei Priter und
Lammers (Berlin) erschienen und Anfang 191 6 in Dortmund aufgeführt worden ist. Es
ist übrigens französisch geschrieben, ebenso „Der große Pascha". Martin Hartmann in
seiner Einleitung zum Harrassowitz-Katalog 377, S. 5 nennt es ,,eine unsaubere und dabei
geschmacklose Banalität" und führt fort: „Besser (ist) sein Roman ,Konriikt' (ebenderselbe,
den Wurzbach übersetzt hat) aus einer russisch-orientalisch-französischen Atmosphäre, die nicht
übel geschildert ist." Sehr begeistert klingt diese Würdigung gerade nicht •. Wenn man
dagegen Wurzbachs Einleitung liest, meint man, Melyh sei ein überragendes Genie. Er preist
ihn so überschwenglich und dabei so konfus, daß der Leser schon hier mißtrauisch werden
■»uß — sowohl gegen den Übersetzten wie gegen den Übersetzer. Dieses Mißtrauen er-
weist sich, wie gezeigt ist, leider als nur allzu berechtigt. Das Original ist unbedeutend
und völlig untürkisch, die Übersetzung ist schlecht, und außerdem — aller bösen Dinge
sind drei! — finden sich sehr viele Druckfehler darin 2. O. Hachtmann
Staatsbürger-Bibliothek. Volksverein.s-Verlag- G.m.b.H. M.-Glad-
bach. Jedes Heft 45 Pf.
Heft 35: Die Balkanstpaten (außer Bulgarien und Türkei). Ver-
fassung, Verwaltung, Volkswirtschaft. Von Dr. Franz Schmidt,
Düsseldorf. Mit 2 Karten. Dritte Auflage (4. Tausend). 1916. 64 S.
Heft 36: Die Türkei. Verfassung, Verwaltung, Volkswirtschaft.
Von Dr. Franz Schmidt, Düsseldorf. Mit 4 Karten. Dritte, ver-
mehrte und verbesserte Auflage. 1915. 56 S.
Heft 59: Ägypten. Verfassung, Verwaltung, Volkswirtschaft. Von
Gerichtsassessor Dr. Hans "Wehberg, Düsseldorf. 1Q15. 40 8.
Heft 72: Persien. Von Dr. Clemens Wagener. 1916. 52 S.
Diese Hefte können — vor allem als erste Einführung — warm empfohlen werden.
Durch straffe Kondensierung und Vermeidung aller Weitschweifigkeiten ist ein außerordent-
lich reichhaltiges Tatsachenmaterial auf diesem knappen Raum zusammengetragen: Geschichte
und Geographie, Religionsverbältnisse, Sprache und Literatur, Verfassung, Schul-, Gerichts-,.
Finanz- und Verkehrswesen, Heer und Flotte, Landwirtschaft, Industrie und Handel finden
Berücksichtigung. Ein- und Ausfuhrzahlen, Staatseinnahmen und -Ausgaben usw. sind
mehrfach in besonderen Zahlentabellen gegeben. Selbst ein sorgfältig gearbeitetes Sach-
register fehlt nicht. Die Schulen und Volksbüchereien sollten diese Hefte anschaffen. —
Von besonderem Interesse dürfte für viele der in Heft 59 im Anhang abgedruckte Suez-
kanalvertrag von i888 sein, sowie die im gleichen Heft mitgeteilte englische ProtektoraU-
erklärung über .Ägypten vom 19. Dezember 1914. Erwin R. Marschall
^ Vgl. auch M. Harlmanns Besprechung in seiner Abhandlung: „Aus der neueren osmani-
schen Dichtung". (M. S. O. S. Jahrg. XIX, Abt. II, 1916, S. 33 ff.)
2 Die Belege auch hierzu sind von uns im Druck fortgelassen worden.
Die Schriftleitung.
oeoooec<xxxxxxxxxxx)Ocic)oco<xx<xaoooocicioocx)OOOoooocxx)OOOOoooooooc<^^
Bibliographie. 29
BIBLIOGRAPHIE.
♦ bedeutet Vorhandensein in der Bibliothek der Gesellschaft, f Vorhandensein in der
Deutschen Auslands-Bibliothek. Nach dem Titel in [ ] stehen Zugangsnummer der Bibliothek
und gegebenenfalls Name des Geschenkgebers.
Ausführliche Besprechung einzelner Werke bleibt vorbehalten.
778. Religionsgeschichtliche Bibliographie. Im Anschluß an das
Archiv f. Religionswissenschaft mit Unterstützung von . . . hrsg.
von Carl Giemen. Jg 1. 2. Leipzig & BerUn: Teubner 1917.
vn, 53 S. 8° 1. 2. D. Literatur d. Jahre 1914 u. 1915 . . .
779. Die evangelische Mission. E. Einf. i. ihre Gesch. u. Eigenart.
Von Carl Mirbt. 2. Aufl. Leipzig: Hinrichs 1917. 117 S. 8°
780. Muhammedanische Glaubenslehre. Die Katechismen des
Fudali und Sanusi übers, u. erl. von M. Horten. Bonn: Marcus
& Weber 1916. 57 S. 8° (Kleine Texte für Vorlesungen und
Übungen. 139.)
781. Hartmann, Martin: Die Islamisch-Fränkischen Staatsverträge
(Kapitulationen). 8° Aus: Zeitschrift für Politik. Bd 11 H. 1/2
1918. Abhandlungen 1.
782. Deutschland und der Orient. Ihre Beziehungen in Ver-
gangenheit, Gegenwart u. Zukunft. (Berlin; Der Neue Orient)
1917. 72 S. 4°(8°) [Nebent.: Türk.] Alemanja -^ Sarq . . .
(Türkische Bücherei d. Verl. 'Der Neue Orient'. Bd 1.)
783. [Ung.] Türan . . . Zeitschrift für osteuropäische, vorder- und
innerasiatische Studien . . . 1 — 2. Budapest 1918. 8°
784. Das Privileg Selims i. für die Venezianer von 1517. Von
Martin Hartmann. Leipzig: Hinrichs 1917. S. 201 — 222. 8°
Aus: Mitteilungen der Vorderasiatischen Gesellschaft. Jg 1917.
[Hommel-Festschrift. Bd 2.]
785. Die Türkei. Von Paul R. Krause, Kais, ottom. Reg.R. a. D.
Mit 2 Kt. im Text u. auf 1 Taf. 2. Aufl. Leipzig & Berlin:
Teubner 1918. 134 S. 8° (Aus Natur u. Geisteswelt. Bdch, 469.)
786. Die Türkei. Landschaften und Menschen. Eine Skizze z.
Landes- u. Volkskunde. Von Dr. jur. et phil. Hugo Grothe,
Privatd. Berlin: Sigismund 1917. 48 S. 8° (Schützengraben-
Bücher f. d. deutsche Volk. 75.)
787. Das Türkische Reich. Vorträge von Dr. George Böker
(Bonn) [u. a.]. Berlin: Mittler 1918. VI, 262 S. 8° (Veröffent-
lichungen d. Institutes f. internat. Privatwirtschaft. Kurse f. Inter-
nat. Privatwirtschaft (Länder-Reihe). H. 1.)
788. Aus der neuen Türkei. Von Otto Eberhard. Eisleben 1917:
Klöppel. 172 S. 8°
30 l>li- UV// (/f.v hiaiiis. Hand H. iUiS, Heft 1
789. Die Entwicklung des osmanischen Verfassungsstaates von
den Anfängen bis zur Gegenwart. Von Dr. jur. Gotthard Jäschl.e.
Berlin 'Der Neue Orient' IQ17. 37 S. ^^ Erw. aus: Die Welt
d. Islams. Bd 5, H. 1/2.
790. Das arabische Element in der Türkei. Von Ewald Banse.
Leipzig: Gaebler 191(1. 20 8. 8° (Länder u. Völker d. Türkei.
N. F. R. 1, H. 1.)
791. Christlich-orientalisches Kulturgut der Türken. Von Dr. Karl
Dieterich, Privatd., Leipzig. Leipzig: Gaebler ig 17. 32 S. 8°
(Länder u. Völker d. Türkei. N, F. R. 1, H. 3.)
792. Die Türken und wir. Ein kleines Mahn-Geleitwort an sie
u. uns von Ewald Banse. Weimar: Duncker IQ17. lOö S. 8°
793. Konstantinopel in seiner weltgeschichtlichen Bedeutung.
Vortag geh. zu Bapaume von Heinrich Sieveking, Prof., Zürich
am 1. Dez. 1915. Bapaume: Korpsverl.-Buchh. 1916. :^i S. 8°
794. Deutschland über AUah. Door E[dward] F[rederic] Benson.
London: Wilson 1917. 35 S. 8°
795. The Ottoman Domination. London: Unwin 1917. 18 S. 8°
Aus: The Round Table'.
796. *The murderous Tyranny of the Turks.' By Arnold J. Toynbee
with a pref. by V [James] Bryce. London [usw.]: Hodder &
Stoughton 1917. 35 S. 8°
797. Turkije: Verleden en toekomst. Door A[rnold] J. Toynbee.
London: The Menpes Pr. & Engraving Co. 1917. 104 S. 8°
Übers, aus: 'The Round Table'. Juni 1917.
798. The Question of the Bosphorus and Dardanelles. By Cole-
man Phillipson and Noel Buxton. London: Stevens & Haynes
1917. XVI, 264 S. 8""
799. Inside Constantinople. A diplomatist's diary during the Dar-
danelles expedition, April^ — Sept., 1915. By Lewis Einstein.
London: Murray 1917. xvi, 291 S. 8°
800. The tenth (Irish) Division in GaUipoli. By Bryan Cooper,
Major. With an introd. by Major-Gen. Sir Bryan Mahon. With
appreciations by . . . London: Jenkins 1918. XX IV, 272 S. 8°
801. Le Sort de l'Empire ottoman par Andre Mandelstam. Lau-
sanne & Paris: Payot 1917. Xii, Ö31 S. 8°
802. De Turksche Overheersching. London: The Menpes Pr. &
Engraving Co. 1917. 20 S. 8° Übers, aus: The Round Table.
803. Türkische Urkunden aus Ungarn f. Seminar-Übungen in
Facs. hrsg. v. Oriental. Seminar zu Kiel. (Hrsg: Georg Jacob,
Dir. d. Oriental. Sem.) Kiel: Mühlau 1917. 7 S., 13 Taf., 1 Bl.
4° (Veröffentlichung- d. Doktor-Hermann-Thorning-Gedächtnis-
Stiftung. H. 1.)
Biblio(jraphie. 3 ^
{»O0OO00ax>>XXXXXXXX)000000e»0O0000000000O0000000O0O0000O00OO000OC«XXX»000000OOC^^
804. Türkisch für Offiziere und Mannschaften. Gespräche, Wörter-
sammlung u. Grammatik z. Selbstunterricht. Mit e. Anh.: Ge-
spräche mit Verwundeten und Kranken. Von Wely Bey Bolland.
[Nebst Beilage.] Stuttgart: Violet 1917. 151 S. 8° [Beil. u.
d. T.:] Violets Kleiner Soldatensprachführer. Türkisch in
alphab. Anordnung . . . (Violets Berufssprachführer.)
805. [Türk.] Aüfbri-i-*utmani. [,^.] (Elifbaye oßmani.) Türkische
Abc-Fibel z. Erlernung d. türk. Schrift w. z. Erleichterung d.
Lesens von Artin T. Abdoullah (Artin T. 'Abdallah), Lehrer,
Hamburg. Hamburg: Deutschnat. Verl.-Anst. [1917]- 63 S. 8°
806. Türkischer Sprachführer. Taschenwörterbuch für Reise u.
Haus von Ahmed Muhieddin. Leipzig & Wien: BibUogr. Institut
(1917) VI, 267 S. 8'
807. Gegensätze (Tesäd [Tadadd j, deutsch). Roman von Iset [Izzet]
Melyh. Autor. Übers, aus d. Türk. von Dr. Arthur Ertogrul
V. Wurzbach. Lidbach; Leipzig: Harrassowitz in Komm. 1917.
83 vS. 8° [Umschlagt.]
808. Deutsch-Türkische Vereinigung. D. T. V. Mitteilungen, i.Jahr
1918 Nr. 1. (Berlin 1918: Bergmann.) 29 S. 8°
809. Versuch einer systematischen Darstellung der altgeorgischen
(grusinischen) Kirchenbauten. Von Dr. phil. Theodor Kluge.
Berlin: Eisner 1918. 80 S. 8"
810. Bilder aus Anatolien. Von Max Bierbaum. Eskischehir:
Deutsches Soldaten- u, Eisenbahnerheim; (Düsseldorf: E. Bierbaum
[in Komm.]) 1917. 56 S. 8°
811. (Dr. H[ermann]) Christ-Sccin : Die wirtschaftliche und kultu-
relle Bedeutung der Armenier. Potsdam: Tempel-Verl. 1917-
16 S. 8°
812. The Treatment of Armenians in the Ottoman Empire. Do-
cuments presented to [Sir Edward] V Grey of Fallodon, Secre-
tary of State for Foreign Affairs. With a pref, by Qames] V
Bryce. Laid before the Houses of Parliament as an official
paper and now publ. by permission. London [usw.]: Hodder &
Stoughton 1916. XLii, 684 S. 8°
813. Mesopotamie: de sleutel tot de toekomst. Door Kanunnik
J. T. Parfit. Londen: Hayman, Christy & LiUy 1917. 43 S. 8°
814. Mesopotamia Commission. Report of the Commission appoin-
ted by act of Parliament to enquire into the Operations of war
in Mesopotamia, together with a separate report by Commander
J[osiah Clement] Wedgwood and appendices. London: H. M.'s
Stat. Off. 1917. 188 S. 4°
815. The commercial Future of Baghdad. London: The Complete
Pr. 1917. 8 S. 8''
816. De Handelstoekomst van Bagdad. London: The Menpes Pr
<% Engraving Co. 1917. 8°
32 Die Welt des 1.4mm, Band (i. 1918, Heft 1
0O<y3eOOCKXXXX]OeO<MXXXyXXXXXXXX)O(XXX>OOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOCX^^
817. Palästina. Volk u. Landschaft. Von Major Franz Carl Endres.
Leipzig: Gaebler 1917. 30 S. 8^ (Länder u. Völker d. Türkei.
N. F. R. 1, H. 4.)
818. Sven Hedin. Till Jerusalem. Med 242 bild. samt 1 kt.
Stockholm: Bonnier (1017). 617 S. 8°
819. Volkserzählungen aus Palästina, gesammelt bei den Bauern
von Bir-Zet u. in Verbindung mit Dschirius Jusif in Jerusalem
hrsg. von D. Hans Schmidt, Prof., Tübingen u. Dr. Paul Kahle,
Prof., Gießen. Mit e. Einl, . . . Göttingen: Vandenhoeck & Rup-
recht 1918. 96, 303 S. 8° (Forschungen z. Religion u. Literatur
d. Alten u. Neuen Testaments. H. 17.)
820. The Revolt in Arabia. By Dr. C[hristian] Snouck Hurgronje.
With a foreword by Richard J[ames] H[oratio] GottheiL New
York & London: Putnam 1917. vi, 50 S. 8°
821. Klabund [d. i. Alfred Henschke]. Das Sinngedicht des
persischen Zeltmachers. Neue Vierzeiler nach OmarKhayyäm
i'Umar-i-yajjam: Ruba*ijjat, deutsch]. Mit Buchschmuck von
Willy Orth. München: Roland-Verl. 1917. 49 S. 8°
822. Omar Khayyäm ['Umar-i-yajjam]. Die Sprüche der Weis-
heit. [Ruba'ijjat, deutsch.] Mit e. Nachwort deutsch von Hector
G. Preconi. München: Roland-Verl. 1917. 96 S. 8"
823. Egyptian colloquiad Arabic. A conversation grammar and
reader. By W[illiam] H[enry] T[empler] Gairdner, assisted by
Sheikh Kurayyim Sallam . . . Cambridge: Keffer 1917- Xiv,
300 S. 8°
oeooa«oc)cxx>oooooooooocxx)oooooooooooooooooooocxxxx)ooooooocx30ooooooooooooooooocxxx]OC3oeoooooooooooeeciooo
Krieg swhinden i8. 33
SOOOe3OOOOOOC)OOeoaOO(XXXIOOO(XXXXXXXXX)OOOO<X>OOO(XXXMOOOOOOOOOOO(XXX)aOOOOOOOOOOOOO(XMXXXXXXX>XXXX>0(^^
KRIEGSURKUNDEN.
18. EINE KRIEGSURKUNDE AUS MEKKA.
ÜBERSETZT VON C. BROCKELMANN.
Durch gütige Vermittlung meines verehrten Kollegen, Herrn Geh. Rat Lindners, ging
mir von Herrn GymnasialdirelUor Dr. liebestreit zu Colmar ein Flugblatt zu, das von
einem englischen Flieger über den türkischen Linien bei Nablus abgeworfen, von einem
an der osmanischen Front kämpfenden Soldaten erbeutet und in die Heimat gesandt worden
war. Das 95 : 73 cm große Blatt enthält erst im arabischen Text, dann nach einer kurzen
türkischen Vorbemerkung in türkischer Übersetzung eine Erklärung von 35 mekkanischen
Gelehrten zugunsten des Scherifen, Husain b. Ali, der sich im Mai 1917 als König des
Higäz unabhängig gemacht hat. Da das Dokument, wenn es auch durch die Zeitereignisse
schon überholt ist, doch ein charakteristisches Beispiel dafür bietet, wie die islamische
Geistlichkeit auch heute noch ihre scholastischen Methoden auf moderne politische Probleme
anwendet, gebe ich im folgenden eine Übersetzung nach dem arabischen Text. Sie möge
als Gegenstück zu dem von II. Ritter in der ,,Welt des Islams" IV, S. 217 mitgeteilten
Fetwa dienen.
Ansprache an die islamische Weit von den Gelehrten
des geehrten Mekkas.
Ihr werdet erfahren, wen die Strafe im Jenseits trifft;
die Übeltäter werden kein Glück haben (Sura 6, v. 136).
Wir, die Gelehrten des hl. Hauses, sind von Gott wie viele andere
Gelehrte dieser Gemeinde mit dem Dienst am hl. Gesetz und dem
Eifer für den muhammedanischen Glauben beg-nadigt. Wir wissen,
daß die Welt und was in ihr neben der Wahrheit keinen Mücken-
llüg-el wert ist und daß dies Leben nur nach den guten Werken,
die man in die künftige Welt voraussendet, gewogen wird. Welcher
Muslim, dessen Geist morgens und abends sich am Anblick der
hl. Ka'ba erfreut, und der die Ehre genießt in dem Lande zu
wohnen, in dem der Gesandte Gottes aufgewachsen ist und wo
jeder Fußbreit durch seine reinen Füße gesegnet ist, könnte da-
mit einverstanden sein, daß diese Religionsgenossenschaft etwas
Schlimmes beträfe oder diese Religion Schaden Htte? Nun gar
wir, die wir im reinen Glauben aufgewachsen und von dieser Welt
keinen anderen Vorteil haben als die Nachbarschaft des hl. Gottes-
hauses und den Dienst seines Propheten. Nun ist uns durch den
intimen Verkehr mit jener Partei, die sich die Herrschaft im
Osmanischen Reich angemaßt hat, und durch die Kenntnis ihrer
offenen und geheimen Verstöße gegen unser Gesetz und gegen
Die Welt des Islams, Band 6. ^
34 f'i*' J^'^^/ ilf-» ffhitns. Hand H. i9l8, Heft 2
0OCCeO©O0C<XXX)GCOCCMXXX)0<X)OO00OOO0OO0OOC«XX)0OOO^^
d;e Sitte unserer Religion, und der .Schandtaten, die sie in unserem
Lande begangen, und des Unglücks, das sie über unser Vaterland
gebracht, der Weg der Rettung klar geworden, den unsere Religion
vorschreibt und der Strick des Heiles, den zu ergreifen die islamische
Wohlfahrt erfordert. Wer einen Beweis kennt, ist dem, der ihn
nicht kennt, überlegen, und welcher Abstand ist zwischen denen,
die das Unrecht erkannt und ihr Blut hingegeben ha}}en, es al)-
zuwehren und denen, die fern von der Kenntnis der Wahrheit
leben und die darüber urteüen wollen, ehe sie die zur Fällung-
eines Urteils notwendigen Vorbedingungen kennen.
Wenn du den Neumond nicht selbst geseh'n, so glaube denen,
die ihn mit eigenen Augen erblickt haben.
Es ist uns nicht verborgen, daß ein Teil unserer muslimischen
Brüder ohne Beweis und Kenntnis voreilig über unsere Erhebung
geurteilt hat, gestützt auf unbegründete Gerüchte; der Gesandte
Gottes sagte, wie Abu Daud und al-Hakim in gesunder Tradition
überliefern: es ist für den Menschen Sünde genug, wenn er alles
weiter erzählt, was er hört, nach der Überlieferung Mushms:
es ist für den Menschen Lüge genug, wenn er alles, was er hört,
weiter erzählt. Wir verlangen von solchen Leuten nicht, daß sie
uns ohne weiteres beistimmen, ehe sie unser Recht eingesehn, weil
uns solche Beistimmung nichts nützt. Aber wir raten unseren
■ Brüdern im Glauben (nach dem göttlichen Befehl, der vorschreibt,
sich gegenseitig zur Wahrheit zu ermahnen), sich bei Gott nicht
in große Sünde zu verstricken, indem sie alles weiter erzählen, was
sie hören und nach Mutmaßungen und Einbildungen urteilen. Wir
fordern sie auf, sich nach sichern Quellen zu ricliten und von
heidnischem Fanatismus zu lassen, wie es dem Muslim gebührt,
der die in dem Koranspruch: „O ihr Gläubigen, wxnn ein P"revler
euch eine Nachricht bringt, dann prüft sie genau, damit ihr nicht
Leute in Unwissenheit trefft und ihr bereuen müßt, was ihr getan
(Sura 49, 6)" liegende Warnung beherzigt.
Der Muslim, der über diese Sache urteilen will, muß ihre Beweg-
gründe erforschen und das Wesen des Frevels zu verstehen suchen,
den mit unseren Händen zu beseitigen wir aufgestanden sind, nach-
dem wir daran verzweifelt, ihn mit unseren Zungen zu beseitigen.
Wir wissen genau, daß die Partei, die sich die Herrschaft angemaßt,
so allgemeinen Frevel gegen Gott begeht, daß ihn kein guter Rat
mildern und seine bösen Folgen für das Land und seine Bewohner
niemand abwehren kann. Niemand soll dies für eine unbewiesene
Kriegsurkun dm 18. 35
»0O0O0OC«XXX»0O0<X)000<X)0OC«X>0<XXXXXX)CXXXXX)O00<XJOOC>CC^^
Behauptung- halten, es sind vielmehr greifbare Tatsachen, die jeder
feststellen kann. Erforderlichenfalls werden wir sie aber der mus-
limischen Welt noch ausdrücklich beweisen. Jetzt beg-nügen wir
uns damit, unseren gegnerischen Brüdern vorzuschlagen, sie möchten
vertrauenswürdige Leute nach Stambul, der Hauptstadt der Einheits-
leute senden, daß sie mit eigenen Augen sehen, was wir selbst er-
lebt haben, wie dort verheiratete türkische Frauen in den Post-
und Finanzämtern Männerarbeit verrichten, wie sie dort in vollem
Schmuck und Schönheit unverschleiert Männer aller Art zur Ab-
wicklung ihrer Geschäfte empfangen. Was sag-en unsere gläubigen
Brüder, die sich uns ohne Grund widersetzen, zu dieser Sache, die
ein Beispiel ist, für das hereinbrechende Übel, das uns schmerzt
und das zu beklagen wir die Häupter der Zeugen anrufen? Ist
der Gehorsam gegen solche Leute, für die solches Tun noch die
geringste ihrer Schändlichkeiten gegen den Islam und die Muslims
bedeutet, Gehorsam oder Widersetzlichkeit (gegen Gott)? Nein
beim Herrn der Ka'ba und nochmals nein. Ihnen kann man nur
gehorchen, indem man sich dem Herrn der Welten widersetzt.
Das kann kein Gläubiger wollen. Der Prophet hat gesagt, wie
der Imäm Ahmed in seinem Musnad überliefert: Wenn einer eurer
Fürsten euch eine Sünde heißt, so gehorchet ihm nicht, und wie
al-Häkim von Gäbir in seinem schönen Hadith überliefert: Wer
einen Machthaber zufriedenstellt dadurch, daß er Gott erzürnt, tritt
aus der Religion Gottes heraus, und wie ad-Dailami überliefert: wer
seinen Namen mit dem eines ungerechten Imäms aufschreibt, ist
sein Genosse im Höllenfeuer. Und der Chatib überliefert von Anas
von dem Gesandten Gottes, daß er gesagt: wer mit Leuten schreibt,
gehört zu ihnen ; und wer einen Muslim durch Furcht dazu zwingt,
einem Machthaber zu gefallen, wird am Tage der Auferstehung
mit ihm zusammengebracht. Wir sehen nun mit unseren eigenen
Augen, wie das Reich seines früheren muslimischen Charakters
entkleidet wird, und wenn wir nach einem Grunde forschen, der
Gehorsam erforderlich machte, oder nach einer der Bedingungen
des Kalifats oder nach der Ordnung der gemeinsamen Sache, so
finden wir sie nicht. Wir wollen nicht erst darlegen, wohin es
mit dem Islam durch sie gekommen ist, denn das muß jeder Muslim
sich selbst klar machen und das können wir jetzt in der Eile doch
nicht erschöpfen. Es genügt euch zu sagen, daß wir uns vor der
Wahl zwischen zwei einander vollkommen ausschließenden Möglich-
keiten sehen, entweder diese Partei, die sich des Osmanischen
3*
.V> JHe Welt (l-s Jslamf, Band (i. 1918, Heft 2
3Cf<0a0O0O0O000O0Oa0OO00000000000000(XXX)0C)CKXX)000000000^^
Reiches hrmächtißt liat, zulriedcn /u stollon und (jott zu erzürnen,
oder sie zu erzürnen und Gott zufrieden zu stellen. Wir ziehen
das zweite vor und wollen lieber Gott als den Menschen gefallen.
Wenn die rechtgeleiteten Kalifen, die Gott ehren woUe, das getan
hätten, was die Einheitsleute tun - wovor Gott sei — , so hätten
wir Gottes Nähe gesucht, indem wir uns gegen sie erhoben, und
Gottes Wohlgefallen dem ihren vorgezog^en. Wir tun das nicht
von uns aus, sondern auf die Weisung der rechtgeleiteten Kalifen.
Denn Abu Bekr as-.Siddiq sagte in seiner ersten Predigt nach
Antritt des Kalifats: Gehorcht mir, solange ich Gott und seinem
Propheten gehorche; wenn ich Gott und seinem Propheten un-
gehorsam werde, braucht ihr mir nicht mehr zu gehorchen. So
pflegte jeder zu sprechen, der die Herrschaft über die Muslime
übernahm von den Genossen und ihren Nachfolgern und denen,
die ihnen in guten Handlungen bis zum Gerichtstage nachfolgen.
Dadurch wurden die Muslime siegreich nnd erlangten das Glück
der beiden Welten und wurden mächtig" unter den Völkern der
Erde. Wir wünschten einen anderen Ausweg zu finden, bei dem
wir Gott zufriedenstellen könnten, ohne uns gegen diese Menschen
zu erheben, sie lialfen uns aber nicht dabei. Da faßte uns der
Zorn um Gottes willen, er verlieli uns Sieg und festen Stand,
seinem Rechte zu helfen und seinen Glauben zu festigen, da
er weiß, daß das Ende dieses Volkes nur durch dasselbe Mittel
wie sein Anfang gedeihen kann. Jedes muslimische Herz im
Osmanischen Reich, sogar die Türken in Anatolien und einzelne
von der osmanischen Sultansfamilie in ihren Palästen beten zu
Gott, uns zu helfen. Fern sei es von Gott, die Hoffnung der
Unterdrückten zurückzuweisen und die Bitte der Frommen gegen
die Frevler zu schänden werden zu lassen. Es ist kein Zweifel,
daß die Länder, die die Einheitsleute vernichtet haben, da sie den
Deutschen helfen wollten, wenn ihre Bewohner sich gegen diese
aufrührerische Partei erhöben, wie wir es getan, aufhören würden,
Schauplatz des gegenwärtigen Krieges zu sein und ihren Bewohnern
erhalten bleiben. Wenn es aber so weiter geht, wie bisher, wird
vom Reiche nichts mehr übrig bleiben.
Wenn ihr euch das merkt zu dem, was der Herausgeber der
indischen Zeitung „Maschrik" in den Nummern vom i6. und 19. Sep-
tember darg^elegt hat, daß die Osmanen kein Recht auf das Kalifat
haben, wie aus allen Büchern des hl. Rechts und des Glaubens
hervorgeht, so wird euch klar werden, daß wir nur aufgestanden sind.
Krieffitur künden i^. 37
t C'eOOC©OOO0C«<X;COGlOO<XWXX«C<XXXXCOO00OC<XX>00OO00O00OO^
um diese Gefahren abzuwenden und neue Stützen für das islamische
Recht und die wahre, auf das hl. Recht g^egründete Zivilisation zu
errichten, nach der zu leben ihr schon lange wünscht. Wenn wir
mit dieser gesegneten Erhebung auch nur erreichen, daß wir unser
Land vor dem bewahren, was andere islamische Länder betroffen
hat, so ist es genug. Wir wollen die Blicke unserer Gegner darauf
richten, die anderen Länder von den Schäden zu reinigen, die ihre
Bewohner betroffen haben, und sie aus den Händen derer zu retten,
die sie in tlies Unglück gestürzt, wenn dort nur noch etwas Glaubens-
eifer sich findet. Wir haben unsere Pflicht getan, und Gottlob
unser Land von den Wurzeln der Ketzerei und den verderblichen
Eingebungen gereinigt. Die Muslime aber, die diese Rotte {tugma
Tttypia) weiter verteidigen, müssen sich zu Gott bekehren, ehe ihre
Zungen, Hände und Füße gegen sie zeugen, was sie getan. Dies
ist unsere, der Gelehrten vom Gotteshaus, wahre Meinung, und wir
wollen, daß ihr sie kennen lernt, damit niemand sicli durch vor-
schnelles Urteil geg'cn den Tatbestand versündige. Wir wollten
den islamischen Rat denen unserer Brüder nicht \'orenthalten, die
in ihrer Unbedachtsamkeit verharren und die Partei, gegen die
wir aufgestanden sind, nicht im einzelnen kennen, damit sie sich
nicht von ihren Mietlingen verführen lassen, die ihre Religion um
die Nichtigkeiten dieser Welt verkauft haben. Einer der größten
Irrtümer ist es, zu meinen, daß die Erhebung gegen diese Partei
eine Erhebung gegen den rechtmäßigen Kalifen sei, der alle Be-
dingungen des KaHfats oder doch einige davon erfülle. Wer das
glaubt, fäUt unter das Verdikt des Koranverses: Die an die
Zeichen Gottes nicht glauben, erfinden nur Lügen {16, 107) und
des Prophetenwortes: wer einen MusHm für ungläubig erklärt, ist
selbst ungläubig.
Wir haben bis jetzt nur das getan, wozu uns die Sorge um unser
geisthches und weltliches Heil trieb. Unter uns ist gottlob niemand,
der die Vorschriften seines hl. Gesetzes nicht kennte und nicht
nach den Geboten seines Glaubens handelte und das Beste seines
Volkes und Landes nicht wüßte. Zwischen uns und unseren Gegnern
mögen die Bücher des Gesetzes entscheiden, die in unseren und
ihren Händen sind. Wir glauben nicht, daß ein Gelehrter nicht
wüßte, was die Rechts- und Glaubensbücher in Sachen des Kalifats
und Imamats und ihrer Bedingungen und Rechte vorschreiben.
Davon weicht keiner von den früheren Gelehrten des Islams und
den späteren Faqihs ab.
38 />'> HW/ des hhniis, Ilmd H. IUI 'S. Heft 2
OCOC«c&rOe0000090(KX>0000(X)OOOOOOOOOOOOCXXXXX>XXX)0(XKXXXXXX)0000000000(X>OOOOOOC)OOCXXXXXXXXXXX300(X}aOOC^
Was sagt die islamische Welt zu den Osmanen, die die Kalifen
der Muslime sein wollen, obwolil sie Jahre lang ein Spielball in den
Händen der Janitscharen waren, die sie nach Belieben erniedrig^ten
und erhöhten, testeten und absetzten und unbeschreiblich mit ihnen
umsprangen, ohne sich dabei um die Regeln für die Ein- und Ab-
setzung von Kalifen in den Rechtsbüchern zu bekümmern, wie die
Geschichte bezeugt. Nun hat sich die Geschichte wiederholt, diesen
Janitscharen sind Enkel erstanden, die ebenso mit Abdulaziz, Murad
und Abdulhamid verfuhren; die Ermordung Jusuf Lzzeddins ist ja
noch nicht lange her. Unsere Gegner, die das Kalifat der Osmanen
für rechtmäßig halten, müssen entweder meinen, daß diese Janitscharen
und ihre Enkel das Recht hatten, über das Kalifat zu entscheiden
— und wir glauben nicht, daß, wer auch nur eine Handvoll Ver-
stand hat, so etwas behaupten wird, da die Rechtsbücher ihn Lügen
strafen — oder sie müssen zugeben, daß diese Janitscharen und
ihre Enkel nicht das Recht dazu hatten. In diesem Falle fragen
wir sie, wo ist das Kalifat und seine Bedingungen? Wir sind bereit,
jeden Zweifel, der den Leuten darüber auftauchen sollte, zu beant-
worten. Was bleibt dann den Gegnern noch übrig als sich zu
bekehren und mit uns zu bekennen, daß man ernstlich danach
streben müsse, den Islam zu ehren und das Licht seines Ruhmes
zu erhöhen ?
Jedenfalls wollen wir diese Erörterung, auf die wir uns not-
gedrungen haben einlassen müssen, nicht weiter ausspinnen. Wir
haben eine g'ule Entschul digung^, die uns des weiteren enthebt,
denn wir suchen nur das Beste für unsere Religion und unser
Land. Zum Schluß wollen wir als Augenzeug'cn es euch in der
Ferne wissen lassen, daß — so wahr uns Gott am Tage der Auf-
erstehung richten wird — wir heute keinen frömmeren muslimischen
Fürsten kennen, als den Sohn seines Propheten, der in Arabien
den Thron bestiegen hat, keinen gottesfürchtigeren, keinen, der
Gottes Befehle und Gesetze in Wort und Tat mehr achtete und
durchführte, und besser zu Gottes Wohlgefallen uns regieren könnte.
Die Araber haben ihm nur deshalb als König gehuldigt, weil sie
das für das Beste für ihre geistlichen und weltüchen Angelegen-
heiten hielten. In »Sachen des islamischen Kalifats haben wir, obwohl
es bekannt ist, daß es zur Zeit erledigt ist, nichts ruhendes bewegen
wollen, so lange darüber kein allgemeingültiger Beschluß der
islamischen Welt vorliegt. Gruß denen, die das Wort hören und
das Beste davon befolgen. Gott leite uns alle recht.
Kneijum-hniuhn IS. ^q
C<XWe0OCKXXXXXX»XX>0OO00OO0O0000000O0O0O000O00O0000a0000000OOC>00O(X)0O0OO0OO00O0O0OOOOO(XXXXX)^^
Der Oberqadi und Mutti des Higäzgebietes, Schaich 'Abdallah
Sarrag-. Der Mufti der Schafi'iten as-Saijid 'Abdallah az-Zawäwi.
Der Mufti der Malikiten, Schaich Muhammed 'Äbid al-Mahki. Stell-
vertretender Mufti der Hanbahten Schaich Muhammed Sadaqa
'Abdalgani. Der Schaich der Prediger am Mesgfid al-Haräm, Schaich
Ahmed Abu'l Hair Mirdäd. Emin al-Fetwä Schaich Derwisch 'Ugaimi.
Naqib der Saijids, Saijid Muhammed as-Saqqaf. Professor an der
hL Moschee, Schaich 'Abdalkerim an-Nagi. Dgl. M. Emln Mirdäd.
Dgl. 'Abdallah Abu 'HJair Mirdäd. Dgl, Saijid 'Abbäs b. 'Abdal'azlz
al-Maüki. Dgl. Schaich 'All Bäbesel. Dgl. 'Abdarrahman IJüqir.
Dgl. M. Gemäl al-Mäüki. Dgl. 'Ah al-Maliki. Dgl. Saijid M. al-
Marzüql. Dgl, Saijid M. Häsim Mugahid. Dgl. Schaich Ahmed
b. 'Abdallah al-Qäri, Dgl. As'ad b. Ahmed Dahhan. Dgl. Ga'far
Lubni. Dgl, Ahmed b, 'Abdallah Näzirin. Dgl. M. Tahir Mahmud
Dabbäg. Dgl, M. 'Ali Sarräg. DgL Saum Safi (so!). Dgl. M. 'Ali
Balhujür, Dgl. 'Abdarrahman b. Sulaimän Qädi. Dgl. M. b. Kämil
Sindi, Dgl, Halil b. Ibrahim 'Ugaimi. Dgl. 'Abdallah b. Ahmed
al-Magribi. Dgl. Sa'id b, M. al-Jamäni. Dgl. Saijid Ahmed as-Saqqaf.
Dgl. Saijid Ahmed b. 'Abdal'aziz al-Maliki. Dgl. M. b. Salim 'Ug-aiml.
Dgl. Hamid b. 'AbdaUäh al-Qari. Dgl. 'Abdallah b. 'Abbäs Hidawi.
Dgl. Saijid M. Säüh b. 'Aqil.
.)OCX>OQCXX>0
40 If-ie Well <hs hl<imK. Hand H. IHIh. Heft 2
ntitrrrrrnrfwirriBiini n nn nrn mTrTnTTmmmTmmTffTrTrrTrrmTT^^
DIE GROSSE STEPPE ASIENS UND DIE
WESTOSTSTRASSEN.
VON
MARTIN HARTMANN.
Die Probleme der völkischen und kulturellen Entwicklung- des
Mittelost greifen immer tiefer auch in unser Leben ein. Wurden
wir bisher nicht unmittelbar berührt, so ist doch die deutsche
Forschung auch hier nicht müßig gewesen und zahlreicli sind die
Arbeiten deutscher Gelehrten, die mit diesen Problemen in Be-
ziehung stehen.
Für Briten und Russen hat bei der Richtung ihres staatlichen
und wirtschaftlichen Lebens stets die staatsrechtliche und völker-
rechtliche Seite der asiatischen Probleme im Vordergrund gestanden.
Gerade hier ist die Beziehung des Rechts zum Leben besonders
War: es handelt sich da meist nicht um die Anwendung starrer
Rechtsnormen, sondern um die Bildung oder Ausgestaltung eines
Rechtszustandes. Dabei ist genaue Kenntnis der Gesellschaft, zu
welcher in rechtliche Beziehungen getreten werden soll, erste
Bedingung. In Rußland ist, trotz der engen Berührungen des
herrschenden Volkes mit den zum weitaus größten Teil islamischen
Elementen, die in die russische Herrschaft einbezogen werden sollen,
oder, wenn bereits einbezogen, dem allgemeinen russischen Rechts-
zustande unterworfen werden sollen, die Kenntnis der fremden
Gesellschaft meist nur ganz oberflächlich, und es gibt zahlreiche
Beispiele, in denen die Regierung in der Behandlung der Muslime
die größten Fehler begangen hat. Man wird sagen können, daß
die Verwaltung der muslimischen Bestandteile des russischen Reiches
weit weniger geschickt war und ist, als es in Indien der Fall war.
Nicht ohne Besorgnis sehen Rußland und England einen Kon-
kurrenten auf dem Plane erscheinen, dessen Tüchtigkeit zu fürchten
.sie Grund zu haben glauben. Deutschland hat bis zum Ende des
1 Q.Jahrhunderts nicht unrühmlich AnteU genommen an der politischen
Gestaltung des Vorderen Orients, wie es auch im Äußersten Osten
die Augen offen hatte und in entscheidenden Fragen seine Ent-
schließung zur Geltung brachte. Was zwischen Vorderasien im
Sinne der Asiatischen Türkei und Ostasien im Sinne Chinas und
Uartmann. TJie </>ofie Steppe Asiens und die Wfsloftsimßefi. 41
OCC)0COeX»OO0C)C>C<X)«0OCXXXXX)CXXIO0C<XXXXXXXX>C<XD00C«»OOCXXX)^^
Japans lag, beschäftigte uns weniger. Was sollten wir in diesen
Gebieten tun, an die unmittelbar heranzukommen außer Möglichkeit
schien und auf denen die russischen und })ritischen Interessen als
erste Hypothek lasteten ?
Heute ist es anders. Der Zusammenbruch des tsaristischen Rußland
zeigt uns den Mittelost in voller Bewegung. Das ist natürlich nicht
so aufzufassen, als würden dort mit einem Schlage Staatsgebilde
entstehen, die sich mit Erfolg dem aus den Trümmern neu erstehenden
Russenreiche entgegenstellen könnten. Sobald es zu dem neuen
Rußland gekommen ist, das wenigstens einen Teil der alten, ihra
nach dem Kriege amputierten Glieder wieder gewonnen hat, beginnt
auch von neuem die Politik der Expansion, die nun einmal von
dem russischen Wesen unzertrennlich ist, hier sich ausdrückend als
festere Anschließung' der bisher nur lose angeschloss(?nen islamischen
Außenprovinzen.
Deutschland ist nicht in der Lage, in diesen Prozeß direkt ein-
zugreifen. Es ist müßig, Zukunftsbilder zu entwerfen und den
Propheten spielen zu wollen. Es ist aber nicht bloß gestattet,
sondern sogar geboten, den gegenwärtigen Zustand darzustellen
und dabei auf diejenigen Momente hinzuweisen, die eine bedeutendere
Sonderentwicklung versprechen. Ich nenne hier an erster Stelle
den jedem Sehenden scharf entgegentretenden Durst der inner-
asiatischen Völker nach Fortschritt und ihre, in dieser Richtung
g'ehende Bewegung", die durch hochintelligente und willensstarke,
von einer unzählbaren Schar fleißiger Mittelkräfte unterstützte
Männer geleitet wird. Es wird unermüdlich gearbeitet um vorwärts
zu kommen und diejenige Waffe sich zu erwerben, mit der alle
Unterjochungsversuche Fremder am gewissesten und erfolgreichsten
bekämpft werden können : die Waffe der höheren kulturellen Stufe,
die zugleich die Grundlage des erfolgreichen Kampfes mit der
Kriegswaffe ist.
Die Völker Asiens, die in dieser Frage in Betracht kommen,
sind fast ausnahmslos Türken; die Burjäten und Kalmüken ver-
schwinden unter ihnen.
Die Russen und die Briten — die letzteren haben ein Interesse
zur Sache, sofern durch die Bewegungen der Türkvölker des Mittel-
ost ihre Grenzländer Afganistan und Persien berührt werden —
sehen mit wachsender Besorgnis auf das brausende Meer der mittel-
östlichen Türken. Sie wissen, daß Deutschland gar nicht anders
kann als an der Bewegung Anteil nehmen, schon wegen der Roh-
42 T)ie Welt (/es /.sA ////.<. /J^mtf H. IdtS, lieft 2
stoftversorgung, für die der Mittelost von der größten Bedeutung
werden wird. Ein anderes Moment ist das Ansehen Deutschlands
bei jenen Völkern. In ihren Augen steht das deutsche Volk zum
mindesten gleichwertig neben dem russischen und dem englischen.
Man konnte nicht verhindern, daß zahlreiche Individuen der
beweglichen und lernbegierigen Türkvölker mit dem deutschen
Volke direkt oder indirekt in Beziehung traten. Man konnte auch
nicht verhindern, daß dabei, trotz aller, über uns in die Welt
gesetzten Lügenmähren, gerade zu uns die Türkvölker Vertrauen
faßten. Hier spielt die Religion hinein. Russen und Briten haben viel-
fach so gehandelt, daß ihr Verhalten den Muslimen erscheinen mußte
als ein „Vertreiben aus dem eigenen Lande" und daß damit die
Normen in Anwendung kommen, die durch Koran 60, 9 gegeben sind.
Der religiöse Zustand wies die Türken-Muslime des Mittelost noch
mehr als auf das deutsche Volk auf ein anderes hin, das ihnen
durch Blutband nahe steht: das Osmanische. Es ist . mit Recht
bemerkt worden, daß die Türken Rul^lands zum weitaus größten
Teil noch nicht auf die Stufe des sozialen Lebens gelangt .sind,
auf welcher nationales Bewußtsein vorhanden ist. Es gibt noch
weite Klüfte in den sozialen Institutionen, ohne deren Ausfüllung
oder Überbrückung eine Verschmelzung der Türken Rußlands und
des Mittelost mit den Osmanen nicht möglich ist. Es ist auch die
Frage, ob es je zu einer solchen, zu nationaler Einheit führenden
Kluftausfüllung- kommen wird (wie schwer war es, die kulturell so
hochstehenden deutschen Stämme zu einem wirksamen, gegen
Angriffe g'efeiten nationalen Zusammenschluß zu bringen !). Auf
osmanischer Seite arbeitet man mit dem Gedanken, daß gewisse
kirchliche Institutionen dem Verschmelzungsprozeß große Dienste
leisten werden. Es ist nicht zu leugnen, daß der Kalifatsgedanke
bei geschickter x\usbeutung die Tendenz der Annäherung fördern
kann. »Seine Bedeutung darf aber nicht überschätzt werden. Es
steht hier entgegen die geistige Verfassung der nördlichen und
östlichen Türken: sie sind durchaus praktisch veranlagt und fragen
stets an erster Stelle : wie steht es mit dem tatsächlichen Nutzen ?
In diesem Falle gestaltet sich die Frage so: 1. Kann der Kaufe
uns eine wirksame Hilfe gewähren bei unserem Bemühen um
kulturellen 1' ortschritt ? 2. Kann der Kalife uns wirksame Hilfe
gewähren im Kampfe gegen Feinde ?
Tatsächlich sind die Machtmittel des Kalifen, soweit er der
Padischah des Osmanischen Reiches ist, nicht unbedeutend. Die
Hartinann, Die (p'ofü' Steppe A-v'ens imd die Wi-stost-itrafieu. 43
8O0OO0O0O0OOOOO000<X)00O0000O000<XXXXX)00000O<XXXXXXKXXyXXXXDO0OCKXXXXXX»0OO000OC>^^
Türkei hat in den letzten Jahren auf dem Gebiete der kulturellen
Entwicklung* schöne Fortschritte gemacht, und es wird auch von den
Türken des Nordens und Ostens anerkannt, daß sie bei ihrem Bildungs-
streben wertvolle Hilfsmittel in der Türkei, d. h. in Konstantinopel,
dem einzigen bedeutenderen Kulturzentrum des weiten Reiches
finden. Man kann aber der Erwägung nicht ganz eine Berechtigung
absprechen, daß die moderne türkische Kultur relativ jung* ist, daß
sie erworben ist durch ein erst vor einigen Jahrzehnten beg'onnenes
ernsteres Indieschulegehen bei den fränkischen Völkern; es ist also
nicht zu verwundern, wenn man bei den nördüchen und östlichen
Türken die Frag'e hört (ich selbst habe sie nicht selten vernommen) :
„Warum sollen wir moderne Geistesbildung und damit auch Charakter-
bildung in Stambul suchen, wenn wir sie an den mannigfaltigen
und reichen Bildungszentren der westHchen Welt finden können,
wo wir zugleich überall einer großen Zahl sittlich hervorragender, in
ihren geistigen, wirtschaftlichen und staatlichen Lebensäußerungen
völlig" integrer Personen begeg'nen und an ihrem Beispiel unser
eigenes sittliches Leben stärken und aufbauen können ?" Dazu
kommt, daß das, was die Osmanen selbst beim besten Willen an
materieller Unterstützung der geistige Kultur suchenden Stammes-
genossen leisten können, doch nur g^ering ist. Die eigenen nächsten
Volksgenossen machen wirtschaftlich schon seit Jahrzehnten schwere
Krisen durch, und g'egenwärtig ist, wie wir mit schmerzlicher Teil-
nahme sehen, die materielle Not kaum noch erträghch (die groß-
zügige Lebenshaltung, die wir nicht selten bei den Türken im
Auslande finden, darf über die wahrhaft bemitleidenswerte Lage
der großen Masse in der Türkei nicht hinwegtäuschen). Auch das
kann nicht verschwiegen werden, weil es allen aufrichtigen Osmanen
und auch allen die Verhältnisse genauer kennenden Westlern nur zu
bekannt ist, daß in der Ausg^estaltung der meisten Verwaltungszweige
es zu schönen und vielversprechenden Anfängen gekommen ist, daß
aber doch bei näherem Zusehen allzu sehr der Schein überwiegt
und daß die wahren und entscheidenden Bedürfnisse des Volkes
bei weitem nicht in g'enügender Weise berücksichtigt sind. Wie
wenig" die Osmanen an eine Unterstützung" der vStammesgenossen
im Norden und Osten denken können, geht hervor aus dem Artikel
von Halide Edib in Wakyt xova 30. Juni „Wir wollen bei uns nach
dem Rechten sehen", mit der ernsten Mahnung", den Türkismus
zunächst zu Hause zu üben, und nicht sich und andere mit Theorien
zu täuschen -(vgl. Neuer Orient III, Nr. 8, S. 418).
44 l>i<f ^'elt (h's Islams. Hand C. iUlH, lieft 2
Die nördlichen und östlichen Türken äufiern fast überall, wo
man ihnen begej^net, eine lebhafte Sympathie für den osmanischen
Rassengenossen, den sie mit Vorliebe „älterer Bruder" nennen, und
für den sie neben dieser Sympathie eine wahrhafte Bewunderung
wegen seiner glänzenden militärischen Eigenschafton und der aus-
gezeichneten T.eistungen im Weltkriege empfinden. Aber in Dingen
ihres Kulturfortschritts sind sie von einem unbc/ähmbarcn Drange
besessen, schnell und sicher vorwärts zu kommen. Sie fühlen die
ungeheuere Gefahr, die ihnen droht, wenn sie nicht schnell handeln.
Denn der l'eind sitzt ihnen auf dem Nacken. Wie können sie sich
gegen ihn schützen ? Wer bringt ihnen Hilfe ? Es wäre ein Unrecht,
Hoffnungen zu erwecken, die sich voraussichtlich nicht verwirkhchen
lassen. Es ist bei Behandlung der Frage gröfite Vorsiclit geboten.
Namentlich die Presse sollte sich Beschränkungen in dieser Hinsicht
auferlegen. Denn schon beginnt die Legende der Feinde ihr Werk,
das an erdichtete oder verstümmelte Nachrichten anknüpfend ein
falsches Bild gibt, um uns bloßzustellen oder zu schädigen. Ein
wirksames Mittel der Gegenarbeit gegen die Verleumdung gibt es
nicht Es ist aber gut, phantasievolle Geschichtsklitterung niedriger
zu hängen. Alle Presseäußerungen der feindlichen Welt müssen
verfolgt werden. Bei der Weitsicht der Briten, die durch die lange
praktische Beschäftigung mit den Fragen des Mittelost geschult
sind, finden wir zuweilen bei ihnen neben Auslassungen, die eine
Spitze gegen uns enthalten und zu beachten sind, um dem Sich-
bilden von Legenden möglichst schnell entgegentreten zu können,
solche, die als gut orientierende Zusammenfassung von Tatsachen
und Plänen nützlich sind.
Eine Arbeit solcher Art, die Aufsehen erregte durch Anlage
und Durchführung und die reich ist an allgemeinen Gesichts-
punkten und Entwicklungsgedanken und wertvoll durch die Be-
achtung der Raumverhältnisse als gesellschaftbildendcr Faktor, ist
„Russia, Germany and Asia" in T/w round Table (Nr. 31, Juni 1918,
S. 526 — 5Ö4). Sie ist aufgebaut auf dem falschen Gedanken, daß
Deutschland Rußland und damit Asien erobern wolle. Es ist das
böse Gewissen des Briten, aus dem dieses Schreckgespenst ihm
erwächst. Weil er selbst beständig mit gierigem Auge alle Teile
der Welt auf Raubmöglichkeiten hin durchforscht, hat er Deutsch-
land im Verdacht, seine Armeen bis in den Mittelost und P>rnost
senden zu wollen. Dabei zeigt der Aufsatz gute Kenntnis der
Hauptsachen, soweit die russische Herrscliaft über Asien und ihre
Harttnanii, Dif große Sieppi' Asiens und dir Westoststraßen. 45
O0C»O0000OO0<XX»00000(X)0(XXXXXXXXX)000000000<XXXXXXXXXy500<>3000000<>XX500000000C^^
Bedingungen in Betracht kommen, und die Fähigkeit synthetischer
Darstellung-, die aus den Einzelheiten durch geschickte Zusammen-
stellung ein Gesamtbild von starkem Eindruck herstellt.
Die Gliederung ist folgende: I. Die Steppe als politischer Faktor;
n. Rußland und Asien: Der Nordostdurchweg; III. Rußland und
Asien: Der Südostdurchweg; IV. Deutschlands Gelegenheit; V. China
oder Indien?
Eine kurze Einleitung stellt fest, daß für Rußland, d. h. das Land
der großrussischen Sprache, die Steppe ist, was für Antäus die Erde
w^ar, und daß die Steppe den deutschen Waffen unerreichbar ist;
ferner: das Russische Reich beruht wesentlich auf der Herrschaft
Rußlands über die Steppe und ist ein neuer Wuchs.
I. Die Steppe als politischer Faktor. Die große Steppe
erstreckt sicii östlich bis zu Altai und Pamir; im Süden begrenzt
sie das persische Hochland, dann Kaspi, Kaukasus und vSchwarz-
meer; westlich reicht sie bis zu den Karpathen und fußt jenseits
in der Ebene Ungarns; im Norden schließt sie ab das Waldland
der Ukraine und Großrußland, östlich vom Ural die Taiga am
Mittellauf von Ob und Irtisch. Dieses ungeheuere Gebiet ist
physikalisch nicht uniform; die Einförmigkeit besteht in der Gleich-
heit der Lebensbedingungen, wenigstens seit der Herrschaft Ruß-
lands. Nur Nomaden konnten Rumänien, die Schwarzmeerprovinzen
und Westsibirien Jahrhunderte beherrschen. Die Steppe bestimmte
ihre Lebensform: sie ist dem Handel offen, leichte Wege führen in
ihr in allen Richtungen. Die Steppenmacht ist zu vergleichen der
Seemacht: sie ist unteilbari. Immerwährende Zusammenschlüsse
finden statt: schwache Stämme werden von stärkeren verjagt oder
1 Hier bieten sich zwei Parallelen, die lehrreich sind, wie's zu machen ist und wie nicht:
die Syrische Steppe und die Sahara. Mit unvergleichlicher Energie und bemerkensr
wertester Geisteskraft packten die Franzosen das Problem des großen Nordafrikanischen
Landmeeres zwischen dem Küstenlande und dem Sudan an, und unter ihren Händea
verwandelte es sich aus einem trennenden in ein verbindendes Element, das durch die
Mittel moderner Technik, durch Ausbau der Oasen und Anlegung artesischer Brunnen,
durch Verwendung von Automobil und Flugzeug in den Dienst einer weitschauenden
Kultur- und Staatspolitik gestellt ist. Anders die Syrische Steppe. Ihr nördlicher Teil,
zwischen den Linien Damaskus — Palmyra — ed-Der und Aleppo — Dscheräbulus, war bis
kurz vor dem Einbrüche der Araber im Dienste des Kulturlebens; aber das Kalifat
und die in ihm wirkenden Mächte hatten nicht die Kraft, das Zerstörungswerk des
Nomadentums aufzuhalten ; die Versuche der Türken, das Land der Kultur zurück-
zugewinnen, waren ohne Ernst und darum ohne Erfolg. Hier stehen wir vor einer
großen Entwicklung.
46 l>ic MV// de.^ l/^lams. Band 6". i9i8, Heft 2
C(«ClOOCK>OCXXX>OOOC^X<X>OOOOOClOOCXXXXXyXXXX^
aufgesogen. Der Eroberer bewegt sich vollkommen frei: ein Mönch
im Mittelalter sah aus dem Mongolcnlager zwei Heere aufbrechen,
das eine nach Ungarn, das andere nach Birma. Die Steppen-
beweglichkeit erklärt die Verbreitung der indo-europäischen Spracli-
fqmilie, wozu zu vergleichen ist die Übertragung von Englisch und
Spanisch nach Amerika. Aber Steppenmacht wirkt nicht auf Siedel-
land: überllutcten Steppenmenschen die großen Reiche, so konnten
sie sich gegen die Seßhaften niclit halten; es gab eine Störung,
aber keine wesentliche Modifizierung. Anders ist es mit der
Kontrollierung der Steppe von außen. Sie selbst war nie Brut-
land für ein Volk. Viele Stämme kamen aus den Bergtälern der
Mongolei und des Altai, aber sie modelten nicht, vielmehr wurden
sie gemodelt. Schon in sehr frühen Zeiten brach Persien mit Land-
bau und Städtebau in die Steppe ein, bis nach Ferghana und den
Oxus hinunter bis zum Aralsee. Die Zivilisation hielt sich in Oasen,
deren Siedler in Verbindung mit der übrigen Welt blieben. Das
Avaren lebensfähige Außenposten, immer in Defensive. Das Kaspische
Meer wird von der Steppe beherrscht; die kaspischen Provinzen
Persiens übten nur geringen Einfluß auf die andern Küstenländer.
Der Kaukasus ist zu klein und zu bergig, um Einfluß über seine
Grenzen hinaus zu üben: seine Bewohner schützen sich nur mit
Mühe gegen Einbrüche. Mehr Einfluß übt das Schwarzmeer unter
dem Banne des Mittelmeers: am Don, am DnjejDr und im Asowschen
Meer finden Berührungen zwischen Steppe und Mittelmeerzivilisation
statt: griechischer Handel vom 6. bis 4. Jahrhundert und genuesi-
scher im 13. und 14. Jahrhundert (der Skythenkönig- mit seinem
Hause in einer griechischen Niederlassung bei Herodot wird von
dem eifersüchtigen Stamm getötet). Die Seefahrer sind in der
Hand der Anlieg^er der Meerengen, und der griechische Handel
wird von den Persern, der genuesische von den Osmanen ge-
brochen. Von Anatolien oder dem Balkan aus konnte 'die Steppe
nicht regiert werden. Die Osmanen schlugen sich durch bis zur
Krim, änderten aber die Bedingungen der Steppe nicht. Zentral-
europa übte Einfluß auf die Steppe nur an den beiden Rändern,
und der Verkehr war gering. Einmal war die Steppe beherrscht
von . indo-europäischen Nomaden, aber eine Flut turanischer Ein-
wanderer vom Altai her schwemmte sie fort, außer den Osseten.
Das gab einen vollkommenen ethnologischen Wandel in historischer
Zeit, ein Zeugnis derUnstätheit der Steppenmacht. Nur darf man nicht
generalisieren. Das Entstehen des Russischen Reiches warf alles um.
Harimanii. hie aroßf SU'ppe Anenf^ und die Westo^tdrafkn. 47
eO0C©0€KXXXXXXX>00<X)<XXX>OCXXXXXXXXX>00O000OO000O0O0C«<XXXXXXXXX)^^
n. Der Nordost durch weg. Rußland ist der erste Herrscher
über die .Steppe in ihrer Ganzheit. Die Russen kreisten die Steppe
ein: dieser Prozeß begann vor 400 Jahren und erreichte seine größte
Intensität während der letzten Generation. Die Bev<)lkerung mehrte
sich und änderte ihre Lebensweise. Steppe und Rußland blieben
nicht mehr verschiedene Elemente, sondern wurden organische
Teile eines wirtschaftlichen und politischen Ganzen. Rußland war
entstanden durch den Ausbruch einer slawonischen Bauernschaft
durch die Wälder zwischen den Pripetsümpfen und der Newa im
6. Jahrliundert; die Vertriebenen waren finnische Waldbewohner,
Im 10. Jahrhundert wurde der russische Staat geschaffen durch
Seefahrer aus Skandinavien. Religion und Kultur kamen von
Konstantinopel über den Dnjepr und drangen den Strömen entlang-
durch den Wald an die Ostsee und die obere Wolga. Ähnlich
wirkten die Wolga entlang islamische Einflüsse auf die östlichen
Finnen. Bolgar, der Vorläufer von Kasan, war der Gegenpart
von Kiew. Um 1000 wurden Slavische Russen zum Christentum,
Finnische Weißbulgaren zum Islam bekehrt. Der letzte Aufschwung
des Steppenvolkes fand unter Dschingis statt. Batu zermalmte
Rußland 1238, und die Russen blieben seinen Nachkommen, den
Chanen der Goldenen Horde tributpflichtig. Westrußland geriet
unter zentraleuropäische Kontrolle. Die Ukraine sonderte sich mit
einer besonderen Nationalität. Die Chane der Goldenen Horde
wurden gestärkt durch Annahme des Islams, und das führte zu
einer Union zwischen den Nomaden der Weststeppe, die Muslime
wurden, und den Finnen der Mittelwolga, die das Türkische an-
nahmen. Rul^land war unter den Tataren so hilflos wie die Christen
der Iberischen Halbinsel unter den Mauren. In beiden Fällen kam
es zu einer Reaktion, die nicht nur verlorenen Boden wieder
gewann, sondern neue Welten öffnete. In beiden Fällen wurde
die orientalische ZiviHsation herausgetan: von den Portugiesen
durch die Seeschiffahrt, von den Russen durch die historische
Expansion nach Norden und nach Nordosten. Die Händler von
Nowgorod drängten an den Flüssen entlang zum Weißen Meer
und zum Ural. Die Goldene Horde brach zusammen, während
Nowgorod und das obere Wolgabecken sich unter den Fürsten
von Moskau einten. 1552 — 54 wurden die Chanate von Kasan
und Astrachan erobert, und 1586 wurde dem Westsibirischeu
Chanate ein Ende gemacht. Stürmisch ging es vorwärts: der
Islam wurde umgangen. Die wettergestählten Russen drangen
48 r>ie Welt des hlan,.<, Hand tl, 19 i 8, /f. ff, 2
e0IMe0O00<XXXX)00ea0O(XXXXXM000O000O0OO(XXXXXXXXXXXXXXXXXXXX>3O00O0OO(X>00O(>3O0CX)OOOOC)OOOOC^^
an einem wunderbaren Flußsystem vorwärts: £in Wolga und Kama
und durch den Ural nach Tobolsk, dann an den Jcnissei, dann durch
die Tunguska hinauf zur Lena, von dort nach Jakutsk und dann
zur Wasserscheide, die auf den Stillen Ozotin l>lickt. ]3essen Küste
wurde 1638 erreicht. Der Nordostdurchweg' war in 68 Jahren
zurückgelegt worden. Das stellt sich der portugiesischen Um-
schilTung Afrikas an die Seite. Aber die Durchdringung der
Steppen Sibiriens begann erst 300 Jahre später. Als Parallele
bietet sich hier die früheste Tätigkeit von Franzosen und üng-
ländern in Nordamerika: die Eingeborenen werden ausgerottet
oder bekehrt. Bedeutend wirkt der Teehandel aus China. Un-
sichere Elemente v/erden in immer weiter sich vorschiebenden
Kolonien angesiedelt; zu vergleichen ist das Hudson Bay-Territory
in der Geschichte Kanadas. Endlich kam die Sibirische Bahn. Aber
östlich vom Baikalsee brachte diese selbe Bahn der russischen Ober-
hoheit Verderben, denn mit ihr kamen die chinesischen Kolonisten
ins Land, daneben japanischer Einfluß. So wurde Rußland machtlos.
Nach der Revolution kam der Zusammenbruch, der die letzte Spur
des Russentums wegzufegen scheint. Die Außenposten der russischen
Bauern sind vom Hauptkörper durch eine Viertelmillion Burjäten
abgeschnitten, Buddhisten, die der Russiiizierung widerstanden und
seit der Revolution .sich mit Tendenz zu nationaler Autonomie
organisierten. In Westsibirien dagegen entstand zwischen Baikalsee
und Ural ein neues Rußland. Hier setzte vor etwa 20 Jahren die be-
rühmte großzügige russische Siedelung.spolitik (innere Kolonisation)
ein. Die Bedingungen waren nicht so günstig wie in Kanada.
Doch ist ein vielversprechender Fortschritt zu verzeichnen. Die
Einfuhr von Landbaumaschinen wuchs stetig. Dänen führten ge-
nossenschaftliche Meiereiwirtschaft ein. Die Nebenbahn Omsk —
Perm — Wologda vermittelt einen kürzeren Weg zur Ausfuhr über
Archangelsk. Die Bevölkerung stieg von 4I/4 Million 1897 auf
8 Milhonen 1911; von diesen acht MiUionen sind nur etwa eine
halbe MilUon Eingeborene, darunter nur 200000 Tataren oder
tatarisierte Samojeden und Finnen in den Provinzen Tobolsk und
Tomsk und 130000 Burjäten im östlichen Irkutsk, als einzige
Elemente mit selbständiger Kultur.
in. Der .Südost-Durchweg (S. 538 — 549) beschäftigt sich haupt-
sächlich mit den Kosaken: Das Hauptmoment ist der Kampf der
Stanitsa, des verschanzten Kosakendorfes, gegen die Kilntka, das
Wanderzelt. Eine der letzten Kosakengründungen durch die
Harlmann, DU' große Steppe Asiens rind die WeMostsiraßen. 49
B00000exXXXXXX<(000CXXX3tXXX»00O0O00C)0000OO(X)00CXX>>XXXXXX)0CKXXX»OC^^
Regierung war die Schaffung einer neuen Kosakenlinie an der
armenischen Front in dem neubesetzten Osmanischen Territorium
durch die russischen Militärbehörden im gegenwärtigen Kriege.
Russische Kolonisten wurden in das Land der Armenier gesetzt,
die die türkischen Grausamkeiten vertrieben hatten, und dem nichts-
würdigen Plane wurde nur durch die Revolution ein Ende gemacht
[das ist ein offenes Urteil über die Art der russischen Freunde].
Diese ganze Kosakenbewegung und ihre Ausnutzung war der
Lebensfaktor in der russischen Expansion nach Südosten: Der
Kosakendamm staute die Nomadenflut. Ihr Ebben brachte die
zentrale Steppe in das Bereich der Zivihsation und bereitete den
Weg für die Kolonisation Westsibiriens. Ein großer Schritt hierin
war die Vertreibung der Kalmükischen Einbrecher 1770. Auf der
anderen Seite hatte Rußland mit den Türken abzurechnen, denn
das Krim-Chanat, das den Weg zum Schwarzmeer versperrte, hatte
türkischen Rückenschutz. Die Schranke wairde zerbrochen im
Frieden von Kütschük Kainardschi 1774, die Krim annektiert 1783.
Es folgt die Zeit der Städtegründungen. Das Schwarzmeer hörte
auf ein türkisches Meer zu sein, wurde aber darum nicht ein russisches
Meer. Rußland sog die Steppe auf bis zum Fuß des Kaukasus.
Aber seine Expansion konnte dort nicht Halt machen. Der Kampf
ging weiter, und der Friede von Brest-Litowsk, der alles umwirft,
wird nicht die letzte Entscheidung sein; sie hängt von dem schließlichen
Schicksal des Kaukasus ab. Der Kaukasus ist wie der Balkan eine
Brücke zwischen zwei Kontinenten und eine Meerenge zwischen
zwei Meeren, und ist zugleich ein Treffpunkt für Rassen und
Zivilisationen. Von 1774 ab ist der Kaukasus zwischen muslimischen
Mächten und Rußland geteilt. Georgien wird russisches Protektorat.
Die Einverleibung in das russische Reich wird 1878 vollendet durch
Übernahme von Batum, Kars und Ardahan. Die Herrschaft über den
Kaukasus sicherte Rußland den Besitz der Schwarzmeersteppe und
brachte dem Kaukasus großen Segen. Die Bahn Baku — Poti wurde
gebaut und die Petroleumausbeutung gefördert. In Turkestan
fielen um 1500 die Özbeken wie Heuschrecken über die Städte
des Landes her, das in kleine Chanate zerrissen wurde. Die Ver-
bindung" zwischen den Oasen wurde gestört. Doch ein wilderes
Steppenvolk, die Turkmenen, besetzten die verlassenen Oasen zwischen
der persischen Grenze und dem Oxus. Hier wirkte Rußland Außer-
ordentliches durch die Transkaspibahn. Das Motiv dieses Vordringens
war vielleicht der Gedanke, die Niederlage im Krimkriege durch
Die Welt lies Islams. Band 6. 4
50 f>i<' ^flt <l<"< ff^'unf. Baml H. 1918, Heft 2
<X)00e00(XX)0000000«00000(XXI0000C<«0CXX<>0CO(XXX}000000CXXX»CXXXXXXXXXXXX3^^
Bedrohung- Indiens zu rächen. So sah man die Sache gewöhnlich
in Großbritannien an, und der britischen Diplomatie gelang es, die
neue russische Grenze gegen Persien und Afganistan so zu führen,
daß Indien außer Gefahr blieb. Aber wenn auch Rußland sein
Ziel nicht erreichte, so erwarb es ein eigenes Indien in dem Lande
jenseits des Oxus. Bei einem Vergleiche zwischen Britisch-Indien
und Russisch Zentralasien zeigt sich: beide sind Länder alter
orientalischer Ziviüsation, durch Eroberung an europäische Staaten
angeschlossen, von denen sie durch eine Raumlücke getrennt sind,
die Steppe in einem Fall, das Meer im anderen. Der Hauptunterschied
liegt in der Beziehung zwischen Herrschern und Beherrschten:
England und Indien sind getrennte Einheiten, Rußland und Zentral-
asien sind zusammengeschweißt zu einem Organismus.
IV. Deutschlands Gelegenheit (S. 549 — 558). Die Steppe
steht unter konzentrischem Druck von aUen Seiten. So fielen die
Kirgisen: sie mußten sich die russischen Bauern gefallen lassen,
mußten selbst Landbauer werden. Symbol sind die Bahnen Rostow —
Baku und Samara — Taschkent, 1914 war die Umwandlung der
Steppe in Siedelland in voUem Lauf ; der Prozeß ist zu vergleichen
mit der Arbeit Roms in Westeuropa. Rußland und Rom waren
Exponenten des Militarismus; sie hatten die gleiche Weite der
Auffassung in dem Straßenbau zur Sicherung ihrer Eroberungen.
Die sibirische Bahn und der Transkaspi sind die modernen Parallelen
zu den großen Römerstraßen, und die lateinischen coloni entsprechen
den Kosaken der Russen. Zu Roms Expansion in Verbreitung von
Sprache und Bauerntum ist zu vergleichen die Russifizierung und
Kolonisierung der Steppe. Landfrage und Nationalitätenfrage sind
in Rußland nur verschiedene Namen für dasselbe Problem sozialer
Umbildung. Die Ursachen des Umschwungs waren moralisch, denn
das Tsartum war wie Rom Verkörperung von Gewalt und Un-
gerechtigkeit, zugleich aber auch von schöpferischer Kraft. Das
war für die Beglückten in ihren Ruinen ein Greuel der Verwüstung,
Hätte die Zeit wirken können, so hätte das schöpferische Element
triumphiert. Aber als der Krieg kam, war das Russische Reich
kaum in die zweite Phase seiner Geschichte getreten: das Gute
und das Böse waren noch zusammengekettet und die Fesseln des
Tsarismus konnten nicht ohne gleichzeitige Erschütterung der Grund-
lagen des Reiches gebrochen werden. Die Revolution gegen die
üblen Methoden konnte nicht ausbleiben. Kirgisen und Baschkiren
waren durch die Kolonisationspolitik mit den erschütternden Metzeleien
Hartnumn, Die große Steppe Asiens und die Westoststraßen. 51
00<XXXXXKXXX)<XIOC500000(XXXXXXX>X>00CXXX«)0(:<XXXXX)0O00CO000OO^^
durch russische Truppen 1910 zum Äußersten getrieben und ver-
langten Abzug der russischen Ansiedler und Wiederherstellung
ihrer alten Stammgrenzen und Einrichtungen. Überall regt sich
der Nationalismus und das Streben nach Loslösung. Aber die
Übel der Zentrifugalitüt brachten wiederum zentripetale Kräfte auf:
man fühlt, daß alles zusammenhängt. Zentralasien entdeckt, daß
Unabhäng'igkeit wirtschaftlich ausg'edrückt Hungertod bedeutet.
Die transkaukasischen Nationalitäten lernten aus der türkischen
Besetzung Batums, daß Partikularismus politische Vernichtung
bringen kann und daß ihr Gedeihen vom Transithandel abhängt.
So wird sich alles regeln, und das Russische Reich dürfte von Krieg
und Revolution genesen. Die Randländer der Steppe kommen
wieder zusammen. Es ist wie bei einem Erdbeben : die Häuser
werden mit den alten .Steinen wieder aufgebaut und besser. Aber
zurzeit liegen die Steine noch herum, zur Verfügung des Feindes.
Kann Deutschland nebenbuhlerisch die Hand auf dieses Material
legen? Die Einmischung Deutschlands am Ostasienende ist keine
ernsthafte Möglichkeit. Die große russische Nation ist unzerstörbar
und Deutschland kann sie nicht aus ihren Sitzen treiben ; höchstens
kann es versuchen, sie unter seine Kontrolle zu bringen. Aber
seit Brest-Litowsk ist die Hauptstadt Rußlands von Petersburg nach
Moskau gewandert, nicht nach Berhn. Selbst dann könnte Deutschland
nicht effektiv jenseits des russischen Nationalterritoriums sich aus-
breiten. Deutschland könnte nur als Verbündeter Rußlands ein-
dringen, etwa unter dem Zwange fremder Gefahr. Aber als Rußlands
Verbündeter hätte Deutschland Einmischung zu leiden in seine
innere Entwicklung, Die russische Kolonisierung der Steppe
würde weitergehen. Die Steppe ist Rußlands Zukunft; mit ihr ist
Rußland unbesiegbar, und Deutschlands Hauptpohtik nach dem
Kriege muß sein, die Steppe Rußland zu entwinden. Dazu muß
Deutschland den Südostdurchweg haben. Hier ist Rußlands
Stellung unsicher. Die deutschen Absichten in dieser Richtung
müssen ernst genommen werden. Deutschland hat vier Karten
in der Hand: als erste die Unabhängigkeit der Ukraine, die eine
Tür nach der westHchen Steppe öffnet; die Ukraine ist das natürliche
V/erkzeug Zentraleuropas gegen russischen Imperialismus und diente
als solches den Litauern, Polen und Schweden. Die zweite ist der
Südostbund der Kosaken, von Orenburg bis zum Don; die Kosaken
sind ein störendes Element im politischen Körper Rußlands; ihre
Landreserven sind das Gierziel der Bauernschaft; unter den
tj Die WelL des 14a ms, Band 6. 1918, Heß 2
eOOOe(X>OCCOOCCCOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOCXXXXXXXXXXXXXX>OOOCOC>(>XXXX>OOOOOOOOCXXKX>OOOOC^^
Bolschewik! werden die Kosaken der Kern der Opposition sein ;
kommt die Bourgeoisie durch die Kosaken auf, so sind wiederum
die unterworfenen Bevölkerungen ein Revolutionsherd; kurz es
gibt immer Fälle, in denen Deutschland einschreiten kann. Dritte
Karte: die Eifersucht zwischen Armeniern und Georgiern, zu ver-
gleichen dem Zwist zwischen Serben und Bulgaren; wird das richtig
ausgeljeutct, so kann der Weg durch Transkaukasien geöffnet
werden, und der Niederbruch der Schranke zwischen der Türkei
und Azerbaidschan würde Deutschlands vierte Karte ins Spiel bringen :
die panturanische und panislamische Propaganda. Die Bewegung
hat geringe innere Lebenskraft : von 19 Millionen russischer Mushme,
von denen 16 MilHonen Türken sind, haben nur wenige die Auf-
fassung oder die Fähigkeit, sich nach solchen Zielen zu organisieren;
den meisten brachte die Revolution nur eine plötzliche Entlastung
von einer unwiderstehlich wandelnden Gewalt. Sie würden gern
in den alten Torpor zurückfallen. Aber Rußland hat sie schon
unwiderruflich gemodelt: sie können einen zivihsierten Partner nicht
entbehren. Die Türkei kann nicht an Rußlands Stelle treten ; wären
Türkei und Rußland allein auf dem Platze, so würde der russische
Einfluß unvermeidlich überwiegen. Aber Deutschland könnte, durch
die Türkei wirkend, besitzerloses Material zu dem Wall zusammen-
bauen, den es in der Steppe g'egen weitere russische Kolonisierung
braucht. Die eingeborene Bevölkerung ist die einzige brauchbare
Schranke, denn Deutschland kann nicht Deutsche an die Stelle
verjagter russischer Siedler setzen. Das verhindern schon seine
geographische Lage, seine soziale Entwicklung und seine Islam-
politik, und es käme für Deutschland nur darauf an, Rußland eines
Vorteils zu berauben, den es nicht sich selbst beilegen kann. Diesem
Ziele würde gedient werden durch die Errichtung eines „Kirgisistan"
als ein von Rußland unabhängiger Staat. Die nördliche Grenze
würde von Deutschland gezogen werden und unter deutsche Bürg-
schaft gestellt werden. Ließe sich auch „Basclikiristan", das letzten
Herbst nach der Niederlage der Kosaken von Orenburg durch die
Bolschewiki als Staat aufgebracht wurde, von Rußland lösen und
in das deutsche Netz einfangen, so wäre ein Keil zwischen Europäisch-
Rußland und Westsibirien über die Sibirische Bahn getrieben.
Baschkiren und Kirgisen würden sich dem deutschen Plane bereit-
willig fügen. Von allen russischen MusUmen haben sie die meiste
Ursache zu Besorgnis und zu Rache; sie sind auch an Zahl die
stärksten (Baschkiren ungefähr 2 Millionen, Kirgisen ungefähr 5).
Harimnnn, Die große Steppe Aäen.'* nvd c/>> Wesfostsiraßcn. ^^^
((iOQeooocoxx>o(xeeoooooooooc<x)ooooocxxxxx)OOOCocooocxxxxxxxxxx)oooc)oooc^^
Ihre Fähigkeit zur Selbstregierung ist fraglich, aber so lange Rußland
ferngehalten wird, würde eine Periode der Anarchie in der Steppe
zu Deutschlands Vorteil sein, weil sie die schließliche deutsche
Einmischung unvermeidlich machen würde. Die Einmischung würde
stufenmäßig sein und würde mit wirtschaftlicher Durchdringung
beginnen. Tatarische Petroleumkönige in Baku und sartische
Baumwollzüchter in Fergana würden, wenn durch den russischen
Zusammenbruch mit Ruin bedroht, durch den deutschen Markt sich
mehr als entschädigt finden. Eine progermanische Partei mit
materiellen Interessen würde sich büden. Die osmanische Ver-
mittlung würde ausfallen, die turanischen und islamischen Machen-
schaften würden ausgeschaltet werden. Es könnten Jahre vergehen
bis zur Umwandlung der unabhängigen Staaten in deutsche Provinzen,
aber sie würde sicher schließlich kommen, wie die römische Ver-
waltung in Westasien kam, als das Reich der Seleukiden durch
die römischen Waffen gestürzt worden war.
V. China oder Indien? Würde Deutschland selbst durch die
Vernichtung des Russischen Reiches befriedigt sein? Der Südost-
Durchweg zur Einkreisung- der Steppe weist auf China und Indien.
Der Weg nach China böte den geringsten Widerstand. Der
Terminus des Transkaspi in Fergana liegt am Fuße des Passes
über den Thien-Schan nach Kaschgar; eine Zweigstraße führt von
Taschkent durch Semirjetschie und über den Altai in die Mong'olei.
Auf beiden Straßen war immer große Bewegung. Der Islam wirkte
belebend. Unter den Mongolen waren Peking und Bagdad Post-
station eines Reiches. Deutschland scheint hier leichtes Spiel zu
haben, aber die Turanier in Ostturkestan sind unter fremder Herr-
schaft, und die Muslime in China wohnen verstreut, sind auch nicht
mehr als fünf Millionen. Der Islam ist in China unfreier als in
Indien. Ein Einfall Deutschlands in China würde sofort allgemeinen
Widerstand wecken. Größer ist die Gefahr für Indien. Die Inder
haben ein starkes islamisches Gemeinschaftsgefühl. Der Weg führt
durch Persien und Afghanistan, wo Deutschlands Islampolitik
ihm nützen würde. Deutschland hat eine doppelte Näherungslinie:
über Bagdad und mit der Transkaspibahn auf das Iranische
Plateau. Aber in Indien trifft Deutschland auf das Britische
Commonwealth. Unsere Stellung dort ist nicht unverwundbar. Bei
unserem ersten Angriff war die Landbrücke zwischen Europa und
Indien in der Hand von starken orientalischen Mächten. Indiens
Nordwestgrenze war immer bedroht von starker Kontinentalmacht:
54 J'^ic- ^^''If «^''•^ Islams, Band (j. 1918, Heft 2
von Napoleon kurze Zeit nach Tilsit, von Rußland 1815 — 1915.
Wir schütztc;n uns durch Pufferstaaten. Die gegenwärtigen Grenzen
sind von 1) ritischen Oiplomaten gezogen, mit ungeheurem Erfolg.
Um 1900 schuf Deutschland einen zweiten Landweg nach Indien,
und Rußland strömte ökonomisch über die Grenzen: es einbezog
Nordpersien. Da nahm England einen Politikwechsel vor: Ver-
ständigung mit Rußland 1907. Doch gleichzeitig Verhandlungen
mit Deutschland. Englands Anstrengungen für den Frieden zwischen
1907 und 1014 sind bezeugt. Eine friedliche Politik war wohl mög-
lich, aber Deutschland zerstörte sie, indem es den Krieg anfing.
Während des Krieges trat ein starker Wandel ein: die Türkei gal)
die Neutralität auf; Indien war nicht mehr durch Pufferzone ge-
schützt; England wurde im. Mittelosten in direkte Berührung mit
Deutschland gezwungen. Dazu brach im kritischen Moment unser
Verbündeter, Rußland, zusammen. Wir müssen nun die doppelte
Last allein tragen. Aber wir waren zuerst auf dem Platze, und
rein militärisch ist unsere Lage besser als vor dem Kriegte. Deutsch-
land muß sich erst in Transkaukasien und Zentralasien festsetzen;
führt es dann den Schlag gegen uns, so sind wir vorbereitet. Aber
wir können Schwierigkeiten haben: die Reaktionspartei in Buchara
und die vStämme in Afghanistan und an der Nordwestgrenze sind
leichter fanatisiert als die mehr zivilisierten muslimischen Völker.
Die Neutralitätspolitik des Emir \'on Afghanistan wurde bereits
erschwert durch deutsche Emissäre: es gibt eine prodeutsche Partei
im Lande, die ihr Haupt erhoben hat, seit der russische Druck von
der Nordgrenze gewichen ist, und Deutschland erhöhte sein An-
sehen durch den Artikel VE von Brest Litowsk: „Respektierung
der politischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit und der
territorialen Unversehrtheit Persiens und Afghanistans." Schon sind
Schritte getan um die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Persien und
der Türkei wiederherzustellen; der Transithandel mit Persien durch
die transkaukasische Bahn und den Transkaspi, nach dem Deutsch-
land schon vor dem Kriege gierte, wird nicht länger durch Ruß-
land gehindert sein, wenn diese Linien unter deutsche Kontrolle
kommen. Unter diesen Umständen kann das Erscheinen einer verhält-
nismäßig kleinen deutschen oder turko-deutschen Truppenmacht öst-
lich vom Kaspi einen Sturm erregen, aber die Mittelostfront könnte
während dieses Krieges niemals der Hauptschauplatz von kriege-
rischen Operationen werden, und der Gedanke einer großen
deutschen Armee, die, in Batum ausgeladen, eine afghanische
Hartmann, Diy große Steppe A.vev^ und die We^^toHstraßen. 55
•<Xy3OOOOOOOO0O0<X)00O0(XXXXXXXXXXXXXX>D00OC)0Or<X»O0OO0(XX500000OOO000OO0
Lawine auf die Indischen Ebenen losließe, ist zwar von der deutschen
Propag-anda ang^ekündigt, kann aber kaum von dem deutschen
Generalstab durchgeführt werden. Andererseits wäre die Ersetzung
russischer Militärmacht an der afghanischen Grenze durch deutsche
Militärmacht, wenn sie auch den Lauf des Krieges nicht materiell
beeinflußte, doch ein schwerer Schlag für das britische Gemein-
wesen, wenn sie unter Friedensverhältnissen durchgeführt würde.
Denn solcher Friede würde nur unterzeichnet werden, wenn
Deutschland den WiUen und die Macht behielte, den Völkerbund
abzulehnen. In diesem Falle würden die Völker des Britischen
Gemeinwesens, nicht zuletzt das Indische Volk, mit der Bewachung
einer Landgrenze vom Mittelmeer bis zu den Pamirs belastet werden,
und zwar auf einer von dem Sammelbecken der Menschenkräfte
und den Mittelpunkten gewerblicher Produktion abseits lieg'enden
Linie. Das Wettrüsten würde andauern, und Deutschland hätte
den Vorteil, ein Zerstörungsziel zu verfolgen, während wir, mit
dem Feind vor den Toren, eine feste Ordnung des Bestehenden
aufrechterhalten müßten.
So berührt das Schicksal des Russischen Reiches das Britische
Gemeinwesen nur etwas weniger als Rußland selbst. Jede Seite
unserer imperialistischen und auswärtigen Politik würde schließlich
in Mitleidenschaft gezogen, wenn Rußlands „Südostdurchweg" end-
gültig in deutsche Hände überginge, und eine unserer wesentlichen
Friedensbedingungen ist, daß Deutschland auf diese Absicht ver-
zichtet. Aber selbst wenn diesen Ländern die volle Möglichkeit
der Selbstbestimmung gegeben werden soUte, werden wir ein
Lebensinteresse an dem Wege behalten, den sie nehmen. Unsere
traditionelle Politik in Mittelost ist die Aufrechterhaltung einer
neutralen Zone zwischen Europa und Indien, aber der ganze
asiatische Kontinent wird durch die wechselnden Schicksale der
Steppe und ihres Randlandes berührt. Die letzte Revolution dort
hat unsere Dispositionen umgeworfen, und wir können sie nur
wieder herstellen, wenn die Herrschaft der Steppe wieder in starke
Freundeshände kommt".
Die Voraussicht, die diese Ausführungen beherrscht, ist be-
wunderungswürdig. Alle Möglichkeiten werden erwogen und mit
einer Offenheit besprochen, als wären wir längst über die Zeiten
hinweg, wo großzügige Pläne das Monopol einer kleinen Schar
waren, die sie im kleinsten Komitee hinter gepolsterter Doppeltür
beriet. Gewiß, auch vordem war die Landkarte für ein paar
50 Die Welt d,'s I^lnjns, Band 6'. iS18, Heft 2
C0O0000OC<XX)CX5«0000OO0CXJ0OO(»OOCXXXXXXXX)CKX>OCX>X>0«X)O0OO0O<X)C^^
Groschen jedem käuflich, und jeder konnte auf ihr projektierend
herumfahren, aber hier werden von einem Manne, der ersichtHch
Einbhck in die Pläne der Reg-iorenden hat, J^LntwicklungmögHcli-
keiten besprochen, die sich nur dem sorofältigfst Beobachtenden
offenbaren, unter Heranziehung- von angebhchen feindlichen Plänen.
Typisch für dieses Hereinziehen von weitausgreifender Projekten-
macherei, die doch nur durch die britische Gefahr uns aufgezwungen
sein könnte, ist der Gedanke des Auftauchens einer „verhältnismäßig
kleinen deutschen oder türkisch-deutschen Truppenmacht östlich
vom Kaspi". Der Verfasser tröstet sich damit, die Mittelostfront
könnte während dieses Krieges doch nimmer zu dem Haupt-
schauplatz eines Bewegungskrieges werden, und eine solche Armee
würde kaum die afghanische Lawine auf Indien herabschleudern
können. Er hat sich unnütz erregt. Wie sollten wir wohl auf den
Gedanken kommen, eine größere Truppenmacht soweit im Osten
der Vernichtung auszusetzen? Hätten wir wirklich nichts gelernt
aus den beiden Britischen Feldzügen, die sich an die Namen
Jillenborough und Roberts knüpfen, aus der Vernichtung zweier
starker indobritischer Armeen? Wie kommt der Verfasser dazu,
uns Absichten zuzuschreiben, für die wir auch nicht den geringsten
Anhalt geboten haben? Wir sind nicht Engländer, die, macht-
und geldgierig, fremde Völker sich unterwerfen, um ihnen das Joch
aufzulegen und sie so lange als mög-Rch darunter zu wahren, alle
Listen und Schliche ausdenkend, um den Zeitpunkt, der doch
einmal eintreten muß, so lange als möglich hinauszuschieben.
Wir wollen nichts weiter als den Völkern Asiens behilflich sein,
in Ruhe und Frieden ihr wirtschaftliches und kulturelles Leben zu
entwickeln, ungestört durch britische und russische Gewalttäter vom
Schlage der Lords Clive und Hastings, der Skobeleff und Annenkoff.
Der Verfasser selbst gibt Winke, wie Deutschland in Zentral-
asien arbeiten kann. Die Offenheit, mit der er uns das Geheimnis
einer wirkungsvollen Agitation verrät, ist verdächtig. Malt man
uns ein rosa Zukunftsbild, um uns in verhängnisvolle Abenteuer zu
verwickeln? Sollte etwa der Verfasser bei dem „Kirgisistan", von
dem er als neu zu schaffendem selbständigem Staate spricht, an
die Konstruktion anknüpfen, die ich vor 13 Jahren im Vorwort
meines Reisebuches i), das sich vielfach mit den Kirgisen beschäftigt,
1 Martin Uartniann. Chiucsisrh-Turke.stan. Geschiclile, Verw;illurg, Geistesleben und
Wirtschaft. Frankfurt a. Main. Keller, o. J. 116 Seiten. Irh erlaube mir die Auf-
llarinuinn. Jh'e fjroße Sieppe Asiens xind die Westoststraßen. 57
j)(j(XjeOtXXXXXXOOOO<XXXXXXXXXXXXX)OOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOC^^
aussprach ? Von dieser Konstruktion teile ich hier nur das mit, was
mir auch heute noch von Bedeutung- scheint. Ich sage S. IV:
,, Erstünde heute den Kirgisen, die in gewaltiger Zahl die Gebirge um die Tarim-
becken-Ebene herum bewohnen, ein Einiger, der ihre wilde Kraft leitend sie zum Ein-
bruch in die Kulturländer führt, es könnte wohl eine Katastrophe geben, es würde
aber kaum zu einem dauernden Zustande kommen. Doch gibt es eine andere Möglich-
keit: dafi die Kirgisen mit der fränkischen Kultur bekannt werden, sich zu einer ge-
ordneten Wirtschaft bequemen und als die Potenteren die Leitung des Landes über-
nehmen, mit anderen Worten: die Schaffung eines selbständigen Kirgiseureiches, das
zunächst alle von Kirgisen bewohnten Gebiete Turkestans umfaßt und von den türkischen
Gebieten die, die nach den natürlichen Bedingungen den Berggebieten anzuschließen
sind, im wesentlichen also das Reich Ja'qub Beks."
Die anderen Ausführungen sind auf Voraussetzungen aufgebaut,
die heute nicht mehr zutreffen. Es wurde als Charakter des neuen
Reiches „Kirgisistan'* (den Namen brauche ich a. a. O. S. V, 3)
angenommen, daß es 1. zunächst nominell unter chinesischer Ober-
hoheit stehen, 2. durch Vertrag der Mächte garantiert sein, 3. nicht
islamisch sein, sondern volle Religionsfreiheit haben müßte. Eine
Schwierigkeit wäre die Uneinigkeit der herrschenden Familien. Es
wurde exemplifiziert auf Rumänien und g^esagt: „ein fleißiger und
gewissenhafter Mann fränkischer Herkunft könnte als vom Lande
gewählter, von den Mächten bestätigter Fürst ein Kirgisistan mit
Entwicklung" der reichen, bisher so gut wie gar nicht verwerteten
Naturkiäfte schaffen". Damit ist es heute natürhch nichts. Es kann
sich nur darum handeln, daß das tüchtige Volk, das das Bergland
im östlichen Russisch-Turkestan und in Chinesisch-Turkestan be-
w^ohnt, seine ausg'ezeichneten Fähigkeiten und Eigenschaften unter
Leitung zuverlässiger und ihm aufrichtig wohlwollender Männer
entwickelt. Heute ist unter den nördlichen und östlichen Türken
ein starkes Gefühl dafür vorhanden, daß jetzt der Zeitpunkt ge-
kommen ist, wo der muslimische Teil der Bevölkerung Rußlands
sich zu einem Kulturelement durcharbeitet, das zunächst sich selbst
ein autonomes vStaatsleben schafft, sodann aber auch dem ganzen
östlichen Lande neue große x\ntriebe und Kräfte der Entwicklung
zuführt. Nur wenige Worte aus dem Vorwort meines: „Chinesisch-
Turkestan" seien hier noch angeführt (S. V):
„Die Zukunft eines gut verwalteten, aus dem Eifersuchtgetriebe der Weltmächte
ausgeschalteten selbständigen Staatswesens an der Grenze von Osteurasien und West-
merksamkeit auf diese Arbeit zu lenken, die zahlreiche Mitteilungen über Kaschgarien,
die sich sonst nirgends finden, enthält, und die in den Anmerkungen ein umfangreiches
Materi.1l, zum Teil aus russischen und orientalischen Quellen geschöpft, bearbeitet.
58 /-'»> ^^^dt dex hlavii^, Hände. 19i8, Heft 2
«)oooBOOOoooooo<xxjocxxx>Doooooooooo(XXXXxxyx)oooocxx)oooocxxyyxxxxxx)ocxxoo<r^^
eurasicn lüßt sich nicht hoch genug einschätzen. Ist hier ein neutraler Punkt für das
politische, ein sicherer Stapelplatz fiir das wirtschaftliche Leben gegeben, so muß es
sehr bald zu einer Wiederbelebung da großen C'berlandweges kommen, den die Alten
die Seidenstraße nannten, und der zur Zeit Dschingis Chans ungezählte Scharen kriege-
rischer und friedlicher Wanderer in beiden Richtungen fluten sah. . . . Jetzt führt ein
unterbrochener Schienenweg vom Kap Finisterre bis Andidscban am Fuße des Grenz-
walles gegen Kaschgarien, daneben ein zweiter, erheblich kürzerer, der durch die
Dampferfahrt Baku — Krasnowodsk unterbrochen ist. Eine neue, kontinuierliche Ver-
bindung des äußersten Westens mit der (irenzc Kaschgariens steht von Norden her.
im Anschluß an die Sibirische Bahn, in Aussicht 1. Ein nur nominell von China
abhängiges, vom Wohlwollen der Kulturstaaten getragenes Kaschgarien würde den
kurzen Anschluß an jene gewaltigen Weltstrafien leicht erreichen. . . . Ein gesichertes
Kirgisistan fände .iber auch mit Leichtigkeit die Mittel, den .\nschluß an die alte
Hauptstadt Chinas, Singanfu, zu erreichen, die sehr bald mit dem Qstchinesischen Bahn-
netz verbunden sein wird. Man wird sagen: Das ist Zukunftsmusik. Nun, wer im
Jahre 1880 in Beirut sagte, man werde von diesem Punkt aus mit der Bahn Damaskus
erreichen, der wurde ausgelacht. Und wer behauptet liätte, man werde von Beirut
eine ununterbrochene Bahnverbindung nach Medina, Konstantinopel und Bagdad haben
(diese Verbindungen sind gesichert), der wäre für irrenhausreif erklärt worden. Die
Tatsache, daß man vom äußersten Westen Europas Wladiwostok und Peking auf dem
Schienenwege erreichen kann, daß man, wie schon bemerkt, Andidschan mit der Bahn
erreicht, läßt das billige Höhnen über Zukunftsträumereien als urteilslos und selbst des
Höhnens wert erscheinen. Es handelt sich hier nicht um Liebhabereien oder um das
' Glänzen mit Voraussagungen, die sich auf ein Herumfahren auf der Landkarte stützen,
sondern um höchst ernste Erwägungen, an denen der kulturelle Fortschritt und das
wirtschaftliche Gedeihen vieler Millionen hänj:;t, und die ?!edeutung haben für uns selbst."
Was ich 1905 drucken ließ — gedacht wurde es auf dem Heim-
ritt zwischen Kaschgar und Osch im März 1903 — , ist das Bild,
das mir aus einem halbjährigen Aufenthalte in Russisch- und
Chinesisch-Turkestan erwachsen war, das Bild eines Mittelost, der
einen Bestandteil bildet des „Denkens in Erdteilen", das auch bei
uns immer mehr heimisch wird. Der große Krieg weist uns be-
ständig auf die gewaltigen Räume hin, mit denen Rußland und
England rechnen. Sibirien, Indien, China, Japan sind Kräfte im
1 Gemeint ist die Bahn Orenburg — Taschkent, die damals noch im Bau war. Zu den
Weltstraßen bemerke ich noch: Für Europa— Indien kommen zwei Landwege in Be-
tracht: I. durch die Ukraine über Astrachan und Gurjew (an der Mündung des Ural
in den Kaspi), weiter durch die genügende Bedingungen bietende Steppe nach Chiwa —
Tschardschui (am AmuDerja) — Merw — Kuschk (Kuschka der Karten) — Herat— Kandahar—
Quetta; daneben die Landwasserwege über Baku — Krasnowodsk (mit den Varianten Donau-
mündung — Poti— Baku, Riga— Moskau (in gleichem Breitengrade mit Riga, zu ver-
binden durch leistungsfähigste Durchlinie) —Baku und Ostsee— Schwarzmeer (Bahn und
Kanal)— Baku); 2. der Südweg: Konstantinopel— Erzerum — Tebris— Kaswin — Meschhed—
Herat. Herat wird als Treffpunkt beider Linien und Schnittpunkt der Linie Chiwa—
Kuschk — Herat— Kandahar von größter liedeutung.
Hartinann, Die große Steppe A.üens und die Westoststrafien. 5^
C<XX)0C«O0OOO00««0a000000000O00O0(XX)00000OO0O0O000OOO00O0000<XXXXXX)0000OC)00000CXX>^^
Kampf, die täglich ihre Wichtigkeit uns fühlbar machen. Gefahr
droht von dorther. Mit der Festsetzung der Osmanen an den
Meerengen trat in Europa der Kampf um das Schwarzmeer in ein
akutes Stadium, das bis jetzt als „Orientalische Frage" die Welt
quälte. Nun ist diese Frage der Erledigung nahe (durch Inter-
nationalisierung des Schwarzmeers). Und schon tut sich ein ganzes
Bündel neuer Fragen auf, unter denen der Weg Europa — Indien —
China als die Neue Orientalische Frage hervortritt. Die Unfähig-
keit und der Mangel an Ernst bei Behandlung der Alten Orien-
talischen Frage waren monumental: ein zerfallendes Staatswesen
konnte den Lauf der Entwicklung- aufhalten, weil die Andern sich
nicht einigen konnten. Das darf nicht wiederkehren. Der einzige
Feind, den der Interessenausgleich hat, ist Großbritannien, Es will
die Weltstraßen durch Asien in der Hand haben ohne Kon-
kurrenten, und damit die Herrschaft über ganz Eurasien sich
sichern, da ohne Freiheit der Straßen die Entwicklung der andern
Völker unterbunden ist. Dieser Gefahr ist zu begegnen durch
schleuniges Handeln: es ist durch eine zwischenvölkische Verein-
barung die Internationalisierung der Weltverkehrsstraßen fest-
zulegen. Die Weltwege müssen frei sein, wie die Meere frei sein
müssen. Kein Staat, gehöre er dem Völkerbunde an oder nicht,
darf künftig einen Weltverkehrsweg" seinem Einzelwillen Untertan
machen. Dafür müssen Bürgschaften geschaffen werden in gleicher
Weise wie für die Freiheit der Meere. Grundbedingung ist ge-
naueste Erforschung des weiten Raumes, der bestrichen wird.
Neben der Einzelforschung muß hergehen Zusammenfassung. Schon
jetzt liegt eine bedeutende Literatur vor in deutscher Sprache,
und auch in andern Weltsprachen fehlt es nicht an vortrefflichen
Arbeiten, Daneben sind zu beachten die Aufsätze der ernsten
Zeitschriften, die sich mit diesen Problemen befassen. Namentlich
in Rußland ist in der Form von Zeitschriftartikeln gutes Material
niedergelegt.
Als ein Bei.spiel wichtigen Zeitschriftenmaterials erscheint mir
die Äußerung des Anonymus i), die oben im Auszug mitgeteilt
wurde. Ich habe mich auf diese auszügliche Mitteilung beschränkt.
Es lassen sich zu Synthesen, wie hier eine versucht ist, immer eine
1 Die Artikel in The round Table sind nie mit dem Namen des Verfassers versehen. la
zahlreichen Fällen wird der mit den Gegenständen Vertraute ersehen können, wer der
Verfasser ist. In dem von Russia, Germ an y and Asia vermutet man Phillips
Price.
6o /AV Welt des Jshuns. Band 6. 1918, Heft 2
eOOOeOOO<XXXlOOeOOOCXXXXKXX)OOOCXXXXXXXXXXXKXXK>OOCKXXK^^
Anzahl Einwendungen erheben. Aber die gelehrte Kleinarbeit
kommt ohne solche mutigen Zusammenfassungen mit Schluß-
folgerungen nicht weiter. Gerade heute brauchen wir solche
Arbeiten, die über die Enge der beschränkten Umwelt hinaus-
führen. Alle tüchtigen Kräfte aller Nationen sind berufen mit-
zuarbeiten an dem großen Werke der Schaffung eines Zustandes,
bei welchem die Völker nicht mehr in dem Jagen nach dem Wahn-
bilde einer falschen Größe sich zerfleischen, sondern zum gemein-
samen Wohle und zum Wohle jedes Einzelnen im friedlichen Bunde
arbeiten.
Charlottenburg, den i. September 1918.
Literatur. 6 1
•0C¥De0e«000000C!00(K>CO0iX)CO00000CKXXXXXXXXXXXX)CO(KKXXXK^^
LITERATUR.
Die Zeitungen in Konstantinopel.
(Ergänzungen zu W. I. Bd. V, 78 nach dem Stande von September 1918.)
Von dem Rückschläge, den die Presse Konstantinopels infolge des Krieges erlitten
hatte, erholte sie sich trotz der Papierknappheit im letzten Jahre wieder. Es sind da
folgende fördernde Momente zu verzeichnen: der Zusammenschluß der Zeitungen zu einer
Pressevereinigung 1 und die wohl unter dem Einflüsse dieser Vereinigung zustande ge-
kommene Aufhebung der politischen Pressezensur seitens der türkischen Regierung im
Juni 1918. Das Papier wird teils durch Vermittlung der deutschen Botschaft aus Deutsch-
land, teils aus Österreich bezogen. Gegen diese Abhängigkeit in der Papierfrage vom
Auslande sind schon häufiger Stimmen laut geworden, so noch kürzlich von Ahmed Emiii
in seiner Zeitung Waqyt, der energisch für die Gründung von Papierfabriken eintritt.
Aber auch über diese Pläne darf man wohl wie so häufig sagen: „Der Wille ist stark,
aber das Fleisch ist schwach." Zu den technischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten
derartiger Gründungen vgl. G. Herlt im Neuen Orient Bd. III, 357 1918 Heft 7. — Die
wichtigsten Blätter sind nach wie vor Iqdäm, Tanin, Sabäh, Jeni gün, d. i. der frühere
Taswir-i-efkjär, wozu jetzt noch das neu gegründete Organ Ahmed Emins, der Waqyt,
hinzutritt. Die Preise der Zeitungen sind alle um 100% in die Höhe gegangen: der
Straßenverkaufspreis ist jetzt allgemein I Piaster, während er vor zwei Jahren noch 10
Para war. Das Vierteljahrsabonnement des Waqyt z. B. ist im letzten Halbjahr von 50
auf 95 Piaster gestiegen.
Eingegangen sind: Dscheside-i-scharqyje, Le Moniteur Oriental imd das Witzblatt
Hände. Im übrigen treten zu den in meiner Zusammenstellung der Zeitungen Konstanti-
nopels Ende 1916 (W. I. Bd. V, 78) aufgeführten Blättern folgende hinzu:
A. Zeitungen:
a) türkische:
1. Waqyt. Tageszeitung, i. Jahrg. Begründet im Oktober 1917. Verantwortlicher
Herausgeber und Hauptschriftleiter: Ahmed Emin. Erscheint täglich 2 Seiten, selten
4 Seiten stark, gr.2°. Bezugspreis: für die Türkei 325, für das Ausland 420 Piaster
jährlich. Der anfangs stets von dem Herausgeber Ahmed EmIn geschriebene Leitartikel
wird in letzter Zeit häufig durch Arbeiten von Sellm Sirri, Köprülüzäde Mehmed Fu'äd,
Hälide Edib Hanum usw. ersetzt, entsprechend dem Ziele des Herausgebers, das er in
seiner Zeitung selbst einmal aussprach, im Leitartikel möglichst viele Persönlichkeiten zu
Worte kommen zu lassen.
2. Aty. Begründet im Januar 1918. Hauptschriftleiter: Dscheläl Nürl, der Heraus-
geber der Zeitschrift Edebijjät-i-*umümijje megmü'asy (vgl. W. I. Bd. V, 80, u. Martin
Harlmann im Neuen Orient Bd. II, 148/9 191 7 Heft 3). Für die Redaktion verantwort-
lich: Ismä'il Subhl. Erscheint täglich 4 Seiten stark, kl.2°. Bezugspreis: Inland 350,
Ausland 420 Piaster jährlich. — Es ist ein konservatives Blatt (vgl. die eingehende Be-
sprechung im Neuen Orient Bd. II, 441 Heft 9).
1 Pressevereinigungen bestehen jetzt in Konstantinopel, Smyrna und seit dem Juli 1918
auch in Beirut.
62 hlc W,li <l,s />A(//<.v, Bandr,. Iblb, lieft 2
orooeo€)ooooocx»eewoooooooooooooc»oooooooociooooooooooooc)oooooo(xxxx»ooooooooooooooooooooocoo<xx
3. Zcmän. 1. Jahrg. Begründet im März 1918. Verantw. Schriftleiter: Mehnicd
Nedschäli. Erscheint täglich 4 Seiten stark, kl. 2^. Bezugspreis: Inland 325, Ausland
390 Piaster jährlich. Hinter diesem Blatte steht der frühere Unterrichtsminister Schükri Bei.
4. Jef5i gün. Politisches, wissenschaftliches und literarisches Morgenblatt, i. Jhrg.
Begründet im September 1918. Besitzer und Ilauptschriflleiter: JOnus Nädi. Verantw.
Redakteur: Ahmed Räsim. Erscheint täglich 2 Seiten stark, gr.2'^. Bezugspreis: Inland
340, Ausland 410 Piaster jährlich. Einzelnummer 40 Para. — Unter diesem Namen
machte der kürzlich verbotene Taswir-i-efkjär seine Pforten wieder auf.
5. Schu'le. 1. Jhrg. Begründet im September 191 8. Verantw. Leiter: Medschd ed-din.
Erscheint täglich 4 Seiten stark, kl.2°. Bezugspreis: 300 Piaster jährlich, Einzelnummer
40 Para. — Es ist das Organ des Abgeordneten von Suleimänijje BabunzSde Ijikmct Bej.
Sie wurde am 13. September 1918 mit Nummer 6 von der Militärverwaltung susjjcndiert.
6. Akseham. Unter diesem Namen wird nach Mitteilungen des Osman. Lloyd vom
ao. September 191 8 ein neues Abendblatt erscheinen, herausgegeben von dem in der
Pressewelt bereits bekannten Soziologen Nedschm ed-din Sädiq; dem Assistenten Prof.
Zija Gök Alp's, einem früheren Redakteur des Tanln Kjäsim Schinäsi und einem früheren
Mitarbeiter des Taswir-i-eikjär und Iqdäm 'Ali Nadschi. Unter den Mitarbeitern finden
sich: die Dichterin Hälide Edib Hanum, der Historiker Refiq, Ruschen Eschref u. a.
7. Hiläl-i-ahmer. Erscheint nur an islamischen Festtagen, an denen sämtliche andere
türkischen Zeitungen nicht erscheinen. Herausgegeben vom Zentralkomitee des Roten
Halbmondes. Verantw. Redakteur; 'Ali Mädschid.
8. Haftalyq Gazeta. ,, Politische, soziologische, literarische illustrierte Wochenzeitung."
Begründet 1918. 1. Jahrg. Besitzer und Schriftleiter: Fäniq Sabri. Drucklegung in der
Ewqäf matba'asy. Erscheint wöchentlich 12 Seiten stark, kl. 2'^. Einzelnummer 5 Piaster.
Bezugspreis: Inland 250 Piaster, Ausland 50 Mark jährlich.
b) griechische:
1. Tachydromos. 19. Jahrg. Verantw. Leiter: Makridis. Erscheint täglich 2 Seiten
stark, gr.2°. Bezugspreis: Inland 300, Ausland 390 Piaster. Einzelnummer: 60 Para'.
2. Pharos. i. Jahrg. Begründet im März 1918. Besitzer und Leiter: St. Polykritos.
Erscheint täglich 2 Seiten stark, kl. 2°. Bezugspreis: 340 Piaster jährlich, Einzelnummer
60 Para.
3. Nea Zöi. i. Jhrg. Begründet im August 1918. Besitzer und vcranlw. Leiter:
Charilaos Menexopulos. Erscheint täglich 2 Seiten stark, gr.2°. Bezugspreis: Inland
400 Piaster, Ausland lOO Frcs. jährlich, Einzelnummer 60 Para.
c) armenische :
Hairenik. 1. Jahrg. Begründet im Mai 191 8. Besitzer: M. Sandschakdschian.
Verantw. Leiter: Artin. Erscheint täglich 2 Seiten stark, kl. 2°. Bezugspreis: 300 Piaster
jährlich, Einzelnummer 40 Para.
d) französische:
Le Journal d'Orient. 1. Jhrg. Begründet im August 191S. Besitzer und Haupl-
sehriflleiter: Albert Carasso. Verantw. Schriftleiter: Marco Nahoum. Erscheint täglich
2 Seiten stark, gr.2°. Bezugspreis: Inland 325, Ausland 380 Piaster, Einzelnummer
I Piaster.
1 Erschien zur Zeit der Abfassung meiner früheren Arbeit nicht.
iMeratur. 63
oo©oooeocKX)cooooeoooooccoooocoooocoooooooooc»cocxxx)c<^^
B. Witzblätter:
a) türkische:
Scheitän. Jeden Donnerstag erscheinendes Witzblatt. 1. Jahrg. Begründet im Juni
191S. Besitzer und Leiter: 'Awni 'Ali. Druck von der Nedschni-i-lstiqbäl matba'asy.
Erscheint Donnerstags 4 Seiten stark, kl. 2°. Illustr. Bezugspreis: 52 Nummern 100 Piaster,
für das Ausland mit Zuschlag der Postgebühren. Einzelnummer 2 Piaster. Anzeigenpreise
nach Vereinbarung.
b) griechische:
1. Ano-Kato. ,, Der Spott in Konstantinopel.'' Ohne Zählung nach Jahrgang. Vcrantw.
Leiter: Christo Ladikas. Erscheint wöchentlich einmal 4 Seiten stark, kl. 2°. Illustr.
Bezugspreis: Jährlich 100 Piaster. Einzelnummer 2 Piaster. — Die vierte Seite dieses
Blattes wird eingenommen von dem Witzblatte: Alithia. Einziges wöchentliches Tage-
blatt. Organ für Witz. Jahrgang Af. Schriftleiter: Sanele Morias.
2. Kentri. „Die einzige Zeitschrift für Satyre, Karikatur und Literatur." i. Jahrg.
Schriftleiter: Kesisoglus (sie!). Herausgegeben von der Zeitung Patris. Erscheint wöchent-
lich 4 Seiten stark, kl. 2°. Illustr. Bezugspreis: 40 Hefte 80 Piaster. Einzelnummer
3 Piaster.
3. Empros. ZaTupiKOV — MeqpiOTOcpeXlKOV. 10. Jhrg. Serie 2. Herausgeber:
K. G. Makridis (Mephistopheles). Erscheint wöchentlich einmal 8 Seiten stark, kl. 2°.
Illustr. Bezugspreis: Inland I20 Piaster, Ausland 25 Frcs., Einzelnummer lOO Para.
Kara Bunar (Taurus), im September 1918. Willi Heffening
OC%XX:)aO<XXXiOOOOOCOOCOO(XXXXXOOOOOOCX;OCICKX X XX )0 00(X»OOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOC^
Ö4 1^^^ "^elt des Islams, Band 6". I:fl'i, Heft 2
eoooeoooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooo(xxxxxxxxxxxxxx>ooocx>xxxx>>xxxxxyxxxxxxxxxxxxxxx)eaoo^
BIBLIOGRAPHIE.
♦ bedeutet Vorhandensein in der Bibliothek der Gesellschaft, j Vorhandensein in der
Deutschen Auslands-Bibliothek. Nach dem Titel in [ ] stehen Zugangsnummer der Bibliothek
und gegebenenfalls Name des Geschenkgebers.
Ausführliche Besprechung einzelner V.'erke bleibt vorbehalten.
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de l'äme islamique pcndant la Guerre. Pref. de Ed. Monte t.
Paris: Leroux [1918]. Vii, 84 S. 8°
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biete d. polit. Geographie. Wien: Gerold 1918. 25 S. 8° [792.]
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Lausanne: Libr. nouv. 1918. 302 S. 8°
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Översatt frän engelskan. Stockholm: Lundberg & Olzon (1918).
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Aktstycken. 1. Förfölj eiser mot Greker i Turkiet. 2, Tyska
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auktor. övers. Stockholm: Lundberg & Olzon i distrib. (1918).
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Von Kurt Hassert. Tübingen: Mohr 1918. vu, 242 S. 8°
832. Die Türkei. Von Dr. phil. Achmed Emin, Prof., Konstanti-
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Unwin (1917). vm, 263 S. 8°
834. J[acques] de Morgan. Contre les Barbares de l'Orient. Etudes
sur la Turquie ... Paris: Berger-Levrault 1918. IX, 263 S. 8°
Aus: Eclair de Montpellier & Revue de Paris. 1915 — 1917«
-}- 835. Brockelmann, Karl: Das Nationalgefühl der Türken im
Lichte der Geschichte. Halle a. S.: Niemeyer 1918. 22 S. 8°
LIalle -Wittenberg, Rektoratsrede v. 12. Juü 1918. (Hallische
Universitätsreden 10.) [1844.]
BibUof/raphie. '■^ 5
,00C©0COCO0000000e000<XX>XXX)000000000000C»000000(XXX»000000
*836. Süssheim, K[arl]: Die Malerei in der Türkei. 4° Aus:
Der Sammler. Unterhaltungsbeilage der München-Augsburger
Abendzeitung. No. 72. 73. 1918. [793.]
837. Die Grundprobleme des türkischen Strafrechts. Eine recht-
vergleich. Darstellung von Dr. jur. Wilhelm Jaenecke. Berlin:
Guttentag lOiS, X, 144, LI S. 8'
f 838. Türkische Jugend in Deutschland. Jahresbericht der Schüler-
abteilung der Deutsch-Türkischen Vereinigung. Berlin 1918:
Bergmann. 68 S. 8° [1843.]
839. [Türk.] Uhuwwat. Biräderhed. [Ant.] Brotherhood. Ed. by
M. A. J ab bar Kheiri and M. A. Sattar Kheiri. 1. Istambol
1918: (Osmanieh Pr.\ 4 =
840. demente da Terzorio (Padre) : Le missioni dei minori cappuc-
cini: sunto storico. Vol. 4. (Turchia asiatica.") Roma, coop. tip.
Manuzio, 1918. Abbüd. 454 S. 8°
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1918. 16° 62 S. (Le pagine dell' ora, no 38.)
842. La Domination Ottomane. (Etüde publ. par The Round
Table.) L'Arm^nie martyre par Faiz El-Ghassein [Fa'iz al-Husain].
2. ed. Geneve: Atar (1917). 136 S. 8° [Umschlagt.]
843. Martyred Armenia. By Fä'iz el-Ghusein [FäMz al-Husain],
Bedouin notable of Damascus. Transl. from the orig. Arabic.
London: Pearson 1917. 56 S. 8°
844. From Turkish Toüs. The narrative of an Armenian family's
escape. Py Mrs. Esther Mugerditchian. Transl. from the Armenian.
London: Pearson 1918. 50 S. 8°
845. L'Italia e la Palestina. S. Benigno Canavese, scuola tip. don
Bosco, 1917. Abbild. 87 S. 8°
Aus: Pasquale Baldi: Nei luoghi santi. Histor. Skizze d. Beziehungen zwischen Italien
und Palästina. Veröffentlichung der Associazione nazionale pei missionari italiani.
846. Great Britain, Palestine, Russia, and the Jews. A (2.) reprint
of Edward Hoare's book 'Palestine and Russia'. Brought up to
date with additional chapters by Rev. E. L. Längs ton. London :
Thynne 1918. 107 S. 8°
847. Jerusalem. Von Sven Hedin. Leipzig: Brockhaus igi8.
157 S. 8°
848. S3riens et Chaldeens. Leur martyre, leurs esperances. Par
l'Abbe Eugene Griselle. Paris, Barcelone: Bloud & Gay (1918).
108 S. 8° (Publications du Comite cath. de propagande frang.
ä l'etranger.) (Tages actuelles' 1914 — 1918. No 115/ 16.)
849. From the Nile to the Tigris. A story of compaining from
Western Eg3^pt to Mesopotamia. By Capt. F[rederick] S[adlier]
Brereton. Dl. by Frank GiUett. London [usw.]: Blackie 1918.
330 S. 8°
Die Welt des Islams, Band 6 5
66 Die Welt des hhms. Band ß. 1918, Heft 2
O(X»ec«X)O0O(X»00»00000O00(XX)0(XXXXX)000O0C)0O000000OO000O000OO000O000^^
850. Mcsopotamia: the key to the future. By Canson J[oseph]
T. Parfit. J.ondon [usw.]: Hodder & Stoughton 1917. 41 S. 8°
851. A Boswell of Baghdad. With diversions. By E[ward] V[errall]
Lucas. London: Methuen '^1917). vi, 245 S. 8°
852. The Irrigation of Mesopotamia. B}^ Sir W[illiam] Willcocks.
2. ed. With pref. With 46 folding plates. [Text] Plans. London:
Spon [usw.] 1917. 4°(8°) (Plans: 2<^)
853. Le Sort de la Perse. La politique anglaise d6voilee. Amster-
dam: van Langenhuysen 1917. 170 S. 8°
* 854. Meine Flucht als persischer Bettler. Kriegserlebnisse von
Hans Sachs. Mit i Kt. Berlin: Scherl (1918). 115 S. 8° [791.]
855. Observations on the Musstilmauns of India descriptive of their
manners, customs, habits and religious opinions made during a
12 years' residence in their immediate society. By Mrs Meer
Hassan Ali. 2. ed., ed. with notes and introd. by W[illiam] Crooke.
London: Milford [usw.] 1917. xxvm, 442 S. 8°
856. Victor Piquet. Les Civilisations de l'Afrique du Nord: Berberes,
Arabes, Turcs. Avec 4 ct. 2. ed, refondue. Paris: Colin 1917.
IX, 398 S. 8°
oeooe»CKxx>oooooooo(xxxxxxxxxxxx)oo(xxxxxxxxx)oooooo(xxxxx)OOoooooooooooo(»xx>xx>ooooooooooooooocx^
Mdrtin Härtmdnn
t 5. Dezember 1918
Martin Hartmarm f. 67
MARTIN HARTMANN f.
Martin Hartmann, der unsere Deutsche Gesellschaft für
Islamkunde im Verein mit seinem Freunde Dr. Josef Fro-
b erger gegründet, der ihr erster Vorsitzender war und ihr
die treueste Arbeit gewidmet hat, ist am 5. Dezember ver-
schieden. Die Einäscherung fand am 9. Dezember, am Ge-
burtstag des Verewigten, an dem er sein 67. Lebensjahr
vollendet haben würde, im Krematorium zu Berün N, Ge-
richtsstraße, statt. Zur Feier waren erschienen der Direktor
des Seminars für Orientaüsche Sprachen Herr Geh. Ober-
Regierungsrat Prof. Dr. E. Sachau, Beamte und Lehrer des
Seminars, Vertreter der Nachrichtenstelle für den Orient, der
Vorderasiatischen Gesellschaft, der türkischen Kolonie von
Berlin usw. Reiche Kranzspenden wurden vor dem Sarge
niedergelegt, an dem der zweite Vorsitzende unserer Gesell-
schaft die folgenden Worte sprach:
An eben dieser Stelle stand vor wenigen Jahren der Ent-
schlafene neben dem Sarge seiner Frau und widmete der
teuren Toten die Worte, die wir damals aus seinem Munde
vernahmen. Heut steht sein Sarg da, wo damals der Sarg
seiner Frau gestanden. Er folgt ihr nun, und dem be-
freundeten Kollegen hab' ich nun Abschiedsworte nachziirufen.
Seiner Frau Bruder und dessen Famüie trauern um den Heben
Verw^andten, der ihnen immer nahe lebte und treu zur Seite
stand. Eigene Kinder, eigene nächste Blutsverwandte, mit
denen er nahe verbunden gelebt hätte, klagen nicht an seiner
Bahre, Nicht sowohl innigste Familienbande hat der Tod hier
zerrissen; andere Bande, weitere ja weiteste Beziehungen
sind hier gelöst. Von dem langjährigen Lehrer des Seminars
für Orientaüsche Sprachen an unserer Universität nehmen
Abschied die Zahl seiner Schüler, die er im Laufe der Zeit
um sich gesammelt, und seine Amtsgenossen; von dem rast-
losen geistigen Arbeiter nehmen Abschied seine Mitarbeiter,
so in der Nachrichtenstelle für den Orient, in der er eine
besonders wichtige Abteilung leitete, so in der Deutschen
Gesellschaft für Islamkunde, die er begründet, deren erster
Vorsitzender er war und in der ich ihm in besonders naher
Die Welt dw Ulams. Band 6.
Ö8 in,: Writ ,lef /s/nnis; lUnidr,. I<H^, li.ft :i j 4
K»0e0O0OO0O00O00«00OO0O0O00000000000OO00O0OOOOO(>3OCXXX>0CXXXXXXXX)<>XXX>OOCX^^
Zusammenarbeit verbunden war. Vor allem aber beklagt die
Wissenschaft den Verlust eines verdienten Gelehrten, der weit
über die Kreise der Fachgenossen hinaus geschätzt war, nicht
nur in Deutschland, nicht nur in Europa, nicht nur im weiten
Orient, sondern in der ganzen zivilisierten Welt, wo immer man
den Problemen des Orients, der Geschichte des Geistes, der
Kultur, der RcHgion des Orients, Interesse entgegenbringt.
Das Studium der orientalischen Sprachen, das Martin
Hartmann auf der Universität zu den Füßen berühmter
Lehrer philologisch-wissenschaftlich betrieben, befähigte ihn
in jüngeren Jahren, 12 Jahre hindurch als Kanzlerdragoman
des Deutschen Reiches in Beirut in Syrien zu wirken. Da-
mit war er hinausgetreten aus der Enge der Studierstube in
die lebendige Welt draußen, der sein Studium galt. Dem
Studium der Bücher, von denen er eine reiche und seltene
FüUe besaß, bheb er stets auf das eifrigste ergeben. Eine
ungewöhnUche Arbeitskraft setzte ihn noch in der jüngsten
Zeit, im nahenden Alter, in den Stand, bis zu 18 Stunden
täglich hinter seinen geliebten Büchern studierend oder in
die Schreibmaschine diktierend zu verharren. Aber das war
das Gepräge seiner Arbeit, wie es das Gepräge jeder wissen-
schafthchen Arbeit sein sollte: immer wieder eilte er aus der
Studierstube hinaus in die Welt draußen. Auch aus seiner
späteren Amtstätigkeit am Berliner Seminar heraus unter-
nahm er zahlreiche Reisen, die ihn wiederholt nach dem
Orient und bis nach Chinesisch-Turkistan führten. Innerhalb
Europas war er eigenthch ständig unterwegs, Kongresse,
Bibüotheken und Sammlungen besuchend, mit führenden
Geistern Zwiesprache pflegend. Seine Veröffentlichungen,
seien es selbständige Werke, seien es Arbeiten in Zeitschriften,
sind überaus zahlreich. ErstaunHch war seine Meisterschaft
in der Beherrschung von Sprachen. Daß ihm die europäischen
Kultursprachen alle, mit Einschluß des Ungarischen und
Russischen, zu Gebote standen, war selbstverständlich. Vom
Arabischen, einem Hauptarbeitsgebiet des Enschlafenen, sagte
einmal der Graf Sc hack, daß es leichter sei, alle europäischen
Kultursprachen zusammen als die eine arabische Sprache zu
erlernen. In der Tat wird es selbst unter den gelehrtesten
Martin Hartma/in f. 69
Arabisten wenige geben, die Arabisch glatt lesen, geschweige
denn sprechen. Hartman n konnte wirklich Arabisch, er
sprach es, er schrieb es; unter seinen Arbeiten sind auch
solche, die er selbst arabisch verfaßt hat. Ebenso konnte er
Türkisch. Die Sprachen aber waren ihm nicht Endzweck,
sondern Mittel zum Zweck, Ausdrucksmittel, das Kleid, das
den Geist umschheßt, den er suchte. Philologische, geo-
graphische und historische Studien waren ihm nicht fremd.
Aber sein Hauptinteresse war dem Studium^ des Geisteslebens
des Orients, namentlich des heutigen islamischen Orients, zu-
gewandt. Hier ging er den treibenden Kräften nach, die
verschlungenen Fäden bloßlegend, überall hineinleuchtend,
ermunternd, anfeuernd, wo er Gesundes, Kraftvolles antraf,
Ungesundes, Schwächliches oft mit scharfem Wort rügend.
Seine „UnpoHtischen Briefe aus der Türkei" und seine jüngsten
Studien über die Dichter der neuen Türkei sind dafür Muster-
beispiele. Hartmann war nicht so sehr ein Mann eigenen
systematischen Aufbaus. Seine Hauptstärke war die Analyse
fremden Geisteslebens, Neue Veröffentlichungen, Gespräche
mit bedeutenden Persönlichkeiten, die er immer suchte, sog
er förmhch in sich hinein, um sie dann in sofortiger Ver-
arbeitung wieder darzustellen. Seine Literaturanalysen, wie
sie z. B. in den Mitteilungen des Seminars für Orientahsche
Sprachen und in der Welt des Islams erschienen sind, sind
allgemein hochgeschätzt.
Hartmann war ein Feuergeist. Sein Lehrer, der alte
Fleischer, nannte ihn, wie mir Nöldeke einmal schrieb,
le jeune etourdi. Ein Feuergeist ist er bis in sein Alter
hinein geblieben. Mir sagte er einmal: „Ich weiß, daß ich
mich vor dem Reiz des Neuen hüten muß." In einer solchen
Veranlagung lag eine große Gefahr, die Gefahr der Sprung-
haftigkeit und mangelnder Vertiefung. Dieser Gefahr wirkte
entgegen neben seinem wissenschaftlichen Ernst seine ge-
waltige Arbeitskraft, sein unbezwingbarer Arbeitswille.
Von diesem seinem Geiste ist ein besonders beredtes Zeugnis
ein Brief von ihm an mich, den er kurze Zeit vor seinem
Tode seinem Schwager Herrn Dr. Härder diktierte. Ich
hatte Martin Hartmann einige Zeit nicht gesehen und
5*
70 Trie Welt des /.v/aw.t, nand 6. 1918, lieft 3j4
3oaoeot)ooooooocee«ooooooooooooooooooooooooo(X)oooooocnx)oooooooocKXooo(xxxxxK^^
nichts davon gewußt, daß auch ihn die Grippe angefallen, und
hatte ihm Mitteilung gemacht von der schwierigen Lage, in der
sich unsere Deutsche Gesellschaft für Islamkunde infolge der
Zeitereignisse befinde. Darauf schrieb er mir (der Brief, diktiert
am Sonntag, dem i. Dezember, ist datiert vom 2. Dezember):
„Lieber Herr Kollege! Der Geist scheint noch einmal über die
schuftige Materie zu siegen — das Fieber scheint gebrochen,
und es geht wohl wieder allmählich in das alte Arbeitsleben
zurück. — In der letzten schweren Kampfesnacht (Sonnabend
auf Sonntag), wo* alles wild durcheinander tobte, trat immer
wieder mit fast physischem Schmerze das Schicksal unserer
Gesellschaft und der „Welt des Islams" hervor: sechs harte
Jahre durchgehalten und nun ein unrühmliches Ende^ . . .
Es gibt nur eine Rettung . . ." Und darauf entwickelte er
auf mehreren Seiten mit klarer Schärfe und größter Lebendig-
keit des Geistes seine Vorschläge, wie mit Erfolg weiter zu
arbeiten sei, Vorschläge, die in seiner tiefen Kenntnis der
verschiedenen, auch entlegener Kulturkreise des islamischen
Orients wurzelten. Nach dem Briefe an mich diktierte er
seinem Schwager noch über fünf Stunden Tatarisch. Ja, der
Geist schien noch einmal über die Materie, über die schuftige
Materie, wie er sie nannte, zu siegen. Das war am Sonntag.
Am Montag früh wollte er von Haus fortfahren, um ge-
wohnter Arbeit nachzugehen, konnte aber doch das Bett
nicht verlassen. Der am Nachmittag herbeigerufene Arzt
stellte Lungenentzündung fest, die beim Alter des Patienten
höchst bedenklich erscheinen mußte. Gleichwohl wurde es
am Dienstag bedeutend besser, der Arzt erlaubte sogar für
den nächsten Tag aufzustehen. Aber am Mittwoch setzte
Herzschwäche ein, und in der Nacht zum Donnerstag (5. De-
zember) ist er, ohne gelitten zu haben, sanft entschlummert.
Der Genius hat seine Fackel gesenkt.
Wenn wir am Grabe stehen, lehnen wir uns auf gegen Tod
und Vernichtung. Wir wissen auch, wenn ein gütiger Mensch,
wenn ein Mensch starken und reinen Willens von uns ge-
1 Hier hat, wie wir vertrauen, der Entschlafe«e zu schwarz gesehen. Wir hoffen
unsere Gesellschaft und unsere Zeitschrift trotz bestehender Schwierigkeiten auf-
recht zu erhalten.
Martin Hartmann f. T l
«oooeoooooocxx)eee«cxxxxxxoooooooocxxxx}Ooooocx]oooooooooooo(xiooooooooooooooooooooooooocxxxxxxxx
gangen, so ist er nicht tot. Er steht in unserem Innern
tausendfach wieder auf, wir sind Geist von seinem Geist, an
seiner Glut entzünden wir weiter die Glut unseres Herzens.
In dem Verewigten war der Intellekt in erstaunlichem Maße
entwickelt, sein ganzes übriges geistiges Selbst schien in den
Dienst dieses Intellekts gestellt. Aber auch dem Intellekt ist,
unbeschadet der tiefen Wahrheit von i. Korinther 13, in der
Ordnung der sittHchen Welt eine bedeutsame Rolle zugeteilt.
Diese Ordnung der sittlichen Welt ist für uns voller Rätsel,
die wir gerade gegenwärtig auf das erschütterndste erleben.
Aber auch diesen Rätseln gegenüber brauchen wir Glauben
und Vertrauen. Wir können nicht anders, wir müssen daran
festhalten: eine höhere Hand ist es, die unser Schicksal, die
unseres Volkes Sein, die die Menschheitsgeschichte leitet,
ordnet, zu Höherem und Besserem emporführt. In Not und
Tod ist dieser Glaube unsere Zuversicht und Stärke.
Vor einer Reihe von Jahren erzählte mir der Verewigte von
dem bekannten OrientaUsten Julius Euting, wie dieser ein-
mal im Orient einen Grabstein angetroffen mit der Inschrift
eines arabischen Verses, der ihm so gefiel, daß er diesen Vers
von einem arabischen Steinmetzen in Stein aushauen ließ und
diesen Stein dann als seinen eigenen Grabstein mit sich nahm.
Auch seine Grabstätte, in der er nun schon verschiedene Jahre
ruht, suchte er selber aus: eine herrliche Grabstätte in der
Waldesschönheit des Schwarzwaldgebirges, auf weithinschau-
ender Höhe. Jenen Vers lernte ich damals aus dem Munde
des Entschlafenen. Ich merkte es wohl, daß er auch in seinem
Herzen einen Widerhall gefunden. So darf ich den Vers,
den ich aus seinem Munde empfangen, heut an seinem Sarge
wieder sagen, so möge aus diesem Verse Martin Hartmann
selber noch einmal zu uns sprechen: •
Matä amsä firäH min turäbin
wa-sirtu mugätvira *r-rabbi 'r-rahimi
fa-hannüni, ahibba'i, wa-qüiü:
Idk al-buSr5, qadimta ^alä karimin
„Wenn mein Bett einst im Staube sein wird,
„Und ich wohnen werde bei dem barmherzigen Herrn,
„Dann wünschet mir Glück, meine Freunde, und sprechet:
„Heil dirl Du bist zu einem gütigen Herrn gekommen!"
72 Die Welt des Js/ams, Band r,. 19 lö, Heft 3J4:
Booo«o«oo(X)oooeoeooooooo(X)oooooooooooooo( i ocx)ooooooeooooooooooooocxyxx»ooooooooooooooooooooooc)ooao^
DIE FRAUENFRAGE
IM OSMANISCHEN REICHE MIT
BESONDERER BERÜCKSICHTIGUNG
DER ARBEITENDEN KLASSE .
VON
DR. CHARLOTTE LORENZ.
Inhaltsübersicht.
Seite
I. Die Entwirklung der osmanischen Frauen frage 73
1. Das Herauswachsen der osmanischen Frauenfrage aus politischen und wirt-
schaftlichen Umwälzungen 73
a) Demokratisierung der Verfassung 73
b) Entwicklung des Nationalismus 76
c) Kriegswirtschaftliche Wandlungen 78
2. Die Hauptträger des Fortschrittsgedankens 79
a) Männerwelt und Presse 79
b) Frauenwelt, Frauenpresse, Vereinswesen 84
3. Die Reform des Unterrichtswesens als praktischer Reform erfolg auf dem Wege
zum Ziele 91
II. Die gegenwärtige Lage der Frau in der Volkswirtschaft 106
I. Die Bedeutung der Frau im Rahmen der Bevölkerungsbewegung 106
a) Familienorganisation und Wirtschaft. Vorherrschende Eheform 106
b) Das zahlenmäßige Verhältnis der männlichen und weiblichen Bevölkerung.
Nachwuchs in
c) Allgemeiner Einfluß der angeführten Tatsachen auf den Stand der Be-
völkerungsbewegung 121
3. Die Frauenarbeit im Dienste der Volkswirtschaft 128
a) Friedens- und Kriegsarbeit in der Landwirtschaft und im ländlichen Neben-
gewerbe (Ackerwirtschaft, Opiumgewinnung, Verwertung tierischer Produkte,
Seidenzucht) 128
b) Die Frauenarbeit in der Hausindustrie 136
1. Häusliches Textilgewerbe 13^'
SpinneTei und Weberei 13^
Bekleidungsindustrie, Strickerei, Posamentenanfertigung 143
Tcppichkniipferei und Wirkerei (auch in ihrer Übergangsform zum
Fabrikbetriebe) I45
Stickerei, Nadelarbeit, Spitzcnanfertiguyg 168
3. Wirtschaftliche Vereinsarbeil 177
1 Herr Prof. Dr. Hartmann, dem diese Arbeit vor dem Druck vorgelegen, hatte sich zum
Zweck etwaiger Zusätze eine genauere Durchsicht nach Herstellung des Satzes vor-
behalten. Sein Tod hat ihn an der Ausführung dieser seiner Mitwirkung gehindert.
IjOrenz, IHe Franenfrage im Osmanischen Reiche. y^
cicooeoooooooooooo«oooooooooooooooooooooooooooocx)oooooooooooooooo(x>oooooooooooooooooooooocxx>ooooeooo
Seite
c) Die Frauenarbeit im Handwerke i8o
Herstellung von Fayencen, Metall- und Holzarbeiten, Orienlwaren . 1 80
Das Handwerk der Armenierin 182
d) Die Frauenarbeit im industriellen Großbetriebe 183
Seidenspinnerei, Weberei 183
Munitionsherstellung 185
3. Die Frauenarbeit im Dienste der Kriegsfürsorge des Roten Halbmondes.
Krankenpflege und soziale Hilfsarbeit 187
4. Die Frau als Unterbeamtin im Staatsdienste 191
III. Beurteilung der Frauenfrage 193
1. Die Frauenfrage als aktuelles Problem 193
2. Parallele zwischen der morgen- und abendländischen Frauenfrage 194
3. Die nationalwirtschaftliche Bedeutung der Frauenarbeit 197
a) Vom bevölkerungspolititischen Standpunkte 197
b) Vom wirtschaftlichen Standpunkte 199
4. Die Nationalisierung der Frauenfrage 199
5. Weiterer Ausbau der Frauenfrage, reformprogrammatische Gedanken, religiöse
und rechtliche Gegebenheiten 201
6. Deutsche Kulturarbeit im Dienste der osmanischen Frauenfrage 205
I. Die Entwicklung der osmanischen Frauenfrage.
I. Das Herauswachsen der osmanischen Frauenfrag^e
aus politischen und wirtschaftlichen Umwälzungfen.
a) Demokratisierung der Verfassung.
Wir müssen das erste ernsthafte Erwachen einer Frauenfrage in
der Türkei in die Zeit hineinverleg-en, wo der altorientalische Ab-
solutismus zum ersten Male energisch von Freiheitsbedürfnissen der
Untertanen durchkreuzt wurde. Im Jahre 1839 sicherte der fort-
schrittlich gesinnte Sultan Abdul Medschid, dessen Regierungs-
jahren schon innere Reformen vorausgegangen waren, seinen Unter-
tanen ohne Rücksicht auf konfessionelle Unterschiede Unantastbar-
keit in Ehre, Besitz und Leben zu. Dieser großmütige Ausdruck
der Toleranz hatte seinen Ursprung in einer Freiheitsströmung,
welche mit den Ausläufern der französischen Revolution zum ersten
Male aufklärend in die Machtsphäre sultanischer Despotie getragen
worden war. Diese Zeit rüttelte auch zum ersten Male das Bewußt-
sein der Frauenwelt wach, die in französischen Romanen eine von
ihrer glühenden Phantasie verherrlichte Welt der Freiheit erträumte.
Obwohl sogar der damalige Sultan Selim IL (1789 — ^1807) die Be-
dürfnisse der Zeit erkannte und die Reformwünsche einsichtiger
Männer, denen das Wohl der Frauen am Herzen lag, verstand, so
74 '^'''> ^^W< <hs 7.<^/avi,«, Band (!. nH8, Heft Sji
O0Cae(XX>000000000«000000CXXX>00000CXXXXXX>00000CI00(XO00C<XXX>CXXX)000^^
wurden jene Ideale doch nicht sogleich ihrer Verwirklichung ent-
gegengebracht; die Nachfolger Seltms nahmen vielmehr wieder die
alten Zügel der Despotie in die Hand. Da gelang es im Jahre 1876
dem empörten Volke, den Tyrannen Abdul Aziz zu stürzen und
seinen Nachfolger Abdul Hamid zur Proklamation der Verfassung
zu bestimmen. Trotzdem aber siegte noch einmal das absolutistische
Regiment mit seinen schlimmsten Greueln. Endlich, im Jahre igo8,
zwang ein Gewaltakt des Volkswillens den Sultan nochmals zur
förmlichen, schon vorher vom Volke verkündeten Proklamation der
Verfassung. Mit diesem innerpolitischen Umstürze ging nun jene
Ära Hand in Hand, welche auch die Frauen aus ihrer bisherigen
Ohnmacht wachrütteln soUte. Jetzt begann in der Männerwelt die
Überzeugung zu wurzeln, daß erst die geistige und wirtschaftliche
Vollwertigkeit der Mütter die wahre Voraussetzung der Volks-
gesundung sei, eine Entwicklung, welche dem Verzweiflungskampfe
des Absolutismus schließlich ein Ende bereiten mußte. So begann
der harte Kampf gegen traditionelle Sitten- und Rechtsbegriffe,
welche die Frau von vornherein von jeder Erwerbsmöglichkeit aus-
schlössen. Aber dieser Kampf zeitigte gar bald, und zwar schon
unter dem Schreckensregimente Abdul Hamids, seine ersten Früchte.
Der systematischen Unterdrückung des gesamten Schulwesens zum
Trotz, in welchem der Absolutismus ein Hauptmittel zur Volksauf-
klärung sehen mußte, konnte eine Normalschule für Lehrerinnen
gegründet werden. Der Hauptgedanke, welcher den Sultan bei
diesem immerhin schweren Schritte beseelte, war nicht etwa das
Produkt uneigennütziger Menschenliebe, das Bestreben, den Unter-
drückten damit ein weites Feld der notwendig gewordenen Erwerbs-
arbeit zu geben; sondern der Sultan wollte mit dieser Gründung
vielmehr ein wirksames Gegengewicht gegen den verwerflichen Ein-
fluß ausländischer, besonders englischer und französischer Erziehe-
rinnen bilden, welche mit der Ideenwelt westeuropäischer Kultur
und nicht selten auch mit ihrer äußeren Erscheinung Unheü in das
türkische Familienleben hineintrugen. Schon im Jahre igoi hatte
Abdul Hamid durch ein besonderes Irade die Zulassung christlicher
Erzieherinnen in den Harems verboten. Nun sollte die Einführung
türkischer Lehrerinnen diese Gefahr beseitigen und zugleich eine
feste Schranke zwischen westlicher Neuzeit und orientalischer Un-
wissenheit aufrichten. Daß diese Gründung aber zugleich auch
einem inneren Bedürfnisse entsprach, beweist der aus dem Jahre
1909 stammende Bericht der Direktorin der amerikanischen höheren
JLorenz, Die Franenfrage im (hmani^chen Reiche. 75
«qeoeoooooooooooeeooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooocx)ooooooooooooooooocxxxxx3ooocxxxxxMaoooa
Mädchenschule Mary Mill Patricks, demzufolge diese Normalschule
-eine jährliche Abgangszahl von 60 bis 100 türkischen Lehrerinnen
aufweist. In dieselbe Zeit fällt auch die Einführung besonderer Vor-
lesungen für Frauen an der medizinischen Fakultät der Universität
Konstantin opel.
Sogar auf die Sitte des Schleierzwanges übte die innerpolitische
Wandlung einen bezeichnenden Rückschlag. Zum ersten Male
wagten die Frauen dieser Tradition aus eigenem Antriebe zu
trotzen. So zeigten sich in den Tagen demokratischer Begeisterung
dem vorüberfahrenden Sultane wohl zum allerersten Male unver-
hüUte Frauenantlitze 1. Wenn die Frauen zwar auch an dieser
impulsiven Regung nicht für die Folgezeit festhielten und wenn
sich die Gesichtsvermummung nach wie vor noch im Rahmen des
türkischen Frauenlebens behauptet, so mag dies wohl daran liegen,
daß die P>au einmal unter diesem Zwange als alter und lieb-
gewonnener Gewohnheit nicht leidet und wohl selbst die Gefahren,
welche ihr bei ihrer großen Zurückhaltung aus einer so plötzlichen
Entschleierung erwachsen würden, dunkel ahnt. Gerade diese letzte
Konsequenz der Befreiung, so äußerlich und leicht sie dem spottenden
Europäer erscheint, bedeutet auch für die fortschrittliche Türkin
eine Überwindung ihrer weiblichen Scham, den letzten Bruch mit
einem traditionellen Heüigtume. Daß die Überwindung dieser Sitte
also lediglich an der Entschlußkraft der Frau gescheitert ist, beweist
schon die Tatsache, daß ein im Jahre 1915 erlassenes Irade, das als
Folgerung aus ihrer erwerbswirtschaftlichen Betätigung die Ent-
schleierung der Frau gestattete, praktisch keinen Erfolg hatte. Auch
muß man bedenken, daß die Ablegung des Schleiers in dem Fana-
tismus der niederen Volksschichten einen haßerfüllten Gegner fände,
daß, solange dieser Fanatismus von der ungebildeten Geistlichkeit
geschürt wird, eine so offensichtliche Abkehr von Religion und
Sitte ein ungeheures Wagnis bedeuten würde. M. E. läßt sich also
erst, sobald man auch die breite Volksschicht für diese Reformfrage
gewonnen hat, diese letzte Abrechnung mit der Tradition bewerk-
stelligen.
Die Demokratisierung in der Verfassungsentwicklung nimmt nun-
mehr einen revolutionären Fortgang, in dessen Verlaufe sich erst
ganz allmählich normale Reformgedanken herausschälen«. Derjuli-
^ Vgl. Hartmann, Die Frau im Islam, S. 21.
* Jäckh, S. 125. Vgl. auch zu diesem Kapitel: Der Kampf um die Koastitution, W. I.
1, S. 166.
76 • Die Welt dn /slawa, Hand H. lUtS, II^l 314
r)C(X)O00OOOO0O0O0O000O000CXXX>00000O0000OCXXX)0O000000CXXXXXXXXXXXXXXXXX>00OCXXXX)OOO(^^
Revolution des Jahres 1908 folcft sehr bald die April-Reaktion des
folgenden Jahres, welche den Jungtürken, den Vertretern des neu
gegründeten „Komitees für Einheit und Fortschritt" die Zügel in
die Hand gibt; doch nicht zu lange. Denn das Bewußtsein dieser,
von Pariser Oberflächlichkeit angekränkelten Freiheitskämpfer er-
regte beim Volke derartigen Anstoß, daß es dem Sultan mit Leich-
tigkeit gelang, die Volksstimmung mit Hilfe der niederen Hodscha-
Geistlichkeit gegen die jungtürkische Macht auszuspielen. Zwar ver-
schwanden in der Tat nach diesen Intrigen die Jungtürken; aber
die wiederum einsetzende Tyrannis des Sultans rief von neuem die
Empörung der Militärtürken hen-or, welche im April gegen Kon-
stantinopel marschierten und die Residenz und den Jildiz-Kiosk er-
oberten. Ein Fetwa des Scheich ül Islam erklärt den Sultan für
herrschaftsunwürdig und wortbrüchig und damit für abgesetzt. Seine
Verbannung nach Saloniki besiegelt das Ende seiner Gewaltherr-
schaft; das kaiserlich-päpstliche KaUfat, das als solches unabhängig
von der Person des Herrschers bestehen bleibt, wird mit einem
neuen Vertreter als Nachfolger besetzt. Die von einem jahrzehnte-
langen Schreckensregimente befreite Türkei atmet einer freiheit-
lichen Ära entgegen. Aber diese neue Ära stellte das von äußeren
und inneren Kämpfen zerrissene Land vor eine Reihe Probleme,
wie sie ein so schroffer Übergang von Despotismus zu Parlamen-
tarismus mit sich bringen mußte. Eine Frau, welche in bescheidener
Zurückgezogenheit ihr Leben verbrachte, mußte dem neuen jung-
türkischen, zum Teil mit Pariser Weisheit durchsetzten Freiheits-
ideal widersprechen; das wachsende Bedürfnis der Annäherung an
europäische Kulturstaaten hingegen auf eine Intensivierung des
gesamten Wirtschaftslebens hinsteuern, das eine erhöhte Bildung
und eine regere wirtschaftliche Anteünahme der Frau voraussetzte,
b) Entwicklung des Nationalismus.
Diese Ideale und Ziele fanden bald ihren Niederschlag in dem
emporstrebenden türkischen Nationalismus, welcher nach der langen
Kette verlustreicher Kriege, die Glied für Glied vom Körper des
türkischen Reiches getrennt hatten, nach dem plötzlichen Abfall
der in Europa ansässigen Volkselemente, nach dem Erwachen
nationaler Strömungen in Albanien, als große Begeisterung die
türkische Welt durchzog. Das Bewußtsein, einerseits von den eigenen
Landsleuten verraten, und das Gefühl andrerseits, auf das eigene
Volkstum angewiesen zu sein, stärkte den Gedanken eines großen
hore)iz, Dil' hrancnfrage im OsmaniscJu^ti Reiche. 7 7
xxxxiooooooooooee0(xxxxxxxoxwooooooooooooooooooooeooooooooocxxx>oooooeoocxx)oc)O(xxx>oooc^
Rassenzusammenhanges unter den Angehörigen des Türkentums '.
So entfaltete sich eine Art türkischer Irredenta, die eine gewaltige
\'ereinigung aller rassenverwandten Elemente über die Landes-
gTenzen hinaus bis in den russischen Kaukasus hinein erstrebte 2.
Die Neuturaner, welche dieses nationalistische Ideal verkörpern,
arbeiten also auf eine gewissermaßen bundesstaatliche Zusammen-
fassung aller Nationalitäten des osmanischen Reiches hin, ohne die
Entwicklung nationaler Eigenarten irgendwie zu hemmen, um auf
diese Weise, also mittels der Dezentralisation der verschiedenen
Volkselemente, die Konzentration des Türkentums in seinem Ur-
sprungslande Turan zu neuer Kulturarbeit zu ermöglichen. Als
Hauptvoraussetzung" zur Verwirklichung ihrer etwas utopistisch
gefärbten Ziele haben sich nun diese Neuturaner wichtige Auf-
gaben sozial-reformatorischer Natur, unter denen die Befreiung der
Frau den ersten Platz einnimmt, zum Ziele gesetzt. Die Frauen,
welche diese Neigung des Jungtürkentums mit Freuden auf-
griften, haben sich daher gern in den Dienst nationalistischer
Propaganda gestellt. Im Neuturanismus nimmt die Frau, welche
zum Teil schon mutig die äußeren Konsequenzen ihrer Befreiung
zieht und als Verkünderin nationaler Ideale frei und maskenlos in
die Erscheinung" tritt, ihren Ursprung 2, Von dem Hauptmangel
der türkischen Frau ausg"ehend, ist der Neuturaner in erster
Linie bestrebt, ihre Unbildung und Weltfremdheit durch wissen-
schaftHche Förderung zu heben; so werden im Türk Odschaghy
(Türkischer Herd), wo sich die Nationalisten zu literarischen Vor-
trägen zusammenfinden, an jedem Freitag Unterhaltungsabende
für Frauen veranstaltet, in denen dieselben belehrenden Gegen-
stände vorgeführt werden, wie zuvor in der Männerversammlung.
Dieser Türk Odschaghy, welcher im März 1913 gegründet wurde,
hat sich als vornehmsten Wirkungskreis folgende Ziele gesteckt:
„Nationale Erziehung" des türkischen Volkes, des wichtig"sten Be-
1 Der Nationalismus tritt als Ablösung des Osmanismus, der nach der Konstitution dein
Panislamismus während des Tripoliskrieges voranging, in die Erscheinung. Vgl. Tckin
Alp, Türkismus und Pantürkisraus.
,2 Diese Irredanta fand u. a. ihren beredten Ausdruck in einer von Professoren der Uni-
versität Konstantinopel unterzeichneten „Denkschrift des Komitees zum Schutze der
Rechte der mohammedanischen türkisch-tartarischen Völker Rußlands". Aus den Dar-
legungen geht hervor, daß diese Richtung eine Zusammenfassung der nördlichen (Ural-,
Wolgatürken), der Krimtürkeu, Kirgisen, Turkmenen, Turkestantürken, die sich alle
unter russischer Herrschaft befinden, erstrebt. W. I. IV, S. 33.
3 Vgl. hierzu Halide Edib Hanum, Das neue Turan.
78 Di' Wrlt des /s/a,ns. Band 6. l^iH. fhft 3!4
oc«oeoooooooooea9«ooooooooooooooooooooooooooooooooeoocxxxxx)oooooooooooooooooc>oocxxxxxx>ooocxxxxx>ee^^
Standteils des Islamismus, Hebung seines intellektuellen, sozialen
und ökonomischen Niveaus, Vollendung" der türkischen Sprache und
Rasse" 1. Aber nicht allein, daß der Odschaghy den Frauen nur
mit Anregungen und Vorträgen aufwartet, er gibt ihnen auch
Gelegenheit, selbst rednerisch in die Öffentlichkeit zu treten, ja vor
einem nur aus Männern bestehenden Auditorium zu sprechen, in
welchem sogar die gestrenge Hodscha-Geisthchkeit vertreten ist.
Noch andere Ereignisse der inneren und äußeren Politik trugen
das ihre dazu bei, im Verlaufe der Demokratisierung das Problem
der Frauenfrage aufzurollen, nicht zuletzt die fortwährende, durch
ausländische Kulturarbeit in die Türkei hineingetragene Gemein-
schaft mit dem Abendlande, die Aufklärungsarbeit französischer
Literatur und Schulen, die Wirtschaftspropaganda Deutschlands.
c) Kriegswirtschaftliche Wandlungen.
Aber kein Ideal und kein Reform wünsch vermochte das Problem
mit solcher Wucht und Schnelligkeit anzupacken, wie die durch
die langen Kriege veränderten Wirtschaftsbedingungen, welche
mit dem Weltkriege ihren kritischen Höhepunkt erreichten. Die
verschiedenen Symptome der Kriegswirtschaft, wie wir sie selbst
seit Jahren am eigenen Körper empfinden, also die Schwierigkeit
der Lebenshaltung, das Fehlen männlicher Arbeitskraft und haus-
väterlichen Einkommens, die Teuerungsverhältnisse usw. forderten
von der Frau eine erhöhte wirtschafthche Leistungsfähigkeit.
Hierzu kam noch der zu Beginn des Krieges hervorgerufene Um-
sturz der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen der Türkei, welcher
nach Aufhebung der Kapitulationen und mit der vertraglichen
Festlegung der deutsch-türkischen Rechts- und Wirtschaftsbe-
ziehungen in die Erscheinung trat. Gerade von der neuen deut-
schen Kulturgemeinschaft mit der Türkei, welche diese Rechts-
verträge gewährleisten sollten, wird die Zukunft, die ganze wirt-
schafthche Gestaltung der Frauenfrage abhängen. Denn erst dieses
Ereignis, das türkische Staatsmänner vielleicht mit Recht als das
yornehmste Ziel dieses Krieges ansehen, verbürgt der Türkei eine,
von fremdländischer Bevormundung freie, wirtschafthche Aufwärts-
bewegung; andererseits verlangen die deutsch-türkischen Rechts-
verträge eine so energische Anpassung islamischer Rechtsbegriffe
an abendländische Grundsätze, daß die wirtschaftliche Mitarbeit der
* Tckin AJp, Türkismus und Pantüxkismus, S. 27.
J.orenz. Die Franfnfrage im Oamanischen Reiche. 79
OCC0C<XXXXXX>C»0(XXX>00C»XXX)00CXXXXX)CXXXXXX)0CXXXXXX)0O0OOOOO0O000CXX>000O00O0C^^
Frau einerseits und die Hebung ihrer rechtlichen Stellung im
abendländischen Sinne andererseits als unbedingte Erfordernisse
erscheinen i.
So stand die Frau, mit Beginn des Krieges auf sich selbst an-
gewiesen, einer Reihe von Erwerbsmöglichkeiten gegenüber, welche^
ihr bisher verschlossen gewesen waren. Damit wurde ein Bedürfnis
befriedigt, das in dem Maße, wie ihre materielle Versorgung schon
durch die ungünstigen Scheidungsparagraphen und die Abwesenheit
des Mannes in Frage gestellt war, immer brennender geworden
war. Auf der anderen Seite bot der Krieg mit den Wunden des
Schlachtfeldes und dem Elende der Zurückgebliebenen bei dem
völligen Fehlen einer staatlich organisierten Kriegsfürsorge in der
Türkei ein großes Feld freiwilliger weiblicher Hilfsarbeit. Außer-
dem hatte der Krieg eine Anzahl anderer sozialer Probleme wie
Waisenfürsorge, Kinderschutz, Witwenunterstützung usw. herauf-
beschworen. So entwickelte sich die Soziologie als besonderes
Lehrfach an der Universität Konstantinopel, das naturgemäß auch
zur Frauen frage Stellung nehmen mußte. Auch der zum Türk
Odschaghy gehörige Türk Bilgi Derneji, eine Akademie für tür-
kische Wissenschaften, vereinigte unter seinen sechs Abteilungen
eine Sonderabteilung für Philosophie und Soziologie (Felsefe we
Idschtimaijat) unter dem Vorsitz vom Emrullah Effendi.
2. Die Hauptträg^er des Fortschrittsgedankens.
a) Männerwelt und Presse.
Bei den soeben aufgeführten treibenden Momenten im inneren
und äußeren politischen und Wirtschaftsleben konnte kein Zweifel
mehr darüber bestehen, daß die jungtürkische Männerwelt zu einem
der ■ eifrigsten Träger der neuen Reform werden mußte. Von dem
Grundgedanken des türkischen Revolutionsdramas beseelt: „Die
Frauen einer Nation sind der Maßstab für den Grad ihrer Gesittung" 2
haben sie endüch eingesehen, daß eine geistig und wirtschaftlich
hochstehende Frau der Familienwirtschaft eine wertvollere Stütze
sein müsse, als eine weltfremde, ungebildete. So treten sie mit
Energie für eine Europäisierung des Familienlebens und für eine
bessere Schulung der Frau in die Schranken. Nicht allein, daß sie
mit uralten Traditionen brechen und das System freier Entschließung
1 Vgl. die deutsch-türkischen Rcchtsverträgc. Verl. Heymann, Berlin.
2 Jäckh, S. 125.
8o l>'n- 11',// (Irs lsl,in,>. lüiuil ij. liilH, Ihfl 314
K«oeocooo(xxx»eo«oooooc)ooooooooooooooooooeoooooooeocxx)oooocx»oooooocxxxxxxxxx>x^
zur Ehe durch die Möglichkeit geselHgen Verkehrs anbahnen
wollen, sind sie auch ernstlich bemüht, die mit europäischen Be-
griffen nicht zu vereinbarende Unbildung ihrer Frauen durch eigene
Unterweisung auszugleichen, !^o hilft der moderne Ehemann, wo
es not tut, heute dem Mangel an elementarstem Können seiner
Frau durch Lese- und Schreibunterricht nach. Auch die Aus-
gänge der Eheleute stehen seit jüngster Zeit nicht mehr allzu
streng unter dem Zwange der Trennung, so daß man bisweilen
schon heute gemeinsame Spaziergänge und Einkäufe unternimmt
und, entgegen dem, was behauptet worden ist, selbst das gemein-
same Betreten der Galata-Brücke nicht mehr in den Bereich der
Unmöglichkeit gehört.
Es ist nun nicht uninteressant, einmal festzustellen, wie hoch-
stehende, auch in Deutschland bekannte türkische Persönüchkeiten
dem neuen Zuge der Zeit geg-enüb erstehen und wie die Presse die
Stellungnahme solcher Männer widerspiegelt. Nach allem, was man
von den Ansichten türkischer Staatsmänner und Literaten, sowie
hier in Deutschland lebender türkischer Persönlichkeiten über
diesen Punkt hört, scheint es heute wie eine gewisse Beschämung
über die Rückständigkeit und Unterdrückung ihrer Frauen auf
ihnen zu lasten. Dann aber fehlt es auch nicht an entschlossenen
Bekennern der Wahrheit, welche mit der ganzen Energie ihres
Wirkens für eine schnelle und gründliche Umgestaltung eintreten.
Der türkische Generalissimus Enwer Pascha, mit dessen Namen
sich heute das Wohl und Wehe der ganzen Türkei verknüpft,
gehört durchaus nicht zu jenen Enthusiasten des Türkentums,
welche die Überlieferung mit Gewaltstreichen ausrotten und die
ungebildeten Schichten mit ihrem Umstürzlertume beglücken wollen.
Ernst und maßvoll ist er von der Gewißheit durchdrungen, daß
gerade die deutsche Geisteskultur auf die türkische Gedankenwelt
ausstrahlen und auf die Umgestaltung türkischen h'rauenlebens
günstig einwirken werde. Wenn auch die deutsche Ideenwelt dem
türkischen Vorstellungsvermögen fremder ist, so wird doch ihr
Einfluß, dort, wo sie einmal erfaßt ist, vertiefender und veredelnder
wirken, das türkische Volkstum mit seiner gesunden Gründlichkeit
durchdringen und es so allmählich von den Zwangsvorstellungen
verflachender und sinnfälliger französischer Romanliteratur befreien.
Gerade die französische Literatur hat die modernen Reformwünsche
der türkischen Frauenwelt in eine so abenteuerhungrige und
revolutionäre Richtung getrieben, daß die Würdigung deutschen
Lorenz, IJie Fninenfrage im Osvia7iische7i Beiclie. 8l
Geisteseinflusses von Seiten einer führenden Persönlichkeit nicht zu
unterschätzen ist.
Einen bedeutenden Förderer hat die türkische Frauen frage in
dem jetzigen Unterrichts- und Postminister Schükri Bej gefunden,
der auf einer im Juni dieses Jahres (1917) unternommenen Studien-
reise nach Deutschland wertvolle Anregungen für die Umgestaltung
des türkischen Mädchenschulwesens fand. Besonders die Organisation
des Lettehauses, das er während seiner Berhner Studien kennen
lernte, sollte ihm, wie er sich seinerzeit schon äußerte, in dieser
Hinsicht als Vorbild dienen. Heute haben sich seine Reformpläne
zum Teil schon in einem nach diesem deutschen Muster organisierten
türkischen Lettehause in die Tat umgesetzt. Diesem schenkt auch
das Ewkaf-Ministerium sein lebhaftes Interesse, indem es für sein
materielles Fortkommen sorgt.
Dschemal Pascha, der als Kommandant des vierten osmanischen
Armeekorps auch in Deutschland bekannt sein dürfte, hat sich
gleichfalls besonders die Förderung des weibhchen Kunstgewerbes
zur Aufgabe gemacht. Er ist der Begründer einer erst kürzlich
eröffneten Teppichwirkschule in Damaskus. Seinem Organisations-
bhck ist auch die miHtärische Heranziehung von Frauen im land-
wirtschaftlichen Betriebe zu danken.
Zu den aufgeklärten Geistern der jungen Türkei, welche die
religiösen und kulturellen Gegensätze zwischen Christentum und
Islam mit gesundem Idealismus überbrücken wollen, gehört Mahmud
Mukhtar Pascha, welcher von 1913 — 15 als türkischer Botschafter
in Berlin tätig war und als Führer der türkischen Militä^artei
bekannt ist. Er ist der Sohn des Eroberers von Jemen, Achmed
Mukhtar Pascha, und war selbst als aktiver General im Balkan-
kriege tätig. Sein Hauptwerk: „Die Welt des Islam im Lichte
des Korans und der Hadith" zeigt „die abgeklärte reife Welt-
anschauung, die wir bei den Mystikern des Islams fanden", wie es
in der Kritik von Professor Hartmann heißt 1. In diesem Buche,
dessen Daseinszweck es ist, das Mißverhältnis zwischen Religion
und äußerem Kirchentum zu überbrücken, findet sich neben Kapiteln
über die Mission des Propheten, die Duldsamkeit des Islam usw.
auch eine kurze Darlegung der islamischen Frauenrechte mit
Quellenangaben 2j welche sich freilich von einer gewissen Schön-
färberei nicht freimachen kann. So fehlen u. a. die schwer-
1 Vgl. w. I. IV, s. 123.
2 a. a. O. S. 113.
82 Die Welt des Jdam^. Bnmi H. 1918, lieft 3j4
«»oeotxxxxxxxaeeeoooooooooooooooooocaoooooooooooooooooooocxxxxxxxwooooooooocxxxxxxxxxxa^^
wiegenden Scheidiing-sparagraphen vollständig. Doch verrät schon
seine idealistische, tolerante Auffassung von der Gemeinschaft aller
Religionen, und die Achtung, welche er der Frau als solcher zollt,
ihn als Vertreter der Moderne und damit als Freund des türkischen
Frauenproblems überhaupt i.
Als sehr energische Vertreter türkischer Frauenrechte treten
besonders zwei Literaten in die Erscheinung: Dschelal Sahir und
Dschelal Nuri. Der erstere, Dschelal Sahir, der als Lehrer für Stil
und schöne Literatur am internen Gymnasium von Stambul tätig
ist, trat seinerzeit als Herausgeber der türkischen Frauenzeitung
Demet, einer illustrierten Wochenschrift, hervor, welche aber aus
Mangel an Geldmitteln eingehen mußte. Aus seiner Feder stammt
ein Artikel: „Die Wahrung der Frauenrechte" und ein kleines Prosa-
stück: „Unter jungen Mädchen", welches die Gründerinnen des
Rotweißen Clubs in Salonik (dieser Club wurde 1907 gegründet),
darstellt. Dschelal Nuri, der frühere Chefredakteur des Jeune Türe,
ein junger, nationalistischer Schriftsteller, welcher als fesselnder
Plauderer beliebt ist, tritt für die Frauen mit dem energischen
Worte ein: „Eine Gesellschaft ohne Frau ist wie ein Mann ohne
Seele und Zunge." Auch er ist ein entschiedener Gegner des
1 Aus der Fülle der Literaten, welche sich mit der Feder aufs eifrigste für die neue Zeit-
frage ins Mittel legen, kann ich hier natürlich nur einige wenige herausgreifen. D»
sind vor allem die zahlreichen Vertreter des Nationalismus, wie z. B. Tekin Alp, welcher
als Mitarbeiter der Bilgi Medschmuasy (wissenschaftliche Zeitschrift), der Wochenschrift
Idschtihad und der Tageszeitung Turan als Vertreter nationalistischer Ideen wirkt, zu
nennen. Aber auch als bedeutende Wissenschaftler finden wir die Nationalisten in den
verscljiedenen Abteilungen des Türk-Odschaghy : so in der Abteilung für Türkologie den
bekannten Geschichtsschreiber Brusali Tahir Bej, in der Abteilung für Islamkunde den
großen Philosophen Riza Tewfiq Bej und den Theologen Scheich Mahmud, in der Ab-
teilung für Biologische Wissenschaft bedeutende Mediziner und in der Abteilung für
Philosophie und Soziologie den früheren Finanzminister Dschavid Bej, Lutfi Fikri Bej
usw. als Vertreter des modernen Nationalismus und damit als Freunde der Frauen-
bewegung.
Unter den Soziologen der Stambuler Universität kommt noch außer den Genannten
der Dozent Ahmed Emin Bej in Betracht, der Begründer einer Gesellschaft füi
Kinderschutz, welcher mit vollem Nachdruck auf die inneren Schäden des türkischen
Familienlebens, einer Folge der fehlenden Familientradition hinweist. Ein anderer
Professor der Soziologie an der Universität, den die Zeitung Hilal (Halbmond) „den
berufenen Apostel der nationalistischen Schule" nennt, ist Zia Gök Alp, ein Mitglied
des Zentralkomitees für Einheit und Fortschritt. Sein romantisches Werk, Kizil Elma
(roter Apfel), welches das Land der Neuturancr verherrlicht, also eine Ausgestaltung
des nationalistischen Gedankens bildet, setzt sich für die neuen Rassen- und Kulturziele
der aufstrebenden Türkei mit besonderem Nachdruck ein.
J.orenz, Die Fraitenfra</e im Osmanischen Reiche. 83
ecoo<x)oociooooooooooooooooooc)ooooooooooooooooooc)0000ooooooooooooooooooooooooooooooooooocxxxxxxxx3ee>oooa
französischen Literatureinflusses, der lediglich den gebildeten
Schichten zugute komme, und damit die Kluft zwischen ihnen und
dem Volk nur noch mehr vergrößere. Dieser Schaden macht sich
bei dem Fehlen eines gesunden Mittelstandes besonders empfindlich
bemerkbar. Daher sieht auch er in der Schaffung eines solchen
die notwendige Voraussetzung für die Lösung der Frauenfrage.-
Eine wirksame Beeinflussung reformatorischer Art verspricht auch
er sich von der deutschen und amerikanischen Kultur. Sehr be-
zeichnend ist seine Stellungnahme zur Tradition, deren Wesen er
fein damit definiert, daß man nicht in den Fehler verfallen dürfe,
geschichtliche Überlieferungen mit lebendiger Überlieferung zu
verwechseln, ohne welche überhaupt keine Nation bestehen könne.
In einem Artikel über Individualismus und Kollektivismus betont
er, daß infolge des Weltkrieges die wirtschaftlichen und ästheti-
schen Grundlagen des Familienlebens erschüttert seien und damit
eine Reform unbedingt notwendig geworden sei.
Als pädagogischen Reformator möchte ich hier den Hodscha
Ahmed Edib, den früheren Leiter einer Mädchenschule in Stambul
und Begründer des Wissenschaftsheimes (Bügi Jurdu), erwähnen.
Nachdem er einen hohen Posten im Unterrichtsministerium be-
kleidet hatte, zog er sich zurück, um ganz der Verwirklichung
seiner Ideen leben zu können. Diese hat er in einer Schrift:
„Das Schulmuseum" niederg'elegt. Er ist der Herausgeber des
Organes des Wissenschaftsheimes (Licht des Wissenschaftsheimes).
Weiterhin gehört hierher der bekannte Schulmann Husein Raghib
Bej, welcher im Tanin vom Juli bis September 1917 ein aus-
führliches Programm des Mädchenschulwesens wie auch des Frauen-
studiums entwirft.
Auch des beliebten türkischen Vaterlandsdichters, Mehmed Emin,
des früheren Steuerdirektors in Trapezunt, welcher in Konstantinopel
eifrig für das nationalistische Ideal propagierte, und durch seine
Oden an Columbus, Guttenberg und Luther bekannt ist, müssen
wii- in diesem Zusammenhang gedenken 1.
^ Überhaupt wären in diesem Rahmen noch die zahlreichen türkischen Gelehrten und
Schriftsteller zu erwähnen, die an Ort und Stelle mit der deutschen Wirtschafts- und
Geisteskultur vertraut geworden, ihre Erfahrungen als wertvolles Kulturgut in ihr
Vaterland zurücktragen und somit einen wichtigen Grundstein zur Verwirklichung jimger
Reformbestrebungen legen; hier nenne ich den früheren Minister Mehmed Dschelal
Bej, dessen in deutscher und türkischer Sprache erschienenes Buch : „Reiseeindrücke
in Deutschland" sich mit Energie für die Förderung der deutsch-türkischen Wirtschafts-
Die Welt des Islams, Band 6. 6
84 T>ir Wrlt (h's fs/aiNs, H„u,l 6. 19ls, Heft .'Üi
b) Frauenwelt, Frauenpresse, Vereinswesen.
Angesichts dieser energischen Vorkämpfer für ihre Rechte durfte
es auch den Frauen nicht mehr allzu schwer fallen, mit ihren Wünschen
in die breite Öffentlichkeit zu tretend Während die Schriftstelle-
rinnen 2 Fatme Alije Hanym, Senije Hanym und Niguar Hanym
als die Hauptvertreterinnen der älteren Richtung zu nennen sind,
tritt unter den Neueren als die bedeutendste Vorkämpferin die
energische Persönhchkeit einer Frau hervor, deren Schriftstellerruf
auch bereits über die Grenze ihres Vaterlandes hinaus Anerkennung
gefunden hat: Hahde Edib Hanym. Gerade ihrer gründhchen
Schulbildung, welche sie im amerikanischen College in Skutari genoß,
danken ihre Zeitgenossen die Einsicht, Mäßigkeit und Gründlichkeit,
die sie mit ihrer ganzen Leidenschaftlichkeit für ihre Schwestern
einsetzt Ihr erstes öffentliches Auftreten fällt in die Zeit der ersten
Verfassungskämpfe 1908, wo sie die unter Mahmud Schewket
Pascha, dem damaligen Führer der MiHtärpartei, einmarschierenden
siegreichen Verfassungstruppen durch einen poetischen „Gruß des
Sultans Osman" vom Bergsee des Olympos aus begrüßte. Ihr
nationalistisches Ideal spricht sie in den Worten aus: „Was ich am
meisten wünsche, ist, alle Türken der Vv^elt in politischer und
beziehungen einsetzt; Habib Edib, den Verfasser einer türkischen Grammatik, welcher
hier als Mitarbeiter der Zeitschrift: ,,Die Islamische Welt" wichtige Aufklärungsarbeit
über die türkischen Frauen leistet u. a. m.
Da die nationalistische Partei mit ihrem modernen Frauenideal heute die führende
Rolle in der Türkei spielt, so bietet uns naturgemäß auch fast die gesarate türkische
Tresse das getreue Abbild des neuen Zeitgeistes. Gegenüber dem antifeministischen
Tassfir-i-Efkjar, dem Organ der alten, jungtürkischen Partei, welche in dem Osmanismus
ihr Vaterlandsideal verwirklicht sah, erweisen sich der jungtürkische Jeni-Medschmuha,
eine Zeitschrift, welche von den früheren Herausgebern des pensee turque verlegt wird
und bedeutende Gelehrte zu ihren Mitarbeitern zählt, sowie fast sämtliche größeren
türkischen Tageszeitungen wie der Tanin, dessen Direktor Husein Dschavid Bej ist,
der Servet-i-Fünun (Reichtum an Wiesen), der Sabah (Morgen), die volkswirtschaftliche
Zeitung Iktisadijat Medschmuasy usw. als Freunde der Frauenfrage. Besonders sehen
natürlich die nationalistischen Zeitungen wie das Organ der Akademie der Wissen-
schaften, der Bilgi dernegi, Bilgi medschmuasy unter dem Patronat des Zentralkomitees
für Einheit und Fortschritt, eine sehr gut ausgestattete umfangreiche MonatSBchrifl, die
Wochenschrift Idsrhtihad, die Tageszeitung Turan, der Türk Jurdu (Türkisches Heim),
der für das nationale Osmanly-Türkisch eintritt, ebenso wie die Organe des Komitees
für Einheit und Fortschritt, der Osmanly, der Genc;ve und der Hilal in der VerUetung
weiblicher Rechte eine ihrer vornehmsten Kulturaufgaben.
1 Vgl. hierzu Hartmann, Die türkische Frau. In: W. I. II, S. 15.
2 Vgl. W. 1. III, S. 139.
J^orenz, 1 He Frauenfragf. im Osmanisclien I^iddie. 85
kultureller Beziehung mächtig und unabhängig zu sehen." ^ Ihr
erstes rednerisches Auftreten fällt in die Zeit des Balkankrieges,
wo sie in einer Versammlung ihren Genossinnen die Ziele des neuen
Turan, dem ihre unermüdliche Arbeit galt, vor Augen führt.
Ihre literarische Tätigkeit ist äußerst vielseitig. Sie ist die Mit-
arbeiterin verschiedener nationalistischer Blätter, sowie des jung-
türkischen frauenfreundlichen Tanin; sie hat Wildes Salome ins
Türkische übersetzt (eine Szene wurde im Tanin veröffentlicht 2) und
sich damit als Freundin deutscher Geisteskultur bekundet, welcher
sie auch durch Erlernung der deutschen Sprache nähergetreten ist.
Ihr eigentliches Lebenswerk aber gilt der Hebung der türkischen
Mädchenbildung als wichtigster Grundlage zur Befreiung der Frau.
Unermüdlich hat sie ihre ganze Kraft für die Lösung dieser schwierigen
Aufgabe einzusetzen verstanden und das Verständnis für ihre Not-
wendigkeit zu beweisen gewußt. Dem Türk Jurdu vom 19. August
1917 zufolge, welcher eine Unterredung zwischen Kasim Schinasi
und ihr darstellt, sieht Hahde ihre Aufgabe jetzt darin, die durch
Aufhebung der französischen Schulen entstandene Lücke wieder
auszufüllen; da die französischen Schulbestrebungen vor allem die
Knaben erfaßten und die Bildung der Mädchen für das Leben und
die Heirat vernachlässigten, mußte hierin ein gründlicher Wandel
geschaffen werden. Als Generalinspektorin der Mädchenschulen
war Halide im Jahre 1917 von der Regierung aus zur Verwirk-
lichung ihrer Reformgedanken nach Syrien geschickt worden. Der
Kern ihres syrischen Erziehungsprogrammes war der, einmal den
syrischen Mädchen eine bessere Büdung zuteil werden zu lassen,
sie ferner mit der türkischen Kultur vertraut zu machen und in
ihnen das Bewußtsein der Gemeinsamkeit zu wecken. Dieses
Reformprogramm hat seitens der Regierung, der sie es vorlegte,
völlige Anerkennung erfahren.
Ihre ganze Leidenschaftlichkeit und Größe offenbart sich aber
besonders in ihrem politischen Roman „Das neue Turan" (im Jahre
1910 erschienen), der auch als Bestandteil der deutschen Orient-
bücherei einen bleibenden Platz gewonnen hat 3. In der Gestalt
Kajas, welche ihrem und ihres Geliebten Vaterlandsideale nach hartem
Kampfe ihre Lebenslust zum Opfer bringt, in dem rastlosen, selbst-
losen Wirken dieser Frau für Jugenderziehung, Frauenbildung und
1 Tekin Alp, S. 12.
2 Noüz in: W. L IV, S. 60.
• Besprechung in: W. I. IV, S. 125.
86 l>ie W,lt dfs Islam.«, Band 6'. 19iS, Heft Sji
Befreiung, hat die Dichterin ein getreues Abbild ihrer selbst
geschaffen, wie sie es dem Herausgeber dieses Romans, Dr.
F. Schrader, gestanden hat. Ihre Hterarische Bedeutung liegt in
der feinen Charakteristik der türkischen Frauenseele, die sie be-
sonders in den Romanen Handan, einer Erzählung in Briefen, und
Sewieh Tanib meistert, obwohl sie — bereits zum zweiten Male —
verheiratet ist, wirkt sie doch noch ebenso unermüdlich für ihr
turanisches Freiheitsideal und als Leiterin des türkischen Lehrerinnen-
seminars in Konstantinopel und Beirut an Frauenbildung und Er-
ziehung weiter. Auch die Kindererziehung bildet eine ihrer Haupt-
aufgaben. So veranstaltete sie im März 1916 (einer Mitteilung
des Osmanischen Lloyd zufolge) im Türk Odschaghy eine Kinder-
aufführung ihres dreiaktigen Schauspiels „Die Hirten von Kanaan"
und erregte damit großen Beifall. Im Türk Jurdu vom 17. Sep-
tember 1917 schildert Ruschen Eschref einen Besuch bei Halide
in ihrem eigenen Heime, wo sie ihm wertvoUe Aufschlüsse über
ihre bisherige literarische Tätigkeit gibt.
Der Haupt Wirkungskreis der türkischen Frauenrechtlerinnen ist
naturgemäß das Schriftstellertum. So verknüpft sich mit dem Namen
einer Reihe moderner Dichterinnen und Schriftstellerinnen auch
das Ideal der ]^>auenbefreiung. Besonderen Nachhall hat das
deutsche Geistesleben und die deutsche Siegesstärke in der Dichterin
Ihsan Ralf wachgerufen, welche ihr Gedichtwerk „Tränen" der
Gesellschaft für Islamkunde mit den Worten widmet: „Verehrungs-
voller Gruß einer türkischen Frau an die deutsche Nation aus
glorreichem, siegreichem Blutkampfe heraus." Auch diese Frau
sieht die moderne osmanische Frauenbewegung durch das solide
ruhige deutsche Vorbild vorgezeichnet. Weiter möchte ich hier
die Dichterinnen Mihri Nisa, die sich besonderer allgemeiner Beliebt-
heit erfreut, Güside Sabri, in deren Dichtungen die Weltschmerz-
lichkeit der jüngeren Literaturrichtung zum Ausdruck kommt ^
^Ulwije Hanum, die ihren Genossinnen das zuversichtliche „Unser
Land wird leben" zuruft, Jaschar Nesike, deren Bild sich in der
illustrierten Frauenzeitung findet, HaUde Salih, deren hterarischer
Ruf durch „Zerstörte HeiHgtümer", Gedichte in Prosa, Erzählungen
u. a. m. begründet wurde, nennen. Besonders interessiert an dieser
Stelle durch Aufstellung positiver Reformforderungen eine Frau,
welche nach Ansicht Hartmanns der panislamisch - türkischen
Richtung angehört: Fatme Mükerrem Hanum i; ihr Artikel über
1 Ilartmann, Die türkische Frau. In: W. I. II, S. 15 ff.
TjOrenz. Die Fraiieiifra<i(' i'n O'^nuniüchen Rnchc. 87
die Lebensfrage der Frau ist uns auf dem Umwege über England,
wohin er auf Veranlassung des Generalleutnants Imhoff Pascha
durch den Sohn des osmanischen Botschafters in London gerichtet
wurde, bekannt geworden. Sein Inhalt befaßt sich erstens mit der
Mädchenerziehung, zweitens der Verheiratung, drittens der Sorge
lür die Verheiratete, Dem Mangel an Lehrkräften und Lehrstoff
wünscht die Verfasserin durch Unterweisung Befähigter in Europa
Abhüfe zu verschaffen. Was die Verheiratung anbelangt, so sieht
sie das heilsamste Mittel zum Zweck, an Stelle der so sehr
als Bevormundung empfundenen Brautschau, im Heiratsbureau,
einer Einrichtung, die zwar für europäische Begriffe verwerflich
erscheint, bei dem gänzlichen Mangel geselliger Annäherung in der
Türkei aber zunächst als ein Übergangsstadium dem unwürdigen
Treiben der Görüdschüs (Brautschauerinnen) entschieden vorzuziehen
ist. Am schwersten erscheint die Lösung der dritten Reformfrage,
da es hier ein Äquivalent für den fehlenden Rechtsschutz gegen
willkürliche Entlassung durch den Ehemann zu finden gilt. Die
energische Forderung, die Weltfremdheit der Frau durch Hebung
ihrer Büdung mit Vorträgen wissenschaftlicher Art zu überbrücken,
mochte gewiß ihren moralischen und geistigen Halt gegen solche
unerwarteten Schicksalsschläge stärken. Dann aber mußte die Er-
öffnung von Erwerbsmöglichkeiten ihr die Gelegenheit geben, sich
von der materiellen Abhängigkeit von ihrem Manne frei zu machen.
Diesem Bedürfnis soll die Eröffnung von Handwerkerschulen, be-
sonders für verstoßene Frauen, dienen. Auch verdient der Vorschlag,
Frauen als Reiseinspektorinnen, besser gesagt, reisende Inspektor-
innen, welche die Ermittlung schütz- und unterstützung'sbedürftiger
armer Familien in allen Landesteilen übernehmen sollen, entschieden
Beachtung. Zeugt er doch deutlich für das Verständnis, welches
Fatme und mit ihr die modernen Frauen dem Mangel an sozialer
Hilfsarbeit entgegenbringt (W. L). Freüich verhehlt sie sich in
diesem Programm durchaus nicht die materiellen Schwierigkeiten,
welche seiner Verwirklichung entgegenstehen, da von selten der
Regierung als konservativen Faktors in absehbarer Zeit keine
finanzielle Unterstützung zu erwarten sein werde.
Wie groß der Einfluß ihrer Ideenwelt auf die Modernisierung der
öffentlichen Meinung gewirkt hat, geht daraus hervor, daß ihr
Programmentwurf schon heute in der Eröffnung von Frauenkursen
an der Universität Stambul, welche viermal wöchentlich stattfinden,
seine Verwirklichung gefunden hat.
88 [>ie Wt'h dm hJams, Band S. 1918, Heft 3,i
tm)cmooocxxxxx3ooomxx)ooocoocococxxxxxotxocxx^
Unter den Frauen, an deren Namen sich diejenigen berühmter
Persönlichkeiten knüpfen, ragen Fatme Alie, die Tochter des Schrift-
stellers Dschewdet Pascha, Neimed Hanum, die Frau des früheren
Großvesirs Ghazi Ahmed Mukhtar Pascha, die Prinzessin Hairie ben
Aiad 1 und Nadschie Sultane, die Gemahlin Enwer Paschas, als sehr
energische Vertreterinnen neuzeitlicher Frauenrechte hervor.
Die Tatsache nun, daß bereits mehrere Zeitungen als Interpreten
der freiheitsdurstigen Frauen sich durchzusetzen vermochten, wirft
ein deutliches Schlaglicht auf den Siegeszug der Moderne. Gerade
dadurch, daß die Frauenbewegung zunächst aus der Einsicht der
Männer herauswuchs, durch physische Notwendigkeiten im Volks-
wirtschaftsleben vorwärts gedrängt wurde und sich damit auf die
ideelle Gemeinschaftlichkeit beider Geschlechter stützt, ist ihr, äußer-
lich wenigstens, ein kampfloser Weg vorgezeichnet. Schon seit
mehreren Jahren erscheint in Konstantinopel eine Frauenzeitung,
Qadynlar Dünjasy (Frauenwelt), ursprünglich als Tageszeitung, heute
als illustriertes Wochenblatt, als dessen Konzessionärin und Haupt-
redakteur eine Frau namens Nurije Ulwije Hanum fungiert, und in
deren Redaktion zwölf Damen beschäftigt sind. Ihr Hauptziel richtet
sich auf die Verteidigung der Frauenrechte unter scharfer Betonung
der im Koran zu ihren Gunsten sprechenden Satzungen; und zwar
wiU sie diese Rechte hauptsächlich in Verbindung mit den haus-
fraulichen und erzieherischen Pflichten der Frau gewahrt wissen.
Sie war von Seiten einflußreicher ausländischer, auch deutscher
Damen eifrig gefördert worden und enthält neben zahlreichen Ab-
bildungen alles, was in der gesamten islamischen Welt auf dem
Gebiete der Frauenfrage an Neuerungen und Reformwünschen zu
verzeichnen ist. Dieses Organ steht auch im Dienste des Osmanly
Müdafa-i-Huquqy Niswan Dchemieti, des „Komitees für die Ver-
teidigung der Rechte der türkischen Frau".
Um die Tendenzen der modernen Frau noch genauer zu ver-
stehen, müssen wir einen kurzen Blick auf den gesellschaftlichen
und vereinsorganisatorischen Zusammenschluß der osmanischen
Frauen werfen, in welchem die jeweiligen Bedürfnisse ihren Nieder-
schlag fanden.
Am 22,. September 1908 wurde in Salonik die Gründung des
bereits erwähnten rot-weißen Damenklubs voUzogen. Damit gingen
dir Türkinnen der europäischen Türkei, welche im allgemeinen, in-
1 Prinzessin Hairie ben Aiad ist durch eine Schrift „Die türkische Frau, ihr soziale»
Leben und der Harem" bekannt.
Lorenz, Die Frmtenfmge im Osmanischen Reiche. 89
aoeO€IOOOOOOO<X>30eaOOOOOOOCX30000COOOOOOCCOOOOOOOOOCXXXXX)CXXXXXX«30000000(XCOOO^^
folge der engeren Kulturgemeinschaft mit Europa, als die fortschritt-
licheren Elemente innerhalb der türkischen Frauenwelt galten, ihren:
klein-asiatischen Genossinnen mit dem ersten Beispiele voran. In
die Zeit des Tripoliskrieges durfte die Frauenwelt des modernen
Pera an die Gründung eines türkischen Frauenklubs in dem be-
rühmten Hotel Tokatlian denken. Dieses Ereignis zog die Auf-
merksamkeit der Gesellschaft in dem Maße auf sich, daß sogar die
amerikanische Botschaft für die Damen dieses Klubs einen Empfang
veranstaltete, eine Tatsache, die um so mehr Beachtung verdient, als
hier das erstmalige Zusammentreffen türkischer Frauen mit fremder
Herrenwelt einen großen Wendepunkt für ihre bisherige vöUige
Abschließung bedeuten mußte.
Mit positiven Reformtendenzen treten folgende Vereinsorgani-
sationen, welche zum Wohl der Frauen ins Leben gerufen wurden,
hervor 1 :
1. Die von HaUde Edib Hanum geleitete „Gesellschaft zur Hebung
der Frauen" (Teali-i-Niswan Dschemieti), deren Mitglieder sich zum
größten Teil aus sehr idealistisch veranlagten Lehrerinnen an
türkischen Mädchenschulen, deren Wirksamkeit oft ohne materiellen
Lohn blieb, zusammensetzen. Das Augenmerk dieser Frauen ist
besonders auf Aufklärungsarbeit an der einfachen Mohammedanerin
gerichtet. Die Auswahl geeigneten Lesestoffes, Vorträge, besonders
geschichtlichen Inhaltes,Veranstaltungen religiös-patriotischer Feiern,
sollen die wißbegierige Frau aus ihrem bisherigen geistigen Zustande
emporheben und ihre Hilflosigkeit gegenüber modernen Weltan-
schauungen überwinden.
2. Eine andere osmanische Frauengesellschaft (Osmanly Qadynlaryn
Thchemieti-i-HairiesT/), die sich das Mädchenbüdungswesen zur Haupt-
aufgabe gemacht hat, ist durch die Schöpfung einer nationalen
Mädchenschule, welche in einem Vororte Konstantinopels, Nischan-
tasch, im Oktober 1913 feierUch eröffnet wurde, hervorgetreten.
3. Besonders fruchtbar sind die Bestrebungen des „Komitees für
die Verteidigung der Rechte der türkischen Frau" 2, welches von
EUwie Mewlan Hanum gegründet wurde, als dessen Organ, wie
bereits hervorgehoben, „die Frauenwelt" erscheint. Der Hauptzweck
dieses Komitees ist auf Erziehung der muslimischen Frau zur Arbeit
und persönlichen Freiheit gerichtet. Der praktische Reformsinn
1 Vgl. zu diesem Kapitel: Türkische Fräuenvereine, W. 1. 1, S. 222 und: Türkische Frauen-
gesellschaften W. I. II, S. 20.
* Osmanly müdafa-i-hukuky-nisvian dschemiety.
oo THe Welt des Jslams, Band 6. 19 is. Heft 3j4
OOOOeOCIOOOOOOOOOC*OOOOOOC«XXXXXXXXXXXIOC)CXXXXXXXXXKXXXXXXIC»(X»OOOOOCXXXX)OC)00^
seiner Mitglieder setzte sich in eine sehr energische und für moham-
medanisch-türkische Begriffe staunenswerte Tat um: Dank den Be-
mühungen der Zeitung „Frauenwelt" fand ein muselmanisches
Mädchen zum ersten Male eine Anstellung bei der Konstantinopeler
Telefongesellschaft und damit in einem öffentlichen Betriebe. Wie
sehr dieses Komitee den Erfordernissen seiner Zeit Rechnung trägt,
geht daraus hervor, daß es aus eigenem Antriebe eine Geldsamm-
lung für einen türkischen Aroplan veranstaltete, der als Stiftung
der osmanischen Frauen für die türkische Armee schon durch seinen
Namen Qadynlar Dünjasy (PYauenwelt) energisch an das Vorhanden-
sein dieser segensreichen Einrichtung gemahnen soll.
Den Bedürfnissen der veränderten Wirtschaftslage kommt eine
sehr bemerkenswerte Neugründung entgegen, welche unter dem
Patronat der Prinzessin Nadschie Sultane, der GemahHn Enwer
Paschas, ins Leben gerufen ist. Es ist die „islamische Gesellschaft
zur Förderung der Frauenarbeit", welche Tausenden von Frauen
Arbeitsmöglichkeiten verschafft hat^. Das vom Q.Juni 1916 (27. 5.
1332) datierte Statut des Vereins hat vom Ministerium des Innern
seine Bestätigung erfahren und ist von Salah Dschimdscha, dem
Abgeordneten für Stambul, Ali Riza, dem Generalstaatssekretär
des Kriegsministeriums und zwei Rechtsanwälten unterzeichnet.
Gerade diese Tatsache liefert wieder den treffenden Beweis für die
Zielsicherheit der neuen Arbeitsbedürfnisse der Frau, welche von
Seiten bedeutender Staatsmänner anerkannt und gefördert werden.
Abgesehen von der wirtschaftlichen Nutzbarmachung der vielen
brachliegenden Frauenkräfte hat sich der Verein auch energisch
bemüht, den Frauen in die verschiedensten Zweige der öffentlichen
Verwaltung Eingang zu schaffen.
Neben dem Frauenarbeitsverein treten aber noch eine Reihe
anderer Vereinsorganisationen in die Erscheinung, welche den Schwer-
punkt ihres Programmes gleich diesem auf die Konzentration der
Frauenarbeit im Dienste gewerblichen Fortschrittes und sozialer
Fürsorge legen: der Esirkeme Derneji und der Zianet einerseits,
der Rote Halbmond andererseits. Von ihrem Wirkungskreise und
Erfolge wird noch im volkswirtschaftlichen Zusammenhange die
Rede sein.
Wir sehen, daß dem Zusammenschluß der Frauen zur Wahrung
ihrer Interessen durchaus maßvolle, ja konservativistische Be-
1 Laut einer Nummer der volkswirtschaftlichen Zeitung (Iktisadijat Medschmuasy vom
17. Oktober 1917).
Lorenz, Die Froiii'/ifraf/c im O.^mainscJien Reiche. QC
OOOOeOCXXX)0(XXX300eOOOOCOOOOCXXXXX)OOCXXXKXXXXXXXXXXXXXXXXXIOOOOOOOOOCX)0000000000(X}^^
strebungen zugrunde liegen, die in ihrer Eindeutigkeit allen
diesen Organisationen eine große Einheitlichkeit und Stärke ver-
leihen. Die Wahrung derjenigen Rechte, welche die Frau für
ihre ethische und materielle Sicherheit unbedingt braucht, die
Aufklärung und Schulung ihrer geistigen Rückständigkeit, damit
die Erziehung zu praktischer Lebenserfahrung und endlich die
Heranziehung ihrer Kraft zum Wohle des Ganzen, dies sind die
drei Hauptziele, in denen das moderne Reformprogramm der
osmanischen Frauen gipfelt. Wenn es auch, was nicht anders zu
erwarten war, nicht, an Auswüchsen fehlt, wie sie die Osmanih
dem verderblichen Einflüsse französischen Romanstoffes dankt, so
erlegt ihr doch ihre anerzogene Zurückhaltung und das gerade
noch bei den ungebildeten Schichten rückständige Verständnis für
ihre Deklassierung Bescheidenheit und Maß auf. Dieser Umstand
wird gewiß die Gewähr für eine ruhige und programmatische
Entwicklung des gesamten Frauenproblems, welchem die Aus-
schreitungen allzu moderner Frauenrechtlerinnen gewiß fremd
bleiben werden, ebenso bürgen, wie die Tatsache, daß die türkische
Männerwelt als Hauptträger des neuen Zeitgeistes dem türkischen
Frauenideal einen sicheren Rückhalt bietet.
Gerade die gemeinsame Erkenntnis, daß die praktische und
wissenschafthche Unerfahrenheit der Frau an ihrem bedauerns-
werten Rückstande die Schuld trägt, hat die Entwicklung der
osmanischen Frauenbewegung in ihrem Kernpunkte, der Reform
des Erziehungs- und Unterrichtswesens einsetzen lassen,
3. Reform des Unterrichtswesens.
Zwei Pädagogen, welche energisch für die Reform des Mädchen-
schulwesens eintraten, habe ich bereits genannt: den Hodscha
Ahmed Edib, der seine Gedanken in der Schrift „Das Schul-
museum" niederlegte, und Husein Raghib, dessen interessante Dar-
legungen in fünf großen Artikeln im Tanin veröffentlicht wurden 1,
Machen wir uns zunächst ein Bild von der Ausdehnung des türki-
schen Elementarschulwesens für Mädchen.
^ Seine Ausführungen finden sich i. in Nr. 3094 vom 21. Juli 191 7, 2. in Nr. 3loi
Tom 7. August 1917, 3. in Nr. 31 16 vom 15. August 1917, 4. in Nr. 3134 vom
2. September 19 17 und 5. in Nr. 3140 vom 8. September 191 7. Vgl. zu diese»
Kapitel auch: W. I. II, S. 13: Das Schulwesen im Orient und Türkei: Unterrichtswesea,
W. I. III, S. 139.
Q2 Die Welt iU.f> Islams. Band C. t918, Heft '^4
■'•'•r'f<'<ri''nTr>rye}tvx,mt^arinvyivv-r>t^rr>rr^^ . ■ rnnn-|l-i:i|- m iOJi.i<j
Da in der Türkei bis vor kurzem kein SchuLzwang für Mädchen
bestand, so ist naturgemäß das Analphabetentum einer der größten
Mängel der einfachen Frau, um so mehr, als die abgeschlossene
Lebensweise den Mädchen jede Möglichkeit praktischer Lebens-
erfahrung raubte. Eine Anfang 1916 vom Unterrichtsministerium
veröffenthchte Statistik enthält sorgfältige Angaben über die Ver-
breitung des türkischen Schiüwesens und genaue, durch Karten
illustrierte Aufzeichnungen über das Verhältnis der Knaben- und
Mädchenschulen zueinander^. Zugrunde gelegt sind die Verhältnisse
der Jahre 1912 und 1913 (1328 und 29). Danach beträgt die
Gesamtzahl der die Regierungsvolksschulen besuchenden Kinder
246069, und zwar 200776 Schüler und 41293 Schülerinen, so daß
sich das Verhältnis wie 1 : 5 gestaltet. Es verschiebt sich dagegen
wesentlich bei der Anzahl derjenigen Kinder, welche Privatschulen
besuchen. Hier kommen auf 126284 Schüler 61571 Schülerinnen^
so daß sich die Besucherzahlen wie 1 : 2 verhalten. Noch günstiger
für die Mädchen gestaltet sich das Verhältnis bei den 1962 Schulen
für nichtmohammedanische Kinder, welche ingesamt von 152744
Schülern und Schülerinnen besucht werden. Nähere Angaben über
die Anzahl der nichtmohammedanischen Schulmädchen waren nicht
gemacht worden. Die Gesamtzahl aller mohammedanischen und
nichtmohammedanischen Schulkinder der Elementar-, Vor- und
Mittelschulen ist vom Unterrichtsministerium auf 596577 festgelegt
worden 2. Es läßt sich nun an der Hand einer Tafel, welche diese
statistischen Angaben verdeutlicht, der Prozentsatz der Schülerinnen
für jedes Wilajet feststellen. Er ist am ungünstigsten in dem
dichtbevölkerten Kastamuni, in Karahisar, Urfa und Itschili, wo er
nur 1 — 10 Prozent erreicht. Im zentralen Kleinasien (den Wüajets
Angora, Konia) beträgt er 11 — 15; in den Randgebieten der
Nordküste, so in den Liwas Brussa, Biledschik, Smyrna, Adana usw.
bilden die schulbesuchenden Mädchen schon 21 — 30, in Biga,
Kirkküisa, Tschataldscha 31 — 40, und endlich in Konstantinopel
selbst 41 — 43 Prozent sämtlicher Schulkinder 3. In dem großen
Werke des Franzosen Cuinet über die asiatische Türkei finden sich
* Nach den Angaben llusein Raghibs im Tanin, welche sich ebenfalls auf die Statistik
Jes Unterrichtsministeriums stützen, standen im Wilajet Aidin 65 — 70 Mädchenschulen
310 Knabenschulen, in Konstantinopel 20 — 25 Mädchenschulen 86 Knabenschulen und
in Adana 20 — 25 Mädchenschulen 55 Knabenschulen gegenüber.
*. Vgl. auch Besprechung dieser Statistik in: W. I. IV, S. 61.
^ Hierzu Husein Raghib: Tanin Nr. 3108 vom 7. August 1917.
Lorenz, Die Frauenfrage im O-smanischen Reiclu'.
an manchen Stellen ziemlich genaue durch Vergleich und eigene
Forschung gewonnnene Zahlen über die Anzahl der Schulen der
einzelnen Wilajets mit der Verteilung des weiblichen und männ-
lichen Elementes unter den Kindern. So wurden in den 90 er Jahren
2. B. die 3061 Schulen des Wilajets Trapezunt von 3798 Mädchen
und 86984 Knaben besucht, ein Verhältnis, das gerade bei der
großen Dichtigkeit der Bevölkerung für die wirtschaftliche Ent-
wicklung des Landes sehr schwer ins Gewicht fallen mußte. Im
Inneren, im Wilajet Siwas, gestaltet sich das Verhältnis wieder
günstiger. In 3591 Schulen wurden bei 48 173 Knaben 6320 Mädchen,
also ein Achtel der schulbesuchenden Knaben gezählt. Ahnlich
verhalten sich die Ziffern in Mamurut-ul-Aziz, wo 160 Schulen von
1750 Mädchen gegenüber 9190 Knaben besucht werden. In
Diarbekr wiederum verschiebt sich das Verhältnis sehr zu Un-
gunsten der Mädchen. Hier stehen nur 13 Mädchenschulen mit
1081 Mädchen, 1192 Knabenschulen mit 60430 Schülern gegenüber.
Ein ganz anderes Bild liefert uns Konstantinopel mit seiner näheren
Umgebung. In Skutari gab es damals schon zwei Spezialschulen
für Mädchen mit 144 Schülerinnen, 14 Sekundärschulen, welche
von 434 jungen Mädchen, und 1163 Knaben, und endlich 27 Ele-
mentarschulen, welche von 3063 Knaben und 1291 Mädchen be-
sucht wurden.
In Syrien sah es mit der Elementarschulbtldung der Mädchen
besonders schlecht aus. Da es sehr wenige öffentliche Schulen
gibt, so bleiben die Mädchen sogar in größeren Städten oft ohne
die aUerelementarsten Schulkenntnisse.
Bis in die jüngste Zeit hinein haben sich nun diese Zahlentat-
sachen, welche für die elementare Schulbildung der Frau ein
trauriges Zeugnis ablegen, nur wenig geändert. Erst die neue
Aera des demokratisierten Verfassungs- und intensivierten Wirt-
schaftslebens brachte auch hier endlich eine Steigerung der Be-
dürfnisse mit sich. So kam der Verein zur Hebung der Frauen-
bildung (teali-i-nisswan dschemieti) mit der Eröffnung einer Schule für
Türkinnen, in welcher zweimal wöchentlich als Unterrichtsfächer
Lesen, Schreiben, Rechnen und Glaubenslehre gelehrt werden,
einem sehr fühlbaren Mangel entgegen. Heute geht ein starker
reformatorischer Geist durch das gesamte Schulprogramm des
Unterrichtsministeriums, welches soeben begonnen hat, die Um-
gestaltung an Haupt und Gliedern theoretisch wenigstens fest-!
zulegen. Abgesehen von den Reformplänen, welche sich auf die
g4 TMr Wdt des fs/ains, Baml 6. 19 IS. Ihft :ii4
X^0eiXXXXXXI0OO0e«00000O0000O0OO00000000O00O(XX)00OC)0OOCXXXXX)0O0O0O0O0OO0O(X)CXXXXXXXXXX)^^
Universität, die alten Theologieschulen, die Revision der Lehr- und
Unterrichtsfächer erstrecken, soll auch das gesamte Eiern entarschul-
wesen eine eingehende Wandlung zugunsten der Mädchenbildung
erfahren. Das Resultat dieser Bestrebungen war der Erlaß eines
mit dem 6, Oktober 1913 wirksamen provisorischen Gesetzes
betreffend den Elementarunterrichte Schon § 1 spricht die Not-
wendigkeit des allgemeinen Schulzwanges zum ersten Male aus:
Der Elemenlarunterricht ist obligatorisch und in den öffentlichen
Elementarschulen unentgeltlich. § 3 zufolge wird eine besondere
Elementarschule für Mädchen dann ins Leben gerufen, wenn in
einem Dorfe über 50 schulpflichtige Mädchen wohnen; sonst sollen
die Schulen nach Möglichkeit gemischt sein. Vom fünften bis
sechsten Lebensjahre werden Knaben und Mädchen in der Klein-
kinderschule unterrichtet; sodann laut § 23 in der drei Stufen um-
fassenden Schule bis zum zwölften Lebensjahre. Für die genaue
Einhaltung der Gesetzesvorschriften wird eine Überwachungsstelle
durch den Oberpräsidenten als Vorsitzenden des Ausschusses für
den Elementarunterricht eingesetzt (§ 27), welcher in jeder Provinz-
hauptstadt zweiwöchentlich tagen soll.
Das höhere Mädchenschulwesen, soweit es nicht in Händen
fremder Nationen oder deren Missionen sich befindet, liegt eben-
falls noch sehr im Argen, zumal das Bildungsbedürfnis für das
Mädchen der höheren Gesellschaftskreise im Hause selbst unter
Zuhilfenahme fremder, besonders französischer Lehr- und Er-
ziehungskräfte nach landläufiger Ansicht hinreichend befriedigt
wurde.
Besonders das amerikanische Schulwesep hat durch Eröffnung
von Primärschulen, das sind Gemeindeschulen, welche von christ-
lichen Kindern besucht werden, höheren Schulen, welche etwa
unseren Realgymnasien entsprechen würden, und den sogenannten
American Colleges als Vorstufe zum Universitätsstudium auch das
'Mädchenbildungswesen in hohem Maße gefördert 2. Von den
höheren Schulen wird z. B. die von der amerikanischen Mission in
Adabazar eingerichtete höhere Mädchenschule, welche von drei
Damen geleitet wird, von Naumann ^ als Musteranstalt gelobt. Die
Anstalt wird hauptsächlich von Armenierinnen, daneben von einigen
* Vgl. hierzu: G. Kampffmeyer, Türkische Schulgesetze, W. I. IV, S. 10, und Provisorisches
Gesetz betreffend den Elementarunterricht, W. I. IV, S. 240.
* W. I. I, S. 130: Amerikanische Hochschulen.
3 Naumann, Vom goldenen Hörn zu den Quellen des EuphraU
JjOrenz, ]>ie Franenfrage hti Osinanischcn I\ eiche. g5
OOSOf.-'XIOOCXXDOOOOOOOOOOOCIOOOOOOOOOOOOOOOOCXXXXXXXXXXXXXXXXXXJOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOO^^
Türkinnen, einer Tscherkessin und sogar einer Zigeunerin besucht.
Naumann hebt hervor, daß gerade diese jungen Mädchen sehr
begehrt, ja schon im voraus für die Ehe versagt seien. In der
höheren Schule von Brussa finden sich unter loo Schülerinnen
schon 14 Türkinnen 1. Von den 69 Idadie-Schulen des Reiches
befindet sich ebenfalls eine höhere Mädchenschule in Konstantinopel.
Colleges für junge Männer wie junge Mädchen sind in Konstantinopel,
Beirut, Smyrna, Tarsos, Aintab, Harputh, Marsowan zu finden. Außer
diesen Anstalten ist noch ein American College for girls in Beirut
zu nennen, das zu einer vollwertigen Universität ausgebaut werden
sollte.
In Syrien war den jungen Mädchen bisher höhere Schulbildung,
abgesehen von der einzigen, von deutsch-katholischen Schwestern,
den Boromäerinnen, in Beirut unterhaltenen Schule, verschlossen.
Höchstens stand es ihnen daneben noch frei, die deutsche Real-
schule in Jerusalem, oder die hebräischen Gymnasien in Jaffa und
Jerusalem, in welchen für Knaben und Mädchen gemeinsamer Unter-
richt erteüt wurde, zu besuchen. Zeigen nun schon die angeführten
Zahlentatsachen, wie sehr sich das mohammedanische Element der
schulbesuchenden Mädchen in der Minderheit befindet, so war kaum
anzunehmen, daß diese Anstalten seitens mohammedanischer Os-
maninnen besucht wurden.
In jüngster Zeit hat nun die berühmte Pädagogin Halide Edib
Hanum, wie schon erwähnt, auf einer Inspektionsreise nach Syrien
ihre Pläne und Erfahrungen in einem großen, von der Regierung
genehmigten Reformprogramm niedergelegt. Ihre Reform erstreckt
sich namentlich auf die türkischen Mädchenschulen in den Wilajets
Beirut, Damaskus und im Sandschak Libanon. In der in Beirut
gegründeten Schule wird Unterricht hauptsächlich in Pädagogik er-
teilt. Dem Unterricht der Mittelschulen sind besondere Fachkurse
mit Erfolg angegliedert worden. Sogar eine Kunstklasse sollte dem
Schulplan angeschlossen werden. Ihr Hauptaugenmerk legt Halide
auf die Verschmelzung des syrischen und anatolischen Elementes,
die Erziehung zu gemeinsamen Landes- und Kulturinteressen. Daher
sollen in dem von ihr geleiteten Lehrerinnenseminar in Beirut außer
einheimischen auch anatolische Mädchen Aufnahme finden. Auch
für ältere Frauen wurden Kurse in türkischer Sprache und Schneiderei
eingerichtet.
1 w. I. I, s. 130.
gö Die Welt ,ic.< Is/ains, Band (j. i9lS, lieft -V /
ec'ooeoeooocKX)Ocioo*oooooocoooocxx»xx)OOOooooocxxxxxx)oooooooooooc<xxxxxx^
Auch anderweitig stehen den jungen Mädchen von heute schon
Anstalten offen, die ihnen eine, über die türkischen Begriffe vom
unbedingt Notwendigen hinausgehende Bildung ermöglichen i. So
wurde vor einigen Jahren in Kandili Bagtsche, das idyllisch und
gesund zwischen Marmara- und Schwarzem Meere eingebettet liegt,
ein Mädchenlyceum eröffnet, dessen Absolvierung zum Studium
an ausländischen Universitäten ohne Einschränkung in der
Fakultät berechtigt. P>eilich hat man aus diesem Zugeständnis an
das Bildungsbedürfnis der Frau noch nicht die Konsequenz der Er-
schüeßung der Landesuniversitäten gezogen und damit dem Uni-
versitätsstudium nur ein theoretisches Zugeständnis gemacht. Denn
bei ihrer noch nicht überwundenen Unsicherheit im öffentlichen Auf-
treten war es wohl kaum zu erwarten, daß sich die junge Studentin
im w^issenschaftlichen Interesse in das Ausland begeben würde. Erst
im Jahre 1915 erfolgte von der Stadt Smyrna aus die Entsendung
von vier türkischen Studentinnen nach Europa 2, von denen sich
drei für Pädagogik und eine für Zahnheükunde entschieden hatten.
Im Jahre 1893 hatte sich die Universität Konstantinopel zur Ab-
lialtung besonderer Vorlesungen für Frauen an der medizinischen
Fakultät entschlossen. Damit kam sie einem allgemeinen, besonders
in mohammedanischen Ländern sehr dringenden Bedürfnisse ent-
gegen, da die Frauen hier in Krankheitsfällen vielfach auf Selbst-
hilfe angewiesen waren. Dieser Erlaß bot zum ersten Male die
Möglichkeit, eine geschulte Kraft in den Dienst der Allgemeinheit
zu stellen. In ihrem grundlegenden Buche über die Frau ^ hebt
L. Braun gerade dieses Ereignis als besonders fortschrittlich hervor,
da die Türkei mit diesem Zugeständnis der Entwicklung der deutschen
Frauenbewegung sogar voranging, welche die Zulassung zum medi-
zinischen und pharmazeutischen Studium erst im Jahre 1899 nach
hartem Kampfe durchsetzte. M. E. ist aber diese Tatsache kaum
mit der Zulassung medizinstudierender Frauen in Deutschland in
Beziehung zu setzen. Sie erklärt sich wohl hauptsächlich aus den
zahlreichen Opfern, welche der Tod unter den Frauen infolge Ver-
1 Hierhin gehören mehrere Sultanie-Schulen, deren es im ganzen 42 gibt und welche bei
zwölfjährigem Lehrgange etwa unseren Obcrrcalschulen entsprechen. So wird in der
W. I. I, S. 229 die Eröffnung der privaten Fethi Bej-Mädchenschule in Ajas Pascha
und die Errichtung einer Mädchenschule in Damaskus vom Wohlfahrtskomitee bekannt
gegeben.
2 Laut einer Notiz in der W. 1., welche einer anatolischen Zeitung, der Kjöilü, ent-
nommen ist.
- Lili Braun, Die Frauenlrage (Geschichte).
I^orenz, T)ie Frauen frar/e im Osniantsclieri lieiche. 97
Weigerung ärztlicher Hilfe fordern mußte. Gymnasiale Vorbildung
zur Teilnahme an solchen Vorlesungen scheint mir ebensowenig
Vorbedingung zu sein, wie das Recht auf Grund dieser Studien
eine selbständige ärztliche Praxis auszuüben. Selbstverständlich
mußten diese Frauen den Nachweis ihrer Kenntnisse durch Er-
werbung eines Diplomes führen.
Im Jahre 1913 wurde eine Frauenhochschule {Niswan Dar-ül-fünuny,
Frauenuniversität), welche der Universität Konstantinopel angegliedert
ist, eröffnet. Diese Anstalt wirkt durch Vorlesungen wissenschaft-
licher und praktischer Art an der allgemeinen Bildungsreform der
Frau mit. Daneben besteht schon seit längerer Zeit als Parallele
zum türkischen Lehrerseminar (TJar-ül-Muallindn-i-Alie) ein Lehre-
rinnenseminar ( I Jar-ül-Muallimati- Alie)y dessen wissenschaftliche Be-
deutung der der Universität g'leichg'estellt ist. Während das Lehrer-
seminar von 694 Hörern besucht wurde, zählte die Frauenhochschule
145 Hörerinnen.
Auch eine osmanische Schule für schöne Künste steht Herren
und Damen zum Besuche offen.
Ein recht erheblicher Wert wird jetzt seitens des Unterrichts-
ministeriums auch auf die Ausbildung praktischer häuslicher, kunst-
gewerblicher und kaufmännischer Fähigkeiten der jungen Mädchen
gelegt Schon § 3 des provisorischen Gesetzes über den Elemen-
tarunterricht hat die Eröffnung von Handfertigkeits- und Gewerbe-
schulen für Knaben und Mädchen in das neue Programm ein-
bezogen. Einer Mitteilung des Türk Jurdu vom S.Juli 1917 zufolge
wurde im Juli 1916 ein „Wissenschaftsheim für Frauen" (BUgi Jurdu)
geschaffen, das in seinen Grundzüg'en und seiner Großzügigkeit ein
getreues Abbüd des Berliner Lettehauses darstellt. Sein Begründer
ist der schon wiederholt erwähnte Hodscha Ahmed Edib, der in
der Zurückgezogenheit ganz seinen Reformideen lebte, welche er
mit dieser Gründung wirksam in die Tat umsetzte. Das Unterrichts-
programm zeigt eine große Vielseitigkeit: neben Sprachunterricht
in Türkisch, Französisch und Deutsch werden Musikstunden für
Piano, VioHne und Laute erteilt; Geschichte, Geographie, Natur-
geschichte, Rechnen, Mathematik und Sachenlehre dienen der
wissenschaftlichen Vorbüdung, Hauswirtschaft und Nähen mit Zu-
schneiden, sowie Zeichenunterricht und Vorträge über Kinder-
erziehung der praktischen Ausbildung der Besucherinnen. Auch die
Eröffnung eines Turnkursus und einer Kochschule wird im Anschluß
an diese wichtigen Lehrgegenstände geplant. Gerade die Ein-
q8 Die Welt des JdamR, /Jnnd d. 191X, Heft .?/4
oeeoeeeoooooooaaeooeoooooooooooooocxx]oooocx»ooooooeooooooooc)C)ooooocxic)ooc)ociocxxxxnxxx^^
beziehung der Hauswirtschaftslehre in den Rahmen der Unterrichts-
gegenstände ist als bedeutsamer Fortschritt gegenüber der bis-
herigen wirtschaftlichen Unerfahrenheit der Hausfrau, welche auf
das gesamte Wirtschaftsleben bis heute zurückwirkte, zu buchen.
Die Teilnahme an den verschiedenen Fächern ist dem Bildungs-
bedürfnis und der Wahl der einzelnen Besucherinnen, welche sich
aus jungen Mädchen und jungen und älteren Frauen zusammen-
setzen, anheimgestellt. Der Unterricht, die Bibliotheksbenutzung,
sowie die Lieferung der Bücher finden ohne Entgelt statt. Dement-
sprechend w^erden auch weder Examina in den einzelnen Fächern
verlangt, noch Zeugnisse ausgestellt, freilich ein Umstand, der dzis
Verantwortlichkeitsgefühl nicht stärkt und manches Schwanken und
Versagen der Teilnehmerinnen mit sich bringt. Um auch einen
möglichsten Ausgleich der elementarsten Schulkenntnisse dieser
Frauen herbeizuführen, werden nach je drei Monaten fortlaufend
Lese- und Schreibstunden veranstaltet, an denen je dreißig Schüle-
rinnen teilnehmen können. Für anders sprechende Elemente erfolgt
der Unterricht in weiteren Sonderklassen. Außerdem findet für die
zahlreichen Teilnehmerinnen, welche zwar lesen, aber nicht schreiben
können, der Unterricht in einer besonderen Orthographieklasse
statt. Der große Andrang zu diesen Elementarkursen ist ein deut-
licher Beweis für das allgemein empfundene Bedürfnis nach Hebung
des geistigen Zustandes in der Frauenwelt. Das Unternehmen, das
für die wirtschaftliche Entwicklung der Frauenfrage von ausschlag-
gebender Bedeutung ist, besitzt in dem Organ Bilgi Jurdu Yschyghy,
Licht des Wissenschaftsheimes, welches von dem Gründer der An-
stalt am 15. April 1917 ins Leben gerufen wurde, ein wertvolles
Propagandamittel, in Schükri Bey, sowie dem Unterrichts- und
Ewkaf-Ministerium geistige und materielle P'örderer. Die Zahl seiner
Schülerinnen, die augenblicklich 200 beträgt, ist der schlagende
Beweis für die unbedingte Notwendigkeit dieser Gründung.
Auch die Erkenntnis der Wichtigkeit spezieller Haushaltungs-
schulen, in denen die Mädchen durch Fachlehrerinnen in der Koch-
kunst unterwiesen werden, hat die Kommission für den Elementar-
unterricht zu dem Beschluß veranlaßt, unter Heranziehung von
Spezialistinnen Schulen für Kochlehrerinnen zu eröffnen, um diesen
ihre Praxis und den Lernenden das Pensum zu erleichtern.
In Syrien ist bisher die hauswirtschaftliche Ausbildung der
Mädchen noch besonders mangelhaft. Nur in einigen, von Nonnen
unterhaltenen Anstalten, so in Beirut, Jerusalem und einigen
iMrenz, Die Fraiienfrdcie im Osmaiiisclien Reiche. 99
BoooBecooooooooeooooocxxxxiooooooooooooooooooooooocxxxvxxxxaoooooooooooooooooooooooooooooooooooooeeoocx^
jüdischen Waisenhäusern, stehen den zukünftigen Hausfrauen Mög-
üchkeiten zur Ausbildung offen 1.
Der krankenpflegerischen Vervollkommnung der Frau soll eine
unter dem Schutze des Zentralkomitees des Roten Halbmondes
zu errichtende Frauenschule Ln Smyrna dienen; die Schülerinnen
sollen in einer Schule für Ärztinnen, deren Eröffnung demnächst
zu erwarten ist, Aufnahme finden.
Das Handfertigkeitstalent der türkischen Frauen und Mädchen,
das ihre stille Zurückgezogenheit mit den Jahrhunderten zur künst-
lerischen Höhe entfaltete, wird auch schulmäßig vor den anderen
Unterrichtsfächern im Interesse der Erhaltung und Förderung der
Heimarbeit sorgfältig ausgebildet. Freilich handelt es sich hier
nicht, wie wir später bei der Behandlung der Hausindustrie sehen
werden, um die Ausbildung und Erhaltung der alten traditionellen
Famüienkunst, sondern mehr oder weniger eine Nutzbarmachung
weiblicher Handfertigkeit für die Bedarfsbefriedigung des Auslandes.
Bezeichnender Weise kommen diese Einrichtungen für die Aus-
bildung türkischer Mädchen nur in gering^em Maße, hauptsächlich
aber für die der besser gestellten armenischen und griechischen
Mädchen in Betracht. So werden in der griechischen Mädchen-
schule (Ecole Centrale des Filles de Pera) etwa 500 — 600 Mädchen
bereits vom 6. Lebensjahre an, abgesehen von den Elementarfächern
Französisch, Griechisch usw. auf Wunsch bis zu ihrem 18. Lebens-
jahre in Näherei, Stickerei und Wäscheanfertigung unterwiesen. In
Brussa und Ismid haben französische Nonnenorden die handarbeitliche
Ausbildung junger Mädchen in der Hand: Dort wird von den
„Soeurs de Charite de St. Vincent de Paul" eine mit der Kirche
dieser Nonnen verbundene Schule unterhalten, in welcher Nähen
und Sticken nach französischem Geschmack gelehrt wird. Auch
hier, in Ismid, unterweisen die französischen Schwestern vom
Assumptionistenorden die jungen Mädchen in Stickereien nach
modernen Vorlagen. In Adabazar werden in einer zu einem arme-
nischen Mädchenpensionat gehörigen Schule neben Elementar-
fächem auch Handarbeitsstunden in großem Maßstabe erteüt. In
Smyrna macht besonders ItaHen für Schulzwecke große Auf-
wendungen. Hier wie überall in den größeren Städten Kleinasiens
zeigt das Ausland ein gToßes Interesse an der Förderung des weib-
lichen Handarbeitsunterrichtes und dessen berühmter Erzeugnisse.
1 Ruppin, Syrien als Wirtschafts- und Kolonisationsgebiet.
Die Welt des Islams, Band 6. 7
loo Dir Wi'h des fs/aiNs, Band 6. UHS. Heft :>i4
Trotzdem arbeitet der Unterricht all dieser Schulen nicht so sehr
auf eine erwerbsmäßige Verwendung der erworbenen Kenntnisse,
als vielmehr eine Verwertung im Rahmen der Häuslichkeit hin, da
ja die Teilnehmerinnen zumeist begüterten Familien angehören. Die
Ausbildung aber zeigt einen weit über das Durchschnittsmaß euro-
päischen Handarbeitsunterrichtes hinausgehenden Umfang und er-
möglicht auch eine Verwertung der erworbenen Fertigkeiten im
Erwerbsleben.
Auch in Palästina wird der Handarbeitsunterricht von selten des
Auslandes sehr gefördert. Vom Hilfsverein deutscher Juden werden
neben Knaben- auch Mädchenschulen unterhalten, in denen außer
Turnen, Hygiene, Stenographie und Buchführung besonders Hand-
fertigkeitsunterricht erteilt wird. In der englisch-jüdischen Evelina-
Rothschild-Mädchenschule wird sowohl Handarbeits- wie Haushal-
tungsunterricht erteilt, in der Kunstgewerbeschule des Vereines
Bezalel in Jerusalem unter Leitung von Professor Schatz wird neben
Ausbildung junger Leute in Steinhauerei, Kunsttischlerei usw. auch
die Teppichknüpferei für Mädchen gelehrt. Die Ausbildung in der
Spitzenhäkelei wurde durch eine Frau Dr. Thon, die eine jüdische
Frauenorganisation dafür interessierte, technisch vervollkommnet,
so daß die .Schülerinnen in der Lage waren, mit den erworbenen
Kenntnissen ihren Lebensunterhalt verdienen zu können i.
Für die kunstgewerbliche Ausbildung junger Mädchen gibt ein
Lehrplan für Mädchengewerbeschulen des Unterrichtsministeriums
Aufschluß und Richtlinien. Abgesehen von den Kunstgewerbe-
schulen in Konia und Damaskus, die aber wohl nur dem Besuche
männlicher Schüler offenstehen, werden auch Frauen in besonderen
Fachschulen herangebildet. So steht ihnen in Konstantinopel der
Besuch einer Schneiderinnenakademie und einer Stickereischule
offen. Die Teppichweberei wird in einer von Großhändlern unter-
haltenen Knüpfschule in Smyrna, welche auch über eine Muster-
sammlung und Echtfärberei verfügt, einer zur kaiserlichen Fabrik
in Hereke gehörigen Knüpfschule und einer erst vor kurzem von
Dschemal Pascha gegründeten Teppichwirkschule in Damaskus
gelehrt.
Der starke Bedarf an kaufmännisch geschulten weiblichen Hilfs-
kräften, welcher für den wirtschaftlichen Aufschwung des Landes
^ Vgl. Trietsch, Palästinahandbuch (Kap. Schulwesen). Über Handarbeitsunterricht vgl.
Dietrich, Kleinasiatische Stickereien und Trietsch, Palästina-Handbuch. Ferner Droop,
Türkisches Handwerk in der Islamischen Welt, Nr. 6, S. 373.
I.oretiz, Die Frauenfrage im Osmanischen Hei che. loi
ooc«eoooocxxxx3e«oooooocxxx»ooooooooooooooooocxxxxx»ooooocxx)oocx}Oooooooooooooooooaoooooooooooocx9«eooaa
bezeichnend ist, hat dem Unterrichtsministerium zu einem wichtigen
Beschlüsse Veranlassung gegeben. Um Frauen die zur Ausbildung
in Bank- und Handelshäusern erforderlichen Kenntnisse zu ermög-
lichen, wurde in dem Gebäude der Frauenuniversität im Jahre 1917
eine ebenfalls der Universität angegliederte Handelshochschule für
Frauen eröffnet. In dieser wird der erforderliche Unterricht bei
einjährigem Lehrgange von Handelsschullehrern erteilt. Auch der
Arbeitsnachweis geschieht durch das Unterrichtsministerium selbst.
Dem Erlasse zur Einschreibung sind eine große Anzahl junger
Mädchen gefolgt, so daß die Besucherinnenzahl (laut Mitteilung der
Iktisadiat Medschmuasy) über 100 betrug und die Spaltung in zwei
Kurse notwendig wurde. Auch der Ausschuß für die Fortbildungs-
schulen des Wilajets Stambul beschloß die Eröffnung einer Fort-
bildungsschule für Mädchen in drei Kursen in der Mädchenmuster-
schule am Bajasidplatze, um eine Vorbereitung in der kaufmännischen
Tätigkeit zu ermöglichen.
Mit einer Reform des Schulwesens mußte nun aber auch eine
entsprechende Umgestaltung des weiblichen Unterrichtswesens einher-
gehen. Nach der Statistik des Unterrichtsministeriums von 1912/13
standen bereits 1005 Lehrerinnen 6255 Lehrern an Elementarschulen
gegenüber. Außerdem wird hier an Hand einer Karte einerseits
das Zahlenverhältnis zwischen Lehrpersonal und Gesamtbevölkerung,
sowie zwischen Lehrerinnen und weiblicher Bevölkerung graphisch
dargestellt. Seitdem hat die Ausbildung von Mädchen für den
Lehrberuf große Fortschritte gemacht. Nach den Angaben Husein
Raghibs gab es im Jahre 1915 bereits neben 25 Lehrerseminaren
9 Lehrerinnenseminare. Als deren größtes kommt das schon im
Jahre 1863 gegründete in Konstantinopel in Frage, welches seit
seinem Bestehen bereits über 1000 Lehrerinnen ausgebildet hat.
Außerdem ist hier ein von Halide Hanum geleitetes Seminar in
Beirut zu nennen, in welches nach ihrem Reformprogramm jährlich
20 syrische und anatolische Mädchen aufgenommen werden sollen.
Ein Beweis dafür, wie eng die Frauenfrage mit der Demokratisierung
der Verfassung verknüpft war, ist die Tatsache, daß erst nach
ihrer Einführung Pädagogik und andere aufklärende Lehrfächer
in den Unterrichtsplan dieser Seminare aufgenommen wurden, ohne
welche doch bisher ein verständiges Unterrichtsziel undenkbar er-
scheinen mußte. So konnte gerade von diesem Zeitpunkte an eine
ganz bedeutende Steigerung in der Zahl der Lehramtskandidatinnen
beobachtet werden. Betrug die Besucherzahl 1907/08 noch 108,
jo: THc Welt ,/es fs/anis. Band H. 1918, Heft 3j4
0«^0eOBO000OOO0O0«0O00000000CX»000000O0(Xa00O(XXXXXXXXXXXXXyX)OO(XXXXXXXXXXXXXXXX>XXXX)O^
so war sie igt 1/12 auf 145 gestiegen, während sie heute auf 1384
angewachsen ist. Nach Ansicht Husein Raghibs läßt sich aus dieser
rapiden Vermehrung darauf schUeßen, daß in kürzester Zeit der
Bedarf an Lehrerinnen gedeckt sein, ja, daß bei entsprechender
weiterer Zunahme sogar mit Konkurrenzschwierigkeiten zu rechnen
sein dürfte. Die acht Elementarseminare für Lehrerinnen, abgesehen
von dem in Konstantinopel befindlichen, zählen insgesamt 780
Seminaristinnen und 119 Lehrerinnen.
Im Jahre 1915 wurde von Sati Bey, dem früheren Direktor des
Lehrerseminars in Konstantinopel eine neue Schule begriindet, mit
welcher außer einem Mutterheim und einem Kindergarten auch
ein Lehrerinnenseminar verbunden ist, zu dessen Besuche das
Abgangszeug'nis einer Volksschule berechtigt. Der nur einjährige
Lehrgang des Seminars zerfällt in drei Kurse: in dem ersten gelten
Türkisch, Rechnen, Geometrie, Geschichte, Geographie, Natur-
wissenschaften und Gesundheitslehre als Lehrfächer; im zweiten
Psychologie, besonders, soweit sie sich auf das Seelenleben jüngerer
Kinder bezieht, Pädagogik, die Lehre von der persönlichen und
sozialen Bildung, sowie deren Nutzanwendung; und im dritten
endlich werden die Besucherinnen in Musik, Kulturlehre, Zeichnen
und Handarbeit unterwiesen. Nach Absolvierung dieser drei Kurse
hat die junge Lehrerin nicht nur die Berechtigung, in Elementar-
schulen, sondern auch in anderen Anstalten Unterricht zu erteilen.
vSogar der etwas antifeministische Taswir-i-Efkjar (Spiegel der
Meinungen) begrüßt diese Neugründung als sehr zweckmäßig und
spricht den Wunsch nach reger Beteiligung auch ausländischer
Besucherinnen aus.
Der weiteren Heranbildung weiblicher Lehrkräfte im Dienste
des Elementarschulwesens sollen die in Konstantinopel eingeführten
Prüfungen zur Erlangung des Befähigungsnachweises für den
Elementarunterricht dienen 1. Bedingung für die Zulassung zu diesen
Prüfungen sind Einreichung von Leumunds- und Schulzeugnissen,
eines Zeugnisses über den bisherigen Lebenswandel, sowie eines
Gesundheitsattestes und Impfscheines. Gerade die beiden letzten
Bedingungen legen ein erfreuliches Zeugnis für die Umgestaltung
der türkischen Gesundheits- und sanitären Begriffe ab. Abgesehen
von der Altersgrenze, die sich bei den männlichen Bewerbern
zwischen 19 und 35 Jahren, den weiblichen dagegen zwischen 17
* Vgl. Provisorisches Gesetz bctrefTcnd den Elementarunterricht, W. I. IV, S. 240.
T^orenZy Die Frauenfrage im Chinanii^cJiex Reichf. 103
°<^aOgC«OOOOOOOOOOOOOCKXXXXIOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOCXXXXXOOOO(XXXXXXXXX^
und 35 Jahren bewegen muß, sind die Mädchen den gleichen
Bestimmungen wie die Elementarlehrer unterworfen. Diese Tendenz
spricht sich auch deutlich in den Ausführungsbestimmungen des
provisorischen Gesetzes über den Elementarunterricht aus. So
besagt § 98 ausdrücklich, daß alle Bestimmungen des Gesetzes,
welche sich auf die Lehrerseminare, die Schulleiter und Lehrer
beziehen, auch auf die Lehrerinnenseminare sowie auf die Schul-
leiterinnen und Lehrerinnen Anwendung finden sollen. § 48 heißt
es: „Zur Heranbildung von Lehrerinnen für die Elementarmädchen-
schule werden auf Beschluß der Provinzialausschüsse für den
Elementarunterricht und nach Bilhgung des Unterrichtsministeriums
an den Orten, wo es erforderlich ist, Lehrerinnenseminare mit
Internat errichtet werden." Ebenso wie die Frage der Ausbildung
und Anstellung wird auch die der Besoldung analog den für die
männlichen Teilnehmer geltenden Sätzen auch für die weiblichen
Lehrkräfte geregelt. So beziehen die Hilfslehrerinnen ein Anfangs-
gehalt von 200 Piastern (etwa 40 Mark monatlich), das jedesmal
nach Verlauf von 5 Jahren um 100 Piaster steigt, bis es mit 600
Piaster (120 Mark) seinen Höhepunkt erreicht. Die Besoldung der
Elementarschullehrerinnen steigert sich in sieben Klassen von 300
bis 1000 Piaster (also 60 — 200 Mark), die der Lehrerinnen an
Elementarlehrerinnenseminaren von 500 Piaster Anfangsgehalt auf
1000 Piaster Höchstgehalt in fünf KUassen (100 — 200 Mark). Den
Hilfsleiterinnen an den genannten Seminaren wird ein Anfangs-
gehalt von 750, ein Höchstgehalt von 1100 Piastern in drei Gehalts-
klassen gewährt (also 150 — 220 Mark). Den Seminarleiterinnen
in drei Erlassen 1200—1400 Piaster (240—280 Mark). Allerdings
sind den Inspektoren des Seminar- und Unterrichtsbetriebes nicht
ausdrücklich gleichwertige Inspektorinnen zur Seite gestellt 1. Nur
die Oberaufsicht über die Kindergärten soU laut § gi der Aus-
führungsbestimmungen von Unterrichtsinspektorinnen, und wo diese
fehlen, von Lehrerinnen und Leiterinnen an Schulen und Seminaren
ausgeübt werden.
Auch an Privatschulen wird die Lehrbefähigung und der zur
Leitung erforderliche Bildungsnachweis durch eine mit dem 2. De-
zember 1915 rechtskräftige Instruktion über die Privatschulen an
bestimmte Bedingungen geknüpft 2. Nach § 7 der Ausführungs-
^ Halide Hanum als Schulinspektorin Syriens bildet eine Ausnahme.
2 Diese Bedingungen werden im türkischen Reichsanzeiger (Taqwim-i-Wekaji) vom 26. Sep-
tember 1915 veröffentlicht Vgl. auch: Instruktion über die Privatschulen, W. I. IV, S. 225.
104 The Welt des hlanif. B,in>J H. 191 ^S, lieft 3J4
tieooeocoooooooaooaoooooocx»ooocoooooooooooocooooo(»ooooooeoooeoooooocxxxx)ooooooooooooooocxxxxxxiaeooeo
bestimmungen sollen alle Privatschulen, zu denen auch alle zum
Studium bestimmter Wissenszweige, Sprachen oder Gewerbe er-
öffnete Lehrkurse gehören, einen Leiter bzw. eine Leiterin besitzen,
die bei der nötigen Qualifikation auch einen Befähigungsnachweis
hinterbracht hat. Die Befugniserteilung zur Eröffnung privater
Lehrerinnenseminare hängt laut § i 7 von dem Vorhandensein eines
Lehrkörpers ab, welcher die Hauptfächer: osmanische Sprache und
Literatur, Geschichte und Erdkunde, Mathematik und die Grundzüge
der Wissenschaft {uiehai füuun) zu lehren vermag. Und zwar ist
es erforderlich, daß auch die Lehrerinnen dieses Lehrkörpers
Hochschulbildung nachzuweisen imstande sind.
Als Befähigungsnachweis für die Leiterinnen, Lehrerinnen und
Hilfslehrerinnen privater Elementarschulen ist der Besuch von
Mittelschul- bzw. Elementarschullehrerinnenseminaren notwendig
(§ 25) oder auch ein entsprechender anderer Bildungsnachweis.
Leiterinnen, Lehrerinnen und Hilfslehrerinnen an Elementar- und
Mittelschulseminaren müssen den Besuch von Oberlehrerinnen-
seminaren, Universitätsabteilungen oder anderen Hochschulen nach-
weisen können. Auch Lehrerinnen an Handels-, Landwirtschafts-
und Industrieschulen müssen den Nachweis ihrer fachlichen Vor-
bildung erbringen (§ 27).
Die Großzügigkeit in der Erfassung des Frauenbüdungsproblems,
wie sie sich in den vielen Neuschöpfungen, welche bei der Knapp-
heit der türkischen Mittel erstaunen müssen, und diesem Gesetz-
entwurfe des Unterrichtsministeriums kundtut, wirft einen erfreu-
lichen Blick auf die Entwicklungsmöglichkeit der Frauenfrage über-
haupt. Zwar darf man sich auf den ersten Blick nicht durch die
ungeheure Vielheit, welche in häufigen Beschlüssen und Bestim-
mungen zugunsten des Mädchenschul- und Lehrwesens zutage tritt,
beirren lassen und an einen plötzlichen Bildungsumschwung im
türkischen Frauenleben glauben. Dazu scheint das ganze System
des Erreichten und Beabsichtigten noch viel zu lückenhaft, das
Elementarschulwesen noch viel zu wenig vom modernen Schul-
zwange durchdrungen, die Voraussetzungen für den Befähigungs-
nachweis zum Lehrerinnenberufe noch zu wenig europäischen Be-
griffen angepaßt. Auch darf man sich nicht verhehlen, daß die
Mittellosigkeit des türkischen Staates, an der ein langer Erschöpfungs-
krieg zehrt, ein großes Hindernis auf dem Wege zum Erfolge dar-
stellt, daß sich aber auch der Staat erst allmählich von der Bevor-
mundung durch fremde Nationen, welche das türkische Schulwesen
J^orenz, Die Frauenfrage im Osinanischen Reiche. 105
rücksichtslos in ihre Schablone preßten, erholen muß, ehe er zur
vollen Verwirklichung seiner eigenen Reformideen schreiten kann.
Ausschlaggebend für den weiteren Ausbau des Frauenbildungs-
problemes scheint mir die Tatsache, daß sich alle Pädagogen in
dem Reformsystem einig zu sein scheinen, daß sie die Umgestal-
tung bei der untersten Stufe einsetzen lassen und erst allmählich
auf die höhere Geistesbildung erstrecken.
Besonderer Wert wird ja auch von pädagogischer Seite auf den
Schutz der jüngsten Kinder gelegt, dem durch Eröffnung einer
großen Reihe von Kindergärten Rechnung getragen wird. Dieser
soziale Fortschritt eröffnet jungen Mädchen und Frauen einen neuen
g'angbaren Erwerbszweig, den der Kindergärtnerin. Auch § 3 des
Gesetzes bestimmt die Eröffnung von Kindergärten und Kleinkinder-
schulen, ein Erlaß, dem diirch zahlreiche Eröffnungen solcher An-
stalten an allen Orten der Provinz sehr bald nachgekommen wurde.
So wurde im Dezember 1915 in Brussa neben der Eröffnung von
acht Kindergärten und fünf Mädchenschulen die Errichtung einer
Schule für Kindergärtnerinnen gemeldet. Zweifellos wird die Ent-
wicklung dieser Fachschulen mit der Zunahme des Kinderschutzes
einen sehr günstigen Fortgang nehmen.
Abschließend läßt sich aus der Praxis der Frauenbildungsreform
im Hinblick auf ihren bisherigen Entwicklungsgang folgern, daß
ihre Ergebnisse heute mit scharfem Schnitt die heutige junge von
der älteren Generation trennen. Dort walten die Mütter, zum Teil
noch des Lesens und besonders des Schreibens unkundig, in be-
scheidener Zurückgezogenheit still ihres Amtes. Hier sucht die
Schulbüdung und die Erfahrung der Töchter sich den praktischen
Bedürfnissen der modernen Wirtschaft anzugleichen. Tagtäglich
legen Mitteüungen der türkischen Presse das beste Zeugnis für die
Mitwirkung der modernen weiblichen Jugend auf allen Gebieten
im öffentlichen Leben ab, welche ihr zuvor ihre Weltfremdheit
verschlossen hatte. Mehr und mehr läßt die türkische Frau den
Mantel ihrer vpllen Zurückgezogenheit fallen, um bald, wenn erst
die reformierte Schul- und Lebenspraxis sie mit den nötigen Er-
fahrungen ausgestattet und ihr die Sicherheit im öffentlichen Auf-
treten gegeben hat, auch den äußeren Schleier vor einer Männer-
welt fallen zu lassen, welche in ihr nicht mehr das willkürlich zu
veräußernde Sachgfut, sondern die gleich zu achtende Gefährtin er-
blickt. Denn es steht außer Zweifel, daß die Wertschätzung der
Frauenbildung sich auch unbedingt auf ihre Bedeutung im Rahmen
io6 Die Weh des hlams, Band 6. 1918, lieft Sji
M^eoeeooooooooeoo«ooooooooooeoeooooooooooooeoooooooooooooocxxxx)ooooooooooooaoooooooooooooocooooMxx}i^
der Familie und damit der Bevölkerungsbeweg'ung, sowie auf ihre
erwerbswirtschaftliche Leistungsfähigkeit ausdehnen wird.
Damit kommen wir zur Behandlung der Frauenfrage im Bereiche
der volkswirtschaftlichen Entwicklung bis in die Jetztzeit.
IL Die gegenwärtige Lage der Frau in der
Volkswirtschaft.
I. Die Bedeutung der Frau im Rahmen der Bevölkerung-s-
bewegung.
a) Familienorganisation und Wirtschaft, vorherrschende Eheform.
Heute, wo die Modernisierung des türkischen Mädchenschulwesens
schon einen Ersatz für die pädagogische Unerfahrenheit mancher
Mutter schafft, wo in Fortbildungsschulen die spezielle Heranbildung
tüchtiger Hausfrauen erfolgt, beginnt auch das wirtschaftliche und
erzieherische Schwergewicht in der Familie sich mehr auf Seiten
der Frau zu neigen.
Die Organisation der Familie beruht auch heute noch zum Teil,
besonders bei den bäuerlichen Elementen des Volkes, auf dem
Autoritäts- und Subordinationsgedanken der Jugend vor dem Alter,
sowie der Frauen vor den Männern. An der Spitze der patriarcha-
lischen Familiengemeinschaft residiert der Pater familias als an-
erkanntes Oberhaupt mit erzieherischen Funktionen über seine
Söhne und deren Frauen und Kinder, welche alle ein gemeinsames
Haus vereinigt. Hier spricht der Vater das Machtwort über die
Heiratsangelegenheiten seiner erwachsenen Kinder, Söhne wie
Töchter. Im Hause des Vaters wird dem heiratsfähigen jungen
Manne die von den Eltern oder deren Verwandten erwählte Braut
zugeführt. Besonders streng ist der Familienzusammenschlufl bei
den armenischen Bauern zu beobachten. Hier findet eine wirt-
schaftliche Spaltung der Famüie erst dann statt, wenn sich drei
volle Generationen um einen Herd geschart haben, sobald also die
mit dem Anwachsen der Familie zunehmenden verfügbaren Arbeits-
kräfte, besonders der von der reinen Landarbeit zum Teil fern-
gehaltenen Frauen, die Menge der gewonnenen Rohstoffe und das
Fehlen bequemer Absatzmöglichkeiten eine Eigenproduktion im
engeren Familienrahmen als zweckmäßig erscheinen lassen. Auch
die Beduinen schließen sich in Syrien zu Gruppen von lo — 50 Zelten,
also ebenso vielen Familien zusammen. In dieser Anordnung ziehen
Lorenz, Die Ft-anen frage int Osmanischeji Reiehc. 107
sie mit ihren Herden in das Herz Syriens, wo sie zum Kummer
der seßhaften Bevölkerung, der Fellachen, die Stoppel- und Saat-
felder abweiden.
Sicherlich hat diese Form der Familienvereine bei aller Alter-
tümlichkeit und Gezwungenheit auch ihre Lichtseiten im ethischen
und erzieherischen Sinne. Sie hat die Hochachtung vor den Eltern,
Sittlichkeit und Religiosität als Familienheiligtümer erhalten. Anderer-
seits hat sie aber auch an der streng religiös gesetzlichen Vor-
rangstellung des Mannes vor der Frau, an seiner Disziplinarg"ewalt
als Ehemann festgehalten und die Famüienwirtschaft auf einer
primitiven Stufe gefesselt. Ihr Hauptvorzug liegt aber m. E. in der
Stärkung und Erhaltung des Familiensinnes, der bei dem Charakter
der Ehe als reinem Zivilkontrakt und der leichten Scheidungsmög-
lichkeit ungeheuer wichtig war; dies besonders in einem Lande, wo
die Vererbung des Familiennamens nicht wie bei uns Zeugnis von
dem Alter und der Verzweigung einer Familie ablegt. Hier mußte
ja mit dem Übergange der jungen Famüie zur Eigenwirtschaft, mit
ihrer Loslösung aus dem großen Famüienverbande das Gefühl der
Zusammengehörigkeit schon der nächsten Generation verloren gehen.
Eine Lockerung des Eheverbandes, welche noch durch die fehlende
Interessengemeinschaft der Eheleute und das Verstoßungsrecht des
Mannes verschlimmert wurde, mußte die unausbleibliche Folge sein
und auf die Stellung der Frau im Rahmen dieser kleineren Familien-
organisation eher verschlechternd als verbessernd wirken.
Es ist wohl nicht zu leugnen, daß der polygamische Charakter
der Ehe und damit die Spezialisierung der Haushaltungen für die
einzelnen Frauen das Gefühl der Zusammengehörigkeit unterminieren
mußte. Diese Schädigung war mit dem Übergange zur Monogamie
nicht aus der Welt zu schaffen, da ja gerade diese Entwicklung
zur Einehe weniger durch Veredelung der Moralbegriffe als durch
wirtschaftliche Motive bedingt wurde. Wenn nun zwar die Poly-
gamie, welche vor einem halben Jahrhundert noch in der ganzen
Türkei als vorherrschende Eheform getrieben wurde, heute fast
ganz im Schwinden begriffen ist, so lassen sich doch ihre Jahr-
hunderte alten Spuren nicht sogleich mit der Modernisierung der
osmanischen Wirtschaft hinwegwischen. Gerade dieser äußerlich
bedingte Übergang von einem alteingewurzelten Ehesystem zu
abendländischer Lebensform mag bei vielen jungen Leuten eine
gewisse Interesselosigkeit an der Schließung der Ehe überhaupt
gezeitigt haben. Damit soll naturgemäß nicht etwa der Rückkehr
io8 I>ie. Welt des Islamx, Bande». ÜUH, Heft 314
«X«je0C000OO0O8O0aCO000O000000CX)0000000OO000000O0000OCXXXXXXXX»0O0OO0O00OOO0O0OO(XXXXXXX)OOC^^
zur Vielweiberei das Wort geredet werden. Schon die Natur, welche
das männliche und weibliche Geschlecht im gleichen Zalilenverhält-
nis über die ganze Erde verteilt, muß die Monogamie als vor-
herrschende Eheform verlangen. Zwar rühmt Schopenhauer die
Mormonen, „die unnatürliche Fessel der Monogamie verworfen zu
haben"; und Nietzsche kennzeichnet „die islamische Haremswirt-
schaft als die ungeheure Vernunft Asiens". Auch E. Hartmann ^
versucht das Vorhandensein der Polygamie mit dem Argumente
zu verteidigen, daß die männliche Naturanlage polygamisch, die
weibliche dagegen monogamisch gerichtet sei. So sei an allen
Orten, wo der Mann ausschließlich herrsche, die Vielweiberei als
überwiegende Form zu finden; dort dagegen, wo höhere Bildung
eine Gleichberechtigung der Geschlechter herbeigeführt habe, sei
die Monogamie, äußerlich wenigstens, durchgedrungen, wenn sie
auch selbst hier nicht streng innegehalten werde. Aber alle diese-
Argumente, von wie bedeutender Seite sie auch kommen mögen,
können kaum von der Zweckmäßigkeit oder gar Notwendigkeit
dieser Einrichtung überzeugen.
So proklamieren heute auch die Jungtürken die Monogamie als
die einzige, ihrer modernen Weltanschauung würdige Ehegemein-
schaft und weisen die europäischen Phantasiegespinste über die
polygamische Zügellosigkeit mit Entrüstung zurück.
Wie steht es nun mit der heutigen Ehepraxis der Türken, in-
wieweit erscheinen die Vorstellungen des Abendlandes über das
türkische Haremsleben gerechtfertigt? Wir dürfen das Wort Harem,
welchem noch zu sehr der Nimbus schrankenloser Vielweiberei an-
haftet, nicht mit seinem eigentlichen Sinne verwechseln. Auch
heute noch bedeutet es, gemäß seinem wörtlichen Sinn „das Ver-
botene", den Teü des türkischen Hauses, welcher die Frau völlig vor
der Männerwelt abschloß, in den sich bei Todesstrafe kein fremder
Männerschritt wagen durfte. Dieser Teil des Hauses beherbergt
nun je nach der Ausdehnung der türkischen Famüienorganisation
eine große Anzahl weiblicher Familienmitglieder, mitunter auch nur
die Frau des Hausherrn allein.
Hören wir nun das Urteil einiger moderner Türken über die
heutige Vielweiberei: Mahmud Mukhtar Pascha, den wir schon durch
seine Darlegungen über Frau und Ehe kennen, sagt hierzu 2; „Von
* Eduard Hartmann, Die Philosophie des Unbewußten, S. 184.
2 a. a. O. S. 115.
Lorenz, Die Fraueiifrufic. im Osmanischen lieic/ie. 109
OCCKXKX)0O<XX)OO(XX)Q000000CXXXXXXX)O00O0OCIO0OO00O00O0C)0^
der gesetzlichen Vielweiberei wurde bis vor einem halben Jahr-
hundert noch reichlicher Gebrauch gemacht. Seitdem haben sich
die Verhältnisse gründüch geändert. Solange kaukasische Tscher-
kessen ihre Töchter nach der Türkei brachten und verkauften, so-
lange abessinische und sonstige Sklavinnen zu kaufen waren, konnte
die Vielweiberei bestehen. Veränderte soziale und poHtische Ver-
hältnisse, sowie Antisklavereibestrebungen haben im Verein mit
der Verbreitung der Frauenbildung die Vielweiberei faktisch so
gut wie aufgehoben." Als das Moment, welches beim Verschwinden
der Polygamie am meisten ins Gewicht fällt, erscheint mir aber
der durch den wirtschaftlichen Rückgang bedingte finanzielle Ruin
vieler Familien, der den heiratenden Söhnen eine möglichste Be-
schränkung in der Haltung der Frauen auferlegte; dazu erforderte
die jahrelange Kriegswirtschaft erst recht eine Vereinfachung der
Familienhaltung. Die meisten Türken sprechen auch den wahren
Grund ihrer eheherrlichen Beschränkung unumwunden aus. So sagt
Halil Hahd Be)': „In unseren Tagen ist die Erhaltung nur eines
einzigen Weibes schon eine so schwierige Sache, daß viele Männer
des Morgenlandes auf die Freuden des Ehelebens überhaupt ver-
zichten", eine Ansicht, die mir selbst von türkischer Seite hier
wiederholt bestätigt wurde. Interessante und wahrheitsgetreue Auf-
klärungen gibt uns ein türkischer General mit Namen Izzet Fuad
Pascha 1. Er g^ehört zu den wenigen Mohammedanern, welche sich
nicht scheuen, die Lage der Frau dem männlichen Egoismus auf
das Konto zu setzen. In bezug auf die eheliche Praxis sagt er:
„Nur die oberen Zehntausend können von der Erlaubnis des Korans
einen buchstäblichen Gebrauch machen". So führt er das Beispiel
seines Schwiegervaters und Vaters an, von denen der eine über
i-ier Frauen und 500 Konkubinen verfügte, während in dem Hause
des anderen, seines Vaters, 80 Frauen erhalten wurden. Sämtliche
Kinder dieser Frauen und Odalisken galten als legitim, sofern nicht
die Mutter eines anderen Sklavin war, z. B. also der rechtmäßigen
Frau des Paschas gehörte.
Das Verschwinden des Sklavenhandels nahm nun also auch nach
Izzets Ansicht der Polygamie mit ihrer schrankenlosen Konkubinen-
wirtschaft das eigentliche Rückgrat. Das ungeheure Bedienungs-
personal der Ehefrauen wie das Wäsche-, Tisch-, Toiletten-, Tanz-,
Besuch- und Musikpersonal, das sich in den großen Harems noch
1 Izzet Fuad Pascha, Das türkische Haremsleben und sein wirtschaftlicher Einfluß, Deutsche
Revue 19 14, S. 175.
HO Die Welt des Islams. Ihmd f,. IfUS, Jh'ft ;;'4
COC«0000(XXX>0O000a0000000000000(XXX>0000000000000000000000000000000<X00CXXXX)0(X3000(XXXXXXXX>X^^
aus 500 Sklavinnen zusammonsetzte, verschwand mehr und mehr
von der Bildftäche; dort aber, wo es sich ungeachtet der Anti-
sklavereibestrebungen zunächst behauptete, verschlang seine Unter-
haltung derartige Summen, daß eine vcUlige Verarmung des moham-
medanisch-türkischen Bevölkerungselementes herbeigeführt wurde.
Nun schwand zwar mit der Zahl der Sklaven das despotische wirt-
schaftliche Abhängigkeitsverhältnis Ungezählter und die ungeheuren
sozialen Unterschiede zwischen Herr und Diener. Aber die Ver-
armung des Türkentums zog eine andere, für den Bestand des
Reiches verhängnisvolle Entwicklung nach sich: den Griechen und
Armeniern, den am w'enigsten reichstreuen Elementen des türkischen
Staatskörpers, den geriebensten und gewandtesten Handelsleuten
des Morgenlandes, wurde die wirtschaftliche Hegemonie auf Kosten
der türkischen Elite des Landes äußerst leicht gemacht.
Wir dürfen mit Izzet Pascha sagen, daß die Polygamie ihrem
heutigen Wesen nach die Lebensverneinung der türkischen Familie
bedeutet. Sie ist in sich selbst eine Unmöglichkeit, da sie niciit
besitzt, was sie zu sein vorgibt: Familie im Sinne wirtschaftlicher,
ethischer, geistiger Interesseng^emeinschaft. Denn die zahlreichen
Frauen und Kinder, die den polygamischen Harem bevölkern, können
in ihrem lockeren Gefüge, in ihrem rein materiellen Abhängigkeits-
verhältnis zu ihrem Herrn und Gebieter nicht das Wesen der
Familie ausmachen. Hier stehen sich absolute Gebieterstellung und
völlige Entrechtung als zwei unüberbrückbare Pole gegenüber und
haben die Gesundheit der modernen Einehe erschüttert; Izzet Pascha
charakterisiert das Wesen der Frau im Rahmen der Vielweiberei
mit dem offenen Worte: „Die türkische Frau trägt einen Todes-
keim in sich, den Marasmus der Gefangenschaft."
Von türkischer Seite werden nun natürlich die vereinzelten Licht-
seiten der Polygamie mit besonderem Pathos hervorgehoben. Gewiß
ist zuzugeben, daß die Polygamie die schwierigen sozialen Probleme
des Abendlandes, wie die Versorgung unehelicher Kinder und die
Kinrichtung der Prostitution nicht kennt, ja ihrem Wesen nach nicht
kennen kann; es fragt sich nur, ob die Errungenschaft einer höheren
Gesittung mit einer, wenn auch nicht unfehlbaren Gesellschafts-
ordnung den Tausch mit abendländischer Eheform nicht wünschens-
wert macht. Auch die unbedingte Sicherung der Volksvermehrung
im polygamischen System steht bei dem mangelnden Interesse an
einer zahlreichen Nachkommenschaft und dem Fehlen eines echten
l^'amilienzusammenhanges durchaus nicht außer Frage.
Igoren:. Du' Fnuieiifi-age im Osmanischen Reiche. 11 1
IXX5000<XXXX>>>3«OOOOC>OOCOOOOOOOOOOOOCXXXX!OOOOOOCXXXXX)0<XXXX)OOOC)CKX>DOO(^^
Im allgemeinen gehen die Ansichten über die heutige Aus-
dehnung der Vielweiberei selbst bei Türken und gut unterrichteten
Orientkennern sehr auseinander, da eine statistische Erfassung der
Eheschließungen bisher nicht stattgefunden hat. Während Pautz^
die Meinung vertritt, daß von der legalen Erlaubnis nur äußerst
selten, nämhch in tausend Fällen ungefähr einmal Gebrauch ge-
macht wird, hat Auerbach, der als deutscher Arzt in Haifa Gelegen-
heit hatte, das arabische FamUienleben näher kennen zu lernen,
die Polygamie daselbst vier Mal beobachtet (Haifa ist eine Stadt
von 7250 Einwohnern). Im allgemeinen kann man sich wohl der
Ansicht türkischer Staatsang'ehöriger anschließen, welche hier in
Wort und Schrift verkünden, daß etwa 95 Prozent der Verheirateten
in monogamischer Ehe leben, während die übrig'en höchstens zwei,
sehr wenige nur mehr Frauen ihr eig'en nennen. Ich nenne hier
z. B. Dr. med. Husei'n Himmet Bej aus Konstantinopel, welcher
1916 im Bayrischen Hof in München einen Vortrag über die
türkische Frau hielt 2. Auch er hält die Monogamie in 95 Prozent
der Fälle für die vorherrschende Erscheinungsform.
Von den verschiedenen Völkern der Türkei treiben hauptsächlich
noch heute vereinzelte Nomadenstämme, wie Beduinen und Kurden,
besonders deren Häuptlinge, zum Teil noch uneingeschränkte Viel-
weiberei, während in den Städten nur vereinzelte FäUe vorkommen.
Diese Tatsache läßt sich noch an verschiedenen Zahlenbeispielen
im folgenden verdeutlichen.
b) Das zahlenmäßige Verhältnis der männlichen zur \\'^eiblichen
Bevölkerung. Nachwuchs.
Um nun der Ausdehnung der Polygamie und Monogamie etwas
genauer auf den Grund zu gehen, brauchen wir uns nur das zahlen-
mäßige Verhältnis der männlichen und weiblichen Bevölkerung vor
Augen zu halten. Da ja eine Ehelosigkeit der Frauen fast gänzlich
ausschaltet, so lassen sich in den Gegenden, wo ein erheblicher
Frauenüberschuß festzustellen war, auch Rückschlüsse auf die Praxis
der Polygamie ziehen.
Bei der Ungenauigkeit, ja dem völligen Versagen der türkischen
Volkszählung, welche fast nur den männlichen TeU der Bevölkerung
erfaßt, ist es natürlich schwierig, sich ein genaues Bild von dem
1 Pautz, Mohammeds Lehre von der Offenbarung, Leipzig 1898.
* Dieser Vortrag wird in der Münchener Tageszeitung vom 11. Dezember 1916 be-
i5prochen.
112 !>'ie Welt lies I4a,ii.% Band (k 1918, Heft :j'4
ix j «oeoceoocx3oo o oe*oooc)ooooooooooooocxxxxxxxxaooooooooocxxxxxxxxxxxoocoooooooooooc^^
gegenwärtigen Stande der türkischen Bevölkerungsbewegung zu
machen und das richtige Kompromiß zwischen den nicht unerheb-
lichen Abweichungen des ungenauen Zahlenmaterials zu schließen.
Selbst die an sich genauen Angaben des französischen Forschers
Cuinet zeigen in der F'eststellung des weiblichen Elementes in der
Bevölkerung große Lücken. Auch die syrischen Forschungen
Ruppins scheiterten teüweise daran, daß die Bewohner der Harems
der Kontrolle gänzlich entzogen waren, da auch den von Geistlichen
geführten Registern nicht allzusehr zu trauen war. Wie schon
im grauen Altertum rechnet man auch wohl heute noch die seß-
hafte Bevölkerung nach Familien, die nomadisierende dagegen
nach Zelten und gewinnt auf diese Weise durch Addition der
erfahrungsgemäß gewonnenen Durchschnittszahlen für eine Familie
die höchst ung'enaue Gesamtziffer.
Wir wollen nun zunächst dort, wo es möglich ist, uns das zahlen-
mäßige Verhältnis der weiblichen zur männlichen Bevölkerung
vor Augen führen. Nach Cuinets Berechnungen, welche allerdings
nur für einzelne Wilajets die Geschlechter getrennt aufführen i,
zeigen die meisten Provinzen ein starkes Überwiegen der weiblichen
Bevölkerung; bei anderen hingegen macht sich daneben auch ein
Überschuß an männlicher Bevölkerung geltend. So setzt sich eine
der armenischen Stammprovinzen, Erzerum, seiner Bewohnerzahl
nach, aus 344000 Männern und 300780 Frauen zusammen;, im
gleichfalls armenischen Bitlis dagegen entfallen auf die Gesamt-
bevölkerung v^on 398625 Einwohnern 19Q726 Frauen neben 198939
Männern. In der innerkleinasiatischen türkischen Provinz Angora
kommen auf 469 148 Männer 423 753 Frauen. In der Kurdenprovinz
Mamuret ul-Aziz (also dem typischen Nomadenlande), zeigt die
Differenzierung der Bevölkerung nach Rehgion und Rasse in allen
ihren Einzelheiten ein starkes Überwiegen der weiblichen Bevölkerung.
Hier zählt das mohammedanisch-osmanische, also hauptsächlich
türkische Rassenelement auf 126916 Männer allein 140 500 Frauen,
wonach auf 100 Männer allein 110,7 Frauen kämen; demnach einen
Prauenüberschuß von 5 Prozent, ein Beweis also für die Hinneigung
der Nomaden zur Polygamie. Auch bei den Kurden, welche hier
mit 28750 Frauen gegen 26200 Männer vertreten sind, würden
auf einen Mann 1,1 Frauen kommen. Die Kisil Basch fallen nur
mit einem geringen Überschuß (91 500 Frauen gegen 91 080 Männer)
1 .So fehlt z. B. die Spezialisierung in den Provinzen Trapezunt, Siwas, Konia und Adana
gänzlich. I
Loren:, Die Fruuenfrdqe im Usnuviisrhen Ä'eiche. II3
eoooeecoooooooeoeooooooooooooocxx»ooooooooooooooooeoooooooocxxxxxxxxxx)cx>X)(xxxxx)ocx)ooocxxxxxx3ooa0ooo^
ins Gewicht. Stärker tritt dieses Verhältnis wiederum bei den
Armeniern zutage 1, bei denen der männhche Bestandteil der Be-
völkerung nur mit 93 Männern gegen je 100 Frauen an der Gesamt-
bevölkerung beteiligt ist, also ein Frauenüberschuß von 3,8 Prozent
zu verzeichnen ist. Hinzu kommt noch ein geringer Prozentsatz
Griechen, welche mit 350 Frauen gegenüber 300 Männern ver-
treten sind. Es zeigt sich also hier deutüch bei sämtHchen Rassen,
besonders aber bei den mohammedanisch-türkischen, armenischen
und kurdischen Elementen ein auffallendes Überwiegen der weib-
lichen Bevölkerung, Als ausschlaggebender Faktor in diesem
Mißverhältnis kommt allerdings die oft jahrelange Abwesenheit
vieler Männer von der Heimat aus Erwerbs- und militärischen
Gründen hinzu. Es ist wohl nicht zu hoch gegriffen, wenn man
mit Cuinet auch heute noch den weiblichen Überschuß der mo-
hammedanischen Bevölkerung Kleinasiens auf 17 Prozent veran-
schlagt, ja vielleicht darf man heute trotz monogamischer Ehe und
Antisklavereibestrebungen in Anbetracht der enormen jahrelangen
Kriegsverluste diesen Satz noch beträchtlich höher schrauben. Im
armenischen, also christlichen Sandschak Harput beträgt der Über-
schuß ebenfalls 17 Prozent, im teils türkischen, teils armenischen
Malatia 13 Prozent,' in Dersim 7 Prozent. Ganz anders tritt daher
dieses Zahlenverhältnis bei den rein christlichen Bestandteilen des
Volkes, die weder der Polygamie huldigen noch zum Heeresdienste
eingezogen werden, es sei denn höchstens im Spezialberufe des
Arztes oder Apothekers, hervor. Hier ist ein weiblicher Überschuß
von höchstens 5 Prozent zu verzeichnen.
Auffallend tritt ein türkisches Wilajet hervor, an welchem sich
die angeführte Zahlentatsache nicht bewahrheitet: die anatoHsche
Provinz Kastamuni. Hier zeigt sich gerade bei den Mohammedanern
ein starkes Überwiegen der männlichen Bevölkerung; es besteht
nämlich ein männlicher Überschuß von über 3 Prozent 2. Bei den
Griechen tritt derselbe Überschuß in die Erscheinung; bei den
Armeniern stehen 1137 Frauen 1510 Männern, bei den Kopten
1 Nach religiösen Gesichtspunkten setzen sich die Armenier folgendermaßen zusammen:
Gregorianische Armenier . . . 29792 Männer und 32 191 Frauen,
Katholische ,, ... 800 „ „ 875 ,,
Protestantische „ ... 2950 „ „ 31 10 ,,
insgesamt also: 33542 Männer und 36176 Frauen.
2 Hier kommen auf 480213 Frauen 511 767 Männer; bei den Griechen auf 10156 Frauen
II 351 Männer.
114 "''' ^^^'fl '/'-^ />/'///'•>•. lh,n,l (;. IUI 8, Jhft 314
«rooeooocnoooo«eeeoooooooooooaooooooooooooooooooooeooooooooooo(X)oooooooooooooooo(X)ocx>cxxxx«x3ooee^^
993 Frauen io86 Männern gegenüber. Danach zeigt die Gesamt-
zahl der weiblichen Bevölkerung Kastamunis von 493 199 sich der
männlichen von 525713 weit unterlegen, so daß also ein Männer-
überschuß von 3 Prozent hervortritt. Ahnliche Abweichungen von
der Regel zeigen sich in der Zusammensetzung der konstantino-
politanischen Bevölkerung. Wir müssen uns mit Cuinet auf den
asiatischen Teil der Stadt, welcher die Kreise 8 — 10 umfaßt, be-
schränken. So überu'iegt im achten Kreise (Canhdja mit Um-
gebung) der mohammedanische männhche Teil der Bevölkerung
mit 3 Prozent; dasselbe gilt auch für Griechen, Armenier, Bulgaren,
Tscherkessen, Juden und Fremde. Die Gesamteinwohnerzahl des
achten Kreises weist einen männlichen Überschuß von 9 Prozent
auf. Im neunten Kreise (Skutari mit Umgebung) beträgt der Über-
schuß 10 Prozent; im zehnten Kreise (Kadiköj) dominieren die
Männer mit 8198 Personen bei einer Gesamteinwohnerzahl von 82400,
also mit 9 Prozent. Danach beträgt also im asiatischen Teile von
Konstantinopel bei einer Einwohnerzahl von 163084 der Überschuß
des männüchen über den weiblichen Bevölkerungsstand 18946
Personen, also 1 1 Prozent.
Auch diese Tatsache des männlichen Überwiegens in der Be-
völkerung der handeis- und gewerbeeifrigsten Gegenden, zu denen
besonders Konstantinopel zählt, gibt noch eine weitere Erklärung
für das starke Vorherrschen des weiblichen Elementes im zentralen
und östlichen Kleinasien ab. Wenn Gegenden, wie z. B. auch das
südliche Kappadozien 1, Dörfer aufweisen, in welchen das männliche
Element fast ganz vom Erdboden verschwunden zu sein scheint,
so hat das seinen Grund in der geringen gewerbüchen Entwicklung
jener Provinzen, die den Mann oft zur Auswanderung in gewerblich
höher entwickelte Städte treibt, aus denen er oft erst nach jahre-
langer Abwesenheit wohl begütert zu seiner Familie zurückkehrt.
Ich glaube nicht allzu fehl zu gehen, wenn ich nach dem Gesagten
annehme, daß die Handel- und Gewerbetreibenden und hauptsächlich
von orthodoxen Griechen bewohnten Küstenstriche Nord-, West-
und Südanatoüens sich namentlich in den größeren Handelsstädten
durch ein Überwiegen des männlichen Bevölkerungsbestandteiles
auszeichnen, da naturgemäß das bisher starke Überangebot männ-
licher Arbeitskraft nach den .Haupterwerbszentren des Landes
drängte; darin findet also das außerordentliche Übergewicht des
1 Hierzu E. Banse, Die Türkei.
J^oreyiz, Die Frmienfrage im Osmanischen Reiche. 115
bäuerlichen türkischen, kurdischen, armenischen und griechischen
weiblichen Elementes in InneranatoHen einen Ausgleich. Immerhin
darf man aber wohl den Frauenüberschuß Kleinasiens auf 8 bis
10 Prozent veranschlagen.
Die bevölkerungspolitischen Zustände Syriens zeigen das um-
gekehrte Verhältnis der kleinasiatischen Gebietsteile, nämlich, im
ganzen genommen, einen männlichen Überschuß von 2 Prozent.
Die Angaben Ruppins sind natürlich auch, wie alle Zahlenangaben
aus der Türkei, mit einer gewissen Vorsicht hinzunehmen. Wenn
auch auf Grund des Personenstandsgesetzes vom 10. Juni 1902 für
sämtliche Osmanen die Pflicht bestand, sich in die amtlichen
Personenstandsregister eintragen zu lassen, so kam doch nur ein
geringer Teil der Bevölkerung dieser Bestimmung nach, während
sich ein erhebücher Teil seiner Verpflichtung entzog. Diese Tat-
sache sowie der Umstand, daß bis vor kurzem das nicht osmanische
Element der Bevölkerung dem Gesetze überhaupt nicht unterworfen
war, macht die Lückenhaftigkeit der folgenden Angaben einiger-
maßen begreiflich.
So weist das Wilajet Aleppoi allein 212463 Personen auf, welche
sich nicht nach Geschlechtern registrieren lassen, und darüber
hinaus gewiß noch eine große Anzahl überhaupt nicht in die Listen
aufgenommener Personen. Die Gesamtzahl der nach Geschlechtern
registrierten Personen des Wüajets beträgt 656944; der Überschuß
an Männern beträgt also 15 834 Personen, das sind 2,4 Prozent bei
der Gesamtbevölkerung. Auf 100 Männer kommen demnach nur
95 Frauen.
Umgekehrt verhält sich die Verteilung der Geschlechter im
Wilajet Damaskus, dessen Mutesarrifliks bis auf Kerak ein starkes
weibliches Übergewicht zeigen 2. Hier tritt bei einer Gesamt-
Männlich Weiblich Insgesamt
registriert
Mutesarriflik Aleppo . . . 266880 257917 18503; 709832
„ Aintab . ■ . 69 509 62 638 27428 I59 570
Wilajet Aleppo 336389 320555 212463 869402
2 Ruppin a. a. O. S. 8.
Mutesarriflik Damaskus
„ Hama . .
„ Kerak . .
„ Hauran
Wilajet Damaskus . . .
Die Welt des Islams, Band 6.
Männlich Weiblich Summe
224321 236091 460412
103469 107535 211 004
37769 32519 70288
90477 92629 183 106
456036 468774 924810
iin Die Welt des Mrnns, Ii<ni<l H. 1U18, Heft 3j4
Doooeoooooooooaoe>oooooocxxx)oooooooooocxxxxxxxxxxx»oooocxxxx)oooooooooooooooooooooo^^
bevölkerung von 924805 Personen ein Frauenüberschuß von 12 738,
also von 1,3 Prozent in die Erscheinung, so daß also auf 100 Frauen
97 Männer kämen.
In Beirut endlich linden wir in den drei Regierungsbezirken
Beirut, Tripolis und Lattakie ein Überg'evvicht der weiblichen Be-
völkerung von 1,1; 0,9 und 2,3 Prozent; in den drei folgenden Akka,
Nablus, Libanon dagegen ein Übergewicht der männlichen Ein-
wohnerschaft, während Jerusalem nicht nach Geschlechtern speziali-
siert ist^. Hier bilden also die Frauen nur 94 Prozent der männlichen
Bevölkerung. Danach ergibt sich bei der Gesamtbevölkerung ein
Übergewicht der männlichen Bevölkerung- von 3 Prozent.
Für Gesamtsyrien ergibt sich hiernach folgendes Büd: Die Ge-
samtsumme der zu ermittelnden Frauen der drei Wilajets beträgt:
1386178, die der Männer 1426633; der Männerüberschuß also
58455 Personen; die gesamte Bevölkerung läßt sich annähernd auf
3423631 Menschen berechnen, bei denen aber die 212463 nicht
registrierten Personen des Wilajets v^eppo sowie die 398362 nicht
nach Geschlechtern aufgeführten Einwohner des Regierungsbezirkes
Jerusalem mitgerechnet wurden. Sonach würde auf eine Gesamt-
zahl ermittelter männlicher und weiblicher Einwohner von 2812811
Personen ein männlicher Überschuß von 2 Prozent entfallen; so daß
also der Bestandteil der weiblichen Bevölkerung mit nur 97 Frauen
auf je 100 Männer in die Erscheinung tritt 2.
Mutcsarrirtik Beirut .
„ Tripolis
„ Lattakie
„ Akka .
„ Nablus .
,, Libanon
Vlännlich
Weiblich
104944
107 345
86 596
87869
71 ii8
74502
68936
68228
77034
76715
225 580
182 170
Summe
2 1 2 309
174465
145 620
137 164
153749
407 750
„ Jerusalem . . . 398362 398362
Wilajet Beirut 634208 596849 i 629419
398 362
Diesem Männerüberschuü Syriens entspricht nun allerdings nicht die Tatsache, dafi auf
Grund von Forschungsergebnissen in Syrien und Mesopotamien auf 100 Knaben- ein
Überschuß von 2 — 3 Mädchengeburten gerechnet wird. Diese Erscheinung, die von
dem Entwicklungsprinzip anderer Länder vollkommen abweicht, tritt wie Schmoller —
Grundriß, S. 164 — ausführt, besonders bei d c n Völkern zutage, wo Rasseverschieden-
heit der Eltern und exogame Paarung vorherrschen. Hiermit könnte man die Polygamie
in Syrien-Mesopotamien als eine naturgewollte Einrichtung ableiten, wenn nicht die oben
angeführte Tatsache des männlichen Überschusses dagegen spräche. Die einzige Er-
klärung für diese Differenz liegt m. E. in der außergewöhnlich hohen Sterblichkeit der
jungrerheirateten Frauen.
Lorenz, Die Frauenfroge im Osmanischen Reiche. 117
t<x9c«ooocio(xx)oeoeooeooooooooooooc)ooooocx)oooo(xxxxxxx)oocxxxx)oo^^
Während also das osmanisch-türkische Kernland Kleinasien ein
besonders starkes Überwiegen des weiblichen Elementes gerade
bei seinem Hauptbestandteile aufweist, tritt in Syrien, dem Lande
der zum Teil nomadisierenden Araber ein kleiner Überschuß der
männlichen Bevölkerung hervor. Aus dieser Tatsache kann man
also den Rückschluß ziehen, daß die Vielweiberei in Syrien kaum
eine nennenswerte RoUe spielt. Das immerhin erstaunliche Über-
gewicht der männlichen Bevölkerung läßt sich wohl damit erklären,
daß gerade die umherziehenden Beduinen sich der Zählung fast
völlig entziehen. Andererseits ist Syrien der Tummelplatz vieler
fremder Volkselemente, Christen und Juden, weichein den verhältnis-
mäßig hoch entwickelten Städten ihrem Gewerbe nachgehen und
natürlich in erster Linie durch die Zählung erfaßt werden können.
Wenn wir nun auch annehmen müssen, daß heute infolge der
großen Verluste des Kj-ieges wiederum ein stärkeres Überwiegen
der weiblichen Bevölkerung hervortreten wird, so gestatten doch
allein schon die finanzielle Erschöpfung des Volkes und die
Modernisierung des Wirtschaftslebens eine Rückkehr zur Polygamie
nicht. Außerdem hat es die Frau gerade unter dem Drucke der
letzten Jahre bereits verstanden, in irgend einem Erwerbszweige
Ersatz für den Mangel an materieller Versorgung zu suchen. Es ist
sogar anzunehmen, daß nach Beendigung dieses Erschöpfungskrieges
ein erheblicher Frauenüberschuß überhaupt ohne eheliche Ver-
sorgung bleiben wird.
Wenn nun zwar die aufgeführten Zahlenbeispiele ebenso wie
die Abschaffung des Sklavenhandels sich deutlich für die über-
wiegende Praxis der Monogamie aussprechen, so fehlt es doch,
wie Jäckhi sich ausdrückt, der türkischen Einehe an dem „volks-
wirtschaftlichen Mark". Es wird also der kommenden Generation
nicht die persönliche und volkswirtschaftliche Würdigung entgegen-
gebracht, eine Tatsache, welche für die Frage der Bevölkerungs-
vermehrung von einschneidender Bedeutung sein mußte.
Wenn wir zunächst von der unmittelbaren Wirkung dieses
Krieges absehen, so trägt doch bereits die bevölkerungspolitische
Entwicklung vor ihm einen ungesunden Keim in sich, den Izzet
Pascha als den „Marasmus der Gefangenschaft der Frau" kenn-
zeichnet. Das lose Gefüge der türkischen Ehe und die infolge des
wirtschaftlichen Rückganges so außerordentlich erschwerte Familien-
1 Jäckh a. a. O. S. 69.
S*
ii8 Die Weh des Islams, Band 6. 191^, lieft 3; 4
i>oooeeooc>oo(x>ooooooooooooooooooooooooooo(yx>oooooooo(xxxxxxxxx>oooooooooooooooocxxxxxxx30o^
gründung haben gerade bei dem osmanisch-türkischen Bestandteile
der Bevölkerung eine gewisse Erschlaffung gegenüber der starken
Vermehrungstendenz anderer lebenskräftiger Emporkömmlinge her-
aufbeschworen. Es scheint, als sei die moderne Wirtschaftsent-
wicklung etwas zu schnell und gewaltsam über die islamische
Welt hereingebrochen und habe die verborgene Pflanze des Harems
zu heftig in ihren Bannkreis gezogen. Vielleicht hat das aus dem
plötzlich erwachten Interesse Europas an der Erhaltung der Türkei
erwachsene Kulturbündnis auch die „Entschleierung" der Frau zu
stürmisch vollzogen. Sicherlich befindet sich die heutige türkische
Frau in einem Übergangsstadium zwischen Tradition und Neuzeit,
in einer Stagnation, aus welcher sie sich nach energischer Ab-
rechnung mit der Vergangenheit zum Bewußtsein ihres Persönlich-
keitswertes durchringen muß.
So befindet sich die Frage des türkischen Bevölkerungsnachwuchses
heute in einem sehr kritischen Entwicklungsabschnitt, dem der
Krieg mit seinen üblen Begleiterscheinungen erst recht seinen
Stempel aufgedrückt hat. Die türkische Ehe hat sich, wenn man
so sagen darf, französisiert und bei der Erleichterung des Scheidungs-
verfahrens hier wie dort ihren ursprünglichen Daseinszweck ein-
gebüßt. Abgesehen davon, daß man sich vor einem größeren
Kindersegen zu schützen sucht i, werden auch unzählige Kinder
im Säughngsalter durch das Außerachtlassen sanitärer Vorschriften
und infolge des heißen Klimas dahingerafft. Das Zusammenwirken
einer hohen Sterbe- und geringen Geburtenziffer haben nicht nur
den Geburtenüberschuß überhaupt in Frage gestellt, sondern zu
einem Stillstande, teilweise sogar Rückgange gerade des türkisch-
anatolischen Bevölkerungselementes geführt. Bisher lag der Schwer-
punkt der türkischen Volksvermehrung aber gerade auf dem, wenn
auch verarmten, so doch gesunden anatolischen Bauernstamme.
Seit aber das Schlachtfeld nun schon seit Jahren dieses kräftige
Element mit Waffen und Seuchen vernichtet, scheint eine Ver-
jüngung der mohammedanischen Bevölkerung vor der Hand erst
recht schwierig. Gerade der Rückgang des Bauernstandes mußte
aber um so schwerer ins Gewicht fallen, als das Fehlen menschlicher
Arbeitskraft bei der eigenartigen klimatischen und Bodenbeschaffen-
heit des Landes (Bodenversalzung, Wasserwirtschaft usw.) kaum
* Vgl. hierzu: Junge, Das Problem der Europäisierung der türkischen Wirtschaft, S. 147.
Fitzner, Anatolien, Wirtschaftsgeographie, S. ao.
Lorenz, Die I^raucnfrage im Osiuaimclwn Heiclie. 119
eOOOOO€)OOCOOOOC<X30000000CXX»OOOOOOOOOCOOCXXXX500000C^^
durch Maschinen zu ersetzen war und ein weiterer wirtschaftlicher
Rückgang die notwendige Begleiterscheinung sein mußte.
An einem Zahlenbeispiel läßt sich das Verhältnis zwischen Ge-
burten- und Sterbeziffer erläutern. Nach einer Notiz des Nationalisten-
organes Türk Jurdu vom 21. Juni 17 (Nr. 137) sind türkischerseits
für den Liwa Eskischehir folgende Tatsachen festgestellt worden :
Verteilung- des männlichen und weiblichen Elementes; Zahl der Ge-
burten und Todesfälle. Sämtliche drei Bezirke weisen einen Über-
schuß an männlicher Bevölkerung auf:
Männer Frauen Summe:
Eskischehir 47 735 43825 91560
Siwrihisar 18669 16449 35 118
Michalydschyk .... 17806 17102 34 908
Liwa Eskischehir. .. 84210 77 376 161586
Hier besteht also ein Männerüberschuß von 6834 oder 4 Prozent.
Die jährliche Zahl der Geburten wurde auf 4441, und zwar 2196
männliche und 2245 weibliche Kinder berechnet, wonach auf die
Gesamtbevölkerung 27,4 pro mille Geburten im Jahre entfallen: 13,4
pro miUe männliche, 14 weibliche. Dieser Geburtenziffer steht nun
aber eine jährüche Sterbeziffer von 5141, darunter 3819 Todesfälle
männlicher, 1322 weibHcher Personen, gegenüber, so daß die Sterbe-
ziffer allein mit 31,6 pro mille an der Gesamtzahl der Bevölkerung
beteiligt ist: 23,4 pro müle männliche und 8,2 pro mille weibliche
Todesfälle. Danach überwiegt zwar die weibliche Geburtenziffer
die Sterbeziffer bei weitem; es besteht also ein Überschuß an weib-
lichen Geburten von 5,8 pro mille; wohingegen die männliche Ge-
burtenzahl hinter der Sterbezahl um 10 pro mille zurücksteht,
so daß nicht nur — • zusammengefaßt — ein Stillstand in der Be-
völkerungsvermehrung, sondern sogar ein erheblicher Rückgang,
ein Überschuß der SterbefäUe von 4,2 pro mille, zu verzeichnen ist.
Wenn dieser Bevölkerungsrückgang z-^ar auch nicht so deutlich
wie an diesem Zahlenbeispiel in der gesamten Türkei hervortreten
mag, so wird doch gerade ärzthcherseits der Rückgang des osmanisch-
türkischen Volksbestandes in Kleinasien bestätigt. Ein geradezu
trostloses Bild von dem Stande der türkischen Bevölkerung Klein-
asiens entwirft ein deutscher Arzt, Professor Dr. v. Düring, welcher
seine Erfahrungen, die er während einer vierzehnjährigen Praxis
als Arzt in Konstantinopel und auf Reisen als Sanitätsinspektor
sammelte, in einer Abhandlung „Der Niedergang des Osmanischen
120 Die WeJt </^.s- hJaw^, Band 6". 19i^, fleft 3j4
O'~*"<*0<»O0O0OCX»09CX»0000000000CXXXXXX)0C«00CXXXXXXJ0O00O0C)0OOOO0C»DCX^^
Reiches" ^ niederlegte. Das Resultat seiner eingehenden Unter-
suchungen gipfelt in dem Satze: „Der Zustand der Volksgesundheit
dieser ganzen Gegend — am schlimmsten Teile Kastamunis am
Schwarzen Meere — und die Aussichten für die Zukunft besonders
der islamischen Bevölkerung sind erschütternd, kommen einer
Katastrophe gleich. Die Syphilis herrscht in diesen Gegenden, und
wie ich später feststellen konnte, fast im ganzen Osmanischen
Reiche." Erst vor kaum loo Jahren wurde diese verheerende
Krankheit von türkischen Truppen eingeschleppt und hat sich seit-
her mit katastrophaler Schnelhgkeit über Kleinasien, Syrien und
Arabien verbreitet. Der orientalische Fatalismus, welcher in allen
irdischen Plagen nur eine höhere Fügung erblickt, die er still und
wehrlos über sich ergehen lassen muß, kehrte sich wenig an die
nötigen Vorsichtsmaßregeln und ebnete damit dem Elend seinen
furchtbaren Weg. Da die Krankheit in der Mehrzahl der Fälle
durch zufällige Übertragung weiter um sich griff und gerade die
Schulkinder sich gegenseitig fortgesetzt infizierten, zeigten sich be-
sonders in den Dorfschulen die frischesten Infektionen und Ent-
stellungen. So stellte V. Düring häufig eine Behaftung von 70 bis
80 Prozent der schulbesuchenden Kinder fest.
Das Ausbleiben der Nachkommenschaft als die bedenklichste
Folge dieser Krankheitserscheinung hat in manchen Wilajets ihre
traurigen Spuren gezeichnet. Fast in allen Gegenden, welche durch
Kinderlosigkeit gekennzeichnet waren, wie: Ismid, Kastamuni,
Samsun, Trapezunt, Hüdavendighiar, besonders also in den nördlichen
und westlichen Küstenstrichen Kleinasiens, konnte die Syphilis als
einzige Ursache festgestellt werden. Eine zum Teil völlige Ver-
ödung der einst blühenden Dörfer, ein rapides Zusammenschmelzen
der Einwohnerzahl waren die traurigen Folgen. Nach Angaben
v. Dürings waren eine ganze Reihe Dörfer am Küstenstriche des
Schwarzen Meeres, so zwischen Adabazar und Eregli (Heraklea), wie
ausgestorben; ein Dorf, <las ursprünglich 500 Einwohner gezählt
hatte, war innerhalb von 30 Jahren auf 7 Personen zusammen-
geschrumpft. Freilich läßt sich wohl m. E. das Aussterben der
dörfischen Bevölkerung nicht allein mit dieser ursächlichen Er-
scheinung in Beziehung setzen, da gewiß auch andere häufige
Epidemien, wie Pest, Cholera, Typhus, Pocken und Schwindsucht,
1 V. Düring, Der Niedergang des Osmanischen Reiches. In: Süddeutsche Monatshefte,
-\pril 191 3.
Lorenz, Die Frauenfraqe im Osmanischen Reiche. i 2 i
eoeoeoeoocxxoooeeoooooooooocxxxxxxxxxxxxxxjoooooooocoocoxxxxxxxxxxxxxxxxicioocxxioooc^
ferner Auswanderungen und Verschiebungen!, besonders innerhalb
der zwischen den anatolischen Osmanen eingesprengten Nomaden-
kolonien, sowie gewaltsame Ausrottung des armenischen Bevölke-
rungselementes mitgesprochen haben. Auch werden die düsteren
Bilder v. Dürings noch durch einige andere Tatsachen gemildert.
Die Lebenskraft des türkischen Bevölkerungselementes wird, wie
auch Krause 2 betont, durch zwei Faktoren erhöht: einmal die
religiös festgelegten Reinigungsvorschriften, die in ihrer häufigen
Wiederholung ein gewisses Gegengewicht gegen die fataüstische
Auffassung über ansteckende Krankheiten bilden; femer die Ent-
haltung von jeglicher Art geistiger Getränke und endlich die
geringe Abwanderung ins Ausland. Daneben macht sich ein,
wenn auch geringer, so doch bemerkbarer Rückgang der Sterblich-
keitsziffer (so im Liwa Eskischehir um 0,5 Prozent als günstiges
Moment fühlbar. Auch die Regenerierungstendenz jedes durch
kriegerische Verluste geschwächten Volkes wird immerhin bei
baldiger Beendigung des Krieges als ausgleichendes Faktum ins
Gewicht fallen. SchließHch hat auch das Erwachen des türkischen
Rassenbewußtseins, des Pantürkismus, gestärkt durch das nationale
Vaterlandsideal „Turan", in diesem Kriege das große Wunder ge-
wirkt, welches v. Düring 1913 bei allem Pessimismus als einzige
Möglichkeit einer Wieders^erjüngung ansah.
c) Einfluß der angeführten Tatsachen auf den allgemeinen Stand
der Bevölkerungsbewegung.
Wie haben nun diese bei dem Stillstande bzw. Rückgange der
türkischen Bevölkerung maßgebenden Faktoren auf die Entwick-
lung'stendenz des osmanischen Türkentums gewirkt? Gestützt auf
eine aus dem Jahre 1844 stammende Volkszählung, welche der Be-
arbeiter Ubicini sicheren Quellen (Listen der öffentlichen Schulden-
verwaltung) entnimmt, und nach welcher eine Bevölkerung von
12 Millionen nachweisbar war, und ferner auf die Tatsache, daß im
Jahre 1890 nur 7 Millionen Einwohner Kleinasiens gezählt wurden,
hält V. Düring eine Bevölkerungsabnahme von 5 Millionen Menschen
im Laufe von 46 Jahren für nicht unmöglich. Auch für die Jahre
1893/96 hält er an einer absoluten Abnahme der Türken um einige
hunderttausend Menschen fest, da eine Vermehrung der klein-
1 Krause, Die Türkei (Kap. Bevölkerung), S. 24.
2 Vgl. auch; y. d. GolU a. a. O. S. 119.
122 /''/« ^^''elt des h/ams, Band H, 1918, Heft 3j4
or<»COOOOOOOOOOOCXKXXX)OOOOOOOOOCXXXXXXXXXXX300C)OOOOOOOOOOOOOOOC>0000000000000000^^
asiatischen Bevölkerung nicht zu verzeichnen war, obwohl in dieser
Zeit das christliche und jüdische Element des Volkes sich nachweisbar
vermehrt hat, und außerdem Tausende von mohammedanischen Ein-
wanderern (Muhadschirs) nach Kleinasien strömten. Dagegen er-
scheinen mir die zahlenmäßigen Angaben v. Dürings doch etwas
zu pessimistisch gefärbt und den tatsächlichen Verhältnissen zu
widersprechen. Da v. Düring eine Besserung der Krankheitszustände
fast für ausgeschlossen hält, weil die neueingerichteten Kranken-
häuser sich infolge massenhafter Unterschlagungen nicht halten
können, so hätte in den Jahren 1893 bis 1913 erst recht ein weiterer
erheblicher Rückgang verzeichnet werden müssen. Nach den
jüngsten Forschungen Philippsons beträgt aber die Einwohnerzahl
Kleinasiens mit Anatolien heute 13 Millionen, also sogar eine MiUion
mehr, als die für das Jahr 1844 angesetzte Ziffer, so daß also von
einem fortgesetzten Rückgange nicht die Rede sein kann. Diese
Ziffer ist um so wichtiger, als Anatolien als das Kernland des türki-
schen Bauernstandes jahrzehntelang seine Söhne gegen die auf-
ständischen Araber und die Balkanländer geschickt hat. (Nach Arabien
allein 40 — 50 Prozent.) In diesen Feldzügen wurde aber dieser
kräftige Truppenbestand durch die verschiedensten Seuchen dezimiert.
Trotz allem stellen die Erfahrungen des heutigen Krieges der Be-
schaffenheit und Menge des osmanisch-türkischen Soldatenmaterials
das beste Zeugnis aus.
Die ursächlichen Erscheinungen des türkischen Bevölkerungs-
rückganges und ihre Rückwirkung auf die allgemeinen Aussichten
des türkischen Volkszustandes haben wir damit nach verschiedenen
Seiten beleuchtet. So haben wohl alle Faktoren, welche überhaupt
die Zersetzung eines Volkes herbeiführen können, an der Existenz
des osmanischen Türkentums gezehrt: Kriege, Krankheiten, wirt-
schafthcher Niedergang, ein ewiger Kreislauf von Ursache und
Wirkung in ununterbrochener Wechselfolge. In diesem jahrelangen
Kampfe um Seih oder Nichtsein stand nun die mohammedanische
Türkin schutzlos, ein Opfer wirtschaftlichen Rückganges, den ein-
fachsten Lebensbedürfnissen der heranwachsenden jungen Genera-
tion verständnislos gegenüber. Und doch mußte gerade von ihr
die Verjüngung der türkischen Nation erwartet werden, da ja das
Bestehen des Osmanischen Reiches heute eine Frage des nationalen
Türkentums geworden ist. Von der Aufklärung der Frau in wirt-
schaftlicher und besonders sanitärer Hinsicht muß also der Bestand
der kommenden türkischen Generation abhängen. Dieses Ziel ist
Lorenz, iHe bnaienfrmji^ im Osmanischen Reiche. 123
ef>eoeooooooooooooeooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooocxxxxx>eooooo
allerdings bei der Abg'eschlossenheit der Mohammedanerin zu-
nächst schwer zu verwirklichen. Und doch hat gerade die Pionier-
arbeit deutscher Arzte nach dieser Richtung schon Wunder ge-
wirkt, und das Muster deutscher Krankenhäuser in Konstantinopel
usw. und deutschen Sanitätswesens im Felde wird, wenn es sich
auch nur langsam Bahn bricht, im Verein mit dem Schulreform atori-
schen Umschwung, der schon heute auf eine Heranbildung tüchtiger
Hausfrauen und Mütter hinarbeitet, im Verein mit der rechtlichen
und sozialen Hebung der Frau, im Verein endlich mit der Stärkung
des türkischen Bauernelementes durch steuerliche und militärische
Entlastung, sowie Hebung des Existenzminimums, auch die Frage
des türkischen Nachwuchses in eine geordnete Bahn lenken. Voraus-
setzung bleibt natürlich, daß die Türkei aus diesem Erschöpfungs-
kampfe nicht völlig gebrochen hervorgeht.
Die Erhaltung des osmanischen Türkentums ist um so bedeutungs-
voller, als seinem Bestände, je weniger lebenszähe es sich zeigt,
von anderen kräftigeren Volkselementen wie den Griechen und
Armeniern die Gefahr des Erdrücktwerdens droht. Diese Mög-
lichkeit war um so mehr zu fürchten, als gerade diese beiden Volks-
bestände ihren türkischen Landsleuten als rassen feindlich und von
eigenem Nationalbewußtsein durchdrungen gegenübertreten. Anders
liegen die Dinge bei den Mohadschirs, welche das religiöse Empfinden,
zum Teil wohl auch das Gefühl der Rassengemeinschaft nach der
Eroberung der europäisch-türkischen Provinzen in die Türkei trieb,
wo sie gewerbliche Erfahrungen und erhöhte landwirtschaftliche
Technik und Arbeitserfahrungen in die Rückständigkeit der türkischen
Wirtschaft hineintrugen. Die Armenier aber, welche als einheitliche
Nation über Rußland, Persien und die Türkei verstreut leben,
unterscheiden sich gerade in der Frage ihrer wirtschaftlichen
Existenz vorteilhaft vom Türken 1. Eine gesunde Vermehrungs-
tendenz verbunden mit einer großen Liebe uud Freude für die
heranwachsende Generation haben, abgesehen von körperlicher
und geistiger Frische, dieses Volk wachsen und über die Grenzen
seines Landes hinaus erstarken lassen. Wenn auch die Armenierin
des Gebirges vor dem Fremden ihr Antlitz verhüllt, und wenn sich
auch innerhalb des primitivsten Elementes des Armeniertumes noch
manche barbarische Sitte in der Verfügung über die Ehefrau be-
wahrt hat, ja wenn selbst katholische Armenier noch hier und
1 Vgl. Armenische Bevölkerungsstatistik, W. I. II, S. 286 und Voss. Ztg. vom 30. Juni 1913.
124 J^ff '*'''/< </'••' /•'/"»'•v Hand (L 19 tH, lieft 3 4
da der Vielweiberei huldigen, so steht doch bei all diesen Abarten
einer christlichen Sittenlehre die armenische Frau als tüchtige
Mitarbeiterin des Mannes der Lebensweise ihrer mohammedanischen
Schwester unendlich fern; und ihre im christlich-religiösen Sinne
geweihte Ehe stellt ein festeres Gefüge dar, als der islamische
Zivilkontrakt. Da nun die Vermehrung des armenischen Stammes
mit der Erweiterung des Kulturbodens nicht Schritt halten konnte,
und da das immer haltloser werdende Türkentum die armenische
Expansionskraft mit Eifersucht und Schrecken erkannte, suchte es
sich mit Gewaltakten gegen diese langsame Erdrosselung zu schützen.
So hat sich die türkische Angst schon seit Jahrhunderten in grau-
samer Ausrottung dieses lebensfähigen Bestandteiles des türkischen
Reiches Luft gemacht, sich damit eines tüchtigen Wirtschaftsfaktors
beraubt und einen Feind im eigenen Lande geschaffen. Schon im
Jahre 1829, als der Norden Armeniens an Rußland fiel, glaubten
die Unterdrückten die Stunde der Befreiung nahe und wanderten
zu Zehntausenden aus den östlichen türkischen Provinzen nach
Rußland aus. Die Massenmetzeleien der Jahre 1893, 1895, 1896
und 1909 — 1895 sollen allein 200000 Menschen ums Leben ge-
kommen sein — hatten das gleiche Ergebnis. Diesmal erfolgte
die Auswanderung z. T. nach Ägypten, da die Russifizierung die
Vaterlandslosen ihrem Ideal nicht näher gebracht hatte. Wie
lebenszähe und entwicklungskräftig trotz der wiederholten furcht-
baren Aderlässe das Armeniertum allen Vernichtungsplänen trotzt,
beweist die Tatsache, daß gerade die Landesteile, nach welchen
die armenische Abwanderung aus ihrem Kernlande strömte, zu
den dichtest besiedelten der Türkei gehören. So fand z. B. infolge
Übervölkerung der Insel Chios, welche die für die Türkei un-
gewöhnliche Volksdichte 90 aufweist, eine Abwanderung nach
Ägypten statt.
Auch die griechische Familie, deren Bestand bisher nicht durch
gewaltsame Ausrottung erschüttert wurde, trägt einen gesunden
Keim in sich und droht bei der sprichwörtlichen kaufmännischen
Gesundheit des erwerbseifrigen Griechen bald auch den wirtschaft-
lichen Bestand des hartbetroffenen Türkentums in Frage zu stellen.
So zeigt Anatolien gerade in den Küstenstädten, in welchen sich
der griechische Kaufmann und Handelsmann festgesetzt hat, die
größte Volksdichte. Abgesehen von der europäischen Türkei, wo
die Volksdichte mit Einschluß von Konstantinopel 67, mit Ausschluß
(also für das Mutesarriflik Tschataldscha) 41 beträgt, ist sie in
Lorenz, Die Frauevfrage im O.vnanischen Reiche. 125
Trapezunt am stärksten: 44. In den nördlichen Übergangsprovinzen
sowie in Westkleinasien schwankt sie zwischen 30 und 32, während
sie für ganz lOeinasien mit Armenien zusammen nur 17 beträgt,
ein Beweis also für die bevölkerungspoHtische Überlegenheit des
griechisch-armenischen Handelsstandes. Genauer stellt sich nach
Phüippson die kleinasiatische Volksdichte folgendermaßen dar:
für Nord- und Westkleinasien 29
„ Inner- und Südkleinasien 15
„ ganz Anatolien also 22
oder nach Endres für Anatolien 21
für Armenien und Kurdistan »31
Die auffallende Niedrigkeit der armenischen Volksdichte hat
ihren Grund weniger in den wiederholten Massenvertügungen und
Abwanderungen, da sich, wie wir gesehen haben, die armenische
Rasse als außerordentüch vermehrungsfähig erwies, sondern vielmehr
in der Eigenart der Boden- und Klimaverhältnisse der inner-
asiatischen Trockensteppe, welche bei der Primitivität der landwirt-
schafthchen Technik einer Expansion hemmend im Weg-e steht.
Aber nicht nur in seinem Kernlande Kleinasien, sondern inner-
halb des ganzen Osmanischen Reiches trägt gerade das stamm-
erhaltende Element die Zeichen eines gewissen Verfalles. Denn
auch Mesopotamien, vSyrien und Arabien, also die Gebiete des
osmanischen Arabertumes stehen noch heute in der Blüte einer
gesunden Volksentwicklung. Besonders in Syrien tritt eine außer-
o-ewöhnlich starke Vermehrung der Bevölkerung zutage, welche
mit der ungewöhnlich frühen Heirat der syrischen Mädchen
im Zusammenhang steht. Nach den Berichten eines deutschen
Arztes in Haifa 2 werden die Mädchen im noch nicht heirats-
fähigen Alter in die Ehe gegeben, so daß Mütter von 13 Jahren
durchaus keine vSeltenheit bilden. Die mangelhafte körperliche
Entwicklung dieser jungen Frauen, verbunden mit dem Mangel
erfahrener Personen und der Furcht vor Inanspruchnahme eines
Arztes, fordern aber naturgemäß unter ihnen ungezählte Opfer;
und in Anbetracht ihrer schwächlichen Konstitution sowie der
völligen Unkenntnis sanitärer Schutzvorschriften, welche bei den
ungewöhnlichen Hitzegraden eine besondere Berücksichtigung- ver-
1 Vgl. auch Fitzner, Auatoliens Bevölkerung, S. 29 ff.
- Auerbach, Die syrische Frau. In: Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiographic, März
1917.
126 />/> Weh des Ishmis, llnul il. 10 IS, IJeft 4
O0(XX)(X>OCKX>(XXXXX>000000000000CX)00000CXXXXXX)0O0OOOO00OCXXX>XXXXXXXXXDOC«OOO^^
dienen, ist die Säuglingssterblichkeit eine erschreckend hohe: bis
50 Prozent zuweilen. Diese Tatsache, sowie die außerordentliche
Vermehrungsfähigkeit des syrischen Volksbestandes wird auch von
Ruppin bestätigt. Doch ist eine zahlenmäßige Erfassung dieser
Verhältnisse schwer möglich, da eine große Anzahl der Geburten
und Sterbefälle überhaupt nicht zur Anmeldung gelangt, weil gerade
der nomadisierende Teil des Volkes sich der Kontrolle entzieht.
So sind die Vierteljahrsberichte, welche das Ministerium des Innern
von den Behörden erhält, durchaus unzuverlässig. Aber beide Tat-
sachen, die große Frauen- und die große Säuglingssterblichkeit, fallen
bei der fortgesetzten Ergänzung" des vermehrungsfähigen Volkes
nicht besonders stark ins Gewicht. Dazu bietet die außerordentliche
Fruchtbarkeit des Landes, die Billigkeit der Lebenshaltung, die
Handelstüchtigkeit des Küstenvolkes usw. auch die besten wirt-
schaftlichen Grundlagen für eine gesunde Entwicklung der Familie,
Abgesehen davon, daß Syrien die größten Dichten des Osmanischen
Reiches überhaupt aufzuweisen hat (so hat das Wilajet Beirut die
Volksdichte 45, der Libanon sogar 161, West- und Nordsyrien 28,
Ostsyrien 9), läßt sich auch an allen größeren Städten des Landes
eine starke Aufwärtsbewegung der Bevölkerung bis in die Jetztzeit
nachweisen, welche nicht allein der starken Einwanderung zu
danken ist. Aus dem Palästina-Handbuch von Trietsch greife ich
folgende Zahlen heraus, welche die bevölkerungspolitische Ent-
wicklung einiger wichtiger Handelsplätze veranschaulichen. Von
den Küstenstädten war Jaffa in einem Zeiträume von 27 Jahren
(1881 — 1908) von 10000 auf 50000, Haifa von 1881 — 1912 von
6000 auf 20000, Beirut von 1782 — 1912 von 6000 auf 150000, also
um nicht weniger als 2500 Prozent, um das 25 fache im Laufe von
130 Jahren, Lattakie von 1892 — 1900 von 6000 auf 22000, also
um das zweieinhalb fache; Alexandrette von 1817 — 1912 von 350
auf 15000; Mersina von 1900 — 1912 von 9000 auf 22000 Einwohner
angewachsen. Von den Binnenstädten war folgendes Bild zu ge-
winnen: Die Einwohnerzahl Jerusalems war im Laufe von 67 Jahren
(1845 — 1912) von 12000 auf 100000 angewachsen; die von Nablus
im Laufe von 26 Jahren (1880 — 1906) von 15000 auf 28000 und
die von Liberias von 1886 — 1912 von 5000 auf 10000, zeigt also
im Zeiträume von 26 Jahren eine Verdoppelung. Aleppos Ent-
wicklungskurve zeigt dagegen abweichend von den anderen Städte-
bildern im Jahre 1880 einen bemerkenswerten Tiefstand mit einer
Einwohnerzahl von looooo gegenüber 300000 im Jahre i759'
Lorenz, Die Fmifenfrage im Oif7na)usrJie)i linche. IZJ
OOO00C«0O0OO0O00O000OO0000000000O00000O0000O00000OOO0OO000000000O00O000CXXXXXXX)000000(^^
Seitdem hat aber in rascher Aufwärtsbewegung ein Wiederaufbau
stattgefunden, so daß bereits 1912 wieder das ursprüngliche Niveau
von 300000 Einwohnern erreicht war.
Die außerordentliche Volksdichte, besonders des Regierungs-
bezirkes Libanon, hat nun wiederum durch eine starke Abwanderung
einen Ausgleich erfahren. Nach Angabe Ruppins sind im Laufe
von 30 Jahren (bis 1915) von dort allein 100757 Personen, also
etwa ein Viertel der Gesamtbevölkerung des Libanon (400000),
ausgewandert. Dieser ungeheuren Abwanderung steht nun aber
wiederum eine jüdische Einwanderung von 40000 gegenüber, die
allerdings während der Kriegsjahre 1914/15 eine Verminderung
um 12 — 14000 erfahren hat. Trotzdem kann man die Durchschnitts-
zahl für die jährliche Abwanderung auf 15 — 20000 Menschen
schätzen 1.
Der starken Bevölkerung Syriens, welche in gewissen Teilen
sogar eine Übervölkerung aufweist, steht nun der Osten mit einer
nur sehr geringen Volksdichte (9) gegenüber, besonders in dem
von Beduinen nur spärlich bewohnten und weniger fruchtbaren
Steppenlande, welches schließlich in völlige Wüste übergeht.
Das Gesamtbild der bevölkerungspolitischen Entwicklung der
Türkei ist also nach den vorangegangenen Darlegungen kein so
ungünstiges, wie es auf den ersten Bück scheint. Da der völkische
Kern des Landes, das anatolische Bauerntum und das seßhafte
und beduinische Arabertum Syriens neben Einfachheit der Lebens-
haltung seinen gesunden Vermehrungstrieb bewahrt haben, gilt
es nun einerseits, dem Stillstände und Rückgange der Bevölkerung
mit jedem Mittel zu steuern, andererseits an der Erhaltung der
zahlreichen Nachkommenschaft zu arbeiten. Abgesehen davon,
daß der heutige Gewohnheitszustand des Krieges ruhiger und
sicherer Innenkultur Platz machen muß, mit welcher auch eine
Assimilierung der verschiedenen rassenfeindlichen Volksbestände
einhergehen muß, daß ferner die wirtschaftlichen Voraussetzungen
einer Familiengründung durch einen Umschwung des gesamten
wirtschaftlichen Lebens eingeleitet werden müssen, gilt es, der Frau
als Hausfrau und Mutter, in zweifacher Weise den Weg zu ebnen.
Einmal kommt es darauf an, besonders der osmanischen Türkin
das „Odium ihrer Gefangenschaft" zu nehmen und ihr mit einer
. sozialen HöhersteUung das Bewußtsein ihres mütterlichen Daseins-
1 Vgl. Ruppin a. a. O. S. isff.
128 T)le \\\'h d,'s Is/ams, Band 6. !^J8, Heft 3' 4
coeoeoeocooooeoeoaoco c ccccocoooootxxiixxKxxxxxxx)^^
Zweckes von neuem anzuerziehen, sie aber andererseits mit den
Begriffen sanitärer und ärztlicher Notwendig'keiten vertraut zu
machen. Langsam zeichnet die deutsche Kulturarbeit ihre Spuren
in die Entwickelung der türkischen Volkswirtschaft. Ob sie auch
an einer Regeneration der osmanischen Bevölkerung mitarbeiten
wird, wird davon abhängen, ob die Türkei ihr eigentliches Lebens-
element, das Türkcntum, aus diesem Erschöpfungskriege in eine
bessere Zukunft hinüberretten kann.
2. Die Frauenarbeit im Dienste der Volkswirtschaft.
a) Friedens- und Kriegsarbeit in der Landwirtschaft und im länd-
lichen Nebengewerbe.
Bei der geringen Leistungsfähigkeit, welche man im allgemeinen
von der türkischen Frau erwartet, wird man ihre wirtschaftliche
Tatkraft nicht allzu hoch veranschlagen. Wissen wir doch, daß
die geringe Berührung mit dem öffentlichen Leben sie von jedem
außerhäuslichen Erwerbszweige von vornherein ausschloß. Trotzdem
und vielleicht gerade deshalb ist die natürliche Tüchtigkeit der
Frau nicht in der Häuslichkeit verkümmert, sondern hat sich selbst
ein großes, ihren Talenten entsprechendes Betätigungsfeld voll
stillemsiger Schaffensfreude in den vielen Stunden unfreiwilliger
Muße gesucht. Es soll hier naturgemäß nicht die Rede sein von
den romantischen Gestalten der prunkvollen Harems, w^elche ihre
Langeweüe mit Putz und Lektüre schlechter Romane vertändelten
oder bisweüen ihre geschickten Hände mit einer feinen Nadelarbeit
beschäftigten, sondern von den Frauen des Kleinbürgerstandes,
welche in erster Linie durch das schaffende Bauerntum vertreten
sind.
Wie sehr gerade die streng religiöse Erziehung die Wirtschaft-
lichkeit der mohammedanischen Türkin beeinflußte, wird besonders
deutlich, wenn man die Erwerbsarbeit der christlichen Osmanin
zum Vergleich heranzieht. Schon bei der Behandlung des Schul-
wesens sahen wir, daß eine systematische Ausbildung in erster
Linie den christlichen Elementen zugute kam, während die Türkin,
frei vom reinen Erwerbstriebe, ihr natürliches kunstsinniges Können
in den Dienst ihrer Hausarbeit stellte. Wieder treten uns auch
hier die Wirtschaftsgegensätze des Morgen- und Abendlandes mit
besonderer Schärfe entgegen. Auf der einen Seite die echt-
orientalische von keiner Hast getrübte Ruhe und Beschaulichkeit^
LiOrenz, iJie Franenfrage im (hrnatiischen Reiche. 129
COOOeOOO0OOO(X)0eO»0O00OCXXXXXXXXIOO0OCXXX)O00O000000O0OO00O0O(XXXX)0O0O00O0O0O0000O000^^
die Arbeit mehr als Selbstzweck betrachtet; auf der anderen der
Erwerbstrieb der auf eigenen Füßen stehenden Freu, welcher nach
dem Produkt seines Fleißes erst in zweiter Linie fragt. Dort die
Erwerbsarbeit um der Kunst willen, hier die Kunst um des Erwerbes
willen. Vergegenwärtige man sich nun, wie gerade dieser Wirt-
schaftskontrast, der in letzter Linie auf dem Gegensatz zwischen
mohammedanischer und christlicher Weltanschauung fußt, an der
Übervorteilung der Türkei durch die Mächte Europas die Schuld
trägt, so darf man sich dem Gedanken nicht verschließen, daß auch
innerhalb der Türkei selbst die christlichen Elemente der Frauenwelt
vor den rein orientalischen die Wirtschaftlichkeit des Denkens
voraushaben. Liegt nun hierin eine Gefahr für die erwerbs-
wirtschaftliche Entwicklung der türkischen Frauenfrage? Solange
das orientalische Denken nicht selbst von der Gewinnsucht des
Auslandes erfaßt wird und sich damit auf die bisher unnachahmlichen
Produkte der Heimarbeit überträgt, kann meines Erachtens von
einer Gefahr nicht die Rede sein, ganz abgesehen davon, daß
numerisch die christlichen Bestandteile des Osmanischen Reiches
noch wenig hervortreten. Wir wollen nun im folgenden die wirt-
schaftliche Leistungsfähigkeit der osmanischen Frau in den ver-
schiedenen Zweigen der türkischen Volkswirtschaft ins Auge fassen.
Untersuchen wir zunächst, inwieweit die Landwirtschaft auf die
Mithüfe der Frau angewiesen war. Die anatolische Landwirtschaft
bot schon seit jeher ein Bild der Verödung und dankt eigenthch
nur der Verschwendung, mit welcher die Vegetation auch ohne
menschliche Hilfe sprießt, ihre bescheidene Existenz. Während der
Großgrundbesitzer in den großen Städten irgend einem Staatsdienste
nachjagt, weil er es verschmäht, seine eigene Scholle zu bebauen,
schwebt die Schar seiner KJieinbauern, denen er sein Land in
kleine Farmen geteilt, für kurze Zeit verpachtet, zwischen zwei
Gefahren: der Müitärpflicht und dem Steuerpächter. Beide haben
in erster Linie an seinem wirtschaftHchen Ruin mitgearbeitet. Die
Militärpflicht lastet nur auf dem türkischen Bauern, läßt also die
griechischen und armenischen Landwirte auf ihrer Ackerscholle.
Die Steuerlast, welche sich aus fünf verschiedenen Abgaben zusammen-
setzt und den Bauer mit 40 Prozent seines Gesamteinkommens
heranzieht 1, wird von den gewinnsüchtigen Steuerpächtern in
wucherischster Weise ausgenutzt. Die alttestamentarische Beschaffen-
1 T. d. Goltz, Anatolische Ausflüge, S. 344.
130 />/> Welt </i's fshims, liaud a. 191H, lieft SU
<K>SlOeOIX30IXy00CXO0«)0C000OCO0CXKO0CK0CXXXXXXXOCI^^
heit der Ackerbaugeräte (Holzpflug, Dreschschlitten, Worfel usw.)
und die fatalistisch ergebene Stumpfheit und Bequemlichkeit des
türkischen Bauern haben dann das ihre zu seiner völligen Ver-
armung getan. Außerdem kennt die türkische Landwirtschaft nicht
die rationelle Verschmelzung des reinen Ackerbau- und Viehzucht-
betriebes. Wie in Syrien, wo der ungezügelte Beduine seine Herden
über die Saat- und »Stoppelfelder der seßhaften Fellachen treibt,
widmen sich die Wanderstämme Kleinasiens vorwiegend der reinen
Steppenviehzucht. So vertreten die zu den eingewanderten Balkan-
völkern (Mohadschirs) gezählten: Türken, Tscherk essen, Lasen,
Kurden, Georgier, Turkmenen, Tartaren, Jürüken, die viehzüchten-
den Anatolier, während die eigentlichen alteingesessenen anatolischen
Türken, von Natur ein Hirtenvolk wie die heute noch reintürkischen
Turkmenen und Jürüken, heute den seßhaften Bauernstand Klein-
asiens. Daher sind sie auch auf ihrer SchoUe nicht in ihrem
ureigensten Elemente, wie ihnen viele Asienreisende gern an-
dichten: Gutmütig, stumpf und zähe, aber lässig und bequem i.
Nach Naumann beschäftigen sich in Anatolien allein 8i Prozent
der Gesamtbevölkerung, einschüeßlich Frauen und Kinder, mit Vieh-
zucht und Ackerbau, 5 Prozent ausschüeßlich mit Viehzucht; so daß
also der Getreidebau bei weitem überwiegt 2. Die Gesamtzahl der
großen und kleinen Bauernwirtschaften wird von ihm auf 582000
veranschlagt, die Seelenzahl der anatolischen Landbevölkerung in
Skutari, Ismid, Brussa, Kastamuni, Angora, Konia, Adana, Siwas,
Trapezunt auf 3880000.
Nach diesen Darlegungen muß man den Wert der anatolisch-
türkischen Frauenarbeit mit besonderem Maßstabe messen. Während
der türkische Bauer fatalistisch ergeben den Erträgen seines
schwachen Fleißes entgegensieht, lastet auf den Schultern der
Frauen, wie es von Seiten der gründlichsten Orientforscher be-
stätigt wird, die schwerste Ackerarbeit. In Kannenbergs ausführ-
lichem Sammelwerke 3 werden nach den Beobachtungen Schaff ers
die Bauersfrauen als häßlich und abgearbeitet geschildert; er selbst
sagt von dem türkischen Landvolke des Innern: „Die Männer sind
faul und lassen die Frauen für sich arbeiten." Und Herrmann äußert
sich folgendermaßen: „Im Hause ist der Bauer der alleinige Herr-
scher; nie wird man zwischen ihm und der Frau einen lauten Streit
1 Vgl. Herrmann, Die anatolische Landwirtschaft; Grothe, Auf türkischer Erde.
a Karger a. a. O. S. 9.
3 Kannenberg, Kleinasiens Naturschätze usw.
JjOrenz, Die trauenfrcHiP, im Osmayaschen J' eiche. 131
hören, da sich diese bedingungslos dem Willen des Mannes fügt?
sie ist mehr die Sklavin als die bessere Hälfte des Mannes. Beim
Essen bedient sie ihn und wenn ein Geschäft das Ehepaar zu einer
Landreise nötigt, sitzt der Mann auf dem Esel und reitet, während
die Frau in dem wirbelnden Staube nebenher schreitet." Und von
ihren ländlichen Arbeitspflichten: „Zur Feldarbeit wird die' Frau
tüchtig angehalten. Sie schafft unverdrossen in der glühenden
Sonne mit verhülltem Kopfe und Gesicht, sobald sie nicht aUein ist.
Was die Arme dabei leidet, ist leicht zu verstehen. Aber alles tut
sie ohne Murren. Allah hat ihr nun einmal durch den Propheten
diese Rolle zugewiesen." Der Verfasser weist dann weiter auf die
Unsicherheit ihrer materiellen Versorgung infolge der leichten Ver-
stoßung durch den Mann hin, welcher nur durch die beim Gericht
zu hinterlegende Kaufsumme, welche sich nach dem Werte der
Frau richtet, einigermaßen ausgegüchen werde. Selbst zu den
schwersten Arbeiten läßt sich der Mann oft lange nötigen, wenn
er im Vorhofe der Moschee oder in Männergesellschaft seinen Kef
hält. Ja, in der von Kannenberg angeführten Stelle Schäffers heißt
es sogar, daß der Mann getreu den Worten des Korans der Frau
nicht selten den „schlagenden Beweis" ihres Daseinszweckes liefere.
So führt die Frau auf der schweren Ackerscholle die Pflugschar,
lenkt den von Ochsen oder Büffeln gezogenen Dreschschütten
stehend über den oft spärlichen Erntesegen und sondert mit der
Worfel die ausgetretenen Körner von der Spreu, dem einzigen
Futter des Viehs. Am Abend verkündet dann Gesang und Pauken-
schall die Heimkehr der unermüdlichen Landarbeiterinnen auf dem
schwerfälligen, federlosen buntbemalten Ochsenwagen (Araba)i.
Auch in Syrien wird die Landarbeit der Frauen und Kinder
besonders ihrer Billigkeit wegen außerordentlich geschätzt. So er-
weist sich, wie Ruppin schildert, der Anbau des Sesams, den der
FeUache als Vorfrucht zum Weizen baut, gerade erst durch die
Mithilfe billig bezahlter Frauen- und Kinderarbeit als lohnend.
Erfordert schon die Vorbestellung des Feldes durch häufiges
Pflügen und Auflockern des Bodens viele Arbeitshände, so muß
diese empfindliche Pflanze, welche schon unter unzeitigem Regen
erheblich leidet, besonders in ihrer Wachstumsperiode auf das sorg-
fältigste beobachtet werden und müssen besonders die zahlreichen
Unkräuter fortwährend entfernt werden. Hierbei gerade bewährt
sich die ausdauernde Frauenarbeit am besten.
1 Zur ländlichen Frauenarbeit vgl. auch Herrmann a. a. O. S. 27 u.
Die Welt des Islams, Band 6. 9
J32 T)if Welt (Irs /sl,nn.<. liiu,,! H. lUts, Heß 314
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Ebenso unentbehrlich wie im Sesambau, ist nun aber auch die
Mithilfe der Frau beim Anbau des Hanfes. Weakly, den Ruppin
anführt, sagt hierüber: „Ein merkwürdiges Hindernis für die Ent-
wicklung des Hanfbaues besteht darin, daß das Loslösen des
Bastes von dem Stengel eine besondere Geschicklichkeit erfordert,
welche nur die Frauen eines einzigen Dorfes (Nakieh) besitzen,
so daß nicht mehr Hanf angebaut werden kann, als diese Frauen,
welche zur Zeit der Hanfernte auf die Dörfer ziehen, verarbeiten
können." So betrug die Jahresproduktion an Hanf im Jahre 1912
z. B. nur 1300 Tonnen im Werte von 1 Million Francs.
Erwähnen möchte ich auch noch die bei der Fülle wildwachsender
Pflanzen, welche der syrische Boden hervorbringt, recht erhebhche
Sammelarbeit der Frau. Das Süßholz, dessen Wurzel einen ein-
gedickten, süßen Saft, der als Lakritze bekannt ist, liefert, wird,
einer amtlichen türkischen Statistik zufolge, jährlich in einer Menge
von 12285098 Kilogramm gesammelt und verschickt. Einen be-
deutenden Ertrag liefern auch Galläpfel, Tragantgummi, Kreuz-
beeren, ferner eine bei den Bewohnern viel verspeiste Knollenart,
Kamaje, und besonders die als Droge verwendete Koloquinte, welche
durch die Händler Gazas zur Ausfuhr gelangt und ebenfalls von
Frauen uud Kindern gesammelt wird. So wurden 1912 in Gaza
allein Koloquinten im Werte von 2000 Pfund ausgeführt.
Ein besonders wichtiger Zweig der Frauenarbeit ist bei der
Rückständigkeit des türkischen Kohlenbergbaues u. a. auch die
Gewinnung des Heizmaterials aus Büffel- und Ochsendung. Neben
der reinen Ackerarbeit erstreckt sich das Arbeitsfeld der anatoli-
schen Bäuerin auch auf verschiedene Zweige des ländlichen Neben-
gewerbes. Hierher gehört u. a. die Gewinnung des Opiums. Wie
Grothe in seinen Reiseberichten 1 schildert, erfordert gerade dieses
Geschäft weniger Kraft als Geduld und größte Ausdauer; daher
hält sich der Mann gern davon fem und überläßt es seinen Frauen
und Kindern. Das Opium wird in der Weise gewonnen, daß die
Mohnköpfe lose angeritzt werden. Die ausfließende milchige Flüssig-
keit erstarrt schon nach wenigen Stunden und wird dann in müh-
samer Arbeit in winzigen Kügelchen wieder entfernt. Tausende
dieser kleinen Körner, deren Entfernung zu wiederholtem Bücken
zwingt, füllen erst ein Kilogramm, welches auf dem Markte mit
8 — 10 Mark, nach Körte mit 14 — 15, ja 21 Mark verkauft wird 2.
^ Grothe, Auf türkischer Erde, Reisebilder und Studien.
2 Körte, .\natolische Skizzen.
Lorenz, IHe Frauenfragc im Osnianisclwii lieiclw. 133
C<XX)eOOCOOOOC<X3(X)eOOOOO<XX)OOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOCIOOOOOO(XXXK3000000000000000000CX
Als besonders einträgliches Nebengewerbe wird die Seidenzucht
von den besser situierten Kleinbauern AnatoHens betrieben. Meisten-
teils besitzen diese kleinen Grundbesitzer eine Maulbeerpflanzung
von 2 bis 3 Dönüm 1, wobei die ganze Familie sich mit der Auf-
zucht der. Raupen beschäftigt 2. Die Jahreseinnahmen eines solchen
Betriebes lassen sich durchschnittlich auf 2000 — 3000 Piaster, also
etwa 400 — 500 Mark jährlich, ohne Abzug der allerdings sehr
niedrigen Produktionskosten, veranschlagen. Da aber die Aufzucht
der Raupen meist in den Wohnräumen der Familie erfolgt, so ist
das Risiko immer ein beträchtliches. Daher haben sich besonders
griechische und armenische Unternehmer mit der Einrichtung be-
sonderer Zuchtanstalten befaßt. Über das Abhaspeln der bei der
Seidenzucht gewonnenen Kokons wird noch an anderer Stelle die
Rede sein.
Im Gegensatz zur anatolischen Bäuerin, deren Wirksamkeit sich
besonders auf dem rauhen Acker entfaltet, hat die Armenierin einen
größeren hauswirtschaftlichen Pflichtenkreis, welcher dem scharf
ausgeprägten Erwerbssinne dieses Volkselementes entspricht: das
Backen des Brotes, das Bereiten von Butter und Käse, die Her-
stellung von Kerzen, Seife und Rosensaft, die Branntweinbereitung
und die Erzeugung des Wunderbaumöles zu Beleuchtungszwecken,
das Formen von Töpferwaren und kleinen tönernen Herden und
Mangalen (Feuerbecken) aus der an den Flußufern gefundenen
Tonerde, das Flechten von Matten aus Binsen und endlich die
Verfertigung der verschiedensten WoUwaren gehören als selbst-
verständliche Hausfrauenpflichten zum Tagewerke einer armenischen
Bäuerin. Sämtliche Arbeiten sind bei der wirtschaftlichen Nieder-
haltung des Armeniertumes an die natürlich gegebenen Rohstoffe
und die primitivsten Handwerkszeuge gebunden. So wird z. B. die
gereinigte Wolle mit einem groben Schlägel bearbeitet, gelockert
und in diesem Zustande zum Ausstopfen der Matratzen benutzt;
oder es wird das rohe WoUgarn in einfachster Weise mit Pflanzen-
farben gefärbt, zu Strümpfen verstrickt oder zu Kleidern und Bett-
zeug verarbeitet. Auch Teppiche verschiedenster Größen und sehr
grobe feste Dschedschimen genannte Stoffe, aus denen Säcke ge-
fertigt werden, entstehen bei Zusammenarbeit mehrerer Frauen
unter primitiven Holzwerkzeugen.
1 Dönüm = 1088 qm.
2 Kaerger, Kleinasien, ein deutsches Kolonisationsfeld.
9*
134 ^^^^ ^^^^^*- '^«•'^ li'lcijm, Band (i. 1918, Heft Sji
nrfyifirifrrnnnririrrrr«inrirrYYtyirinriryinrir»^ < iw i » »nj
Diese Form einer zentralistischen Familienwirtschaft hat sich
heute vorzugsweise noch in den entlegenen Dörfern Türkisch-
Armeniens erhalten und ist, je mehr man sich größeren Städten
nähert, im Schwinden begriffen. Eine allmähliche Spaltung der
Haushaltungen, eine Loslösung der verheirateten Brüder aus dem
großen Familien verbände hatte eine Isolierung des eigenen Pro-
duktionsbetriebes zur Folge. Damit schwand aber auch der eigent-
liche A.nsporn und die ursprüngliche Rentabilität der für einen
großen Verband wirksamen häuslichen Betriebe mehr und mehr.
So w^erden zwar Tücher, Klleider und ähnliches noch von den
Frauen im Hause selbst hergestellt, die dazu notwendigen Roh-
stoffe jedoch schon in fertigem oder halbfertigem Zustande gekauft;
die Strümpfe werden teils aus fertiger Wolle selbst gestrickt; oder
aber es wird eine Spinnerin zuvor mit der heimischen Herstellung
des Strickgarnes betraut. Mehr und mehr spitzt sich die Haus-
arbeit der Frau auch mit der Verfeinerung der Bedürfnisse auf
größere Heranziehung fremder Hilfe zu. Noch herrscht die Sitte
gegenseitiger unentgeltlicher nachbarlicher Hilfsarbeit zu größeren
Festlichkeiten, wobei den Arbeiterinnen freie Bewirtung gewährt
wird. Alle z. B. vor einer Hochzeit auf diese Weise erzeugten
Fertigwaren, welche lediglich dem Eigenbedarfe der betreffenden
Familie zugute kommen, stehen außerhalb des Erwerbslebens. Da
außerdem diese heimischen Produkte im Wettbewerbe mit ähn-
lichen Erzeugnissen höher entwickelter Länder nicht in Frage
kommen, fäUt diese Erscheinungsform des armenischen Hausfleißes
nicht besonders als volkswirtschaftlicher Faktor ins Gewicht.
Immerhin veranschaulicht diese Vielseitigkeit der Frauenarbeit
bei einem zwar rückständigen aber rüstigen Bauernelemente im
Osmanischen Reiche die hauswirtschaftliche Tüchtigkeit der Frau,
eine Tatsache, welche bei dem Rassenhaß beider Volksstämme und
dem aufs höchste gesteigerten Erwerbssinne des Armeniers sowie
der schnellen Vermehrungstendenz dieses Volkes zum Verhängnis
für das anatolisch-türkische Bauerntum werden kann.
Heute hat nun aber der Wirtschaftsumsturz des Krieges auch
in die anatolische Ackerwirtschaft eine Krise zum Besseren hinein-
getragen 1. Die militärische Inanspruchnahme des Kleinbauern
drückte nunmehr gewaltsam der Frau allein die Pflugschar in die
^ Vgl. Die türkische Landwirtschaft im Kriege, Tägl. Rundschau vom 31. Oktober 1916
und Das türkische Landbauzwanggesetz, W. l. IV, S. 297.
JjOrenz, Die Frauen frage vn Osmanischen Reiche. 135
Hand. Die Absperrung der Zufuhr von allen Seiten zwang die
Landwirtschaft mit einem Schlage zu einer Betriebssteigerung,
welche sich nicht nur notgedrung^en von fremder Einfuhr un-
abhängig machen, sondern die Ernährung des ganzen Landes
sicherstellen mußte. Das schien zunächst an dem Fehlen männ-
licher Arme scheitern zu wollen. Da trat das Landbauzwanggesetz
im Jahre 1915 in die Erscheinung, welches von allen Besitzern
eines Anwesens und — dies ist besonders wichtig — auch für
Frauen die Landbaupflicht verlangte 1. Im Verein mit den bisher
müssigen Elementen des Bauerntumes begann nunmehr auch die
anatolische Bäuerin zum ersten Male ihre Hand energisch zu rühren.
Der Erfolg war ein überraschend günstiger. Nicht nur, daß das
Ernteergebnis des neuen Erntejahres hinter dem des Vorjahres
durchaus nicht zurückstand, überholte es auch, wohl besonders
dank dieser gesetzgeberischen Organisation und unter dem harten
Drucke der Not den bisherigen Ertrag. Von allen Seiten spendete
man der tatkräftigen Hufe, besonders der anatolischen Bäuerin das
wärmste Lob. Die Heranziehung der Frau in der Ackerbestellung
wurde teilweise sogar militärisch organisiert. So fand, einer Mit-
teilung des Tanin zufolge, auf Befehl Dschemal Paschas, des
Kommandanten des IV. osmanischen Armeekorps, die gruppen-
weise Beschäftigung von Frauen in den Militärbezirken Adana^
Beka und Beisan statt. Hier wurde eine große Anzahl von Frauen
bei Entlohnung, Beköstigung und Unterhaltung ihrer Familien
nutzbringend beschäftigt. Ein deutlicher Beweis, wie hoch der
dankbare Osmane dieses ganz ungewöhnliche tatkräftige Eingreifen
der Frau einschätzte, offenbarte sich bald in der Errichtung eines
Wahrzeichens seiner Dankbarkeit, eines Denkmals in Konia, welches
im Frühjahr 1917 enthüllt wurde und für die wirksame Frauen-
hilfsarbeit dieses Krieges ein schlichtes und schönes Zeugnis ab-
legen soll.
Es ist wohl anzunehmen, und im wirtschaftlichen Interesse des
Osmanischen Reiches zu wünschen, daß die anatolische Landwirt-
schaft sich auch über die Zwangslage dieses Krieges hinaus weiterhin
auf eine stärkere weibliche Mithilfe im reinen Ackerbaubetriebe
stützen wird. Denn man darf sich nicht verhehlen, daß auch dieser
* Wortlaut und einzelne Bestimmungen dieses Gesetzes im Tanin, Hilal u. a.: „Durch
dieses Gesetz Terpflichtet die Regierung alle osmanischen Untertanen, Männer wie Frauen,
die Landwirte und militärfrei sind, eine durch das Landwirtschaftsministerium zu be-
stimmende Anbaufläche zu bestellen und für das nächste Jahr Brachland zu pflügen" usw.
136 nie Welt des Is/ams, limnl H. t91t<, Heft 3j4
Krieg unter dem gesunden Bestände des militärpflichtigen anatoli-
schen Bauerntums furchtbar aufgeräumt hat, daß viele Bauern-
wirtschaften, herrenlos geworden, dem Steuerpächter und einem
sicheren Verfall entgegengehen. Auf den Schultern der Frau muß
also mehr und mehr das Schwergewicht in der Ackerwirtschaft als
ausgleichender Faktor gegenüber der Aussaugung durch das er-
drückende Steuersystem liegen, wie es das gute Beispiel der
Armenierin zeigt. Gerade die urwüchsige ungebrochene Kraft,
welche auch heute noch besonders die anatolische Türkin des
platten Landes auszeichnet, muß in der Zerrüttung des türkischen
Bauernstandes als das neue belebende Element wirken, welches die
türkische Wirtschaft so sehr entbehrt. Es muß den gesamten
Bauernstand vor der Müdigkeit und Erschlaffung retten, welcher
er bei der bisherigen Ausbeutung durch das Steuerpachtsystem
unbedingt verfallen muß. Es kann nicht genug betont werden, daß
der Ruin des anatolischen Bauerntums als eines der lebensfähigsten
Volksbestände des Osmanischen Reiches mit einer Vernichtung des
Osmanentums überhaupt identisch ist. Nicht allein eine Erleichterung
seiner hart empfundenen Militärpflicht und eine Reform des länd-
lichen Steuersystemes, sowie eine Intensivierung des Betriebes durch
Modernisierung der Geräte, Kultivierung des Bodens usw., können
hier das Wunder einer Wiederverjüngung wirken, wenn nicht eine
frische Kraft die Zeichen des Verfalles verwischt und dem ganzen
Bauerntume wieder zu neuer Lebensfähigkeit verhilft.
b) Die Frauenarbeit in der Hausindustrie.
1. Häusliches Textilgewerbe.
Wir haben schon darauf hingewiesen, daß die bisherige teilweise
Zurückhaltung der Anatolierin vom reinen Ackerbaubetriebe ihre
haus wirtschaftliche Kraft auf ein anderes Gebiet individuellen
Schaffens lenkte, welches mit der primitiven Rohstoffgewinnung
viehzüchtender Nomadenvölker gegeben war. Es ist die Textil-
industrie in allen Zweigen einfacher und künstlerisch verfeinerter
Produktion.
Noch heute hat sich besonders die kunstgewerbhche Heimindustrie
in ihrer ganzen eigenartigen Echtheit und Einfachheit gegenüber
dem Eindringen fremder Konkurrenzware und moderner groß-
industrieller Technik behauptet und wird es wohl voraussichtlich
noch für eine längere Zeit. Diese sonderbare Erscheinung des gewerb-
Lorenz, Die Franevfraye im Osmaniftrhen 'Rei/'hr. 137
oc<>o0oooooooooeoo<oooooocxxx»ooc)ooooo<x>ooooocworxin<y)oooooooooo(x)o^
liehen Rückstandes in Verbindung- mit einer absoluten Konkurrenz-
losigkeit gerade dieser künstlerischen Hausprodukte hat ihren
Grund, wie auch Junge in der Einleitung seines Archivs für Wirt-
schaftsforschung im Orient ausführt, in dem Mangel an reinem
wirtschaftlichen Erwerbstriebe, wie er moderne Kulturstaaten kenn-
zeichnet, bei einer starken Kapitalfeindlichkeit und damit dem
Fehlen des modernen Großkapitalismus. Von jeher haben politische
und wirtschaftliche Zwangslagen die freie Entfaltung dieses Erwerbs-
triebes nicht aufkommen lassen; und die unerschütterliche, dem
europäischen Kulturträger so unbequeme Ruhe und Beschaulichkeit
des Orientalen, welche ihm die fatalistische Ergebenheit seiner
Religion in langen Jahrhunderten anerzogen hat, haben zu jener
eigenartigen Verinnerlichung seines Schaffens geführt, das ganz
in der Liebe zu seinem Produkt aufging, ohne an seinen unmittel-
baren Erwerbszweck zu denken. Mit dieser engen Gemeinschaft
zwischen Produzenten und Produkt, bei welcher das Werturteil des
arbeitseifrigen Erwerbsmenschen und der Begriff der zeitlichen
Gebundenheit ganz in den Hintergrund traten, und bei welcher
sich die Grenzen zwischen Wirtschaft und Kunst mehr und mehr
verwischten, konnte sich die so beglückende harmonische Innen-
kultur des Menschen entfalten, die dem Strudel der modernen
Wirtschaftsjagd und ihren Vorteüen unendlich fern blieb. Diese
Entwicklung vollzog sich zwar auf Kosten des zivilisatorischen Fort-
schrittes, führte aber zu einer restlosen selbstzufriedenen Schaffens-
freude des Individuums. Auf diesem Boden, welcher die schönsten
Früchte einer heiteren Kunst hervorbrachte, konnte der modern-
kapitalistische Unternehmergeist mit der verflachenden Geschmacks-
richtung des gewinnsüchtigen Großbetriebes naturgemäß schlecht
gedeihen; ja, heute, wo sich die moderne Großindustrie vereinzelt
in die oft noch geheim gehaltene eigenartige Technik der häus-
lichen Kunst einzumischen beginnt, hat sie nicht selten zu einer
Vernichtung Jahrhunderte alter Werte geführt.
Ihrem ursprünglichen Wesen, der Befriedigung der eigenen
künstlerischen Schaffensfreude entsprechend, haben sich nun die
zahlreichen Zweige der türkischen Industrie, welche bei uns längst
dem modernen Fabrikbetriebe anheimgefallen sind, im engen
Rahmen der Famüie erhalten. Hier haben sie an den Orten, welche
noch nicht von dem ausbeutenden Unternehmertum erfaßt wurden,
oder unter wirtschaftlichen Notlagen zu leiden hatten, die schönsten
Erzeugnisse einer liebevollen Naturbeobachtung, wie sie sich in der
,38 THe Welt de.« Islams. Band 6. 19 J 8, Heft 3j4
oo<xieocoooocx)ooocaoo<»ooooooo(»oooooocxxx)cioooooooooeooc)ooo
eigenartigen Stilisierung und den wundervollen Farbenharmonien
orientalischer Phantasie widerspiegelt, ans Licht gefördert.
■ Besonders in der Freiheit des Landwesens, welches ihr die Natur
in hundertfacher Gestalt vor Augen führte, hat nun die Zurück-
gezogenheit der Frau in einer Richtung etwas Gutes gewirkt: sie
hat ihre gesunde Schaffenskraft auf eine starke Verinnerlichung in
der Behandlung des ihr anvertrauten Gutes gelenkt.
Boden und Klima der Türkei liefern die denkbar günstigsten
Voraussetzungen für das Gedeihen sämtlicher Textilrohstoffe. Die
Herden der (halbansässigen) Mohadschirs, der syrischen Beduinen
und Araber, liefern WoUe und Mohair; Hanf, Flachs und Baum-
wolle gedeihen unter den verschiedenen klimatischen Bedingungen,
welche Anatolien kennzeichnen; die Seidenzucht blüht in der Mittel-
meerregion als ländliches Nebengewerbe. Es sind also alle Roh-
stoffe, welche dem Lande eine Entwicklung im textilindustriellen
Sinne vorschreiben, in Fülle vorhanden und sogar einer weit größeren
Quantitäts- und Qualitätssteigerung fähig, wenn erst einmal eine
rationellere Bewirtschaftungsweise sich der uralten ländlichen
Technik bemächtigt hat.
Trotz allem ist aber die türkische Textilindustrie, von wenigen
Ausnahmen abgesehen, selbst in ihren ersten Produktionsphasen,
der Spinnerei und Weberei, noch heute dem Hausbetriebe und
damit der Arbeit der Frauen vorbehalten g.ebHeben. Bei der weiten
Verbreitung der Spinnerei und Weberei bis in das Zelt des
umherziehenden Beduinen und der vielfach für den Eigenbedarf
arbeitenden als bäuerliche Nebenbeschäftigung erscheinenden
Betriebsform ist eine Erfassung des Umfanges dieses Hausindustrie-
zweiges kaum mögUch. Auch die Berichte der Konsularämter
können sich hier naturgemäß nur auf eine zusammenfassende Fest-
stellung der hauptsächlichsten Tatsachen beschränken. Zumeist
findet man beide Formen der Textilindustrie nebeneinander in allen
Wilajets, in welchen auch die Teppichknüpf erei heimisch ist, wie
in Adana, Angora, Konia, Siwas, wo also die Rohstoffgewinnung
eine unmittelbare häusliche Verarbeitung bedingt.
Im Wilajet Angora», das, abgesehen von Kaisarie, gewerblich
noch wenig entwickelt ist, spielt die Wollspinnerei, welche von
etwa 7 — 8000 Frauen als häusliches Nebengewerbe betrieben wird,
eine große Rolle. Ursprünglich zeichnete sich auch Mamuret-ul-Aziz
* Bf richte für Handel und Industrie 1907.
Lorenz^ T)ie Fraiumfracie im OfoiiaTmchen Reiche. 139
eoooeoeooooooocxx)ooooocxxxxx)oooooooooocxxxxx»oocxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx)c»ooooocx>^^
durch blühende Weberei und Spinnerei aus, von denen besonders
die Wollspinnerei gepflegt wurde. Die furchtbaren Armenier-
massakers haben jedoch unter der sehr erwerbstüchtigen Be-
völkerung des Landes erschreckend aufgeräumt und diesen wichtigen
Industriezweig lahmgelegt. Im Jahre 1907 waren etwa 5000 Web-
stühle im Betrieb, Auch das andere kurdische Wilajet Bitlis
zeichnet sich durch Spinnerei, welche in jeder Kurdenhütte heimisch
jst, sowie Baumwoll-, Woll- und Mohair- Weberei aus. In der Stadt
Bitlis selbst wurden in derselben Zeit etwa 450 Stoffwebstühle ge-
zählt. In Diarbekr spielt das Verspinnen des Baumwollgarnes als
heimische Nebenbeschäftigung die Hauptrolle, Aber auch hier hat
die blutige Armenierverfolgung ihre unverwischbaren Spuren in
das einst blühende Hausgewerbe gezeichnet. Weberei und Spinnerei,
welche in den 80 er Jahren über 20000 Webstühle zu ihren Ber
trieben zählten, sind rapide zurückgegangen. Heute sind in Diarbekr
selbst, wo in der Blütezeit 3000 Webstühle gezählt wurden, vielleicht
insgesamt noch 1000 in Betrieb. Auch in Mossul, das in gewerb-
licher Beziehung ebenfalls einen unbedeutenden Platz einnimmt,
haben sich Spinnerei und Weberei als wichtigste Hausindustrie-
zweige erhalten.
Das Heimatland der osmanischen Textilindustrie, Syrien, in welchem
hauptsächlich Baumwoll-, WoU- und Leinwandweberei sowie die
Herstellung seidener Tücher von Wichtigkeit sind, hat durch die
mangelhafte schutzzöllnerische Entwicklung (hohe Binnenzölle,
geringe Einfuhrzölle), welche erst kürzlich durch die mit der Auf-
hebung der Kapitulationen notwendig gewordene Zollreform behoben
wurde, sowie durch die Einfuhr ausländischer Fertigwaren und
endlich unter der allgemeinen Zunahme der fränkischen Kleidung
eine erhebliche Einbuße erfahren. So ging auch hier die Anzahl
der spinnenden und webenden Frauen immer mehr zurück. Heute
konzentriert sich das Textilgewerbe hauptsächlich noch in Aleppo,
Ai'ntab und den aufblühenden Städten Urfa und Marasch, welche in
der Lage sind, im Verein mit dem Hinterlande den Bedarf der Stadt
und ihrer Umgebung zu decken. Mit Einschluß der Teppichindustrie
und Seidenspinnerei l'ßt sich die Ausdehnung des syrischen Textil-
gewerbes in Aleppo aus der Anzahl der Webstühle: 12816 im Jahre
1907, heute etwa 20000, ermessen. In der Spinnerei, welche Wolle
und Ziegenhaar verarbeitet, und von den Frauen ebenfalls als
Nebengewerbe betrieben wird, sind die Lohnverhältniss'e außer-
ordentlich ungünstig: 8 — 15 Pfg. Tagesverdienst bei bescheidenster
140 THe Welt des h/<ini.-<. Band G. J91H, Tlt'ft 3^4
<!0O0O000(XXXXKXSO0faO00O(X300O0O00O0eO0O0OCXO0CCCO0C^
Lebenshaltung-, Auch in der Weberei, wo in Akkord gearbeitet
wird, sieht es mit der Entlohnung nicht besser aus: als Maßeinheit
für die Webearbeit gilt i Pik (= 160 Zentimeter). Danach gestalten
sich die Löhne qualitativ abgestuft folgendermaßen: Lohn für 1 Pik
Cuttenic 14V2 Pfennige, desgleichen für 1 Pik Seide 14V2 Pfennige,
ferner für Halbseide 1 1 Pfennige, und Rasleje 8 Pfennige. Da
bei den beiden ersten Webarten an jedem Tage etwa 6 Pik, bei
den beiden anderen dagegen 10 Pik fertiggestellt werden können,
so läßt sich der Tagesverdienst einer Arbeiterin auf 90 Pfennige
bis 1 Mark berechnen, eine Einnahme, von welcher mitunter noch
15 Pfennige für den Lehrjungen abgerechnet werden müssen. Die
Tatsache, daß gerade die Handweberei unter der Konkurrenz des
Auslandes erheblich zu leiden hatte, bestätigt auch der aus dem
Jahre 1913 stammende Handelsbericht von Trapezunt; der Rück-
gang der Webstühle (von 75 auf 70) und der Produktionsmenge ist
ein Beweis für die immer geringer werdende Rentabilität des Haus-
betriebes, welcher noch infolge der Niedrigkeit der Löhne sich als
nicht konkurrenzfähig erwies.
Die Seidenspinnerei, welche hauptsächlich in Brussa und im
Libanon zu Hause ist, hat naturgemäß ebenfalls die Frauen-
arbeit in ihren Dienst gestellt. In Syrien, einem der ältesten
Seidenländer, hat sie sich aus zwei Gründen so gesund entwickeln
können (Ruppin): Einmal waren die Bauern von einer drückenden
Abgabe, dem sogenannten Oscher (d. i. der Zehnte), und die Spinnerei
von der Gewerbesteuer frei; und zweitens war die Beschaffung der
Arbeitskräfte infolge des Überwiegens der christlichen Bevölkerung
nicht schwierig. So gab es nach Ruppin, welcher sich auf Ducousso
beruft, im Jahre 1912 in Syrien 194 Seidenspinnereien, davon im
Libanon allein 155, deren Rohseideerzeugung sich 1912 auf 524000
Kilogramm belief. In diesen Spinnereien werden gewöhnlich je
30—100 Frauen und Mädchen beschäftigt. In der näheren Um-
gebung des Libanon, im Wilajet Beirut, sind ebenfalls sechs größere
Seidenspinnereien mit insgesamt 1000 Arbeiterinnen in Betrieb.
Die Gesamtzahl der im Textilgewerbe in Syrien beschäftigten
Personen vor dem Kriege wird von Ruppin auf 10 — 12000 an-
gegeben. Von diesen waren ein Sechstel männliche, fünf Sechstel
weibliche Arbeiter tätig, so daß also die Gesamtzahl der seiden-
spinnenden Frauen, Mädchen und Kinder Syriens sich auf 8330
bis 10000 beläuft. Von dieser Zahl, in welcher die zahlreichen
Bäuerinnen, die in ihrer Wirtschaft der Seidenzucht selbst ob-
Lorenz. Die Frawnfrage im Osniatiischen Reiche. 14 1
t«OOeoeiCXXICK30COOO(X)OCXXXXXX300000000000000000000000<X)000000000000000000000000000^^
liegen, nicht enthalten sind, liefert einen Maßstab für die große
Ausdehnung dieses Erwerbszweiges.
Die Löhne betragen für größere Mädchen bei einer 1 o — 1 2 stündigen
Arbeitszeit 2 — 4 Markpiaster, etwa 35 — 70 Pfennige täglich, für
Kinder nur die Hälfte dieses Satzes. Diese schlechten Lohn-
verhältnisse und die ungesunden Arbeitsräume, in welchen meist 3 — 10
Handwebstühle arbeiten, haben auf die Lage der Arbeiterinnen
aber sehr ungünstig eingewirkt, da die Seidenspinnerei selbst in
den großen Textilstädten Syriens, wie Homs, Hama, Aleppo,
Damaskus, ihren primitiven Charakter als Heimarbeit bewahrt hat.
Meist liegen die Arbeiterinnen vier Monate des Jahres der Spinnnerei
ob, während sie in den übrigen acht Monaten in der Weberei
ihren Lebensunterhalt verdienen.
Die Seidenspinnerei in Kleinasien, welche unter besseren Ent-
wickelungsbedingung-en steht als die syrische, vollzieht sich im
Gegensatz zu dieser im Rahmen des reinen Fabrikbetriebes und
wird daher an anderer Stelle zu behandeln sein.
In Mesopotamien, wo unter Leitung der deutschen Orient-
Handels- und Industriegesellschaft noch vor kurzem die Hand-
weberei und Spinnerei eine große Rolle spielten, war hauptsächlich
die christliche Bevölkerung als das erwerbsfleißigste Element ver-
treten. Heute ist infolge Verbannung dieser tüchtigen Arbeits-
kräfte durch die türkische Regierung der so wichtige Erwerbszweig
fast ganz lahmgelegt, so daß vor der Hand nicht abzusehen ist,
ob bei dem Mangel an Ersatzkräften eine baldige Wiedererholung-
nach dem Kriege möglich sein wird.
Uns interressiert vor allem die Tatsache, daß in gewerblich heute
noch vöUig unentwickelten Landesteilen, wie z. B. auch im Wilajet
Mossul sowie bei den Nomadenstämmen, gerade die Spinnerei und
Weberei als die wichtigsten und einzigen häuslichen Erwerbs- oder
Eigenproduktionszweige in das Bereich der Frauenarbeit fallen.
Wenn auch infolge wirtschaftlicher Notlage diese beiden uralten
Textüindustrieh eine erhebliche Einbuße erfahren haben, so ist
doch mit einem Ruin durch europäische Industrialisierungspläne
gerade bei den scheuen Stämmen der Steppe und den Viehzüchtern
Anatohens kaum zu rechnen; ebensowenig, wie man annehmen
darf, daß die Kurdin oder Tscherkessin des anatolischen Hochlandes
ihr selbstgewebtes buntes Bauerntuch mit modernen europäischen
Modeerzeugnissen vertauschen wird. Wenn also der Kleinbauer
und Viehzüchter seine Frauen daheim weiterhin für den Eigenbedarf
142 TU,' Weit <l,-K is/>nns. Band H. 191 S, Ilrft ...'?
OOOOOOCOOOOOCOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOCKXIOOOOOCICXXXXXXXXXXXJOCXXXXJOO^^
des Hauses spinnen und weben läßt, so fragt es sich immerhin, ob
die Ausläufer europäisch(Mi Unternehmerg-eistes die anderen leichter
/.u erfassenden städtischen Hausbetriebe der Spinnerei und Weberei
in den Bannkreis der Fabrikarbeit ziehen werden. Nach den
heutigen Europäisierungsidealen zu urteilen, welche sich deutsche
Großkapitalisten von einer Intensivierung des deutsch-türkischen
TextUgeschäftes machen, muß man mit der Walirscheinlichkeit
rechnen, daß das türkische Textilhandwerk in seiner heutigen
Ursprünglichkeit von der modernen Maschine verschlungen wird,
daß also damit das eigentliche Gebiet weiblicher Hausarbeit einer
langsamen Aufsaugung durch europäisches Gründertum entgegen-
gehen wird.
Die einleitenden Schritte für diese Entwicklung hat bereits der
Krieg mit der völligen Inanspruchnahme der heimischen Textil-
fabriken, dem Inkrafttreten des Industrieförderungsgesetzes vom
Jahre 1913, einer Erleichterung für kapitalstarke moderne Neu-
gründungen, mit der Aufhebung der Kapitulationen und der Schaffung
des neuen Schutzzolltarifes getan. Schon seit längerem arbeiten
bereits z. B, in Adana 3 große, in Händen von Griechen befindliche
Spinnereien mit etwa 20000 Spindeln; und die staatlichen Fabriken
in Hereke, Ejub und die Tuchfabrik in Karmursal, deren Betriebe im
Dienste des Heeresbedarfes mit moderner großindustrieller Ge-
schwindigkeit und Genauigkeit arbeiten, tragen schon den Keim
dieser Umwälzung in sich, der dem kleinen Handwerk mit Ver-
nichtung droht. Da es die Türkei bisher nicht verstanden hat,
dem günstigen Zusammenwirken ihrer Boden- und Klimaverhältnisse
die entsprechende Menge der anbaufähigen Gespinstpflanzen zu
entlocken, wird bald nach Beendigung des Krieges Deutschlands
landwirtschaftliche Technik und Erfahrung den alttestamentarischen
Ackergeräten den Garaus machen, den bisher fast unbekannten
Begriff der Düngung und tieferen Pflügung einführen, den üppigen
Kulturboden der Gefahr des Versalzens und Versumpfens ent-
reißen und der Bewässerungstechnik wieder zu neuem Leben ver-
helfen. Eine starke Steigerung der Textilrohstofferträge muß aber
naturgemäß zu einer Erweiterung der Textilgewerbe über den
Rahmen des eigentlichen Familienbetriebes hinaus führen; und
damit geht wohl der Kerngedanke des deutsch-türkischen TextU-
geschäftes, das der Modernisierung der türkischen Industrie mit
kapitalistischem Unternehmergeiste, mit der Lieferung derjenigen
Produktivgüter, welche das Land nicht selbst herstellen kann.
Lorenz, Die Frauenfrage int OsutantscJien Reiclte. I43
OOOOO00O0O00O0(XX>000O0OCXXXXXXXX)0000O0OO0OCXXXX300(XXXXXa0OCXXXXXXXXXXXXX30O0O00OO000000e^^
und mit erfahrener kaufmännischer und technischer Leitung den
Weg ebnen will, um dafür die konkurrenzlosen Fertigwaren der
türkischen Textilindustrie einzutauschen, seiner Verwirklichung
entgegen.
Diese Entwicklung wird sich aber mehr und mehr auf Kosten
der städtischen, im Hause arbeitenden Textilindustrie vollziehen.
Im Interesse der türkischen Volkswirtschaft als Gesamtheit ist
diese Entwicklung gewiß nicht zu beklagen. Aber auch vom Ge-
sichtspunkte der Frauenarbeit wird sie kaum zu einer Katastrophe
führen. Im Gegenteil! Sie wird gerade zu einer weiteren Ver-
tiefung der bisher ausschließlich der Heimarbeit vorbehaltenen
kunstgewerblichen Produktionszweige der Textilindustrie wie der
Teppichknüpferei und Stickerei überleiten. Ganz abgesehen davon
wird aber ein Freiwerden weiblicher Arbeitskräfte in den Städten
als entscheidendes Moment für die Lösung der Fabrikarbeiterfrage
nach dem Kriege ins Gewicht fallen.
Im Gegensatz zu diesem bald zu erwartenden Rückgange in der
heimischen Textilindustrie wird sich aber mit der Verengerung der
deutsch-türkischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Eindringen
europäischen Modegeschmackes für die Frau ein anderes lohnendes
Arbeitsfeld eröffnen. Ein stark ausgeprägtes, gerade der vor-
nehmen Türkin eigenes Luxusbedürfnis, das besonders die Damen-
welt Konstantinopels auszeichnet, stellt an die Tüchtigkeit zahl-
reicher Näherinnen erhebliche Ansprüche. Hier wie in Europa
wird die Schneiderin im Hause der Arbeitgeberin mit der An-
fertigung der verschiedensten Kleidungsstücke, wie auch Wäsche,
betraut. Daneben wird aber auch außerhalb des Hauses auf Be-
stellung gearbeitet. Dabei tritt als hemmendes Moment, wie Honig
in seinen Ausführungen über Industrie und Handwerk 1 darlegt,
ein sehr starkes Kreditbedürfnis der Detailkäufer in die Erscheinung.
Die Bekleidungsindustrie, welche natürlich, dem starken Fremden-
verkehr angemessen, in der Hauptstadt einen ziemlichen Umfang
besitzt, befindet sich zum Teil in den Händen der zahlreichen
Waisenhäuser, welche besonders billige Wäsche herstellen. Freilich
hat das Eindringen europäischer Bekleidungswaren, welche die Be-
dürfnisse der türkischen Damenwelt erhöhten und verfeinerten, zwar
die Leistungsfähigkeit des inländischen Bekleidungsgewerbes an-
gespannt, gleichzeitig aber auch eine größere Aufnahmefähigkeit
1 Im Archiv für Wirtschaftsforschung im Orient II.
144 ^^^^ ^'''^^ «^'■'••^ hliiins, JJatid 6. liilH, lieft ä i
C)<XXXXXXX»CXXX)O000OC>0OOOOOOOOO0OO0OO0OOOOCXXXXXXXXX)OOOOOOOO0O0OO0e)0OOOC^^
für die beliebten Fertigwaren, besonders französischer Mode-
-schöpfung, gezeitigt. Die Folge war allerdings, wie wir nachher
noch unter dem Kapitel: „Wirtschaftliche Vereinsarbeit" sehen
werden, die, daß sich sehr bald eine wirtschaftliche Strömuni^-
gegen das Ausland entwickelte. Heute beginnt Osterreich im Wett-
bewerbe mit Deutschland, die türkische Damenwelt mit den flotten
Erzeugnissen der Bekleidungsindustrie durch Modeausstcllungen und
geschickte Reklame bekannt zu machen und zu gewinnen. Wie
weit das häuslich betriebene Bekleidungsgewerbe den Verführungen
des Auslandes standhalten wird, wird sich erst im Zusammenhang
mit der Gesamtentwicklung des türkischen Tcxtilgewerbes und
seiner Industrialisierung feststellen lassen. Denn je mehr sich die
Türkei in der Produktion von Rohstoffen und Fertigwaren ver-
selbständigt, um so mehr wird auch das Schwergewicht des Be-
kleidungsgewerbes auf die einheimische Bevölkerung fallen.
Auch die Putzmacherei, welche sich in weiblichen Händen be-
findet und vor allem in der Hauptstadt konzentriert, wird erst mit
der Entschleierung" der Frau und damit dem Nötigwerden moderner
Kopfbedeckungen sowie mit dem unmittelbar nach dem Kriege zu
erwartenden zunehmenden Fremdenverkehr in der Hauptstadt ihren
eigentlichen Aufschwung erleben.
Wie die beiden ersten Textilge werbe, so steht auch ein anderes,
die Hausstrickerei, bereits im Zeichen technischer Vervoll-
kommnung. Während die Armenierin noch heute ihre buntgefärbte
WoUe eigenhändig zu Strümpfen verstrickt, haben z. B. in Aleppo,
Adana und Urfa Strickmaschinen deutscher Herkunft die alte Hand-
arbeit verdrängt. So arbeitete in Adana eine Strumpfwirkerei mit
sieben Strickmaschinen und 18 Hilfsmaschinen deutschen Fabrikates,
mit 50 männlichen und weiblichen Arbeitskräften bei einer Tages-
leistung von 700 Paar Strümpfen. In Urfa werden allein 1000
deutsche Handmaschinen von heimarbeitenden Frauen betrieben;
und die Kaiserliche Textilfabrik in Hereke beschäftigt ihre
Arbeiterinnen ebenfalls mit der maschinellen Herstellung von
Strümpfen und Trikotagen.
In Syrien werden hauptsächlich in Aleppo und Damaskus Frauen
in der Strumpfwirkerei im Hause beschäftigt. Nach Weakly be-
stehen in Aleppo 5-- 6000, in Damaskus 1500 — 2000 deutsche
vStrickmaschinen, deren Tageserzeugung je nach der Größe zwischen
ein und drei Dutzend Paar Strümpfen schwankt, so daß sich der
Gesamtwert der Jahresproduktion auf etwa 8 Millionen Mark be-
horenz, Dii' Frauenfrage im Oxmanischen deiche. 145
läuft. Die Löhne für die Frauen und Kinder, welche für den Unter-
nehmer arbeiten, betragen 2 — 3 Piaster, also 40 — 60 Pfennige am
Tage, Allerdings hat dieser Zweig der Heimindustrie besonders
stark unter japanischer Konkurrenz zu leiden 1.
Ein weiterer heute noch unscheinbarer Erwerbszweig, welcher der
hausarbeitenden Frau nach Ansicht Herlts^ einen lohnenden Gewinn
zu sichern vermag, ist die Herstellung von Posamenten. In
dem bereits erwähnten Artikel Honigs werden zwei Betriebe ge-
nannt, welche sich im Hause mit der Herstellung solcher Textil-
waren befassen. Während der eine mit 60 männlichen Arbeitern
besonders feine Möbelstoffe, auch auf Bestellung des Kaiserlichen
Hofes, herstellt, befaßt sich der andere, in Halidschi Oghlu am
Goldenen Hörn gelegene, welcher ausschließlich hausarbeitende
Frauen beschäftigt, mit der Erzeugung billiger Gebrauchsartikel.
Mit dieser kurzen Übersicht häuslicher Textilzweige verlassen wir
das Gebiet der von der Konkurrenz Europas bedrohten Erwerbs-
zweige und wenden uns ihrem großen konkurrenzlosen kunstgewerb-
lichen Gebiete, der Teppicherzeugung, zu.
Wenn Banse in seinem Werke über die Türkei von den Orient-
teppichen sagt: „Sie sind wie der stilisierte, der letzte Ausdruck der
blühenden Frühlingssteppe auf das Gemüt des Menschen, und wenn
er sie „Gedichte in Farbe und Wolle" nennt, so hat er damit gerade
die eigenartige Wesenheit des echten Nomadenteppichs getroffen,
in dessen Farbeng-ebung sich die heitere Phantasie des Naturkindes
offenbart. In ganz Kleinasien und Syrien, wo die ruhelosen Vieh-
züchter über Berg und Tal ihre Zelte aufschlagen und ihre schönen
prächtigen Herden über die Felder treiben, sind die haltbarsten
und farbenechtesten Erzeugnisse der Teppichkunst zu Hause. So
sind in Kleinasien besonders die Frauen der halbnomadischen
Jürüken, eines sehr arbeitsamen und sittenstrengen Volkes, als
äußerst geschickte Teppicharbeiterinnen bekannt. Auch in den
Gebietsteilen der nomadischen Turkmenen, in Kappadozien, liefert
die Steppenviehzucht die unverwüstlichen Rohstoffe der Ziegen- und
Kamelherden. In Phrygien finden die gigantischen Felsgebilde
der Landschaft in den prachtvollen Mustern der Nomadenteppiche
eine vollendete Wiedergabe. So sind die Städte Kutahia, Afiun-
Karahissar, Bulawadin, Akschehir, ferner die Dörfer der Koniaebene,
1 Ruppin a. a. O. S. 138 ff.
2 In der Zeitschrift Textilwoche.
146 Die Welt des Islams, Hau,/ il. I9l<s, [{,[1 :{\4
COOOOOtXX)OOC0300e900000000000000000CXXXXXXXXXXXXXX»OOOOOOOOOOCXXXXXXOXX30CIOOOOOCOCICX)<^^
die Landschaften Lydien mit Demirdschi, Kula, Gördes als Haupt-
arbeitsstätten bekannt; und in der Hochebene Kilikiens, wo die
nomadischen Hirtenfrauen die hervorrag^ende Wolle der Fett-
schwanzschafe zu Zeltbahnen, Kleiderstoff<'n und Teppichen ver-
arbeiten, liefert die Phantasie des Nomaden und die Jahrhunderte
hindurch gepflegte Kunstfertigkeit der Frauen die originellsten und
unverwüstlichsten Erzeugnisse. Auch der halbansässige Kurde ge-
winnt seinen Lebensunterhalt aus den Erträgen seiner Viehzucht,
der Wollweberei und besonders der wegen der Dauerhaftigkeit der
Ware geschätzten Teppichknüpferei seiner Frauen ; im Hochlande
von Armenien, wo Schafwolle, Ziegenhaar und wild wachsende
Farbstoffe das beste und billigste Rohmaterial liefern, bilden Woll-
weberei und Teppichknüpferei das Hauptgebiet der Hausindustrie,
ja des Gewerbes überhaupt. Zahlreiche Bilder türkischer Nomaden-
völker, in denen vor einer leichten Zeltbahn arbeitende Frauen sich
um einen primitiven Knüpfrahmen gruppieren, veranschaulichen
die Wichtigkeit und Verbreitung dieses Gewerbes. Abgesehen von
Dardanellen im westlichen Troas (an der kleinasiatischen Küste)
kommen außerhalb Kleinasiens noch als Hauptzentren für die
Teppichindustrie Kerbela in Nordbabylonien, Damaskus in Syrien,
Dschidda in Arabien in Frage; als Hauptausfuhrhäfen Kleinasiens
Smyrna und Trapezunt.
Zeichnen sich die Teppiche der Nomadenvölker durch größere
Urwüchsigkeit und Regellosigkeit in der Verstreuung der Motive
über die Fläche und durch eine gewisse geometrische Eckigkeit
der Figuren, sowie geringeren Umfang aus, da der Knüpfrahmen
dem engen Zelte angepaßt werden muß, so treten bei den Er-
zeugnissen der seßhaften Stämme mehr abgerundete, pflanzliche
Motive und andere Größenverhältnisse hervor, während eine Ver-
schmelzung beider Unterscheidungsmerkmale auch mit ziemlicher
Sicherheit auf eine völkische Vermischung hindeutet.
Nach der Technik der Arbeit 1 unterscheidet man die Teppiche
nach zwei Hauptarten: 1. nach Knüpfteppichen, 2. nach gewebten
oder gewirkten Teppichen, den sogen. Kilims. Die erste und
weitaus durchgängigste Erzeugungsart bedient sich des sogen.
Knüpfrahmens, eines großen, während der Arbeit schräg gerichteten
HokgesteUes, zwischen dessen etwa zwei Meter hohen Holzpfählen
zwei parallele, horizontal laufende Walzen angebracht sind, deren
1 Die anatolischc Teppicbinduttrie, Berichte füi Handel und Industrie 1906.
J,orenz, Ple Frei uen frag r /?n Oi^ni ansehen Reiche. 147
eX3O0<»O0OC<X)OOOO0«0O0OO0CIO<XXXXXXXX»O00C)C<)0O0OC»0O0O0OO0O0O0O000CXXX^
Länge, je nach der Breite des Teppichs, bis 10 Meter und darüber
betragen kann. Auf diesem Gerüste werden nun die Wollfäden,
Kettenfäden, von einer Walze zur anderen in der Weise gespannt,
daß abwechselnd einer nach vorn und einer nach hinten geführt
wird, zwei benachbarte Fäden also jedesmal hintereinander liegen,
während eine den Walzen parallel laufende Querstange in der
Mitte die Fäden regelmäßig teilt und spannt, wodurch der Vorgang
des Knüpfens wesentlich erleichtert wird. Ist das Aufspannen der
Kettenfäden erledigt, so nehmen je nach der Größe des Teppichs
drei bis fünf oder mehr Frauen, die geschickteste in der Mitte, vor
dem Gerüste Platz und beginnen mil der Einknüpfung der Woll-
büschel von unten nach oben: Jede Arbeiterin ergreift zwei hinter-
einanderliegende Kettenfäden und führt den bunten, etwa 5 cm
langen Woll- oder Seidenfaden in der Weise um beide herum, daß
die freien Enden zugleich an der Oberfläche herausragen. Durch
sämtHche dieser bunten Wollbüschel wird nun den Walzen parallel
ein Verbindungsfaden, Schußfaden genannt, gezogen, welcher dem
Ganzen erst das Aussehen eines Gewebes verleiht. Die Knüpferinnen,
zu denen schon Kinder vom fünften Lebensjahre an zählen, führen
die Arbeit mit peinlichster Genauigkeit und Geschicklichkeit durch,
so daß Knüpffehler nur sehr selten vorkommen. Dabei erstreckt
sich die durchschnittliche Tagesleistung einer Arbeiterin auf einen
Knüpf streifen von 20 — 25 cm Länge und 68 cm Breite. Ein größerer,
etwa 4 m breiter Teppich erfordert zu seiner Herstellung durch-
schnittlich 6 Frauen, deren jede an einem 60 cm breiten Streifen
für sich allein arbeitet. Auf diese Weise kennt jede Knüpferin
die Beschaffenheit ihres Musterfeldes und damit die Anzahl ihrer
Knüpffäden so genau auswendig, daß sie ohne Vorlage zu arbeiten
in der Lage ist. Bei Herstellung eines neuen Musters wird eine
Zeichenvorlage fertiggestellt, nach welcher die geschickteste
Arbeiterin ein Modell zusammensetzt, das Lage und Anzahl der
Knüpffäden verdeutlicht.
Bei der Wirkerei oder Weberei von Teppichen, welche in Angora,
Siwas, Konia, also in den mittleren und östlicheren Provinzen
Kleinasiens, zu Hause ist, werden bunte, gobelinartige Wollgewebe,
die als Tür- und Wandbekleidungen Verwendung finden, mit
mosaikartigen Musterverbindungen hergestellt. Diese Kilims werden
auf einem sehr einfachen mit Pedalen versehenen Webstuhle, dessen
Schiffchen mit der Hand durch eine ausgespannte Fadenkette ge-
führt wird, gewebt.
Die Welt de» Islams, IJand 6. lO
148 Die W.lt dex /.-tA/m.v. /)\;/h/ H. 1U1H, Hi'ft :il4
00eO0C«(XXXXXX3000e0CXX)C»C)00CX»(XXXXXXXOO0C)0000C)0CX»0O0OOCO
Die Teppichindustrie führt ihren Ursprung auf Zentralasien zurück,
von wo aus sie sich mit dem Vordringen der Nomadenvölker über
Persien hinweg bis nach ganz Vorderasien hin verbreitet hat. In
Kleinasien soll sie, wie im „Handelsmuseum" hervorgehoben wird,
durch persische Gefangene heimisch geworden sein. Mit der ersten
Erschließung der Verkehrswege entwickelte sich dann diese zunächst
für den Eigenbedarf arbeitende Hauskunst zu einer lohnenden,
ja in vielen Landstrichen einzigen Erwerbsquelle, dem ausschüeß-
lichen Arbeitsfelde der Bauers- und Nomadenfrau. Die beiden
Hauptzentren der Teppichknüpferei, welche Kleinasien und Persien
büden, weisen in ihren Erzeugnissen eine gewisse Einheitlichkeit
der Technik, Farbengebung und Musterung auf. Dagegen zeigt
die anatolische Teppichknüpferei im allgemeinen in einer größeren
Härte und Dicke des Wollmaterials, gröberer Arbeit, loserer Knüpfung
und damit geringerer Knotenzahl gewisse Abweichungen von der
persischen. Auch sind die Knüpffäden z. B. des Smyrna-Teppichs
meist rein wollen und langgeschoren, so daß die Oberfläche des
Teppichs rauh und zottig erscheint, während der Perser sich häufig
baumwollener Knüpffäden bedient und dem Teppich eine glatt-
geschorene Oberfläche verleiht. In der Musterung tritt in Anatolien
ausschließHch das pflanzliche Motiv hervor, da die Religion die
Nachbildung von Tieren verbietet. In Persien dagegen zeigen
gerade viele kostbare alte Stücke vorherrschend tierische Ornamente.
In Kleinasien ist die Knüpf erei ausschließlich Frauenarbeit; in Persien
betätigen sich auch Männer und Knaben eifrig in dieser Kunst.
Auch den Lohnverhältnissen nach scheint Anatolien Persien geg'en-
über besser gestellt zu sein. In Persien beträgt nach Holz der Wochen-
lohn einer Arbeiterin im allgemeinen 3 Mark, in Anatolien 4 Mark.
In den letzten Jahrzehnten hat nun Persien Kleinasien in der
Industriahsierung seiner Teppicherzeugung bei weitem überholt.
Hier hat die Bedürfnislosigkeit des türkischen Bauerntums und das
Fehlen des auf Erwerb gerichteten Geschäftsgeistes dem Eindringen
europäischen Unternehmertumes noch bis heute zum Teil erfolgreich
getrotzt — zum Glück für die alte Güte und Dauerhaftigkeit des
Materials. Selbst an Orten, wo sich die Massenproduktion bereits
Eingang verschafft hat, tritt das Türkentum in der Unternehmer-
welt hinter geriebenen Griechen und Armeniern oder ausländischen
kaufmännischen Vertretern fast gänzlich zurück.
Im vorigen Jahrhundert waren freilich auch diese Produkte
anatolischen Hausfleißes für den Eigenbedarf dem europäischen
l^orenz, iJie fraumfrage im Ot!i)ianische)i Keiche. 14g
■OOCieOOCOOOCXXX)OOOC)OOOOOCXXXX><XXXXXX»OOCXXXXX)OOOOC)OOOOCXXy>X)CXXXXXXXXXXXXXXXXXXXDCX^^
Liebhaber nur wenig bekannt. Zwar besaß seit jeher schon fast
jedes Bauernhaus Innerkleinasiens seinen Webstuhl und seinen
Knüpfrahmen, aber mehr aus Liebhaberei denn aus Erwerbstrieb.
Die Frauen des Hauses, welche die Wolle der Herden in ihren
Mußestunden wuschen, krempelten und verspannen, die Großmutter,
welche sie nach uralter und oft als strenges Geheimnis gehüteter
Methode färbte, und alle weiblichen Hausgeister, welche je nach
Zeit und Laune am Arbeitsstuhle knüpften und wirkten, dachten
zunächst gar nicht daran, das Produkt ihres andauernden Fleißes
in Geld umzusetzen. So blieb oft ein besonders schön geknüpftes
Stück jahrelang im Hause liegen, ehe sich der Hausvater, wenn
die Kasse des Hauses einmal einer Auffrischung bedurfte, zur
Veräußerung auf dem Markte entschloß. Dabei stand natürlich
der erzielte Gewinn in gar keinem Verhältnis zu der Arbeit, Schön-
heit, Dauerhaftigkeit und Güte des Teppichs.
Bis heute hat sich diese primitive Form bäuerHchen Hausfleißes
in den entlegenen Dörfern der Kurden und Jürüken noch fast
rein erhalten, während die allmähliche Erschließung des inneren
Kleinasien die Hauskunst in erwerbsmäßige Bahnen lenkte. Mit
dem Bekanntwerden dieser so hoch geschätzten Orientwaren und
dem erwachenden und steigenden Interesse des Auslandes arbeiteten
auch bald Mittel und Wege auf eine Nutzbarmachung der so wert-
vollen Frauenarbeit im Dienste des ausländischen Bedarfes thin.
Bald bildeten sich in Konstantinopel und Smyrna Ausfuhrfirmen,
welche durch ihre Kommissionäre überall im Lande alte wie neue
Teppiche, dank der Unkenntnis des bäuerlichen Elementes, zu
Spottpreisen aufkaufen Heßen. Da sich nun aber auf diese Weise
die vorhandenen Vorräte schnell erschöpften, die ausländische Nach-
frage hingegen stieg, mußte schHeßlich an Stelle der reinen Gelegen-
heitsarbeit die Massenfabrikation treten. Damit wurde dem einstigen
beschaulichen Hausfleiße der Stempel hastiger Erwerbsarbeit im
Dienste eines wucherischen Unternehmers aufgedrückt, und somit
wurden wirtschaftliche Zwangslagen heraufbeschworen, wie sie nur
gewinngierige Ausbeutung in einem wirtschaftlich unentwickelten
Lande zeitigen kann.
Trotzdem ließ dieser Entwicklungsgang die alte häusliche Betriebs-
form unangetastet, eine Tatsache, welche in der ans Haus ge-
bundenen Lebensweise der Türkin ihre hinreichende Erklärung
fand. So haben bisher nur wenige fabrikmäßig- organisierte Arbeits-
stätten die Frauenarbeit in ihren Bannkreis gezogen: die Kaiser-
10*
150 l>ie Well d,'s /.s/am.s, Baitdii. IHtS, Heft 3j4
OC«OeOCOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOCXXXXXXXX)OC)OOOCXXX)OOC»OOOOOOCIOOCKXX^^
liehe Fabrik in Hereke am Gölte von ismid, die Fabriken von
Kutahia und Siwas in Zentralkleinasien u. a. m.
Wenn so also die eig^entliche Frauenarbeit, das Knüpfen und
Weben, sich weiterhin im Hause selbst vollziehen konnte, wurden
aber die zahlreichen damit in Verbindung" stehenden Neben- und
Vorarbeiten der Teppichindustrie mehr und mehr von der Industri-
alisierung erfaßt und damit teilweise der Männerarbeit vorbehalten.
So finden sich 1909 in Uschak, Kula, Gördes 10 von Smyrnaer
Teppichexportfirmen eingerichtete fabrikmäßig betriebene Woll-
färbereien, ferner ein in der Fabrik in Hereke von einem deutschen
Chemiker geleitetes Laboratorium; weiterhin eine mit österreichischen
Maschinen betriebene kleine Spinnerei in Eskischehir, deren Aufgabe
es ist, die Abfälle der Teppichfabrik umzukrempeln und wieder
zu verspinnen, ähnlich wie es die 1902 in Panderma gegründete
Fabrik einer englischen Teppichfirma, welche das in dieser Weise
aufgefrischte Material nach Kutahiea liefert, betreibt.
Die schädlichen Wirkungen, welche die Arbeitsteilung in der
Teppichindustrie für Produzenten und Produkt zur Folge hatte,
waren nicht zu verkennen. Mit der wachsenden Nachfrage ge-
rieten die Arbeitenden mehr und mehr in ein Abhängigkeits-
verhältnis zu dem geschickten Exporteur, welcher auf eigene
Rechnung und Gefahr arbeiten ließ, da der Webstuhlbesitzer ge-
schäftlich zu unerfahren war, um auf seine Verantwortung arbeiten
zu lassen. Durch Lieferung des Rohmaterials und Färben der
Wolle in einem ihm selbst gehörigen Betriebe sowie durch Ge-
währung von Vorschüssen verstand er es, den Webstuhlbesitzer
und damit die arbeitenden Frauen in Musterung und Technik immer
mehr zu beeinflussen und finanziell an sich zu fesseln, sehr zuun-
gunsten des Produktes. In den neunziger Jahren war diese \'er-
schiebung so weit gediehen, daß einzelne Teppichexportfirmen selbst
die Knüpferinnen für ihre Zwecke anwarben, ihnen Material, Farben
und Muster vorschrieben, sie unter ständiger Kontrolle hielten und
nach ihrer täglichen Arbeitsleistung bezahlten. Damit wurden die
ursprünglich nur aus Freude am Schaffen und für ihre eigenen
Zwecke tätigen Frauen Akkordarbeiterinnen im Dienste eines fremden
Großunternehmers. Daß unter diesem Umschwr.ng auch die eigen-
artige Schönheit und Haltbarkeit des Erzeugnisses schwer leiden
maißte, liegt auf der Hand. Das Bestreben des L'niernehmers, so
schnell und so billig wie möglich zu arbeiten, machte sich sehr
bald in einer Vergröberung und Verschlechterung des Rohmaterials
Lorenz. Tfie Frnmmfrnac im Oi^manisr]}t>n Rinclie. 1 5 1
t)<XX3eOOOCXXXDOOOOOOOOOCXX>3000000000CXX)0000000<XXXXXXXX»OOOOC)C<XXXXXXX^^
und Musters geltend. Die von den Fabrikspinnereien gelieferten
Fäden zeigten eine geringere Haltbarkeit als das handgedrehte
Material. Die mit der Massenproduktion herbeigeführte Steigerung
der Wollpreise führte ihrerseits wieder zu einer Verwendung
schlechterer Wollsorten; die »Steigerung der Seidenpreise zu einer
Verwertung von Seidenabfällen, wie Schappkaseide, den letzten
Umwickelungsfäden der Kokons. Ja viele der sogen. Seiden-
teppiche waren nur aus einfachem Baumwollmaterial geknüpft,
welchem die Heißluftpresse ein seidenartiges Aussehen verliehen
hatte. NatürHch ließen solche Produkte raffinierter Technik die
beliebten Hauptkennzeichen des Orientteppichs, die Weichheit und
den samtartigen warmen Farbenglanz, vermissen.
Besonders nachteilig aber wirkte die Modernisierung der Technik
auf die altbewährte Methode der Färberei und damit die Farben-
echtheit des Teppichs ein. Mehr und mehr haben die alten prächtigen
Farbpflanzen neuzeitlichen, chemischen Farbstoffen Platz gemacht
und sind allmählich bis auf geringe Ausnahmen von den Feldern
Anatoliens verschwunden. So stellt sich heute der Preis für ein
Okka (= fast 2 Pfund) Gelbbeeren, welches früher 40 — 50 Piaster
kostete, nur noch auf 1 Piaster; und der Gelbbeerenertrag ist z. B.
in einem Dorfe von 60000 Okka auf 1000 Okka zurückgegangen.
Während gerade die pflanzlich gefärbten Teppiche sich dadurch
auszeichnen, daß ihre Farbentönung mit dem Altern des Teppichs
um so leuchtender hervortritt, erscheinen die auf chemischem Wege
gefärbten Gewebe anfangs in grellen Farbenkontrasten, um nachher
um so schneller zu verblassen oder unter den schädlichen Einflüssen
der Witterung zu verschwimmen. Allerdings verhielt man sich in
Unternehmerkreisen dieser nachteiligen Entwicklung gegenüber,
unter welcher der alte Ruf des Orientteppichs schwer leiden mußte,
nicht untätig. So ordnete z. B. die Smyrnaer Exportindustrie die
Einfuhr qualitätsverbessernder Alizarinfarben aus Deutschland an
Stelle der billigen und schlechten Anilinfarben an und errichtete an
den Hauptproduktionsorten eigene Färbereien unter fachmännischer
Leitung. Die Teppichknüpferinnen wurden verpflichtet, die Wolle, so-
weit sie ihnen nicht bereits in fertig gefärbtem Zustande geliefert
worden war, in diesen Anstalten färben zulassen; ja es wurden sogar
für diejenigen, welche ungeachtet dieser Vorschriften das Färben
mit schlechten Anilinfarben unterstützten, Geldstrafen festgesetzt.
x\uch der peinlichen Technik der Arbeit versetzte das wachsende
Unternehmertum einen empfindlichen Schlag, da die größtmögliche
153 THe Welt (Irs fs/ams, Band H. 1918, rieft 3j4
C<X)OCOOOC)0(XXXX300<>000000000(XXX)OOOOOOOOC)OOCXX)OOOOOOOOOOOOOOCIOCKX)COCX3^^
Schnelligkeit der Arbeit sowie eine möglichste Reduzierung des be-
nötigten Materials viel an der Sorgfalt der Knüpfung fehlen ließen.
Das Gewebe wird undicht und lose, die Zahl der Knüpfknoten pro
Quadratmeter geht beträchtlich zurück. Die Menge des gebrauchten
Wollmaterials wird auf ein Mindestmaß beschränkt. So kommt
heute auf die Ouadratelle (== 68 Quadratzentimeter) eines Uschak-
teppichs, in welche früher 2 — 3 Okka Wolle hineingeknüpft wurden,
nur noch etwa 1 ',.1 Okka: und die Anzahl der Knoten auf die
Ouadratelle, welche bei besseren alten Teppichen 78000 betrug,
ging bis auf 38 000 zurück, bei niederen Qualitäten sogar auf 1 1 000.
Heute rechnet man bei gewöhnlichen Teppichen 4 — 12, bei feineren,
auch seidenen Teppichen 25 — 36, und bei den besten Qualitäten
64 - 144 Knoten auf einen Quadratzentimeter. Die zum Knüpfen
nötige Zeit wurde dabei allmählich auf ein Sechstel bis ein Siebentel
der früher üblichen Arbeitszeit reduziert.
Einen weiteren Druck mußte die Massenproduktion aber auch
besonders auf die Lohnsätze ausüben. Nach einer Aufstellung des
Kaiserlichen Konsulates in Konstantinopel 1, welches den Lohn für
ein Batym, das sind 220 Knoten, auf 4 Para (1 Para ^ V« Pfennig) und
die durchschnittliche Tagesleistung einer Arbeiterin auf 6000 Knüpf-
knoten festlegt, werden folgende Angaben über die Lohn- und Zeit-
verhältnisse, welche der Dichtigkeit der Gewebe entsprechen, gemacht:
ür eine Quadrat eile
von
Arbeitslohn
Arbeitszeit
78000 Knoten
35 Vi Piaster
13 Tage
38000 „
17'/. „
öV. „
1 4 000 ,^
ö V2
2Vs „
1 1 000 „
5 »
1'/« »
Der durchschnittliche Tagesverdienst einer Arbeiterin stellt sich
danach auf 54 V^ Pfennig. Diese tiefen Lohnsätze, welche in An-
betracht der erwerbsmäßigen Entwicklung der Teppichindustrie zu
dem Arbeitsaufwande der Knüpferinnen ebensowenig wie zu den
Liebhaberpreisen, mit welchen das fertige Stück veräußert wird, in
einem Verhältnis stehen, werfen ein recht düsteres Licht auf die
furchtbare Notlage, unter der das heutige Teppichgewerbe in den
Händen des Unternehmertums, /.. B. in Uschak, Kula und Gördes
zu leiden hat.
Die eigenartige, unnachahmliche Ornamentik endlich konnte sich
angesichts dieser Materialvergröberung und der Anpassung der
i Berichtf für Handel un.l Industrie 1906. 1 Piaster = 18—20 Pfennige.
Lorenz, Die Fraiienfrage im Osmamschen Reiche. 153
0CCOCXD00000C)<XXXI0<XXXX>CXX)00(XXXXXI000C)00(XXXXXXX)00CXXX5^^
Muster an die Wünsche des Exporteurs nicht in ihrer alten Schön-
heit behaupten. Bald zeigten die alten Originalmuster die üblen
Eigenschaften des Massenartikels: häufig wiederkehrende und dem
Geschmacke der breiten Massen des europäischen Konsumenten-
publikums ang^epaßte Durchschnittsmuster, ja zum Teil seltsame
Kombinationen orientalischen und europäischen Mustergeschmackes,
damit aber eine Verwischung der ursprünghchen Schönheiten,
welche mit der Verpflanzung der Industrie von einer Provinz in
die andere sich immer mehr geltend machte. Nur in den ent-
legenen Nomadendörfern behauptete sich die eigene traditionelle
Musterung und Farbengebung noch unabhängig von der ver-
flachenden Geschmacksrichtung des Abendlandes, wenn auch hier
die Musterung bisweilen durch die Jahrhunderte lange Wiederholung
desselben Ornamentes in einer Familie einen etwas mechanischen
Anstrich erhielt. Fast alle Nomadenteppiche zeigen heute eine
Reihe geometrischer Figurenmosaiken, in welche stilisierte pflanz-
liche Vorbilder als Ausfüllverzierungen eingestreut sind. Das Ganze
gruppiert sich in Form mehr oder weniger breiter Randverzierungen
um ein Mittelstück. Die größeren Teppiche dageg-en weisen eine
Einteilung in mehrere runde, oder vier-, sechs- bis achteckige
Medaillons mit entsprechenden Eckfeldern auf. Besonders charak-
teristisch und eigenartig ist die durchgehende Musterung bei den
vorwiegend in Anatolien heimischen Gebetsteppichen {sedschade): in
einem meist roten Innenfelde wird die Gebetsnische, Mihrab, dar-
gestellt, ein auf schlanken Säulen ruhender Torbogen, in welchen
von oben her eine blumengefüllte Ampel hineinhängt. Die oberen
beiden Zwickel werden von Blumenranken auf hellem Grunde durch-
zogen. Auch der meist breite Rand wird von Blumen- und Blatt-
gewinden geschmückt. Aber auch diese eigenartig schöne Orna-
mentik der Gebetsteppiche, auf denen die frommen Püger, knieend
nach Mekka gewandt, ihre Gebete zu verrichten pflegten, hat sich
im Laufe der Zeit mehr und mehr, oft bis zur Unkenntlichkeit,
verwischt.
Wir woUen nun einmal die Verteilung der Industrie mit ihren
besonderen Eigentümlichkeiten auf die einzelnen Gebietsteile Klein-
asiens ins Auge fassen. Wir unterscheiden hier zunächst drei
Hauptproduktionsgebiete, welche sich um die Hauptorte Smyrna,
Siwas und Angora-Konia gruppieren.
Die Smyrnaindustrie, welche ihren Namen dem Hauptausfuhrhafen
ihrer Produkte verdankt, konzentriert sich in einer Reihe von Ort-
154 T)ie Welt des hhnns, ßmidH. 1918. Heft 3j4
00»OeOOOOCOOO«JOO«OeX3000000000000(XXXX)C500000000C»OOOOOOOCXXXXXX)OOOOC^^
Schäften, welche um die alte Provinz Bergama gelagert sind und
sich über die drei Wilajets Aidin, Brussa und Konia erstrecken.
Die Haupterzeugungsstätten der erstgenannten Provinz sind:
Uschak, Kutahia, Kula, Demirdschi, Gördes, Akhisar; für die zweite:
Kutahia, Afiun-Karahisar, Eskischehir; für die dritte: Isparta (Sparta).
Schon gegen Ende des Mittelalters war in Smyrna eine europäische
Kolonie ansässig, welche die Bevölkerung Smyrnas und des Hinter-
landes auf europäische Bestellung arbeiten ließ und zugleich auch
die Ausfuhr der Waren nach dem Auslande vermittelte. Heute
hat sich vSmyrna fast zum alleinigen Ausfuhrhafen aller anatoli-
schen Teppiche mit einer durchschnittlichen Jahresausfuhr von
6 Millionen Mark entwickelt. Das Charakteristikum der Smyrna-
teppiche ist grobe Wolle, lockere Knüpfung und hohe Schur, also
zottige und rauhe Oberfläche.
Der Haupterzeugungsort des Smyrnaer Hinterlandes ist die Stadt
Uschak, welche fast die Hälfte der gesamten anatolischen Teppiche
erzeugt. Fast die ganze Einwohnerschaft des Städtchens widmet
sich ausschließlich der Teppichknüpf erei, und zwar noch durchweg
im engen Rahmen der Familie, während nur selten mehrere Web-
stuhlbesitzer sich in einem größeren Betriebe zusammengeschlossen
haben. Von den 2000 Webstühlen, welche gezählt wurden, sind
allein 1200 ohne Unterbrechung während des ganzen Jahres tätig.
Die arbeitende Bevölkerung setzt sich zu sieben Achteln aus Frauen
und Mädchen, nur zu einem Achtel aus männlichen Elementen zu-
sammen; die Gesamtzahl der beschäftigten weiblichen Personen
behef sich 1906 auf 3500 Frauen und 750 Mädchen in der Knüpferei;
gleichzeitig waren 750 Männer, denen die Vor- und Nebenarbeiten
des Gewerbes wie Waschen, Krempeln und vor allem das Färben
der Wolle oblagen, in den Teppichbetrieben tätig; so behef sich also
die Gesamtzahl der in der Industrie beschäftigten Arbeitskräfte
auf 6000 1. Nach den Angaben von Holz über den .Smyrnateppich
kommen auf die 30 000 Einwohner des Städtchens in jüngster Zeit
8000 arbeitende Frauen. Der Wert der Jahresproduktion, welche
vor allem große Teppiche mit alttürkischen Mustern hefert, be-
ziffert sich auf 3 Millionen Mark 2.
Da die Knüpferei im Smyrnaer Industriezentrum ausschheßhch
auf Erwerbsbetrieb, den die einzelnen Webstuhlbesitzer leiten, zu-
1 Berichte für Handel und Industrie 1906.
8 Nach Frehse arbeilen in Uschak etwa 7000 Frauen in der Teppicbindustrie.
Ijr,r,'i>z, DIp Fraupyifvriaf' hn 0$)nnnhchen Ri'iche. I55
geschnitten ist. so hat die sprichwörtliche Niedrigkeit der Löhne
die Arbeiterinnen in bittere Notlage gebracht und ihre schädHche
Rückwirkung' auch auf die Güte des Erzeug'nisses ausgeübt. Die
Entlohnung, welche in Tagesgeldern erfolgt, richtet sich nach dem
fertiggestellten Knüpfstück, welches am Abend jedes Arbeitstages
nach der Anzahl der neu eingewirkten Schußfäden gemessen wird.
So stellt sich der durchschnittliche Tagesverdienst einer mittel-
mäßig geschickten Arbeiterin auf 2 — 6 Piaster, also 40 Pfennige
bis höchstens 1 Mark, während nur ganz besonders gewandte und
tüchtige Frauen einen Höchstverdienst von 2 Mark erzielen.
Die Betriebsorganisation, welche trotz der Häuslichkeit der Be-
triebsweise schon g'änzlich unter dem Drucke der Teppichexport-
firmen steht, geht von den Auftraggebern durch die Hände von
Kommissionären bis zum einfachen Webstuhlbesitzer. Die großen
Exportfirmen g'eben nun ihre Aufträge zunächst an ihre in Uschak
selbst ansässigen Kommissionäre, denen eine Kommission von
3 Prozent zusteht. Diese geben nun ihrerseits die erhaltenen Be-
stellungen an die verschiedenen Webstuhlbesitzer weiter, welche
zwar von Kommissionären Vorschüsse erhalten, aber die von ihnen
angestellten Arbeiterinnen auf eigene Rechnung' mit RohmateriaHen,
teüs im fertig zubereiteten Zustande, versehen müssen. Sie haben
also die Ausführung der Arbeit gänzlich in ihrer Hand. Nur das
Färben fällt als einzige gewinnabwerfende Beschäftigung dem
Kommissionär zu, welcher meist eine eigene Färberei besitzt.
Hierin liegt aber gerade die große Gefahr für die Qualität des
Erzeugnisses. Da ihn der geringe Gewinn in Gestalt der Abgabe,
welche ihm der Webstuhlbesitzer für das Färben leistet, nicht be-
friedigte, griff der Kommissionär zu dem unlauteren Mittel der
Oualitätsverschlechterung durch Verwendung minderwertiger Chemi-
kalien. Andererseits lag aber auch für den kleinen Webstuhl-
besitzer, welcher sich einer großen Selbständigkeit in der Hand-
habung seiner Betriebsleitung erfreute, die Verführung recht nahe,
durch möglichst billiges Material einen Nebengewinn in die Tasche
zu stecken. Erst eine Gegenströmung der großen Teppichexport-
firmen Smyrnas vermochte hier Wandel zu schaffen. In modernen
Färbereien, welche von dieser Seite gegründet wurden, gelangen
die uralten bewährten Farbstoffe, so die rotfärbende Krappwurzel,
die Gelbbeere und der aus England eingeführte Indigo wieder zu
Ehren. Als Knüpfmaterial wird die prachtvolle Schafwolle der öst-
lichen Provinzen, deren Jahresverbrauch auf 1 200000 Kilogramm
I5f) I>ic. ^ydt ,l>'s Is/arns, Hand 6. iUlH, Heft .7/4
geschätzt wird, verwendet. Je nach Färbung', INIuster und Qualität
zerfallen die Knüpfteppiche in fünf verschiedene Arten, deren Preis
für je 1 Quadratmeter sich auf lö — 20,80 Mark stellt. In diesen
Preisen sind bereits die Transportkosten bis Smyrna, Ausfuhrzoll,
Emballage, Kaigebühren, Hamal^ und Verladung, sowie ein Zu-
schlag von 2 Prozent des Wertes für den Schiffsverkehr nach Europa
mit einbegriffen.
Einer wie großen Beliebtheit bei dem europäischen Publikum
sich gerade die Uschakteppiche erfreuten, geht aus dem ungeheuren
Anwachsen der Nachfrage hervor. Während noch zu Anfang der
80 er Jahre die Jahresproduktion nach Schätzung des Kaiserlich
deutschen Konsulates einen Wert von 1,8 bis 2 Millionen Franken
besaß, war mit Anfang dieses Jahrhunderts die Nachfrage bereits
um 150 Prozent gestiegen. Wenn sich zwar auch die Webstühle
und die Zahl der arbeitenden Frauen nicht proportional der immer
größer werdenden Bedarfssteigerung vermehren lassen, so ist doch
immerhin eine Anspannung der Produktion zu einer maximalen
Leistung von 490000 Quadratpik oder einer Jahresproduktion im
Werte von 196000 Ltq. (Livres Turques) durchaus wahrscheinlich.
x^ls zweite wichtige Arbeitsstätte des Smyrrjuer Industriebezirkes
kommt neben Kutahia, dessen unter dem Nam.en Uschakteppiche in
den Handel gelangende Produkte sich ebenfalls einer großen Be-
liebtheit erfreuen, und dessen Jahresproduktion auf 80000 Quadrat-
meter geschätzt wird, das Städtchen Gördes, nordöstlich von Uschak
gelegen (32000 Einwohner), in Frage. Hier arbeiten an etwa
600 Webstühlen 2000 Arbeiterinnen unter den gleichen traurigen
Lohnverhältnissen wie in Uschak. Wie Holz bemerkt, verdient hier
eine Arbeiterin wöchentlich im Durchschnitt 4 Mark, wofür sie sich
selbst beköstigen muß. Trotzdem sind manche in der Lage, von
dieser bescheidenen Vergütung noch einen Spargroschen zurück-
zulegen. Vereinzelt wird das Teppichgewerbe auch hier von
Männern betrieben. Die Knüpfarbeit befaßt sich hauptsächlich mit
der Herstellung mittlerer und kleinerer Teppiche, besonders mit
der Erzeugung von Kamin- und Bettvorlegern, und liefert eine
Jaliresproduktion im Werte von 1,2 Millionen Mark, also etwa 1V4
der in Uschak verzeichneten Erzeugungsmenge.
Kula (17000 Einwohner), die Stadt der Gebetsteppiche, hat fast
die gleiche Anzahl der Webstühle, Arbeiterinnen und den Wert
' = (iebühren für Lastträger.
Lorenz, Die Fraue/ifroqe im Osmayiisclwn Reiche. 157
<Xi(XXX30C)0000(X)(X)0(X)0(XXXX)OÖcXX>^^
der Jahresproduktion wie Gördes. Außer den Gebetsteppichen,
bei deren Knüpfung teils Kettenfäden aus Hanf Verwendung finden,
deren Qualität einen Preis von 8 — 12 Mark für den Quadratmeter
erzielt, also nicht als erstklassig gilt, wird noch eine andere, be-
sonders gerühmte Knüpfarbeit, Filik genannt, von außergewöhnlich
geschickten Arbeiterinnen aus dem seidigen Haar der Angoraziege
erzeugt. Nur in seltenen Fällen gelangt ein solches Stück, welches
die einheimische Bevölkerung als kostbares Ausstattungsgut im Hause
verwahrt, auf den Markt, es sei denn zu einem Preise, welchem
die anderen Erzeugnisse anatolischer Knüpfarbeit nicht gewachsen
sind, nämlich 2>o — 36,80 Mark pro Quadratmeter. Unter anderem
fabriziert Kula noch für 400000 Mark Vorleger nach persischem
Muster. Der Wert der Jahresproduktion beziffert sich auf die Hälfte
derjenigen von Gördes.
In Isparta, dem Hauptplatze der um Konia gruppierten Teppich-
zentren, dessen Erzeugnisse aber über Smyrna in den Handel ge-
langen, haben sich bereits französische Phantasiemuster in die
Ornamentik gedrängt und sind in der einzigen Qualität der Teppiche
vorherrschend geworden. Der Preis dieser Produkte stellt sich bei
einer Jahresproduktion von 25 000 Quadratmeter auf 21 — 24 Mark.
Die Zahl der Knüpferinnen, welche sich auf 800 Rahmen verteilt,
beträgt 3000. Das unweit Gördes gelegene Städtchen Demirdschi,
dessen Produkte allerdings, da eine spezifische Musterung fehlt,
nicht unter dem Namen ihrer Herkunft in den Handel kommen,
liefert zwei, der Qualität nach verschiedene Teppicharten, deren
Preis zwischen 11,60 und 16,80 Mark pro Quadratmeter schwankt.
Es hat bei seiner geringen Einwohnerzahl von 8000 Personen die
erstaunliche Jahresleistung von 45000 Quadratmeter aufzuweisen!
Danach müßte, wenn man den Maßstab von Kula anlegt, wo
3000 Arbeiterinnen an einer Jahresproduktion von 25000 qm be-
teiligt sind, die Anzahl der in Demirdschi tätigen Knüpferinnen
5400 betragen, also fast zwei Drittel der Gesamtbevölkerung sich
aus teppichknüpfenden Frauen und Mädchen zusammensetzen.
Ein zweites Hauptzentrum der Teppicherzeugung, Siwas, ist dem
Europäer als das Ursprungsland kostbarer alter Gewebe bekannt.
Heute dagegen steht die moderne Industrie dieses Zentrums dem
Rufe der Smyrnaer Erzeugnisse noch bei weitem nach, da ihr
eig'entliches Wiederaufblühen erst etwa 35 Jahre zurückliegt; nachdem
die kostbaren alten Restbestände der Moscheen aufgekauft waren,
wurde die Produktion zu neuem Schaffen angespornt. Hier be-
158 1>i<' Wr/f r/.'v h/<nns, fiavd H. IUI 8, Heft Sji
eCXX>aeC)00OOOCX>30O*000C>0O0O00OO0O0(M00CIC)C)O0O0C>0OOOCKXXXXXXXX>OOOOO(X>C^^
sonders hatte sich die schwere Schädigung" der Erzeugnisse durch
billige Chemikalien, welcher nicht beizeiten Einhalt geboten wurde,
sehr fühlbar gemacht. Abgesehen von besonders wertvollen Einzel-
exemplaren, welche noch nach der altbewährten Farbmethode ent-
legener Dörfer gearbeitet werden, sind die meisten Erzeugnisse
dieses Gebietes von geringerem künstlerischen Werte. So werden
auch die großen, den ganzen Fußboden deckenden Mittelteppiche
{cn-ta halysy) fast gar nicht hergesteHt. Das Charakteristikum der
heutigen Siwasteppiche ist dicke Wolle, grobe Arbeit und hohe
Schur. Als Material dienen teils reine Wolle, teils eine weniger
geschätzte Mischung von Kamel- und Ziegenhaar; als Hauptfarben-
töne werden rot, orange, grün und gelb bevorzugt. Als Haupt-
produktionsorte kommen Zara, Divighri, Hafik, Chari-Kischla, Azizie,
Derinde und endlich Siwas selbst in Frage.
Den eigentlichen Neubegründer der Siwaser Industrie sehen die
Berichte für Handel und Industrie in dem damaligen Minister des
Innern Memduh Pascha, der als Wali in seinem Amtsbezirke Siwas
300 Webstühle errichten ließ und Vorbilder aus Persien einführte.
Im Jahre 1900 begann eine aus drei Personen bestehende Gesell-
schaft mit einem Anfangskapital von 200 türkischen Pfund zum
ersten Male mit der Einführung eines fabrikmäßigen Betriebes,
welcher 27 Webstühle und 80 Arbeiterinnen beschäftigte. Bei
einem Tageslohn von 20 Para bis 1 Piaster erwartete man von
den Knüpferinnen eine Tagesleistung von 4500 — 5000 Knoten, eine
monatliche Erzeugung von zwei Teppichen mittlerer Größe. Ein
ähnlicher Betrieb wurde 1905 von einer Smyrnaer Teppich-Export-
firma errichtet. In diesem Betriebe, welcher die alten Farbpflanzen
geschickt nachzuahmen bestrebt war, wurden ausschließlich Frauen
und Mädchen mit einem Tageslohn von 20 Para bis 2 Piaster, also
ebenfalls 10 — 40 Pfennige beschäftigt. Im Vergleich zu der Kosten-
losigkeit, mit welcher der Dorfbewohner sein Material zu beschaffen
vermochte, erwies sich aber selbst angesichts der Niedrigkeit der
Arbeitslöhne der Fabrikbetrieb nicht als sehr lohnend und konkurrenz-
fähig. Abgesehen von der Beschaffung des Wollmaterials aus
zweiter und dritter Hand, von den Auslagen für Vorbereitung
und Färbung durch fremde Arbeitskräfte, Miete usw. machte die
fabrikmäßige Betriebsorganisation auch eine Anstellung bezahlter
Aufsichtsfrauen notwendig. Aus diesem Grunde übersteigen die
Preise der Siwaser Teppiche selbst diejenigen der besten haus-
geknüpften Erzeugnisse oft um das Doppelte. Im Jahre 1907 betrug
Lorenz, Die l'rauenjragt' im Osmanisc/tcn Reiche. 15g
K>ooeeoooooocooeo(xxxxxxxx>ooo(xxxxx]00ooooooooooo(x>ocxxxxyxxxxxxxxxxx>30oocx^^
die Anzahl der Teppicliwebstühle in Siwas 800, von denen 50 für
Seiden teppiche in Betrieb waren. Hier wird nicht nur auf die
Bestellungf kleiner Unternehmer, sondern auch in Privathäusern für
den eigenen Bedarf geknüpft. Und zwar rechnet man dabei auf
10 — 12 Häuser durchschnittlich einen Webstuhl.
Die Jahresproduktion des Siwasbezirkes steht naturgemäß hinter
der der Smyrnaindustrie erhebUch zurück. In den sechs genannten
Sandschaks der Wilajets arbeiteten 1906 insgesamt 350 Dörfer mit
etwa 10 000 Webstühlen, also schätzungsweise 40000 Frauen. Nach
einem französischen Konsulatsberichte des Jahres igoo ist der
Gesamtwert der Jahresproduktion auf 2 567 500 Piaster, das sind
513350 Mark, also etwa ein Achtel der Uschaker Produktion zu
veranschlagen. Ein weiterer nennenswerter Aufschwung ist bisher
angesichts der Notlage der Frauen infolge der verschwindend kleinen
Löhne und der Konkurrenz durch die allgemein beliebten Smyrnaer
Teppiche kaum zu verzeichnen.
Wegen ihrer alten schönen Muster und Farbentönung sowie ihrer
vorzüghchen Haltbarkeit bekannt sind die Erzeugnisse besonders
der viehzüchtenden Kurden, welche unter dem Namen „kurdische
Teppiche" einen altbewährten Ruf genießen. Als Produktionsgebiet
kommt heute besonders das Wilajet Angora in Frage, obwohl die
eigentlichen Grenzen weit darüber hinausgehen. Das Wilajet ist
berühmt wegen seiner herrlichen aus dem Mohair der Angorazieg^e
gearbeiteten Seidenteppiche, seiner großen Mittelteppiche und Sofa-
decken {hart halysy). Neben der Knüpferei spielt aber auch das
Wirken von Kilims verschiedener Größen und Ausführungen eine
beträchtliche Rolle. Es werden ganz dünne durchscheinende Gewebe
und sogen. Dschidschims, eine Zusammensetzung mehrerer für sich
gewebter und bestickter dichter Teilgewebe, als Wandbehang
fabriziert. Neben dem hochentwickelten Kaisarie (Cäsarea; mit
den anderen Produktionsorten Jüsgad, Kirschschehir tritt die
Hauptstadt Angora selbst zurück.
Die Koniaindustrie, deren Produkte ihrer Herkunft nach zu denen
des Smyrnaer Zentrums gezählt werden, hat dank der Bemühungen
eines deutschen Reichsangehörigen,Matthieu,welcherin verschiedenen
Dörfern der Provinz etwa 300 Webstühle errichten ließ und der
alten Musterung wieder zu Ehren verhalf, einen bedeutenden Auf-
schwung erfahren. In den Hauptorten der Produktion: Isparta,
das bereits genannt wurde, Süeh, Permata, Nigde, Buldur, sind in
der ganzen Provinz 1200 Webstühle mit 5000 Arbeiterinnen im
i6o IHp W,-It (I.'s /s/ouif>, Hand r,. iHiH, Heft 3j4
OCOOOOOOC<XXXXXXXXX»OOOCXX>OOOOOOOCXXOOCXXX<XXX>COOOOCXX)OOOOOOOC^
Betrieb. Von diesen arbeiten, der Tabelle des Konsularberichtes
von 1906 zufolge, in Konia 200 Arbeiterinnen an 60 Webstühlen;
in Akschehir 150 an 30 wStühlen und in Permata 250 an 55 Stühlen 1.
Diese Angaben über die Anzahl der Arbeiterinnen stimmen mit
denen des Handelsberichtes aus dem Jalire 1907 über das gewerb-
liche Leben Anatoliens, Kurdistans und Arabistans überein. Diesem
zufolge wurden 1218 Webstühle mit 4870 Arbeiterinnen gezählt,
welche an einer Jahresproduktion im Werte von 11/4 Million Mark
beteiligt waren.
Auch in Adana, wo Teppiche sowohl gewebt wie gewirkt werden,
und in Mamuret-ul-Aziz, dem Lande der Kurden, wo die Teppich-
knüpferei von einer deutschen Missions anstalt in Mezre und einer
amerikanischen in Harput organisiert wird, sowie in Aleppo, Urfa
und Aintab in Syrien, ferner in Jerusalem, wo von jüdischen Mädchen
für 16 — 24000 Mark Teppiche jährlich geknüpft werden, hat die
Industrie schon seit altersher ihre Arbeitsstätte.
Haben wir bisher die Teppichindustrie in ihrer ursprünglichen,
wenn auch zum größten Teil vom Unternehmer erfaßten Form
der Heimarbeit kennen gelernt, so bleibt nun noch die Aufgabe,
die fabrikmäßig organisierte Frauenarbeit kennen zu lernen. Da
die Teppichknüpf erei selbst im großen Fabrikrahmen noch immer
im Zeichen der einfachen Handarbeit mit geringen technischen
Hilfsmitteln steht, und da eine Trennung zwischen der eigentlichen
Fabrikarbeit und ihren Übergangsstufen schwer zu machen, eine
gute Übersicht aber nur bei der Behandlung der gesamten Industrie
möglich ist, so möchte ich auch diese Betriebsformen im Anschluß
an die Heimarbeit behandeln. Zumeist haben ausländische Missions-
gesellschaften deutscher, amerikanischer und englischer Nationahtät
eine solche Entwicklung in die Wege geleitet. So hat eine Ver-
1 Stiindort Webstühle Arbeiterinnen
Akschehir 30 150
Kor 35 200
Buldur .20 100
Konia 60 200
Isparta 800 3000
Ncwschehir 24 120
Nidge 26 150
Permata 55 250
Sileh 150 600
Ürgub 18 100
insgei.imt . . i2So ■l'^To
TjOrenz, Dir traitp.nfrnqi' v)i Osmatnscht>)i Reiche. l6l
0C<)00C«00C0000<X)0(XXXO000000000000000CXXXX)0000000(XXXXX)0C)0000000CO000000<^^
einigung der bedeutendsten Teppichexportfirmen Smyrnas unter
dem Namen „Oriental Carpet Manufacturer Limited" mit dem Sitz
in London, an welcher auch deutsches Kapital beteiligt ist, die
Smyrnaer Teppichfabrik Sykes & Co. übernommen. Diese be-
schäftigte IQ 17 200 Arbeiterinnen!, bei einem Tagesverbrauch von
1600 Kilogramm Wollgarn. Auch 1908 wurde eine Fabrik in Aleppo
gegründet, welche 1916 mit 600 Arbeiterinnen und 120 Stühlen
arbeitete. Daneben hat aber auch die türkische Regierung- mit
Begründung der Kaiserlichen Fabrik in Hereke am Golfe von
Ismid ein starkes nationales Interesse an der Erhaltung und Förderung
der einheimischen Industrie bewiesen. Den Anlaß zu dieser Gründung
soU die Auswanderung einer Teppich wirkerfamilie aus Uschak nach
dort gegeben haben, für deren Erzeugnisse die Regierung ein
besonderes Interesse verraten hatte. Abgesehen vom Teppich-
gewerbe beschäftigt diese großzügig angelegte Fabrik auch in der
industriellen Herstellung von Möbelstoffen, Gobelins, Trikotwaren^
Tuchen und Flanellen, heute auch besonders für den Müitärbedarf,
zahlreiche Frauen.
Da die Teppichfabrikation Herekes, welche sich in Händen einer
armenischen Firma, Agopian & Sohn, befindet, im Dienste des
kaiserlichen Hofes die herrlichsten Ausstattungsstücke liefert, ist
die ganze Fabrikanlage vorbildlich und zweckmäßig organisiert.
Die Knüpferei selbst wird in drei hintereinanderliegenden gesunden
und hellen Sälen betrieben. Daneben leisten noch eine Abteilung
zum. Entwerfen von Mustern, welche sich in einem der Säle be-
findet, ein chemisches Laboratorium sowie eine Wollfärberei unter
Leitung eines deutschen Chemikers die besten technischen Vor-
arbeiten. Die Färberei, welche mit Maschinen arbeitet und be-
sonders gute, aus Deutschland eingeführte Alizarinfarben verwendet,
sowie die beiden anderen technischen Abteilungen beschäftigen
ausschließlich männliche Arbeiter. Das Knüpfen selbst wird von
griechischen und türkischen Mädchen vom 4. bis 15. Lebensjahre,
welche sämtlich von älteren Frauen beaufsichtigt werden, gehand-
habt. Die Zahl der Arbeiterinnen, welche im Jahre 1906 sich auf
1800 bezifferte, aber bald darauf um 350 vermehrt werden sollte,
dürfte heute wohl mehr als 1200 betragen. Die Zahl der Knüpf-
rahmen von 180 ist ebenfalls seitdem wesentlich vermehrt \uorden.
1 Junge, Türkische Textilwaren. In: Balkan-Orient. Sondernummer der Zeitschrift „Textil-
woche".
102 Die Welt Urs Islams, band U. lUt8, Heft .V/4
C)0OO«)<XXXXXX>X)OOO«OO(yXXXXWO0C»0Oa>X»O0OOCXXXXXXXXX)0OO(XXXXXXX^
Für das Wohl der Arbeiterinnen wird in einer Weise .Sorge ge-
tragen, wie sie zu der Notlage der vielen von Unternehmern auf-
gesogenen Hausbetriebe in keinem Verhältnis steht. In dem großen
Häuserkomplex der weitverzweigten Fabrikanlage, welche sogar
über eine eigene Moschee und Schule Verfügt, stehen den Knüpfe-
rinnen ein eigenes Krankenhaus und mehrere große Unterkunfts-
häuser zur Verfügung. Da viele Mädchen nach getanem Tages-
werke zu ihren jenseits des Golfes von Ismid lebenden Familien
nicht zurückkehren können, sind die meisten auf diese sehr be-
queme Einrichtung angewiesen. Beide Häuser sind streng nach
Nationalitäten gesondert; in dem einen finden die türkischen, in
dem anderen die griechischen Mädchen Aufnahme; und zwar steht
immer ein Raum mehreren Arbeiterinnen zugleich als Schlaf- und
Eßgemach zur Verfügung.
Die Arbeitszeit währt bei einstündiger Mittagspause von morgens 1 1
bis abends 1 1 Uhr, ist also elfstündig. Allerdings wird bei den ganz
kleinen Arbeiterinnen eine gewisse Rücksicht auf ihre Leistungs-
fähigkeit geübt, indem man sie, sobald sie ermüden, ablöst. Jeder
Arbeiterin steht einmal jährlich, im Frühjahr, ein einmonatig^er
Urlaub zu, während dessen der Lohn in Höhe des Durchschnitts-
gehaltes weiter gezahlt wird.
Die Entlohnung ist, wenn auch der Länge der Arbeitszeit ent-
•sprechend gering, so doch über den Durchschnitt der reinen
Hausindustrie erhaben. Der Tageslohn schwankt zwischen 3 und
10 Piastern, also 60 Pfennigen und 2 Mark, und wird nach Akkord-
arbeit gezahlt. Den Aufseherinnen steht eine monatliche Vergütung
von 400 — 600 Piaster, d, s. 80 — 120 Mark, also ein Tageslohn von
2 — 4 Mark bei freier Beköstigung zu.
Der hervorragenden Technik des Betriebes, der seine Dampfkraft
von einem durch die Fabrik geleiteten Flüßchen herleitet, und der
Verwendung nur erstklassigen Materials aus Brussa, Konia und
Angora sowie der fachmännischen Leitung in der Färberei entspricht
auch die außerordentliche Schönheit und Sanbe-':eit der Erzeug-
nisse. Es werden mit peinlich genauer Handiertigi 't ausschließlich
Knüpfteppiche hergestellt, deren Muster von einer oberhalb des
Rahmens angebrachten Vorlage, in welchr- di?» Anzahl der Knüpf-
knoten in kleine Quadrate genau eingozeiclin i lot, abgelesen werden.
Die Erzeugnisse der Fabrik, we"' he zwar an die des Smyrnaer
Produktionszentrums nicht heranreichen, erfreuen sich im Aus-
lande einer ganz besonderen Beliebtheit. Besonders seitens Amerikas
Lorenz, Die Frauen frafje hu Osrnanisclien Reiche. 163
BCXX)OOOOCXXXXX>3000000CXDOOOt)OOC)OOOOOC)000000000000<X)OOOCOO(XXX)OOOCXXXXX3^^
wurde die Fabrik mit Bestellungen überhäuft. Die Zukunft ihrer
Entwicklung wird zweifellos in Anbetracht der gesunden Arbeits-
bedingungen eine recht günstige sein. Das läßt sich schon daraus
schließen, daß der kaiserliche Hof seinen anspruchsvollen Bedarf
fast ausschließlich in diesem Betriebe deckt, daß ferner die Anzahl
der Arbeiterinnen und die Zahl der Webstühle innerhalb von
6 Jahren (1900 bis 1906) beträchtlich angewachsen war (die Zahl
der Arbeiterinnen von 350 auf 800); und daß schon bald darauf
eine weitere Vermehrung des Arbeiterpersonals geplant wurde.
Während die Fabrik in Hereke im Kriegte das Schwergewicht
ihrer Produktion auf die Befriedigung des Heeresbedarfes legte,
hatten andere fabrikmäßig organisierte Unternehmen der Teppich-
knüpf erei unter den Einwirkungen des Krieges erheblich zu leiden.
So wurde in Urfa bis vor kurzem vom deutschen Waisenhause
eine Teppichfabrik unterhalten, welche sich heute in den Händen
der deutsch-orientalischen Handels- und Industriegesellschaft m. b.H.,
Potsdam, befindet, die als Inhaberin der Teppichmanufaktur in Urfa
eingetragen ist. Wie der Handelsbericht von 1907 meldet, ging
das deutsche Waisenhaus in der Teppichindustrie seinerzeit vom
reinen Hausbetriebe zum gemischten Haus- und Fabrikbetriebe
über, und zwar derart, daß das Spinnen im Hause selbst, die Knüpf-
arbeit in der Fabrik erfolgte. Während der Betrieb früher lang-
haarige Smyrnateppiche herstellte, bevorzugte man später mehr
und mehr den kurzhaarigen persischen Typ mit einer weit höheren
ELnotenzahl, eine Entwicklung, welche der üblichen Vereinfachung
durch Material- und Zeitersparnis gerade zuwider lief. So konnte
teilweise eine Erhöhung' der Knotenzahl von 45000 auf 70-, 100-,
ja 150000 pro qm bewerksteUigt werden. Wie es in dem Berichte
heißt, bot der Arbeitssaal der Fabrik allein 500 Knüpferinnen Raum,
Insgesamt arbeiten etwa 300 Webstühle an einer Jahresproduktion
von 400000 Mark. Heute scheint der Betrieb fast gänzHch ein-
gestellt zu sein.
Auch in anderen Fabrikbetrieben, wie in Smyrna und Aleppo,
arbeiten, den Darlegungen von Totomjanz zufolge 1, bis 300 Web-
stühle mit etwa 3000 Arbeiterinnen.
So hat sich gegenüber den fremdstaatlichen fabrikmäßigen
Organisationen des Teppichgewerbes die Fabrik in Hereke noch
am sichersten behauptet, und zwar wohl hauptsächlich deshalb,
1 Totomjanz und Toptschjan, Die sozial-ökonomische Türkei, S. 64.
Die Welt des Islams. Band 6. II
164 Di'' Welt des Tshnns, Band H. i9tS, Hrft 3} 4
weil ihr Betrieb, wie auch das Beispiel der eng-lischen Carpet
Manufakturer Ltd., welche zug-leich Webereien und Spinnereien in
Panderma betreibt, zeigt, nicht ausschließlich auf die Teppich-
industrie zugeschnitten war. Überhaupt verträgt die türkische,
besonders die anatolische Teppichindustrie, wie ihre Entwick-
lungsgeschichte lehrt, die vSchematisierung des reinen Fabrik-
betriebes ebensowenig wie die Geschmacksrichtung europäischer
Muster und Farbengebung. In dem Augenblicke, wo das Unter-
nehmertum mit der Bedarfssteigerung Europas in die Erscheinung
trat, sank die Teppichknüpferei von ihrer künstlerischen Höhe in
die Sklaverei mühsamen Broterwerbes; verschwenderisch in der
Produktionsmenge, aber arm an Erfindung und künstlerischer
Stilisierung, geizig an Material, Die prächtigen, uralten Stücke
jahrelanger Heimarbeit, welche einst in Moscheen und Palästen von
wenigen Kunstliebhabern gehütet wurden, sind heute ein All-
gemeingut geworden, dem ewig wechselnde Modelaunen zum Teil
schon ihr Gepräge aufgedrückt haben, deren Nachahmung man
sich heute schon mit Erfolg befleißigt hat^. Deutsche und eng-
lische Firmen wetteifern längst mit dem Orient zusammen an greller
Buntheit und Derbheit, und meist rühmt der Unkundige mit Stolz
das in seiner Heimat entstandene „Orienterzeugnis" als echtes
Produkt. Von allen Seiten wird mit Erfolg zur Nacheiferung ge-
predigt, welche notgedrungen eine weitere Entwertung der echt
orientalischen Kunst herbeiführen muß. Trotzdem aber ist es bis-
her dem Auslande noch nirgends gelungen, der mühsameti Technik
des Knüpfens eine gleichwertige Fabrikationsmethode entgegen-
zustellen. So hat bisher noch keine Maschine das Zusammenpressen
der einzelnen Knüpfknoten, welches die Arbeiterinnen mit einem
eisernen Kamm durch starkes Schlagen bewerkstelligen, zu ersetzen
vermocht. Also trotz aller Fabrikationstechnik, trotz Industriahsierung
des Hausbetriebes durch den Unternehmer ist die uralte eigen-
tümliche Technik dieselbe geblieben; und hierin liegt gerade nocli
heute die Konkurrenzlosigkeit des Orientteppichs begründet. In
einem Lande moderner Großindustrie läßt sich heute ein Fabrik-
zweig, welcher ausschließlich Handarbeiterinnen beschäftigt, nur
schwer einführen, abgesehen davon, daß die Güte des Materials es
mit den konkurrenzlosen Rohstoffen der tierischen und pflanzlichen
Produktion der Türkei nicht aufnehmen kann, daß ferner die absolute
^ Koch, Die Teppichfabrikation.
I^renz, Die Fvaaenfracie im 0»maidscJu^)i Reiche. IÖ5
<>oo(Xxi(MX>eiocx90oaooooooooooooooooo(XXMOooooooooooooeooo(XxxMooooötxxxxxx}oooooo^^
Echtheit orientalischer Musterung und Farbengebung hier sehr in
Frage gestellt sein würde. Kaum wird ein Land, welchem orientali-
sche Phantasie und Stilisierung fern liegen, in mühsamer Lem-
methode sich das aneignen können, was der eigentliche Kern der
Bevölkerung Anatoliens in jahrhundertelanger Praxis bis in das
letzte Glied seiner Famüie betätigte, eine Kunst, welche die Natur
schon dem umherziehenden Urbewohner Zentralasiens in die Wiege
gelegt hat.
Um die Bedeutung dieses Gewerbes für die Lebensfähigkeit eines
Volkes noch besser zu verstehen, müssen wir noch einmal einen
kurzen zusammenfassenden Blick auf die Anzahl der in ihm tätigen
Personen werfen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Zählung
nur den geringeren Teil der gesamten Arbeitsbevölkerung erfassen
kann, während die Fülle der rastlosen Nomadenstämme, welche das
belebende Element in die Knüpfkunst tragen, dabei fast unbei-ück-
sichtigt bleiben muß.
Rechnet man die Anzahl der für die einzelnen Teppichstädte
aufgeführten Arbeiterinnen und Webstühle zusammen, so ergibt
sich für die beiden Wilajets der Smyrna-Industrie die Gesamtzahl
von 12550 Arbeiterinnen und 4070 Webstühleni; für Siwas und
Angora waren nähere Angaben über die Anzahl der Knüpferinnen
nirgends zu finden. Doch ließe sich für Siwas, wo die Anzahl der
Webstühle auf 800 angegeben wird, auch die Anzahl der Arbei-
terinnen schätzungsweise bestimmen, wenn man auf jeden Knüpf-
rahmen im Durchschnitt 2,5 Arbeiterinnen rechnet. Danach würde
man ihre Anzahl auf 2800 festlegen können; in Konia betrug die
Anzahl der Arbeiterinnen 4870, die der Webstühle 1 2 1 8, in Hereke
arbeiten heute etwa 1200 Mädchen an über 800 Webstühlen. Da-
nach arbeiten in den drei genannten Provinzen Anatoliens, welche
^ Wilajet Aid in:
Arbeiterinnen Webstühle
Uschak 6000 2000
Gördes 2000 600
Kula 2000 600
Demirdschi 1000 400
insgesamt . .11 000 3600
"Wilajet Brussa:
Kutahia 1 200 'Igöo
Karahisar 200 40
Eskischehir 150 30
insgesamt . . 1550 570
II*
l66 Die ^Vdt dex hlams, BainJi',. lUlS, Heft Sji
'-<XOOOOOCCOCXXXXOOCOOOCKXX1COOOCXX10CXXXXXX>0^^
nicht zu den dichtestbevölkerten zählen, nachweisbar allein etwa
2 1 500 Frauen und Mädchen an etwa 7000 Webstühlen. Wenn
man bedenkt, daß diese Summe in einem unbesiedelten Lande nur
einen verhältnismäßig geringen Prozentsatz der teppichknüpfenden
Bevölkerung darstellt, daß in diesen Hauptprovinzen noch ein großer
Teil der weiblichen Bevölkerung der Weberei und Spinnerei ob-
liegt, dann wird man zugeben, daß die Lebensfähigkeit ganz
Anatoliens mit der Entwicklung dieses Gewerbes steht und fäUt.
Diese Tatsache wird noch deutlicher, wenn wir sie kurz an Hand
einiger Ausfuhrzahlen betrachten. Die Einfuhr von Orientteppichen
nach Deutschland betrug:
im Jahre 1906: 270000 kg,
„ „ 1907: 608000 „
„ „ 1910: 912000 „ 1;
hatte also innerhalb von 5 Jahren eine Steigerung um mehr als
das Dreifache erfahren. Im Jahre 1913 führte Deutschland allein
für 9,3 Millionen Mark Teppiche aus der Türkei ein. Die Ausfuhr
des türkischen Hauptausfuhrhafens Smyrna wurde 1906 auf
schätzungsweise 7V2 Millionen Francs berechnet, woran England
mit 73, Frankreich mit 14, Amerika mit 8, Deutschland mit Öster-
reich und Rußland zusammen mit 2 Prozent beteiliget waren, wobei
allerdings zu berücksichtigen ist, daß England die Rolle des
Zwischenmarktes für die nach Amerika und Frankreich bestimmte
Ware spielte. Da die Türkei als ein zur Textilindustrie prädesti-
niertes Land gilt, dessenungeachtet aber vor dem Kriege noch
für 2 Millionen Mark Textilwaren bezog", fällt die hohe Ausfuhrzahl
ihrer Teppichindustrie doppelt ins Gewicht.
Um so mehr aber nimmt die Frauenarbeit in der Türkei, welcher
dieses hochkultivierte Gewerbe sein Dasein und das rückständige
Land seine Haupteinnahme verdankt, als Wirtschaftsfaktor einen
Hauptplatz in der gesamten türkischen Volkswirtschaft ein.
Freilich haben die Ereignisse des Krieges mit dem Arbeiter-
mangel und wirtschaftlichen Tiefstande der wichtigsten Erwerbs-
zweige dieser Industrie tiefe Wunden geschlagen, welche nur schwer
wieder heilen dürften. Wie H. W. Schmidt in seinem kürzlich er-
schienenen Auskunftsbuche über die Türkei berichtet, wurden nach
Beginn des Krieges die reich gefüllten Teppichlager von ihren Be-
^ Laut Druckschrift zur Ausstellung deutscher Teppiche in Berlin. Dt. Lev.-Ztg. 1913,
Heft 6, S. 219. '
i
J^orenz, JJie Franeitfrai/e im Os:m(niheheii Reicht'. 107
*C<>O6CJCOO0OO0O0O0aO00O0OC»OC>0(XXXICXXXX»C)00OO0O00CXXXXXXXXXXXXXXXX>^^
sitzem zu den niedrigsten Preisen ausverkauft. Erst als sich die
Gemüter wieder einigermaßen beruhigt hatten, begannen die Preise
in die Höhe zu steigen. In dieser Zeit sicherten sich besonders
deutsche Händler die Restbestände, indem sie für 6 Millionen Mark
Waren aufkauften, ungeachtet des hohen Agioverlustes von 20 — 25
Prozent, da diese Zahlung in türkischem Gelde erfolgen mußte. Damit
stiegen aber die Teppichpreise weiter bis auf 55 — 80 Prozent ihres
ursprünglichen Wertes; die Bestände der türkischen Teppichlager
aber erschöpften sich auf diese Weise, da eine Wiederauffrischung
in Anbetracht der wirtschaftlichen Nöte, der Verwertung der Textil-
rohstoffe für den Heeresbedarf und der Anspannung sämtlicher
Textilgewerbe für die Heeres versorgring, wodurch diesem Produktions-
zweige ein heftiger Schlag versetzt wurde, zunächst unmöglich schien.
Dazu hatte sich die türkische Regierung durch zahlreiche Depor-
tationen der gewerbfleißigsten christlichen Elemente, und damit einer
starken volkswirtschaftHchen Stütze beraubt. So schildert die
deutsch-orientalische Handels- und Industriegesellschaft, die wir
bereits als Inhaberin der Urfaer Teppichfabrik kennen, auf meine
an sie gerichtete Anfrage über den heutigen Stand ihrer Organi-
sation die augenblicklichen Verhältnisse daselbst als trostlos. Die
Gesellschaft beschäftigt in ihren Arbeitsstätten, in Mesopotamien,
etwa 2000 Personen mit Spinnen, Färben und Handweberei. Augen-
blicklich ist aber die dortige Industrie völlig lahmgelegt, da die
bisherigen Arbeitskräfte und leider auch alle Ersatzkräfte ver-
schwunden sind. Sie schreibt: „Die von der türkischen Regierung
verhängten Deportationen, welche die intelligenteste und gewerb-
rieißigste Bevölkerung christlichen Bekenntnisses getroffen haben,
haben mit dem Menschenmaterial so gründlich aufgeräumt, daß
auch die Frage, ob nach dem Kriege eine Erholung möglich ist,
leider wenig Verheißungsvolles bietet. Unter den gegenwärtigen
Verhältnissen kann man nicht mehr sagen, auch nicht darüber, wie
die Stellung der türkischen Regierung gegenüber der kommenden
türkischen Volkswirtschaft sein wird, weil man nicht wissen kann,
was von ihr noch übrig bleibt, wenn das seit Jahrhunderten tätigste
Element gewaltsam ausgeschaltet ist." Wenn man auch freilich
aus diesem Berichte nicht auf die allgemeine Kriegslage der ge-
samten Teppichindustrie Rückschlüsse ziehen kann, so steht doch
ziemlich sicher fest, daß erst einige Jahre ruhiger Erwerbsarbeit
wieder über das an Gut und Menschenmaterial verarmte Land ge-
zogen sein müssen, ehe man mit einer Wiederbelebung rechnen darf.
iö8 Die. Welt dr-^ fsfams, Band i'>. iUiH, Heft :ij
Der orientalische Farbensinn findet nun aber nicht allein in der
mühsamen Knüpfarbeit der Teppichkunst seinen Ausdruck; die
Muße der türkischen Frau hat ihre Hand auch in einigen anderen
geschickten Kunstgriffen geübt, welche der europäischen Hausfrau
bei der Unrast ihrer Tagesarbeit so schnell verloren gehen, im
Orient aber in die nüchterne Kahlheit der großen Räume die
warmen Farbentöne stilisierter Handarbeit zaubern. So ist das
mohammedanische Anatolien auch das Ursprungsland einer anderen
Hauskunst geworden, welche ihre eigenartigen Erzeugnisse in die
farbenarme Welt hinausschickt. Über die anatolischen »Sticke-
reien äußert sich Hopf in seiner Abhandlung im orientalischen
Archiv: „Sie reden wie heitere Volkslieder zum Herzen und geben
uns viel Stoff zum Nachdenken." Und weiter: „Wenn wir uns in
die lebendige Sprache ihrer Formen und Farben versenken, so
steigen beglückende Empfindungen in unserem Innern empor, wie
sie nur eine echte und zugleich liebenswürdige Kunst erwecken
kann. Wir beginnen mit Rührung' an die bescheidenen stillen
Frauen zu denken, deren Fleiß wir sie verdanken. Es geht uns wie
dem Reisenden, der Gelegenheit findet, das intimere Leben der
anatolischen Völkerschaften einigermaßen kennen zu lernen und
von Ehrfurcht für die warmen Kunstwerke erfüllt wird, die sicli
hier überall offenbaren. • — Wir sehen die Ergebnisse einer hoch
entwickelten Geschmackspflege vor uns und beginnen Ahnungen
für die Gemüts- und Bildungsschätze zu bekommen, die unserer
gewohnten Auffassung und dem ganzen Dogma unserer modernen
Kunsterziehung spotten. Keine Schule, keine Ausstellungen, keine
Kunstliteratur!" Um wieviel mehr muß man also bei der schlichten
Ursprünglichkeit dieser dem Erwerbsgedanken einst so fernstehenden
Kunst über ihre hohe Vollendung in Musterung und Ausführung
staunen! Schon als Kind beginnt das Mädchen, welchem von der
Mutter die Kunstfertigkeit und das Farbenverständnis angeboren
und anerzogen wurde, ihre Aussteuer, den Schmuck ihrer Kleider
und ihres Heimes mit den Erzeugnissen ihrer Stickereikunst zu
zeichnen, wobei die eigene Phantasie und das eigene Stilisierungs-
vermögen ihr schon frühzeitig zu Hilfe kommen. Die Vollendung
in Musterung und Farbenton ist gewissermaßen, wie Hopf es auch
nennt, eine Übersetzung der Natur in die Forniensprache mit dem
individuellen Einschlage der erfinderischen Arbeiterinnen. Als
Vorbilder werden die verschiedensten Blatt- und Blumenpfianzen
gewählt. Aber auch die Darstellung von Vögeln, wie Pfauen und
Jjoreiiz, Die Frauen frage im Osmanischen Reiche. 169
Papageien, gegen welche selbst die streng sunnitische Glaubens-
lehre nichts einwenden konnte, werden vielfach in die bunte und
vergoldete Musterung eingewirkt. Alle Arbeiten zeigen bei der
größten IndividuaHtät eine völlige Übereinstimmung in der Technik
ihrer Entstehung. Diese Handfertigkeitskunst, welche aus dem
natürüchen farbenfrohen Kunstempfinden des Orientalen, aus seiner
Fähigkeit, die Kunst der Natur in natürliche Kunst umzuwandeln
und zu rhythmisieren, herauswuchs, konnte auf die technischen Hilfs-
mittel europäischer Handarbeit fast ganz verzichten, besonders
soweit eigene Schöpfung in Frage kam; und das war bei dem
Hauptprozentsatze aller Arbeiten der FalL Daneben traten die
Vorbüder der klassischen Kunstperiode, deren Einschlag sich z. B.
in manchem Teppichmuster verrät, mehr oder weniger in den
Hintergrund. Nach den Erfahrungen Hopfs ließ selbst die Muste-
rung altgriechischer Töpfereien nirgends auf Kopierung durch die
Stickereikunst schließen. Wo es sich aber um genauere Nach-
bildungen handelte, ließ sich der Ursprung der Arbeit auf Werke
der Inseln Rhodos, Chios, Mytüene und andere Vorbüder alt-
griechischen und byzantinischen Ursprunges zurückführen. Eine
geschmackvoll zusammengestellte Sammlung zum Teü illustrierter
Handarbeiten, welche eine Vertiefung in den Farbenreichtum und
die Eigenart dieser Kunst ermöglichen, gibt uns B. Dietrich 1 in
seinem hübschen Sammelwerke. In diesem hat er die auf seiner
asiatischen Reise gesammelten Erfahrungen niedergelegt. Zur Er-
forschung der älteren und gegenwärtigen Stickereiarbeiten des
Orients hatte er nämlich im Jahre 1907 mit Unterstützung des
Reichsamtes des Innern eine Reise nach dort unternommen. Natur-
gemäß boten sich bei der ursprünglichen Wesensart der Kunst
als Familientradition, welcher vor allem die mohammedanisch-
türkische Frau oblag, der Erforschung größte Schwierigkeiten. Da
gerade in mohammedanischen Kreisen der eigentliche Kernpunkt
orientaUschen Kunst- und Erfindungsvermögens ruht, dem fremden
Schauer aber naturgemäß ein solches Wirken verborgen bleiben
muß, so wird dem Interessenten viel, ja das Schönste dieses Frauen-
fleißes verborgen bleiben. Anders liegen die Verhältnisse dort,
wo die Stickerei als reine Erwerbsarbeit von Armenierinnen,
Griechinnen und Jüdinnen an Orten, die eine zentraüstische Er-
fassung im Interesse des Unternehmers ermöglichen, betrieben
1 Dietrich, Klelaasiatische Stickereien, Plauen 191 1.
170 T)ip Welt ih's Islams, Bernde. i9i><,ITeft 3 4
e o c o aoeecxaoooe o eo^ooooooooooooooooooooooooooooocxxxxxxxoooocooooooooooocxxxxxxyxxxx^^
wird. Naturgemäß ist die Kunst aber in diesem Rahmen, wie wir
es bereits bei der Teppichindustrie kennen lernten, der Moderni-
sierung des modelaunischen Auslandes und unverhältnismäßigen
Preisschwankungen unterworfen. Zwar wird man dessen ungeachtet
selbst auch im reinen Erwerbsbetriebe die Stickereien als Familien-
vermächtnis erhalten finden, da ja eine spezielle Ausbildung der
arbeitenden Elemente bis vor kurzem nicht möglich war. Aber
selbst der Umfang dieser erwerbsmäßig tätigen Familienindustrie
läßt sich bei der Zurückgezogenheit, welcher auch das armienisch-
griechische Bevölkerungselement unterworfen ist, nur mit Mühe
feststellen. Denn nur ungern läßt sich der Unternehmer dazu
herbei, über die gegenwärtige Lage seiner Arbeiter Aufschlüsse
zu geben. Nach Ansicht Dietrichs liegt aber die Annahme, daß
die familienmäßig betriebene Stickerei zurückgegangen sei, insofern
nahe, als andere mehr gewinnversprechende Beschäftigungen die
Frauenarbeit in neue Bahnen gelenkt haben; hierhin gehört u. a.
die Aufnahme der Seidenzucht bei kleinen Ansiedlern, welche die
Mithilfe der gesamten Familie erforderte. Damit machte die Haus-
stickerei einen ähnlichen Entwicklungsgang durch wie die Teppich-
knüpferei. Obwohl noch mehr als jene an das Haus gefesselt,
geriet auch sie mehr und mehr in die Hände des ausbeutenden
Unternehmers, der die ursprüngliche Eigenart ihrer Erzeugnisse
vom reinen Gewinnstandpunkte mit seinen eigenen europäisch ge-
färbten Erfindungen übertünchte. Diese Entwicklung wurde noch
dadurch begünstigt, daß die Stickerei an eine größere Familien-
organisation gebunden war und das Fehlen materieller Sorge
voraussetzte; beides Bedingungen, denen die Jetztzeit nicht mehr
gerecht zu werden vermag. So gerieten die Arbeiterinnen mehr
und mehr unter den Druck der Unternehmerorganisation.
Da, wie schon hervorgehoben, die Standorte der Hausindustrie
sich hauptsächlich nur in ihrer zentralistischen Erfassung durch
den Unternehmer feststellen lassen, so bietet die Hauptstadt hierfür
die sichersten Anhaltspunkte. In Konstantinopel hat die Stickerei
ihre Arbeitsstätte vorwiegend in den am Marmarameer gelegenen
ärmeren Stadtteilen Stambuls, besonders in dessen Ortsteile Psamatia,
einem an der äußersten Südseite der Stadt gelegenen Arraen-
\Hertel; während das europäisch-vornehme Pera und Galata die
mühsamen Handarbeitsprodukte der notleidenden Bevölkerung in
den Handel bringen. Das arbeitende Volk des Südens, dessen
Frauen und Mädchen diesem harten Broterwerbe obliegen, setzt
Lorenz, IHe Franenfroge im Ofmanischen Reiche. 171
C«e0eOOOOCXXXXXXXXK)OO(XXXI00000O0OO0000CXXXXXXXXXX)O0CICXXX)OOO0OOO000OO0CXXXX>00000O0000O0000OCXX>^^
sich in der Hauptsache aus Armeniern, Griechen und Spaniolen
(das sind spanische Juden), zusammen. Hier liegt die Org-anisation
der Industrie weniger in den Händen kleiner Händler, Basarbesitzer,
welche zwar auch hin und wieder einige Arbeiterinnen für ihren
Bedarf arbeiten lassen, als vielmehr im Bereiche großer Geschäfts-
häuser, welche entweder die Stickerei ausschließHch, oder aber in
Verbindung mit der Produktion anderer türkischer Textilwaren, wie
Teppiche, für ihren Bedarf beschäftigen. Daher scheint auch die Zahl
dieser Großunternehmer nicht erhebUch zu sein. Aber der Umfang
der einzelnen Hausbetriebe erfährt durch sie eine beträchtliche
Ausdehnung. So ergaben Erkundigungen, welche Dietrich bei zwei
solcher Geschäftshäuser einzog, daß jedes von ihnen etwa 300 — 500
Personen beschäftigte. Die Stickerinnen, welche sowohl auf Be-
stellung wie auf Vorrat arbeiten, werden vom Unternehmer mit
Stoff, der das bereits aufgedruckte Muster enthält, oder einer illu-
strierten Zeichnung nebst Stickmaterial versorgt. Während ihrer
Arbeit unterstehen sie einer strengen Beaufsichtigung durch den
Fabrikanten selbst oder dessen Beauftragten, ein Umstand, welcher
es auch begreifHch macht, daß nur wenige Türkinnen diesem Erwerbs-
zweige obliegen. Nach Beendigung der Arbeit erfolgt die Ab-
lieferung direkt an den Unternehmer, der jedes einzelne Stück
bezahlt und es je nach seinem Ausfall annehmen und zurückweisen
kann. Die Unternehmerorganisation hat den einen Vorteil, daß-
sie eine Wiederholung wertvoller alter Muster lohnend macht.
Über die Lohnhöhe werden in Unternehmerkreisen nur ungern
oder gar keine Angaben gemacht, eine Tatsache, welche mit der
Notlage der heimarbeitenden Stickerinnen hinreichend erklärt wird.
Man kann also auf die niedrigsten Sätze schließen, welche zu der
Kunstfertigkeit und Geschicklichkeit der Arbeiterinnen in keinem
Verhältnis stehen. Auch läßt sich ein bestimmtes Schema für die
Löhne nicht festlegen, da sie je nach der Geschicklichkeit und
Schnelligkeit der Arbeiterin, je nach der Marktlage gewissen
Schwankungen unterworfen sind. Bei Lecomte findet sich die-
Angabe, daß der Tagesverdienst einer gewöhnlichen Stickerin
2 — 4, einer besseren 5 — 10, und einer Kunststickerin 20 Piaster
betrage (40—80 Pfennig; 1 — 2 Mark; 4 Mark). Da aber fast sämt-
liche Unternehmer sich übereinstimmend dahin äußern, daß der
Betrieb nur bei sehr niedrigen Löhnen gewinnbringend sei, so-
muß man wohl im Durchschnitt an der niedrigsten Lohngrenze
von 40 — 80 Pfennig Tagesverdienst festhalten.
«72 I>ie Welt <lrs hhnm, Hand H. 19 IS, Ilejl. Üi i
>o«oee€icicwcxxcaaoe o oooooooo<yx»ooooo90ogQpopo90ooocopoooo(xwp90poooopp9POogpp9^
Da die Arbeitskräfte der türkischen Frauen sich bei der Strenge
der Aufsicht dem Machtbereiche des Unternehmers entziehen, die
Erzeugnisse ihrer Heimarbeit aber den größten Anspruch auf
künstlerische Vollendung machen dürfen, so bemüht sich der Händler,
auch einen Teil dieser Produkte käuflich zu erwerben. Die für eine
solche indirekte Erwerbsarbeit in Frage kommenden Türkinnen haben
ihre Wohnstätten hauptsächlich in Pera; daher darf man wohl mit
Dietrich schließen, daß es sich in der Hauptsache um bessere, feinere
Arbeiten handelt; denn auch die Armenierinnen, Jüdinnen undSpanio-
linnen, welche in Pera selbst ansässig sind, liefern zumeist kostbare
Stickereien, welche sie dem Käufer aus freiem Antriebe anbieten.
Zwar droht nun aber gerade diesen gewerblich unabhängigen
Privatarbeiten an einem internationalen Brennpunkte wie Konstan-
tinopel die Gefahr der Maschine. Ja teilweise hat hier schon die
vielfach angepriesene Tamburmaschine der mühsamen aber solideren
Technik der Hand den Garaus gemacht.
Diese Gefahr konnte sich aber kaum in die entlegenen Arbeits-
stätten Kleinasiens verirren. Das war im Interesse der Originalität
und Schönheit der Stickereikunst um so erfreuücher, als gerade die
entferntesten dörflichen Arbeitsstätten, welche der Macht des Unter-
nehmers entzogen waren, die sorgfältigsten und unverfälschtesten
Arbeiten lieferten. So vollzieht sich, über ganz KJeinasien ver-
breitet, der Stickereibetrieb weit mehr als in der Hauptstadt im
Rahmen des reinen familien mäßigen Hausbetriebes. Nur an den
Orten, welche sich um ein wichtiges Verkehrszentrum gruppieren
und eine Zusammenfassung leichter machen, hat sich auch das
Unternehmertum festgesetzt und der Kunst den Stempel der Er-
werbsarbeit aufgedrückt; freilich nicht in dem Maße, wie in den
übervölkerten Bezirken der Hauptstadt. Denn in den an der anatoli-
schen Bahn gelegenen Ortschaften zogen es viele türkische Frauen
und Mädchen vor, sich der gesunden Tätigkeit in einem ländlichen
Nebengewerbe, z. B. der Seidenspinnerei zu widmen; und die dünn
gesäte Bevölkerung des inneren Kleinasiens machte zudem einen
ausgedehnten Unternehmerbetrieb unmöglich. So tritt z. B. in
Brussa, Adabazar, Biledschik und Eskischehir das Stickereigewerbe
neben Seidenzucht und Seidenspinnerei in den Hintergrund; und
in der kaiserlichen Fabrik in Hereke hat der Maschinenbetrieb über
die Handarbeit die Oberhand gewonnen.
In Ismid, wo Dietrich durch Vermittlung eines armenischen
Priesters Zutritt zu einer Familie erhielt, wurden nebep kleinen
J.oreru, Die hrauenfrage im Osinuiiischen li eiche. 173
!y)to-.<\y.<XXXXCXXXXXX)O0OO0CCxkxXXXXXXX)0(»000C)00O000000PC)O0OCKX)O0000p0O0000000C)OCXX
Seidenteppichen sehr schöne Decken hergestellt, und zwar in einem
Umfange, der auf einen Betrieb größeren Stiles schließen ließ.
Auch in Adabazar wurde gleichfalls die Herstellung schöner Spitzen
und Stickereien beobachtet. In Konia werden außer Stickereien
gröberer Ausführung und Musterung auch solche stiHstischer und
farbenharmonischer Vollendung aus sehr feinem Garn- und Battist-
material von alteingesessenen, wahrscheinlich türkischen Familien,
hergestellt und im Hause des dortigen deutschen Konsuls gezeigt.
In Siwas werden hauptsächüch grobe Stickereien auf Tischdecken
und Vorhängen angefertigt. In den Hauptzentren, welche die
Teppichknüpferei in großem Maßstabe betreiben, scheint die häus-
liche Stickerei nach Angaben Dietrichs unerhebhch zu sein; ja, hier
besteht auch seiner Meinung nach die Gefahr, daß die den Be-
wohnern vielfach angepriesene Singernähmaschine die Reste müh-
samer Handarbeit weiter verdrängt. Die entlegenen Ortschaften
Anatoliens, welche die Stickerei noch in schlichter UrsprüngHchkeit
betreiben, lassen sich nun selbst bei hervorragender Landeskenntnis
deutscher Forscher nicht in den Bereich unserer Betrachtungen
ziehen. Wie weit sich aber die Ader dieser Kunst bis in das Herz
Kleinasiens verzweigt, läßt sich schon aus der Tatsache entnehmen,
daß die Warenhäuser großer Städte die Erzeugnisse der anatoU-
schen Stickerei zum Verkauf stellen, daß überhaupt das gesamte
Ausland ein lebhaftes Interesse für diese Kunstprodukte zeigt.
Bei der originellen Wesensart der Stickerei hat das Fehlen jeg-
lichen Fachunterrichtes sich nicht als Mangel fühlbar gemacht,
sondern im Gegenteil der Phantasie der Arbeiterinnen den weitesten
Spielraum g-elassen. Besonders soweit es sich um türkische Arbeits-
kräfte handelte, erübrigte sich ja bisher eine spezielle Ausbildung
von vornherein; aber auch die anderen zahlreichen griechischen
und armenischen Anstalten, sowie die Schulen französischer Ordens-
schwestern, wie wir sie bereits unter dem Kapitel „Unterrichtswesen''
kennen lernten, arbeiten auf eine solche Spezialausbildung überhaupt
nicht hin. Vielmehr legen sämtliche Anstalten dieser Art den
Hauptwert auf Herstellung von Wäsche, Weißstickereien und
hübschen Spitzen. So befähigt z. B. die griechische Mädchenschule
in Pera, welche ihre Schülerinnen bis zum 1 8. Jahre unterweist, die
Teilnehmerinnen, für einen zur griechischen Kolonie gehörigen
Wohltätigkeitsbasar mitzuarbeiten. Der freien Erfindung und dem
Spiel der Phantasie werden aber hier schon durch bestimmte
Muster\'orschriften der Leiterin, welche teilweise Wiener Mode-
174 ^^'<' ^^'''^' '^^'•^' /«/""'S /i(t)i(t U. 19 1H, Heft :: 4
ot ^aea«coo(X)oeQoe«ocooocxxxxxxxxxxxxx)ocxiooc)cx»ooooooo(x»ooocx)oocx)oooooc>cxx)ooooooooocxx>cx^^
Zeitungen entnommen sind und naturalistisch gehaltene europäische
Motive bevorzugen, Schranken gesetzt. Auch die Brussaer Schule
der Soeurs de St. Vincent de Paul, welche ihre Produkte auf
Rechnung der Schule in Klein asien selbst absetzt oder auf Be-
stellung nach Paris liefert, fertigt ihre Arbeiten nach Musterbüchern
und Zeichnungen des Pariser Ordensstammhauses an.
Wenn auch die Ausbildung in diesen Schulen in ihrer Gründ-
lichkeit den Schülerinnen eine gute Erwerbsgrundlage bietet, so
fehlt doch dieser Art der Erzeugnisse, welche nur in weiß gehalten
werden, alles das, was man an der Eigenart orientalischer Stickereien
bewundern muß. Es lassen also diese schulmäßigen Pflegestätten
der weiblichen Handarbeit das originell Künstlerische im Unterrichte
vermissen. Um so wertvoller tritt darum die echte anatolische
Stickerei als unverfälschte Volkskunst in die Erscheinung.
Wie die Standorte der Stickerei, so lassen sich auch die jeweiligen
Absatzverhältnisse, denen sie unterworfen ist, nur schwer ermitteln,
da in Anbetracht der äußersten Zurückhaltung der Unternehmer
alle hierfür wichtigen Faktoren, wie die Zahl der Arbeitgeber und
Arbeiter, die Lohnverhältnisse, Wert und Unkosten der Produktion,
Unternehmerg'ewinn usw. einmal Schwankungen unterworfen und
dann überhaupt nicht zu ermitteln sind.
Bei der Vorliebe der türkischen Frauen für alle Erzeugnisse
europäischen Modegeschmackes kann man annehmen, daß der
Tnlandsabsatz, für den besonders Konstantinopel in Frage kommt,
nicht erheblich sein wird, zumal ja auch die vornehme Osmanin
ihren Bedarf an kunstgewerblichen Gegenständen durch eigene
Handarbeit decken kann. Der Hauptvertrieb der Fertigwaren ruht
in den Händen zahlreicher Basarbesitzer, Kleinhändler, welche in
der Hauptstadt mit der bunten Schaustellung ihrer Waren das
Auge des kauflustigen Fremden reizen. Infolge der Warenunkundig-
keit des ausländischen Käufers, sowie der Verständnislosigkeit des
Kleinhändlers für bessere und minderwertige Ware stehen natürlich
die bezahlten Preise in keinem Verhältnis zu der Beschaffenheit
des Produktes; und die Preistreiberei zeitigt an diesen Handels-
stätten ihre üppigsten Blüten.
An der Ausfuhr der türkischen Stickereien, welcher also der
Inlandsabsatz nachsteht, sind fast alle europäischen Staaten, be-
sonders Nordamerika, beteüigt. Auch deutsche Warenhäuser suchen
sich durch ihre Agenten einen großen Teü dieser hausindustriellen
Erzeugnisse zu sichern. So wurde von einem Unternehmer die An-
J^orenz, TJie Fiytvmfrage hu Osnianischen Räche. 175
0C<XXX)0CXXXX>(XXX)000000(XXX>00000000(XXXXXXX>0000000000000000000000000000000CO00000000000a00^^
gäbe gemacht, daß das Warenhaus A. Wertheim jährlich von ihm
allein für 40 — 50 000 Mark Stickereien bezöge. Da nun dieses Ge-
schäftshaus seinen Bedarf zweifellos noch bei anderen Unternehmern
deckt und mit seinen Aufträgen unter den deutschen Warenhäusern
nicht allein dasteht, so kann man sich die Ausdehnung des aus-
ländischen Absatzgebietes einigermaßen verdeutlichen. Allerdings
läßt es sich bei der Unkenntnis der europäischen Aufkäufer nicht
vermeiden, daß neben erstklassiger auch minderwertige Ware zur
Ausfuhr gelangt, weil sich der Käufer mehr durch die jeweilige
Niedrigkeit des Preises als durch die Güte des Produktes bestimmen
läßt. Auf diese Weise übt der fremde Händler einen Druck auf
den türkischen Unternehmer, welcher sich in einer weiteren Herab-
setzung der Preise zu Ungunsten der Ware äußert. Möglichste
Ersparnis an Produktionskosten, also hauptsächlich an Material,
Arbeitslöhnen usw. wirken schädigend auf den Stand der Industrie
selbst und der Schönheit ihrer Ausführungen zurück. Statt Farben-
harmonie macht sich Effekthascherei breit; das gute Seidenmaterial
findet in Baumwolle einen billigen Ersatz. Wir können also hier
dieselbe Entwicklung beobachten, wie sie die Teppichindustrie mit
der Bedarfssteigerung des Auslandes und dem Eindringen des
Unternehmertums durchzumachen hatte.
Sehr mannigfach sind die Erzeugnisse, denen die anatolis9he
Stickkunst den Stempel aufgedrückt hat. Alles, was das Luxus-
bedürfnis der vornehmen Dame und die Farbenfreude und Gemüt-
lichkeit des orientalischen Wohnhauses befriedigen kann, wird in
den Dienst der fleißigen Stickerinnen gestellt: Diwankissen, Teppiche,
Decken, Gürtel, Wanddekorationen und Behänge, Samtpantoffeln
mit Gold- und Süberfäden bestickt, Turban- imd Bolerotücher,
Käppchen und Stickerei für Männerbekleidung kommen als Haupt-
erzeugnisse des türkischen Kunstgewerbes in Frage. Besonders er-
freuen sich farbige, mit Metallfäden durchwirkte Arbeiten einer großen
Beliebtheit. Als Motive werden mit Vorliebe der Halbmond, der
Heilsspruch des Sultans: Fadischali tschok jascha (Lang lebe der Sultan)
und der Namenszug des Sultans, die pyramidale Tughra verwendet.
Als Material dienen hauptsächlich Baumwolle, Seide, Halbseide,
Leinen, Wolle, Tuch, Plüsch und Samt.
Über die Grenzen Kleinasiens hinaus hat aber die Kunstgeübtheit
der osmanischen Frau noch ihre weiteren Kreise gezogen und in
Damaskus, Beirut und Kaisarie ihre Hauptarbeitszentren gefunden.
Sowohl deutsche als auch amerikanische Orientkommissionen haben
176 Die WpÜ des fsl<uns. Bund H. 1^18, Heft 3 4
besonders in Syrien ihre eigenen Werkstätten gegründet, in denen
hen'orragende, besonders durch ihre Billigkeit einzig dastehend«-,
Nadelarbeiten und Stickereien, ähnlich den beliebten Teneriffa-
arbeiten angefertigt werden.
Mit der Herstellung der verschiedenen weiblichen Handarbeits-
produkte steht Damaskus an der Spitze. In Jerusalem werden die
Kinder in der Evelina-Rothschild-Mädchenschule in verschiedenen
Handarbeiten unterwiesen. Auch im Wilajet Aleppo, besonders in
Aintab und in Urfa, hat sich die Stickerei unter der Obhut einer
amerikanischen Mission, welche zarte Leinen- und Battiststickereien,
Tischdecken, Besätze, Kinderwäsche usvv. herstellen ließ, zu einer
erfreulichen Blüte entwickelt; allerdings dank des starken Über-
angebotes an Arbeitskräften, welches eine Entwertung der weib-
lichen Arbeit und damit Herabsetzung der Löhne zur Folge hatte.
Dem Handelsberichte des Jahres 1907 zufolge ^ arbeiten in Aintab
allein 1500 — 2000 Frauen und Mädchen im Haupterwerbe an solchen
Nadelarbeiten und außerdem noch die gleiche Anzahl im Neben-
gewerbe, insgesamt also 4000 Frauen in der Handarbeitskunst; das
sind 5,7 Prozent der gesamten Einwohnerschaft (70000). In Urfa
betreiben etwa 2000 Frauen die Nadelarbeit als häusliches Neben-
gewerbe (Urfa ist eine Stadt von 70000 Einwohnern).
Einer der ältesten Zweige weiblicher Handarbeit ist besonders die
Spitzenindustrie, welche in Palästina^ als größte Hausindustrie
die Frauenarbeit in ihren Dienst stellte. Im Libanon werden haupt-
sächlich Spitzen nach irischer Art verfertigt, deren Jahresausfuhr
sich auf etwa 1 Million Frank belief und hauptsächlich für New York
bestimmt war. In Jerusalem werden, dem Palästinahandbuch zu-
folge, 100 — 150 jüdische Frauen und Mädchen zu außerordentlich
niedrigen Löhnen in der Spitzenhäkelei beschäftigt. Im Jahre 1909
Avurde dieser Erwerbszweig noch durch eine besondere Technik,
sowohl in der Rothschildschule und der Gewerbeschule Alliance
vervollkommnet; eine Frau Dr. Thon eröffnete die erste Werkstätte
und verstand es auch, eine jüdische Frauenorganisation für ihre
Gründung zu interessieren. So konnten 1911 über 200 Frauen
und Mädchen in Jaffa, Jerusalem, Ekron und Tiberias in der Spitzen-
industrie ihren Lebensunterhalt verdienen. Die ersten Proben dieser
Frauenarbeitsorganisation waren so günstig, daß bald vom Lyzeum-
1 Berichte für Handel und Industrie 1907.
* Trietscb, Palästina-Handbuch.
IjOrenz, Die Fraiietifraqe int (hinauischen Reiche. 177
klub in der Volkskunstabteilung eines der ersten Warenhäuser eine
Mustersammlung veranstaltet werden konnte. Nach dreijährigem
Bestehen hatte die Industrie bereits Tausende von Frauen in ihren
Bannkreis gezogen, welche unter Lohnbedingungen, die den in der
Brüsseler Spitzenindustrie üblichen Sätzen nicht nachstehen, an-
gestellt waren.
In Aintab wurde die Spitzenindustrie vor zwanzig Jahren von
einer amerikanischen Mission unter den armenischen Frauen und
Mädchen eingeführt. Vor dem Kriege standen nach den Angaben
Ruppins 3 — 4000 weibliche Personen im Dienste der Spitzenkunst,
welche eine Jahresproduktion von einer halben Million Frank
lieferte. Naturgemäß hat der Krieg auch diese wichtige weibliche
Erwerbsarbeit, welche, wie bereits angedeutet, auf dem Überangebot
weibUcher Arbeitskräfte fußte, nicht unberührt gelassen, sondern
vielmehr auch zahlreiche solcher Heimarbeiterinnen im Dienste der
kriegswirtschaftlichen Bedarfsdeckung herangezogen und damit an
Stelle der künstlerischen die praktische Bedürfnisbefriedigung ge-
setzt. Man kann sich diese Entwicklung am besten an Hand der
verschiedenen wirtschaftlichen Vereinsorganisationen ver-
deutlichen, welche aus den Erfordernissen des Krieges heraus-
wuchsen 1.
2. Wirtschaftliche Vereinsarbeit.
Schon unmittelbar nach dem Balkankriege war der „Essirkeme
Derneji", ein „Schutzverein für Frauen" gegründet worden, an
dessen Spitze die Tochter des verstorbenen Sultans Suleiman, Sahibe
Hanym, als Präsidentin trat. Abgesehen von Aufgaben sozialer
Fürsorge, welche sich der Verein in der Unterstützung notleidender
Familien und der Versorgung der damals in großen Scharen ein-
wandernden rumelischen Flüchtlinge setzte, war sein Augenmerk
besonders auf die Zusammenfassung weiblicher Arbeitskräfte im
Dienste der Volkswirtschaft gerichtet. Seine besondere Aufmerksam-
keit widmete er einer höheren Kunstschule für Mädchen, welche
vom „Komitee für Einheit und Fortschritt" ins Leben gerufen
worden war; er selbst gründete eine Handarbeitsschule für Waisen-
mädchen. Geschickte Propaganda durch Vorträge und Schriften
seiner Vorsteherinnen bewirkten eine schnelle Ausdehnung dieser
Organisation in alle Winkel der Hauptstadt. Schließlich plante der
^ Vgl. Türkische Frauenvereine, W. I. I, S. 222, und Türkische Frauengesellschaftcn^
W. I. U, S. 20.
178 J>ie Wdt äe.^ fsfains, /i.mdt!. 1918, Heft 3j4
9caoeeoooc<x»oeoe«ooocxx)0000000cxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx)c«300ooooooooocicxx}^^
Verein noch, sich mit 70 Prozent seiner Mitghederbeiträge an der
Gründung einer Wirtschaftsvereinigung zu beteiligen, um den so
erzielten Reingewinn wiederum für Wohltätigkeitszwecke anzulegen.
Wieweit die praktischen Ergebnisse dieses Unternehmens jedoch
den Erwartungen entsprochen haben, ließ sich von hier aus nicht
ermitteln.
Neben diesem Schutzverein hat sich ein anderer Wohltätigkeits-
verein für Frauen unter dem Namen: „Verein zur Förderung heimi-
scher Produkte" den Schutz der türkischen Industrie- und Manufaktur-
waren zum Ziele gesetzt. Mit der Gründung von Schneiderwerk-
stätten für Frauen kam er einem allgemein empfundenen Bedürf-
nisse der osmanischen Frauenw^elt entgegen. Viele Frauen waren
in der Lage, diese Werkstätten mit einem Befähigungsnachweise,
welcher zur Errichtung einer eigenen Arbeitsstätte berechtigte, zu
verlassen und sich damit einen ausreichenden Lebenserwerb zu
sichern. Ein von einer Lehrerin herausgegebenes Organ, dessen
Mitarbeiter sich ebenfalls aus Frauen zusammensetzen, sorgte für die
Verbreitung der neuen wirtschaftlichen Vereinsziele und interessierte
die Öffentlichkeit für die Neuordnung der Frauenarbeit.
Der Bedarfssteigerung des Weltkrieges verdankt ein anderer
wirtschaftlicher Frauenverein seine Entstehung. Im Jahre 1915 hatte
sich, wie die Islamische Welt (Nr. 7 S. 381) meldet, ein „Verein
zur Hebung der heimischen Industrie" {Isti/dak TJscheinidy) gebildet,
welchem das nationale Bestreben der Erhaltung einer türkischen
Mode zugrunde lag. An seiner Spitze stand die Gemahlin Enver
Paschas Nadschie Sultane. Man woUte die osmanische Damenwelt
also mit der Nationalisierung der Mode vor dem Eindringen europäi-
scher Modewaren schützen, und damit der Inlandsproduktion ein
größeres Absatzfeld sichern. Dem Beispiele der Suitana, welche
den Verein mit ihrem Auftrage beehrte, schlössen sich bald zahl-
reiche Vertreterinnen der vornehmen türkischen Damenwelt an und
sicherten so dem jungen Unternehmen von vornherein einen großen
Abnehmerkreis. So wurden mit den leistungsfähigen Betrieben der
türkischen Textilindustrie, wie den Hereke-Stoff-Fabriken, zwecks
Lieferung der Materialien Abkommen getroffen. Die Produktion
befaßte sich hauptsächlich mit der Anfertigung von Frauengewändern
aus baumwollenen und wollenen Geweben für den Hausbedarf. Um
die Industrie weiterhin für die nationalen Bestrebungen dienstbar
zu machen, wurden Frauen zur Erlernung der Schneiderei in den
Werkstätten untergebracht. Zu Anfang hatten etwa 100 in einer
JyOrenz, Die Fraui'nfrane im Onmanifthen li eiche. 179
eC«0O0C0C<XXXX)0OOO00000OOOO00O00000OO0O0C)0O0OOCXXXXX»0O0CXXX)OO0OOO0OCXXXXXXXX500CK^
kleinen Arbeitsstätte Aufnahme gefunden. Bald suchten aber ein«
so große Anzahl Frauen aus allen Kreisen in der Erlernung dieses
Handwerkes ihren Broterwerb, daß heute in den zahlreichen bereits
errichteten Werkstätten, welche ständig vermehrt werden, etwa
loooo Frauen in der Anfertigung von Wäsche und Kleidungs-
stücken Beschäftigung finden. Viele an das Haus gefesselte Frauen,
auch Soldatenfrauen, wurden im Rahmen der Heimindustrie zu
dieser nationalen Vereinsarbeit herangezogen. Zum Vertriebe der
auf diese Weise hergestellten Fertigwaren hat der Verein seine
eigenen Verkaufsstätten an den verschiedensten Punkten der Haupt-
stadt errichtet.
Einen weiteren Beweis für die wirtschaftliche Tatkraft der Frau
liefert die Gründung eines Warenhauses in Bab Aly, welches eine
Frauen-Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von 30 000 türki-
schen Pfund ins Leben gerufen hat. Die Selbständigkeit der
Gründerinnen macht sich hier schon recht deutlich darin bemerkbar,
daß nur Frauen in den Aufsichtsrat gewählt werden und im Be-
triebe tätig sein dürfen. Hier werden nun alle weiblichen Bedarfs-
artikel türkischer Produktion zum Verkauf gestellt, welche durchweg
weiblicher Erwerbsarbeit ihren Ursprung verdanken. Die Leiterinnen
dieser Organisation und deren Zweiganstalten erhalten ihre fach-
liche Ausbildung in Konstantinopel selbst. Heute sind in Skutari,
Bebek und anderen Bosporusortschaften, ferner in Smyrna und
Brussa Zweiganstalten dieser Organisation entstanden. Besonders
im Dienste des Heeresbedarfes hat sich die Leistungsfähigkeit des
Vereines erprobt. So wurden die verschiedensten warmen Ausrüstungs-
stücke für das Heer, an den Roten Halbmond und von hier aus an
die Front geliefert. Im Jahre 1915 war der Verein in der Lage,
aus eigenen Mitteln die Einrichtung eines ganzen Lazarettes mit
300 Betten zu liefern. Vielen durch den Krieg mittellos gewordenen
Frauen und Mädchen schuf der Verein mit seinen wirtschaftlichen
Aufgaben ein angenehmes und einträgliches Arbeitsfeld; dem ge-
steigerten Heeresbedarfe kam er mit den soliden und billigen Er-
zeugnissen seiner Werkstätten entgegen. Ein in der Islamischen
Welt, Nr. 7, veröffentlichter Artikel, welcher eine junge, brotlos
gewordene Arbeiterin die Segnungen des Vereins rühmen läßt,
veranschaulicht die Arbeiten der Frauen in Wort und Bild.
Unter den wirtschaftlichen Organisationen, welche den Reform-
bestrebungen des türkischen Nationalismus entwachsen sind (wie die
Zünfte, die Vereinigung türkischer Kaufleute, Konsumvereine u. a.).
Die Welt des I-lams Band 6. 13
i8o hie Welt des hlams. Band i>. 191V, Heft 314
•O0Oee«0OO0OOOO0O900000CX»0C>00CXXXX)00e)CXX)000000O00(X¥XXXXXXXX3000000CI0O0O0O0O0OOr^^
wird auch von Tekin Alp ein „Konsumverein für Frauen" genannt i,
der kürzlich gegründet wurde und von türkischen Damen geleitet
und unterhalten wird.
Gerade in dem Punkte des wirtschaftlichen Zusammenschlusses liegt
nun die besondere Stärke und Entwicklungsfähigkeit der gesamten
osmanischen Frauenfrage, die ja, wie wir gesehen haben, aus der
plötzlichen Intensivierung des türkischen Wirtschaftslebens heraus-
gewachsen war. Mehr als Wort und Schrift im Dienste einiger
weniger besonders mutiger Vorkämpferinnen vermochten derartige
notwendige Organisationen von dem Werte der Frauenarbeit zum
Wohle des Volksganzen zu überzeugen; dies um so mehr, als ohne
ihr tatkräftiges Mitwirken die Befriedigung des Heeresbedarfes
und die Kriegsfürsorge noch mehr in Frage gestellt worden wären.
c) Frauenarbeit im Handwerke.
Wenn wir uns im Vorhergehenden ein Bild von dem Wirkungs-
kreise der Frau in der Textilindustrie und deren Nebenindustrien
zu machen suchten, so wollen wir auch die anderen, dem Orient
eigentümlichen verschiedenen Zweige feineren Handwerkes, in
welchen auch die Frau ihre Hand rührt, nicht vergessen. Bei
den einzelnen türkischen Industrien, die den Weltmarkt und den
Fremden mit den farbenfrohen eigenartigen Ziergegenständen des
Orients erfreuen, spielen die wundervollen Fayencen, welche die
prächtigsten Moscheen schmücken, die ziseHerten Metallarbeiten,
sowie zierliche Holz- und Perlmutterarbeiten die Hauptrolle. Eine
strenge Scheidung zwischen reinem Handwerks- und Industrie-
betriebe läßt sich in diesen Produktionszweigen nicht durch-
führen. Ganz allgemein kann man nur dort, wo sich das be-
treffende Kunstgewerbe in größerem Maßstabe vollzieht, dieselbe
Tatsache beobachten, wie wir sie bei der Entwicklung der Textil-
industrie feststellen konnten : Die Verwischung der eigenartigen
Muster- und Farbenharmonie, eine Schematisierung der Kunst auf
Kosten ureigenster Erfindung.
Die Fayenceindustrie, welche einst unter den Seldschuck en ihre
höchste Blütezeit erlebte und in den uralten Werken ihrer Glanz-
zeit die schönsten Denkmäler gesetzt hat, hat sich heute aus ihrer
Hauptproduktionsstätte Konia fast ganz nach Kutahia zurück-
gezogen. Vasen, Geschirre und Zierteller, auch Platten, welche in
1 Tekin Alp a. a. O. S. 37.
TjOrenz, IHi' Fvaiienfraqf bn Ooytanischen Reiche. 181
eoaoe e ecoc)ooooGce«oooooooooooooooooocx»ooooooooooooocxxxxxxxxxxxx)ooc)oooooocxxxxox)oooocxx)ooooo<^
Holz gefaßt zu Tischen verarbeitet werden, bilden die Hauptgegen-
stände der Produktion. Während die Herstellung der Biskuits von
Männerhänden besorgt wird, ist die Hauptarbeit, die Ornamentik,
Sache der Frauen und Mädchen. Blau, braun und rot auf gelbem
Gnindton wirken als charakteristische Farbentöne in der Musterung
zusammen. H. W. Schmidt schildert die Entstehung eines solchen
Farbenspieles folgendermaßen: „Man benutzt zur Herstellung der
Muster Papierschablonen, die über den Brand gelegt werden. So-
dann werden die Schablonen mit pulverisiertem Graphit eingestaubt.
Die Umrisse werden mit der Hand in Färb tusche ausgeführt. Zum
Schluß wird das Stück in Glasur getaucht und erneut gebrannt" 1.
In diesem Zustande gelangt nun der Gegenstand zu ziemlich hohen
Preisen auf den Markt. Meist übersteigt die Nachfrage nach
echten Fayencen das Angebot, so daß häufig Liebhaberpreise für
die Waren gezahlt werden.
In besonderer Blüte stehen die kunstgewerblichen Industrien in
Syrien, vor allem in Palästina, wo eine weit verzweigte Andenken-
fabrikation den Ansprüchen des Fremden und des Pilgers gerecht
wird. Süberfiligranschmuck in Gaza, Bernstein- und Perlmutter-
arbeiten in Bethlehem, feine mit Metall eingelegte Holzwaren wie
Ziertische, Kästchen, Spazierstöcke, Schirm- und Peitschengriffe u. ä.,
mit deren Herstellung sich auch das kleinasiatische Afiun-Kara-
hissar befaßt, ferner Arbeiten aus Olivenholz, Ziergegenstände aus
Kalkstein, Ton und schwarzem Stein vom Toten Meere sind die
typischen Gegenstände des palästinensischen Kunsthandwerkes. In
der Herstellung feiner Holz- und Metallarbeiten, deren Erzeugung
einen Jahreswert von lyg Millionen Francs besitzt, werden über
1000 Arbeiter und Arbeiterinnen meist jüdischer Konfession be-
schäftigt. Die Löhne sind nach Ruppin wie überall in der Türkei
sehr niedrig und betragen für erwachsene Mädchen 50, für Kinder
10 — 30 Centimes am Tage.
Das Metallkunstgewerbe hat seinen Hauptsitz in Damaskus. Über
die Besichtigung einer solchen Arbeitsstätte, in welcher fein ver-
zierte MetaUgegenstände hergestellt werden, berichtet Junge 2,
Danach trägt der Betrieb, in welchem vollkommene Arbeitsteilung
durchgeführt ist, schon einen reinen Fabrikcharakter. Die Ar-
beiterinnen, zum großen Teil Kinder schon vom fünften Jahre an,
1 H. W. Schmidt, Nachschlagebuch.
2 Junge, Das Metallkunstgewerbe in Damaskus, Archiv für Wirtschaftsforschung im Orient II.
12*
i82 iJie Welt des hlams. H<,nd H. VHS, fleft 3j4
•C<>0*O0OC»OO0OG00«00000O00000000000OCXXXX»O0O0OOOO0O(XKXXXXXXXXX)e)O00OO<XXXX»^^
führen auch hier die Ornamentik aus, indem sie über die aut-
Cferauhten Stellen des Metallgegenstandes mit großer Geschicklichkeit
feine Silberfäden führen und aufhämmern. Heute fehlt es auch
diesem Kunstgewerbe, welches früher schon durch einfache, aber
geniale Linienführung sich auszeichnete, an der großen inneren
Krfindung. Die Fabrikationsmethode hat also auch hier Schönheit
und Eigenart dem Quantitätsprinzip geopfert.
Während sich in Anatolien der Einschlag islamischen Geistes
auch in der Art der gewerblichen Frauenarbeit erhalten hat, so
erstreckt sich der Wirkungskreis der Armenierin, unabhängig
von religiöser Weltanschauung, über den Rahmen der Familie
hinaus auf handwerkliche Erwerbsarbeit. Hier, wo der Bewegungs-
freiheit der Frau keine so engen Grenzen gesteckt sind, vollzieht
sich die Frauenarbeit auch außerhalb des Hauses in ziemlicher
Mannigfaltigkeit. In zwei Formen tritt, ähnlich wie bei den
Männern, das Handwerk der armenischen Frauen in die Erschei-
nung: erstens als Störwerk, zweitens als Preiswerk i.
Die Störerin, welche von Haus zu Haus zieht und mit eigenen
Werkzeugen unter Aufsicht des Arbeitgebers die gelieferten Roh-
stoffe verarbeitet, finden wir als Näherin, die meist Störarbeit
mit Hausarbeit verbindet, indem sie feinere Ausstattungsstücke im
Hause des Arbeitgebers selbst näht bzw. zuschneidet und in ihrem
eigenen Hause beendigt, tätig. Weiterhin tritt sie als Kürschnerin,
welche ebenfalls im Hause des Arbeitgebers Frauenpelze aus Fellen
oder Samt anfertigt, als Thonirmacherin, welche den aus Ton ge-
fertigten Backofen abbrennt und außer dem Frühstück den Lohn
für die gesamte Arbeit erhält, in die Erscheiwung. Schließlich ist
auch die Bäckerin, die täglich bei mehreren wohlhabenden Familien
Brot und anderes Backwerk herstellt, und meist einmal wöchentlich
bei jedem ihrer Kunden erscheint, hervorzuheben. Sie erhält
außer dem Lohn meistens Kost und die Speisen für ihre Kinder.
Als Preiswerkerin beschafft sich die erwerbstätige Frau die Roh-
stoffe selbst und liefert die hergestellten Fertigwaren als unab-
hängiger Produzent auf den Markt. Auf der niedrigsten Stufe
der Preiswerker stehen die städtischen Frauen, wie z. B. die Gold-
bandmacherin, welche in ihrer Wohnung Schnüre aus Wolle und
vSeide zur Verzierung anfertigt und meist auch von hier aus ver-
kauft. Auch die Hosenträgerweberin verkauft ihre Produkte ent-
1 Vgl. Tarajanz, Das Handwerk bei den Armeniern.
Lorenz, Die FraucnfruQ'' 'm OsmarmrJien Reiche.
weder unmittelbar von ihrer Wohnung aus oder durch den Hausierer.
Die Tonarbeiterin verfertigt in ihrem eigenen Hause Herde in
verschiedenen Größen.
Trotz der Verschiedenart ihrer Tätigkeit als Störerin und Preis-
werkerin sind aber auch der armenischen Prau gewisse traditio-
nelle Vorschriften heilig, welche sie von der lebhaften Öffentlich-
keit des Marktlebens fernhalten. Daher ist auch nach Ansicht
von Tarajanz^ das armenische Frauenhandwerk weniger entwick-
lungsfähig als das der Männer. Trotzdem zeigt sich gerade in
diesen Handwerksbetrieben, welche die anatolische Türkin nicht
kennt und welche den Wirkungskreis der einfachen Armenierin auf
eine ganz andere Stufe stellen, die absolute Verschiedenheit beider
Volkselemente. Wenn auch äußerlich sogar von beiden dieselben
Sitten befolgt werden, so besitzen sie doch im Punkte des Erwerbs-
lebens die geringste Gemeinsamkeit. Während die Türkin in
häuslicher Beschaulichkeit und reiner Schaffensfreude ihrer müh-
samen Knüpfarbeit obüegt, sieht der Erwerbssinn des Armeniers
eher über die Erfordernisse der Landessitten hinweg und treibt
die Frauen bisweilen in seinem eigenen Interesse zum Verkauf ihrer
Produkte in die Öffentlichkeit.
d) Die Frauenarbeit im industriellen Großbetriebe.
Von den Übergang'sformen zwischen Handwerk und Industrie
gelangen wir nun abschließend zu den noch vereinzelten Erscheinungs-
formen der türkischen Großindustrie, in w^elchen die Frauenarbeit
ihre Wirkungsstätte gefunden hat. Zunächst greifen wir wieder
auf das Hauptfeld des türkischen Gewerbes, die Textilindustrie,
zurück. Da ist es vor allem die Seidenspinnerei, deren Technik
in einer von der Dette Publique errichteten Seidenschule in Brussa
gefördert wird, welche die weibliche Erwerbsarbeit in ihre Dienste
gestellt hat. Brussa, die alte vom Götterolymp beschattete Stadt
der Moscheen, in welcher sich auch der Kosa Han, die große
vom buntorientalischen Treiben belebte Seidenbörse befindet, ist
heute zu einem der gewaltigsten Arbeitszentren aufgeblüht. In
den großen Seidenfabriken der Stadt sind kleine und große
Mädchen eifrig bei der Arbeit. Die jüngeren zehn- bis zwölf-
jährigen schlagen aus den in Becken liegenden Kokons die un-
brauchbaren Teile -heraus. Die Spinnermädchen wickeln die Masse
1 Tarajanz, Das Gewerbe bei den Armeniern.
i84 Tfie Welt den Jdams, Band H. 1918, lieft 3j4
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der Fäden zierlich auf und bring^en sie auf ilirem Rade an. wSo
schreibt Schmidt in seinem Auskunftsbuche über die mühsame
Arbeit weiter: „Die Arbeit erfordert gr()ßte Aufmerksamkeit, aber
geschickte Hände gewinnen mit der Zeit eine solche Gewandtheit,
daß sie ohne Unterbrechung vonstatten geht. Von morgens bis
abends, meist von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang arbeiten
die Mädchen unermüdhch, wobei sie im Durchschnitt in normalen
Zeiten sieben Piaster pro Tag (1,20 Mark) verdienen, während die
Mädchen, welche die Kokons schlagen, nur 50 Para erhalten
(30 Pfennig). In der Frauenabteilung wird die Ordnung der bisher
bearbeiteten Ware vorgenommen. Große Wagen werden im Hofe
mit Rohseideballen beladen, von denen jeder 100 kg wiegt." F^
erfolgt dann Verfrachtung nach der Station Mudania, von wo die
Ware direkt nach der Hauptstadt und im Frieden mit dem Dampfer
nach Europa geht.
Weiterhin informiert über die türkische Seidenspinnerei das Buch
vonKaerger. Nachdem die Kokons gedämpft, getrocknet und sortiert
sind, gelangen sie, wenn sie nicht nach Frankreich versandt
werden, in die hauptsächhch an der anatohschen Bahn gelegenen
Seidenspinnereien: Adabazar, Köplü, Biledschik, welche nach gleicher
Methode eingerichtet, entweder mit Dampf- oder Wasserkraft ge-
speist werden. Die Anfäng-e der Gespinstfäden werden von den
Frauen heruntergekratzt und dann auf ein Rad geleitet, welches
sie abhaspelt. Er schreibt: „Es werden ausschliel:ilich Arbeiterinnen,
meist Griechinnen oder Armenierinnen, in den Spinnereien an-
gestellt und mit 3 bis 3'- Piaster am Tage entlohnt. Die Arbeit
dauert von »Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang mit geringer
Unterbrechung- zur Mittagszeit. Dabei kann eine Arbeiterin am
Tage 250 Gramm Seide spinnen, wovon das Kilo mit 43 bis
50 Frank bezahlt wird. Von diesem Preise entfallen also nur
3 Frank auf den Arbeitslohn." Also sowohl im Verhältnis zu
dem Werte der Arbeit wie zum Lohne der Männer, welche 6 bis
8 Piaster erhalten, sind diese Lohnsätze außergewöhnlich niedrig.
Auch Toptschjan berichtet, daß sich in der Nähe von Biledschik bei
Ismid zwölf Seidenfilaturen, fast alle in Händen von Armeniern, be-
finden. Auch in diesen Betrieben seien fast durchweg Armenierinnen
beschäftigt, während die vereinzelten Türkinnen schon dadurch
kenntlich seien, daß sie auch hier den Schleier nicht ganz ablegen.
Die ungeheure Steigerung des Textilwarenbedarfes durch die
Ansprüche des Heeres begünstigte naturgemäß die Errichtung
Lorenz, Die Frauenfrage im Osmanischen Beiche. 185
eoooeoooooooooeoeaoooooooooooooooooooooooooooooooocxxicxxMooooooooooooooooooooooooooooooooooooooeeooeo
neuer und die scliarfe Heranziehung bereits bestehender Fabrik-
betriebe. So beschäftigt die große, elektrisch betriebene Militär-
tuchfabrik und Maschinenstrickerei in Fes Hane bei Konstantinopel
eine Näherei, welche in der Lage ist, die gesamten Fabrikerzeug-
nisse zu konfektionieren. Durch die starke Heranziehung weib-
licher Arbeitskräfte wurden die Schwierigkeiten in der Arbeiter-
frage damit glatt gelöst. Wie Junge 1 berichtet, erwies sich hier
die Frau trotz der Schleierfrage als gut verwendbar, so daß heute
stellenweise an den Maschinen bis 80 Prozent Frauen, unter denen
die Türkinnen zahlreich vertreten sind, sogar unter männlicher
Aufsicht, arbeiten.
Einer Mitteilung des „Ikdam" zufolge hat sich eine Neugründung,
„die islamische Gesellschaft zur Förderung der Frauenarbeit", mit
der Organisation der weiblichen Fabrikarbeit befaßt. Ihrem Ein-
flüsse ist es zu danken, daß eine in Pera arbeitende Webwaren-
fal^rik heute bereits 400 Frauen beschäftigt, während die in Erenköj
befindliche Zweigfabrik mit 100 Arbeiterinnen im Betrieb ist. Die
genannte Gesellschaft plante außerdem zur Erweiterung ihres Be-
triebskreises seiner Zeit die Anschaffung weiterer 50 Web- und
Wirkmaschinen aus Sachsen, um neue Zweigstellen zur Anfertigung
von Frauenkleidung und Wäsche begründen zu können.
Schließlich sei noch erwähnt, daß auch die Munitionsfabriken
zum ersten Male in diesem Kriege Frauen in ihre Dienste stellten.
Wie der „Neue Orient" vom Februar 1916 meldet, wurden 150
Arbeiterinnen, welche sich freiwillig gemeldet hatten, in staat-
lichen Munitionsfabriken angestellt. Daneben hat auch die Kon-
serven- und Automobilfabrikation für den Heeresbedarf Frauen
zur Mitarbeit herangezogen 2.
Damit sind wir mit unseren Darlegungen über die volkswirt-
schaftliche Frauenarbeit zum Abschluß gelangt. Wenn sich auch
von hier aus die Untersuchungen nicht erschöpfen lassen, ja im
Dienste des Kriegsbedarfes tagtäglich neue Frauenkräfte heran-
gezogen werden und auch die Hausindustrie, wie wir sahen, sich
nicht in ihre entferntesten, gerade wichtigsten Adern verfolgen
läßt, so spiegelt sich selbst in diesem unvollkommenen Rahmen
eine Vielseitigkeit der Frauenarbeit wider, wie man sie bei ihrer
gezwungenen Zurückgezogenheit nicht vermuten sollte. Gerade in
1 Türkische Textilwaren, Sondernummer Balkan-Orient der .,Te.xtihvoche'-.
* Vgl. G. Buetz, Die türkische Frau. In: Die Staatsbürgerin, Oktober 1917, H. 7, S. 103.
i86 Die Welt den Mami^. Band G. iUiS, lieft l-iji
•••c
der Türkei, wo das gewerbliche Leben hinter der Neu2eit um
Jahrhunderte zurück ist, sein Schwerpunkt also noch heute haupt-
sächlich auf der Hausindustrie j-uht, tritt die Frauenarbeit als einer
der wichtigfsten, ja der wichtigste Wirtschaftsfaktor in die Er-
scheinung. Denn gerade alles, was das Interesse des Auslandes
an den hausindustriellen Produkten der Türkei erwecken und steigern
kann, wird der unermüdlichen Tätigkeit jener verborgen wirkenden
Frauen verdankt. Wir haben gesehen, wie in der Teppichweberei,
in der Stickerei sowie in den Z-v^ eigen der Hausindustrie, welche
gewisse Ansprüche an künstlerische Vollendung stellten, die Frauen-
arbeit dominierte. Ja, es ist nicht zu leugnen, daß gerade die
zurückgezogene Lebensweise der Frau ihr Denken mehr und mehr
für die harmonischen Seiten ihrer Hausarbeit schulte und ihre
Arbeit zu einer Verinnerlichung führte, aus der wirklich künst-
lerische Vollendung erwachsen und sich den Erzeugnissen ihrer
Mußestunden mitteilen konnte. Erst mit der Einmischung aus-
ländischer Interessen, welche den Erwerbsgeist in die bisher selbst-
zufriedene Schaffensfreude des Harems trugen, verlor auch die Haus-
industrie viel, ja bisweüen alles von ihrer harmonischen Selbst-
verständHchkeit, ihrer heiteren Phantasie. Trotzdem ist sie für
das interessierte Ausland in ihrer nicht nachzuahmenden Technik
und ihrem seltenen Material noch heute die Quelle prächtigster
Luxusstücke in europäischen Häuslichkeiten geblieben. Selbst-
verständlich darf man im Interesse der Ursprünglichkeit der Heim-
industrie nicht wünschen, daß die Frau wiederum in ihre bisherige
Stellung zurückkehrt; eine solche Entwicklung würde natürlich für
die Eigenart der Hausindustrie keinen Gewinn, sondern eher eine
Schädigung bedeuten, da das unnatürlich Gezwungene eines solchen
Zustandes die freie Erfindungskraft nur lähmen könnte. Vielmehr
müßte m. E. durch Steigerung der Textilrohstoffproduktion und
Erhöhung der Löhne bei gleichzeitig möglichtser Fernhaltung des
wucherischen Zwischenhandels und des europäisierenden Unter-
nehmertums wieder auf Regenerierung aller künstlerisch wertvollen
Hausindustriezweige, welche nach wie vor im Rahmen der FamiUe
ihre Heimstätte haben sollten, hingearbeitet werden. Die Erhöhung
ihrer sozialen Stellung und die Überwindung ihrer Weltfremdheit
würden das Verständnis der Frau für den Wert ihrer hausindu-
striellen Erzeugnisse weiterhin fördern und der zwischenhänd-
lerischen Ausbeutung von selbst einen Riegel vorschieben, ohne
die einstige Ursprünglichkeit der Produktion zu schädigen. Wie
Lorenz, Die Frauenfrarje im Osmotischen Reiche. 187
CXXX3eOO(X)OOOOOaeO«(XXXXXXXX3ÖoOOOOOOOOOOOOOOOCXXXXXXXXXXXXXXXXIOOOOOOOCXXXXXXXXXXXXX)00(^^
wertvoll g^erade die Erhaltung der Hausindustrie für die Türkei
selbst und für das Ausland ist, zeigt sich deutlich, wenn wir die
Parallele zu anderen, von Europa eingeführten Erwerbszweigen für
die Frau ziehen, welche zwar bei der angeborenen und angelernten
Geschicklichkeit der Frau außerordentlich produktiv sind, aber in
der Art ihrer Erzeugnisse nicht über das Durchschnittsmaß euro-
päischer Ansprüche hinausgehen, weil auch sie, wie alle andern
Zweige der Hausindustrie, unter schlechten Lohnverhältnissen zu
leiden haben.
Die Industriearbeit der Frau endlich scheint mir nicht nur heute,
wo der gesteigerte Heeresbedarf ihre Mitwirkung notwendig machte,
sondern vor allem auch für die Übergangs- und Friedenswirt-
schaft von weittragender Bedeutung zu sein. Bei einer stärkeren
Industrialisierung des Landes, wie sie für die nächste Zukunft zu
erwarten steht, würde sich die Lösung der Arbeiterfrage infolge
der außerordentlich dünnen Besiedelung des Landes sehr schwierig
gestalten, wenn nicht noch eine viel intensivere Heranziehung der
weiblichen Hilfskraft ermöglicht wöirde,
3. Frauenarbeit im Dienste der Kriegsfürsorge des
Roten Halbmondes.
Wenn der Krieg überhaupt je auf Frauenarbeit angewiesen war,
so mußte das große Gebiet menschlicher Liebestätigkeit und sozialer
Hilfsarbeit das vollkommenste Feld für sie bieten. In der Türkei
tritt uns als die Zentrale dieses Hilfswerkes der Rote Halbmond
entgegen. Seine Entstehung! liegt, ähnlich wie die des Roten
Kreuzes, heute etwa 5 Jahrzehnte zurück. Im Jahre 1874 hatten
Hilfsvereinigungen zur Unterstützung' des Heeressanitätsdienstes die
erste „ottomanische Gesellschaft zur Pflege verwundeter und er-
krankter Soldaten" ins Leben gerufen. Dieser Gesellschaft gelang
es im Kriege gegen Rußland, Serbien und Montenegro im Jahre
1876, ihre Pläne teilweise in die Tat umzusetzen. Da aber nach
Beendigung des Krieges die Mittel erschöpft waren, mußte sie ihre
Tätigkeit wieder einstellen. Erst im Jahre 1897 bei Ausbruch des
griechich-türkischen Krieges vermochte sie ihr geringes Restkapital
von 1 2 000 türkischen Pfund zur Einrichtung von Lazarettschiffen
nutzbringend zu verwerten. Auf der achten internationalen Rote-
Kreuz-GeseUschaften-Konferenz in London im Jahre 1907 erwirkte
^ Vgl, Kolunie und Heimat: Der türkische Rote Halbmond XI, S. 4.
»88 Die Weh dex Islnns, Band ('>. IUI 8, Heft 3j4
eCCC00€)000000O000<»000000000000000000(XXXXXXOC»(XW>X)CO000(^^
der Abgesandte der Türkei die offizielle Anerkennung des Halb-
mondzeichens als Neutralitätsmerkmal für die Hilfsgesellsohaften
aller islamischen Länder. Mit dem Verfassungsjahre 1908 entfaltete
aber der Rote Halbmond erst ohne finanzielle Sorgen seine volle
Wirksamkeit. Nach der ersten Generalversammlung im Jahre 1911
übernahm der Sultan Mehmed Reschad die Schutzherrschaft, der
verstorbene Thronfolger Jusuf Izzeddin den Ehrenvorsitz. Von nun
an konnte auch die Frau als Mithelferin in die große Organisation
aufgenommen werden. Im Jahre 1912 wurde unter dem Protektorate
der ersten Gemahlin des Sultans ein Damenausschuß von 30 Mit-
gliedern gegründet, dem aUe Prinzessinnen des Kaiserlichen Hofes
als Ehrenmitglieder beitraten. Wenn auch dieser kleine Kreis von
Frauen dem Ernste seiner Bestimmung zunächst noch fernstand, so
sollte doch bald die Praxis unaufhörlicher Kriege von seiner Not-
wendigkeit überzeugen. Im Tripoüskriege gegen Italien erwuchsen
der Gesellschaft von neuem große Aufgaben, da es galt, die in
Tripolitanien abgesperrte türkische Besatzung mit Ärzten, Pflege-
personal und Verbandstoffen zu versorgen. Unmittelbar darauf
nahm der Balkankrieg ihre Leistungsfähigkeit in Anspruch. Während
der Männerausschuß die Gründung von Lazaretten in die Hand
nahm, wirkte die Frauenabteilung in der Herstellung von Verband-
material. So w^urde einerseits mit der Gründung von Seuchen-
lazaretten, andererseits mit der Versorgung der sehr zahlreichen
rumelischen Auswanderer von Frauenhänden Hervorragendes ge-
leistet. Allein 1 1 000 Flüchtlinge wurden vollkommen eingekleidet
und beköstigt; 55 000 kranke Auswanderer erhielten ärztliche Hilfe;
für die weiblichen Flüchtlinge wurde in Konstantinopel ein be-
sonderes Krankenhaus errichtet. Im Jahre 1913 wurde zum ersten
Male die systematische Ausbildung von Pflegepersonal nach be-
sonderen Lehrbüchern vorgenommen. Nachdem sich im Winter
1914/15 dem Stamme des Damenkomitees ein gemischter europäisch-
türkischer Frauenverband angegliedert hatte, organisierte Dr. Besim
Pascha zum ersten Male die Ausbildung von Frauen und Mädchen
in der Krankenpflege, welche ihre Kenntnisse durch Prüfungen
nachweisen mußten. Er wirkte in Zusammenarbeit mit einem
Verein, welcher sich die Unterstützung armer Soldatenfamilien zur
Aufgabe gemacht hatte.
Im Jahre 1915 konnte der türkische Frauenverein des Roten
Halbmondes folgenden Aufruf erlassen: „Es hieße die Vaterlands-
pflicht versäumen, woUte man in diesen Tagen Tränen vergießen
Lorenz, Die Frauenfrage im Osmanischen Reiche. l8()
BCOO«)tKXXXX»OOOC)00000000000000000000000000000(XX)00000000<XXXXXXXXXXX»00000^^
und an sein eigenes Dasein denken. — Sei nicht untätig mit den
Händen, das ist das Gebot des Korans!" Diesen Worten folgte
eine große Schar freiwilliger Helferinnen im Dienste der Kranken-
und Verwundetenpfleg^e, getreu den Vorbildern der urislamischen
Gemeinde. Schon in der Tradition berichtet Arrabia, die Tochter
des Moawed: „Wir halfen dem Propheten, indem wir Wasser trugen,
die Kranken pflegten und die Toten bargen."
Auch auf die Frage des Propheten antworten die Frauen mit
einer gewissen Selbstverständlichkeit: „Wir kommen, um Wolle zu
spinnen und auf Gottes Wege zu helfen. Wir kommen, um Ver-
wundete zu pflegen, die Häupter, der Gefallenen zu bergen und die
Krieger mit Sauermilch zu erfrischen." Wenn außerdem die Lieb-
lingsg'attin des Propheten A'ischa und die Krankenpflegerin Umm
Suleim sowohl mit der Waffe als auch im Samariterdienste an den
Feldzügen des Propheten teilnahmen i, so war damit der türkischen
Frau ihr kriegerischer Daseinszweck vorgezeichnet, wenn sie auch
das eigentliche Waffenhandwerk heute fast ganz den Männern über-
lassen hat 2. Und doch hat sich gerade in diesem weiblichen Berufs-
zweige eine bei der türkischen Frau naheliegende Befürchtung be-
stätigt, daß nämlich die Krankenpflege in Tradition und Vorurteil
schwere Hindernisse finden würde. Man hatte ja nicht mehr die
kampfgestählte, an Entbehrungen gewöhnte, vom Propheten selbst
animierte Kriegsgenossin vor sich, sondern eine verweichlichte,
w^eltscheue Schleierträgerin, für welche der Krankenpflegerinnen-
beruf die Aufgabe ihrer strengsten Lebensregeln bedeuten mußte.
So konnte sich bisher die Frau in diesem Berufszweige noch nicht
recht heimisch fühlen. Eine Reihe deutscher Arzte, denen die
krankenpflegerische Ausbildung der Türkin oblag", unter ihnen der
Leiter des türkischen Gülhaneh-Lehrkrankenhauses in Konstantinopel,
welcher 1914 nach Deutschland zurückkehrte, Prof. Wieting, haben
diese Vermutung bestätigt. Freilich darf man annehmen, daß mit der
Zeit, wenn die Frau erst gelernt haben wird, ihr Selbstbestimmungs-
recht über den Zwang der Tradition zu stellen, auch die Kranken-
pflege ihr ein willkommenes Feld der Betätigung bieten wird.
1 Vgl. die Isl. Welt, Nr. 5 : Türkische Frauen des Roten Halbmondes.
2 Allerdings ist die Frau auch in diesem Kriege ihrer einstigen Kampfleidenschatt nicht
ganz untreu geworden. Wie der Tanin (vom S.Januar 1915, Nr. 2173) meldet, haben
auch in der Jetztzeit Frauen die Männer in den Krieg begleitet; auch Dr. Lederer
spricht in der W. I. III, S. 177 von Frauen, welche infolge schlechter Verkehrsmittel
die Munition kilometerweise in die Kampflinien ihrer Männer trugen.
,go AV We/f (i'.< J.'ilnmx, UnmiH. 1918, Heft :i'4
» aaoaoeeoeooeoooo»oooooooocxxocoooo(x«xxxxx)cxxxy»x)oocioocooooooooooooooc^^
Neben dem Frauenverein des Roten Halbmondes, an dessen
Spitze die Prinzessin Ifhet steht, entfaltet besonders auch der
„Verein zur Unterstützung armer Soldatenfamilien" mit Nadschie
Sultane an der Spitze, eine außerordentlich fruchtbare Tätigkeit.
So sucht er durch Beschaffung von Hausrat, Bettzeug und Lebens-
mitteln der völligen Verarmung vieler Kriegerfamilien abzuhelfen.
Mit der Errichtung einer Handarbeitsstätte für Frauen und Mädchen
sorgte er weiterhin für das Fortkommen mittelloser Krieger-
angehöriger. Die Arbeiterinnen, für deren physisches Wohl in
jeder Weise Sorge getragen wird, erhalten freie Verpflegung und
gute Entlohnung. Seit 1915, dem Jahre seines Bestehens, be-
schäftigt die Handarbeitsschule jeden Tag 200 Frauen, während
andere 300 wöchentlich zweimal zur Arbeit kommen. Auch in
Brussa unterhält diese Frauenarbeitsorganisation eine Werkstätte.
Ihre Tätigkeit erstreckt sich auf die Anfertigung der verschiedensten
Bekleidungsstücke für Soldaten: Handschuhe, Strümpfe, Halstücher
u. a., während besonders geschickte Frauen in der Anfertigring
feiner Handarbeiten unterwiesen werden. So konnte schon während
des Krieges mit bestem Erfolge eine Ausstellung des Roten
Halbmondes veranstaltet werden, in der die feinsten Erzeugnisse
altorientalischer Handarbeitskunst, welche diesen Werkstätten ihre
Entstehung verdanken, gezeigt wurden. Schließlich betätigen sich
die Damen dieses Vereins auch sehr wirksam in der Errichtung von
Volksküchen, welche in allen Vierteln der Hauptstadt fortgesetzt neu
eröffnet werden und täglich viele Tausend Menschen beköstigen.
In beiden Vereinen sind Frauen großer Staatsmänner, hoher
Offiziere usw. als Leiterinnen vertreten: so die Frau des jetzigen
Großwesirs Talaat Bej, des Unterstaatssekretärs im Ministerium des
Innern, Frau Nurije Hanym, des früheren Ministers des Auswärtigen
Halü Halid Bejs, des Stadtpräfekten Bedri Bej, des Greneraldirektors
der Presseabteilung im Ministerium des Auswärtigen, DschelilehHanym,
des Generaldirektors der Kaiserlichen Museen und andere mehr.
Wenn auch über die weit verzweigte Tätigkeit des Roten Halb-
mondes in diesem Kriege noch keine abgeschlossenen Berichte
vorliegen, so ist doch die Tätigkeit seiner Frauen in der Verwundeten-
pflege und Kriegsfürsorge bei allen Mängeln außerordentlich segens-
reich gewesen. In einem Lande, welches eine staatlich organi-
sierte Fürsorge für die zurückgelassenen Familien nicht kennt,
war die vereinsorganisatorische Regelung der unzähligen Fürsorge-
probleme eine Lebensnotwendigkeit des gesamten Volkes. Die
Lorenz, Die Frmierifvdcje nn Osmanürlien Reiche. 19 t
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selbstlose, meist ehrenamtliche Liebestätigkeit und das Organi-
sationstalent der türkischen Frau haben der schwierigen Aufgabe
mit großer Anpassungsfähigkeit und Selbstüberwindung gerecht
zu werden verstanden.
Einer Mitteilung des Hamburger Korrespondenten (vom 31. 12. 16)
zufolge, hat sich unter dem Patronate des Sultans als Zweigstelle
des ottomanischen Roten Halbmondes ein türkischer Frauenverein
in Wien gebildet, mit dem Ziele, die türkischen Schwestern nach
Kräften zu fördern.
4. Die Frau als Unterbeamtin im Staatsdienst.
Ehe wir nun das Fazit unserer Darlegungen über die osma-
nische Frauenarbeit ziehen, müssen wir noch eines Fortschrittes
gedenken, welcher nach türkischem Begriffe eine unerhörte Neue-
rung im Leben der Frau bedeutete und nur in dem umstürzle-
rischen Geiste des Krieges seine hinreichende Erklärung findet:
die Frau im Staatsdienste! Man muß sich die soziale und wirt-
schaftliche Zwangslage der mohammedanischen Frau vergegen-
wärtigen, um sich die Tragweite eines solchen Ereignisses klarzu-
machen. Schleierlosigkeit, Selbständigkeit im Denken und Handeln,
Bildung und Intelligenz — alle diese Voraussetzungen öffentlicher
Berufsarbeit sollte die Türkin in sich vereinigen. Und doch,
unter dem Drucke der Not vollzog sich diese äußere und innere
Umbildung, welche in normalen Zeiten Jahrzehnte erfordert hätte,
im Fluge. Der erste entscheidende Schritt wurde mit der Ein-
stellung einer weiblichen Postbeamtin getan, deren unverschleiertes
Bildnis ein modernes Plauderbuch über türkische Frauen als neueste
Sensation bringt 1. Es läßt sich nun an Hand türkischer Zeitungen
und deutscher Notizen verfolgen, wie dieses erste Beispiel bald
rege Nachahmung fand. Schon kurz nach diesem Ereignis ent-
schloß sich die Post zur Einstellung von Telephonistinnen, welche
sich gut bewährten. Es folgte die Verwendung weiblicher Arbeits-
kräfte in der Kontrollstelle für den Postanweisungsverkehr. Als
Vorbedingung für den Dienstantritt macht das Ministerium in
seinem Aufrufe das vollendete 1 7. Lebensjahr und Mittelschulbildung
bekannt. Das Gehalt von 400 Piaster, also etwa 80 Mark monatlich,
ist für türkische Begriffe hoch zu nennen; entspricht es doch der
Einnahme, w^elche eine Aufsichtsfrau in der Teppichfabrik in Hereke
^ Bej Oghlu, Türkische Frauen.
1Q2 1>le Weh des /,s7a///.s Hand (J. 1918. Heft S 4
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im Monat bezieht und übersteigt es noch die Einnahme einer ein-
fachen Lehrerin. Dem Beispiele des Postministeriums schloß sich
alsbald das Finanzministerium an, welches Telephonistinnen und
Sekretärinnen im Tresordienste bei monathcher oder täglicher Ver-
gütung unter ähnlichen Bedingungen wie die Post anstellte. Auch
die Stadtpräfektur stellte auf der Stadtverwaltung des Bezirkes
Skutari weibliche Beamte ein; und die Oberrechnungskammer be-
schäftigte Beamtinnen sogar mit einem Monatsgehalte von 600 Piaster,
1 20 Mark. Auch auf der Schiffahrtsverwaltung arbeiten heute etwa
sieben Türkinnen mit einem anfänglichen Monatsgehalte von 500
Piaster, Schließlich finden wir die Frau noch als Einnehmerin an
den Schaltern der Galatab rücke, mitten im Gewühle des öffent-
lichen Verkehrs. Auch die Desinfektionsanstalten auf der Stadt-
präfektur von Stambul, Skutari und Tophane haben ebenfalls weib-
liche Beamte in ihren Dienst gestellt, ein Fortschritt, den man
nicht genug hervorheben kann, da eine solche Tätigkeit die bisher
unmögliche Zusammenarbeit männlicher und weiblicher Arbeits-
kräfte notwendig machte.
So sind also gerade in der neueren Hälfte des Krieges die
türkischen Frauen in fast alle Zweige des unteren Staatsdienstes
eingedrungen und damit ohne die hinderliche Gesichtsmaske vor
das Forum der Öffentlichkeit getreten. Die jungen Erfahrungen,
denen man zunächst mit einer gewissen Befürchtung entgegen-
sehen mußte, haben der Anpassungsfähigkeit, Intelligenz und Ge-
wissenhaftigkeit dieser Frauen das beste Zeugnis ausgestellt; und die
gesamte türkische Presse ist sich in der lobenden Anerkennung
der weiblichen Leistungsfähigkeit auch in diesem traditionswidrigen
neuen Berufszweige einig. Gerade in diesem Fortschritt Hegt
aber m. F., so unbedeutend er auch in europäischen Augen er-
scheint, der Ausgangspunkt für die äußere Befreiung der Frau
von der Schleiersitte. Alle diese Berufszweige, welche unmöglich
eine ängstlich hinter dem Jaschmak hervorlugende Frau gebrauchen
können, verlangen heute schon die äußersten und letzten Konse-
quenzen, welche der strenge religiöse Konservatismus bisher ge-
mieden hatte. Und wenn auch diese energischen Beamtinnen,
zwar staatlich und behördlich geschützt, noch einen wenig l)e-
schrittenen Weg gehen, so wird doch ihr junges Beispiel auch all-
mählich an die passivste Passivität der türkischen Frau rühren^
welche zwar die äußere Notwendigkeit erkannt, aber den Mut der
Tat noch nicht gfefunden hat.
Lorenz, Dii' F lanenfrage im Osnianisrhen Reiche. lyj
•e«0e00O(XXXXX»000OCIOOO000OO0000000OO0O0000O0O0000O(XXX3OOO0OO0O0CXXXXX>0O00O000O0000000000O000(^^
III. Beurteilung der Frauenfrage.
I. Die Frauenfrag^e als aktuelles Problem.
Wenn wir nun rückschauend uns noch einmal das umfangreiche
Bild der türkischen Frauenfrage in ihrer volkswirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit und bisherigen Entwicklung vergegenwärtigen,
so erscheinen zwei Tatsachen für ihre nahe Zukunft entscheidend;
einmal die außerordentüche Mitwirkung der Frau im Rahmen der
Volkswirtschaft, auf welcher schon seit Jahrhunderten das Schwer-
gewicht des gesamten türkischen Erwerbslebens lastete, und ohne
welche heute die zahlreichen Probleme der Kriegswirtschaft un-
gelöst geblieben wären, dann aber die Schnelligkeit, mit welcher
sich die moderne Entwicklung vor den Augen der Welt vollzog.
Gerade die Energie, mit der die Türkin sich unter dem Drucke
der Not in die notwendige Modernisierung ihrer sozialen, recht-
lichen und wirtschaftlichen Stellung hineinlebte, trägt durchaus
nicht mehr den „Marasmus der Gefangenschaft" in sich, sondern
den Trieb nach endgültiger Befreiung, welche die erste Grundlage
gesunder türkischer Volkswirtschaft werden soll. Vergegenwärtigen
wir uns hierzu noch den warmen Anteil, den die gesamte türkische
Presse an einer gesunden Ausgestaltung der türkischen Frauen-
bewegung nimmt, so erscheint ihre Entwicklung für die nächste
Zukunft in sehr günstigem Lichte. Hierfür einige typische Beispiele.
Eine von der Zeitung Sabah in ihrem Leserkreise veranstaltete Um-
frage, wie man seine Zeit verbringt, hatte das Ergebnis, daß von den
meisten Lesern mit vollem Nachdrucke auf die Heranziehung der
vielen müßigen Frauen hingewiesen wurde, deren häuslicher Pflichten-
kreis ihre Langeweile nicht auszufüllen vermöchte. Man forderte
sowohl vom Standpunkte des allgemeinen wie des persönlichen
Interesses die Betätigung der Frau in der Kriegshilfe, da eine
unabhängige Wirksamkeit sie persönlich und materiell unabhängiger
mache und da die Übernahme verantwortungsvoller Posten erst
wirklich zu Forderungen berechtige. Auch Hartmann berichtet jn
seinen unpolitischen Briefen i: „Besonders auffällig war mir hier
wie in anderen Buchläden, welche Rolle die Frauenfrage spielt:
das lesende Publikum nimmt an der Behandlung dieses wichtigsten
Problemes den regsten Anteil. Selbst in den Massen wird der
Instinkt, daß man mit der Befolgung der pfäffischen Lehren sich
1 a. a. O. S. 134.
104 -^'''« ^«^^ ^''« i*la^», i^c'id (i. nH8, Heft ^ji
selbst den größten Schaden zugefüj^t hat und daß man «Midlich
mit einem System brechen muß, das die Entrüstung aller Ein-
5ichtigen genießt und das den Islam vor Europa lächerlich macht."
Auch in einem vom Verfasser besuchten Schauspiele in Kon-
stantinopel, das die Eroberung Andalusiens darstellt, bringt das
Publikum besonders den Stellen, welche auf die Befreiung der
Frau anspielen, den lebhaftesten Beifall entgegen. In diesem
Stücke treten zahlreiche Glaubenskämpferinnen in die Schranken,
wie sie einst in den Uranfängen des Islam die prophetischen Ideen
mit der ganzen Kraft ihrer Persönlichkeit verbreiteten; und das
wahre Wort, welches die Entwicklungstendenz der aufstrebenden
Türkei verdeuthcht: „die Frauen einer Nation sin^ der Maßstab
für den Grad ihrer Gesittung" appelliert an längst empfundene
Wünsche, die auf eine schnelle Erfüllung warten.
2. Parallele zwischen der morgen- und abendländischen
Frauenfrage.
Ziehen wir nun, ohne mit europäischem Maßstabe zu messen und
den gewagten Vergleich zwischen Erreichtem und Erreichbarem
anzustellen, einmal die Parallele zur Entwicklung anderer, moderner
Frauenfragen, so fällt die osmanische schon in ihrer Einfachheit
und Geschlossenheit aus dem Rahmen. Während im Abendlande
eine Summe der verschiedensten sozialen, politischen und wirtschaft-
lichen Faktoren zusammenwirkten, und die gesteigerte Intensität
der Volkswirtschaft die Frauenfrage in jahrhundertelanger Ent-
wicklung Schritt für Schritt vorwärtsdrängte, kennt die türkische
Frauenfrage bei ihrem impulsiven Auftreten eine eigentliche Vor-
geschichte kaum. Denn selbst der aufklärende Einfluß der französi-
schen Revolution vermochte zwar die Gemüter wachzurütteln und
in vieler Beziehung einen Wandel zu schaffen; bedeutete aber nicht
die Einleitung einer systematischen Entwicklung. Während die
Frau des Okzidents längst mit gemäßigten und extremen Forde-
rungen für allgemeine Frauenrechte in die Schranken trat, verharrte
die türkische Frauenwelt in langer Stagnation; und während die
Entwicklung der Handels- und Erwerbsinteressen moderner Staaten
die Türkei überholte, mußte die Frau in den engen Pfählen ihrer
Häuslichkeit verkümmern. So ist bisher die kurze Entwicklung der
osraanischen Frauen frage von den mannigfachen Auswüchsen der
europäischen Frauenemanzipation frei geblieben. So tritt die osmani-
J^crrenz, Die Fraiietifrage im Osmanischen Tieiclie. 195
sehe Frau in der bescheidenen und konservativen Art, wie sie nur
eine streng gepflegte Religiosität zeitigen konnte, mit ihren Forde-
rungen hervor; und noch ist der türkischen Frauenbewegung das
politische Moment gänzlich fern geblieben. Die abendländische
Frau, welche für ihre Rechte eintritt, ist eine lebens- und kampf-
gestählte Natur, welche ihre Forderungen gegen eine Welt von
Feinden verteidigen muß. Unter diesen Feinden haben wir in
erster Linie die Konkurrenz zu verstehen, die sich in jeder Er-
scheinungsform und mit den zähen Waffen des Erwerbskampfes
geltend macht. Wenn die Europäerin teils aus Interesse, teils ge-
zwungenermaßen den Weg des Broterwerbes wählt, so tritt ihr von
allen Seiten die Überproduktion an Arbeitskräften, das geistige
Proletariat, wie Klara Zetkin es nennt, und das Arbeiterproletariat
als drohende Konkurrenz entgegen und macht ihr den bereits ge-
wonnenen oder noch zu gewinnenden Platz streitig. In der Türkei
sind die Verhältnisse gerade umgekehrt. Hier wurzelt die Er-
kenntnis einer Reformnotwendigkeit tief in den Männern selbst und
teilt sich erst durch diese den ahnungslosen „Märtyrerinnen" mit,
um ihnen zugleich den nötigen Rückhalt zu bieten. Das konnten
sie ohne Gefahr, da die Unaufgeklärtheit der Frau und die wirt-
schaftliche Rückständigkeit des Landes das Problem der konkur-
rierenden Arbeitskräfte nicht in dem Maße kannte, und da ein
etwaiger Überschuß bei der noch teilweise vorherrschenden Eigen-
wirtschaftsform des Landes und der dünnen Bevölkerungszahl kaum
zu fürchten war. Kurz gesagt, während in der Türkei die auf-
geklärte Männerwelt in ihrem eigenen Interesse eine Befreiung der
Frau wünscht, greift sie die abendländische Frau mit den schärfsten
Waffen der Konkurrenz an. Hier handelt also die Frau gegen den
Mann, dort der Mann für die Frau. Hier wird ihre wirtschaftliche
Mitarbeit als Belastung unterdrückt, dort als Entlastung gesucht.
Wenn wir uns die Wesensart der deutschen Frauenfrage ver-
gegenwärtigen, so treten uns zwei Erscheinungsformen entgegen,
welche nebeneinander herlaufen, ohne sich die Hand zu reichen:
Auf dem Boden des bürgerlichen Mittelstandes erwächst aus
flnanziellen Nöten und den Schwierigkeiten frühzeitiger Familien-
gründung das Frauenproblem als Frage unversorgter Haustöchter;
auf der anderen Seite tritt die Lösung des proletarischen Frauen-
arbeitsproblems mit der Notwendigkeit, die schwierige Lebenshaltung
der Famüie durch das Einkommen aus Frauenarbeit zu heben, her-
vor. In dieser letzten Form wird die Frauenbewegung von den
©ie Welt des Islams, Band 6. 13
iq6 l>i>' nW/ des Islams. i;,u,il(;. lUtS. lieft :j'1
Männern selbst iils Kampfgenossen vorwärts getrieben, während in
Bürgerkreisen die Frauen den Männern als „geistiges Proletariat"
in den Weg treten. Die sozialdemokratische Frauenfrage geht
daher in ihren Forderungen bedeutend weiter und wird von der
Unerbittlichkeit des Klassenkampfes getragen. Während gleich-
zeitig die bürgerliche Frau das Durchsetzen ihrer Forderungen auf
dem Wege einer sozialdemokratischen Verschwesterung meidet,
weil das Kampfprogramm ihrer arbeitenden Genossinnen sich
gegen sie selbst richten würde, so trägt die abendländische Frauen-
bewegung den verderblichen Charakter der Ungeschlossenheit in
sich, über den hinweg die VerwirkHchung ihrer Reformideale
nur mühsam schreitet. Demgegenüber fällt also die Einfachheit
der osmanischen Frauenfrage aus dem Rahmen, auch abgesehen
davon, daß in der Türkei, bisher wenigstens, familienwirtschaftliche
Schwierigkeiten nicht in dem Maße mitsprachen wie hier. In einem
Lande, welches die soziale Abstufung moderner Staaten nicht kennt,
waren Abstammung und Beruf ebensowenig als Hinderungs-
gründe für die Ehe anzusehen, wie sie dort ausschlaggebend waren.
Daher entbehrt auch die Frauenfrage hier ganz des hemmenden
Klassencharakters, der leidenschaftHchen Parteilichkeit und hat aus
diesem Grunde einen ebeneren Weg vor sich, als die Lösung des
abendländischen Problems. Zusammenfassend möchte ich als Unter-
scheidungsmerkmale noch einmal folgende hervorheben: Die türki-
sche Frauenfrage, welche jahrhundertelang von den Wirtschafts-
kämpfen anderer Staaten verschont blieb, ist energisch und impulsiv
aus einer drohenden wirtschaftüchen Katastrophe herausgewachsen.
Sie ist infolge der UnkompHziertheit des osmanischen Wirtschafts-
lebens von den Existenzkämpfen des Abendlandes lange unberührt
geblieben und hat ihren Hauptanstoß und ihre Förderung im Gegen-
satz zu Europa seitens der Männerwelt selbst erhalten. Die lange
Stagnation in der Rechts- und Wirtschaftsentwicklung des Staates
und das stete Zurückhalten der Frau von den Vorgängen des
Abendlandes haben ihr einen konservativen, ja bisweilen zaghaften
Charakter verheben und sie so bisher vor den Extremen ihrer
europäischen Schwesterbewegung bewahrt. Endlich zeichnet sich
die türkische Frauen frage durch ihre soziale Einfachheit sowie die
Geschlossenheit und EinheitUchkeit ihrer Ziele aus.
Somit scheint auf den ersten BUck die türkische Frauenfrage
eine schnelle Weiterentwicklung zu verbürgen. Doch dürfen wir bei
allen Schwierigkeiten, welche der Konkurrenzkampf der Europäerin
Jjorenz, Die Frantnfraye im Ot<)itanisclu'n Reiclw. ig7
ooooeooooooocxaecooooooooooooocwoooooooocoocxxxxxxxaoocxxxxxxxxxxxjocxxxjooooooooooooooooooooc^^
in den Weg legt, nicht vergessen, daß bei der engen Verquickung
von Religion und Recht auch in der Türkei gerade die uns am ein-
fachsten erscheinenden Konsequenzen auf unüberwindliche Schwierig-
keiten stoßen, daß ferner^ die orientalische Passivität bei allen
staunenswerten Neuschöpfungen und Plänen auch nach dem Kriege
in Rechnung zu ziehen ist. Es steht also nicht unbedingt fest, daß
das Frauenproblem eine so rapide Weiterentwicklung nehmen wird,
wie sie heute der Not der Zeit entwuchs.
Bei den konkreten Unterscheidungsmerkmalen zwischen den
Problemen der Frauenbefreiung im Orient und Okzident wollen
wir auch noch kurz ihrer gemeinsamen Berührungspunkte gedenken.
Wir können sagen, daß Triebkraft und Ziele, wie das ja schon in
der Wesenheit jeder Frauenfrage begründet liegt, beiden Be-
wegungen gemeinsam sind. Wenn wir über die zeitlichen Diffe-
renzen hinwegsehen, so sind auch beide Fragen auf dem Boden
wirtschaftlicher und sozialer Umwälzungen erwachsen. Beide sind
durch den Umsturz der Kriegswirtschaft, das Fehlen der männlichen
Erwerbskraft u. a., in das gleiche Fahrwasser getrieben worden.
Hier Wie dort hat der Krieg der Frau neue, bisher unmögliche
Erwerbszweige erschlossen. Auch das Hauptziel scheint mir beiden
Frauenbew^egungen gemeinsam vorgezeichnet: Befreiung von
sozialer und rechtlicher Unterdrückung, freie Entfaltung der Persön-
lichkeit, Verselbständigung in w-irtschaftlicher und beruflicher Hin-
sicht. Alle diese Ideale vertritt die osmanische Türkin gemeinsam
mit ihren abendländischen Mitschwestern, wenn auch heute noch
in der mildesten und anspruchlosesten Form.
3. Die nationalwirtschaftliche Bedeutung^ der Frauenarbeit.
a) Vom bevölkerungspolitischen Standpunkte.
Wollen wir nun noch einmal ein volkswirtschaftliches Werturteü
über die osmanische Frauenfrage fäUen, so müssen wir das ganze
Problem von zwei Seiten erfassen: Erstens seiner bevölkerungs-
politischen Bedeutung, zweitens vom Standpunkte nationalwirt-
schaftlicher Werteschaffung. In erster Linie ist ja die Existenz-
frage eines Volkes überhaupt eine Frage der Mütter. Wir haben
gesehen, wde in der Türkei, wo die Ehe bei der Uninteressiert-
heit des Staates schon von vornherein des volkswirtschaftlichen
Charakters entbehrt, die Frau körperlich, geistig und seelisch ver-
kümmern m.ußte, auch wenn sie selbst es nicht empfand, wie damit
iq8 ]>'te Weh des Is/mns, Hand H. 1018, Heft :j'i
ir)<X!e0O0OOCXXXXX30OO0C»00OOO0O0OO00O00O0O0OO00CXXX>XXXXXXX)0O0OO0CXDOOOC»<XXX
die junge Generation überhaupt in Frage gestellt war. Denn, zogen
wir zum Vergleich die reügiös unabhängigere Armenierin heran,
so lieferte deren Gesundheit den besten Beweis für das rückständige
System mohammedanischer Erziehung. Eine künstliche Über-
windung des Bevölkerungsrückganges und eine Förderung der
Zunahme muß also in erster Linie bei, der Frau einsetzen. Die
Lockerung des Eheverbandes kann nur durch eine Erschwerung
des männlichen Scheidungsrechtes, wie sie die jüngste rechtliche
Neuordnung vorgesehen hat, bewerkstelligt werden. Hierdurch
wird, wenn die wirtschaftlichen Voraussetzungen der Familien-
gründung nicht allzu ungünstig sind — hier muß vor allem^ die
wirtschaftliche Erziehung und Ausbildung der Frau einsetzen — ,
der Familienzusammenhang und damit die Liebe zur kommenden
Generation gestärkt. Schließlich ist die Bevölkerungspolitik im
Osmanischen Reiche auch hauptsächlich eine Frage der Mädchen-
und Frauenerziehung, Aufklärung und Bildung. Es gilt, die Frau
zum vollen Bewußtsein ihrer Persönlichkeitswerte und ihrer mütter-
lichen und pädagogischen Aufgaben zu erziehen; sie einmal auf
sanitärem Gebiete aufzuklären und andererseits mit dem Wissen
auszustatten, welches für die Erziehung der Kinder unbedingt er-
forderlich ist. Gerade die sanitäre Aufklärung gehört zu den am
schwersten zu lösenden Erziehungsproblemen in der Türkei. Schon
Emily Ruete, eine arabische Prinzessin, welche in ihren Memoiren
die Kulturzustände des arabischen Zansibar schildert, empfindet die
medizinische Verständnislosigkeit des Volkes, welches, ein Opfer
des Kurpfuschertums, unter besonders ungünstigen Sterbüchkeits-
verhältnissen leidet, als großen Mangel und verspricht sich von
einer energischen europäischen Medizinerin die wirksamste Abhilfe ^
So könnte auch m. E. im Osmanischen Reiche durch Heranbildung
tüchtiger weiblicher Kräfte, denen die Möglichkeit der Absolvierung
eines Universitätsstudiums unter gleichen Bedingung^en wie den
männlichen Kollegen gegeben werden müßte, viel, ja alles ge-
wonnen werden. Damit würde das Verständnis der Frau für die
Notwendigkeit hygienischer Maßnahmen und damit die erste Pflege
der Kinder einem gründüchen Wandel unterzogen. Freüich müßte
aber, wie schon hervorgehoben, auch die Mitarbeit deutscher Arzte
^ Emily Ruete, Memoiren einer arabischen Prinzessin, S. 74, II. Teil. Vgl. zur Frage
der Türkischen Bevölkerungsbewegung auch v. d. Goltz, „Der jungen Türkei Nieder-
lage und die Möglichkeit ihrer Wiedererhebung", in welcher der Verfasser sich eine
Hebung des Bevölkerungsstillstandes durch Bevölkerungsaustausch verspricht.
Jjore,uz, l^le Franeiifrage im OsiiKiitischcn Reiche. 199
0<X>OeiC)00OOO0CO000<XXXXXXX>XO000000OCXXXXXXXXXXXXX>>?CKXXXXX)C<XX)^^
gleichzeitig an der gesundheitlichen Erziehung und Hebung des
ganzen Volkes mitwirken.
b) Voni wirtschaftlichen Standpunkte.
Vom Gesichtspunkte wirtschaftlicher Werteschaffung sind uns die
Frauen hauptsächhch in den verschiedenen Erscheinungsformen der
Hausindustrie als die tätigsten Elemente entgegengetreten. Hier
haben wir die Frau als die Erhalterin der Volkskunst kennen ge-
lernt, deren Produktivität, besonders wenn man sie an dem Maß-
stabe der wirtschaftlichen Rückständigkeit der Türkei mißt, außer-
ordentlich groß war. Wenn auch, wie gesagt, diese schönsten
Produkte türldschen Erwerbsfleißes teilweise schon im Zeichen des
Massenbetriebes und Unternehmertums standen, so erhielten sie
doch durch die Urwüchsigkeit des Nomadismus fortwährend frischen
Zustrom und werden ihre Originalität wohl noch lange gegen den
Ansturm europäischer Konkurrenzwaren behaupten. Aber auch in
der Landwirtschaft und den verschiedenen Zweigen der reinen Fabrik-
industrie, wie auch in der Kriegshilfe spielte die Mitarbeit der Frau,
besonders unter dem Drucke der Kriegsverhältnisse eine wichtige,
ja entscheidende Rolle. Natürlich hat in allen Betrieben die
Leistungsfähigkeit der türkischen Frau noch längst nicht das mög-
liche Maximum erreicht. Erst eine Reform des gesamten bisherigen
Wirtschaftssystems wird auch sie mehr und mehr im produktiven
Sinne heranziehen.
Ebenso wichtig aber wie die Steigerung ihrer volkswirtschaft-
lichen Produktivität erscheint mir die Intensivierung der Familien-
wirtschaft durch die Frau sowohl im städtischen wie im landwirt-
schaftlichen Haushalte. Denn gerade in der hauswirtschaftlichen
Unerfahrenheit der Frau mußte für die Familienentwicklung ein
»
schweres Hindernis liegen, da ihre Verständnislosigkeit gegenüber
vielen praktischen Lebensbedürfnissen die Erwerbsfreude des Mannes
beeinträchtigen mußte.
4. Die Nationalisierung der Frauenfrage.
Haben wir so den Wert der Frauenfrage vom nationalwirtschaft-
lichen Standpunkte aus betrachtet, so dürfen wir sie auch kurz im
Rahmen des Nationalismus streifen. Hatte der Nationalgedanke
des Türkentums die Befreiung der Frau als vornehmstes Ziel auf
sein Banner geschrieben, so sahen sich andererseits die Frauen vor
200 Die Weh des hlmns. Band >',. 19 1&, Ihfl 314
30C»<«CCO000CXXXXX>0000000000000000000C>000CCCK»X)0C»00CXX)<>^^
der Aufgabe, auch ihrerseits dem Nationalismus mit ihrer jungen
Begeisterung zu dienen. Wir haben schon darauf hingewiesen,
wie Halidc Hanym als die Führcrin der gesamten osmanischcn
Frauenwelt mit ihrer ganzen Kraft für die Entwicklung des Pan-
türkismus in die Schranken trat und die Frauen für die Grund-
ideen der nationalen Wiedergeburt zu begeistern verstand. Der
Türk Derneji, welcher auf eine Türkisierung der Sprache, das
heißt eine Reinigung der Sprache von arabischem und persischem
Beiwerk hinarbeitet, glaubt das Material einer solchen Nationali-
sierung gerade in der Frauenwelt finden zu können, in welcher
sich die echte Volkstümlichkeit am reinsten und schlichtesten er-
halten habe. Auf diese Weise würden die Frauen, gewissermaßen
ohne aktiv beteiligt zu sein, an einer der wichtigsten nationalen
Kulturaufgaben mitarbeiten. Ich erwähne diese, auf den ersten
Blick vielleicht unwesentlich erscheinende Tatsache, da m. E. der
türkische Nationalismus die Hauptvoraussetzung für eine Wieder-
verjüngung der Türkei bietet. Ich bin der Ansicht, daß, wenn die
Türkei ernstlich an eine reformatio in capite et membris heran-
treten will, sie aus einer einheitlichen Quelle schöpfen muß. Wie
der Abfall der Balkanländer gezeigt hat, trägt die Kompliziertheit
der Rassenfrage im Osmanischen Reiche den Keim politischer und
wirtschaftlicher Zersetzung in sich. Auch der Panislamismus mit
seiner internationalen Verbrüderungstendenz kann sich im engen
Rahmen eines Staatsgebüdes nicht als erhaltendes Element be-
haupten, ebensowenig wie der Osmanismus den nationalen Eigen-
arten der verschiedenen Volksgruppen des Reiches Rechnung zu
tragen vermag. Der türkische Nationalismus dagegen wächst ohne
künstliche Nachhilfe aus dem natürlichen Triebe zur Rassengemein-
schaft heraus und ist der Hauptfaktor zur Erhaltung des osmanisch-
türkischen Elementes im Reiche, welchem durch andere existenz-
fähige und erwerbstüchtigere Volkselemente die Gefahr der Er-
drosselung droht. Alle Begeisterungsfähigkeit, das junge Vater-
landsideal, Lebenswille und Leistungsfähigkeit der Türkei erstehen
heute auf dem Boden des Nationalismus. Wenn auch die neue
Entwicklung die Gefahr der Dezentralisation in sich schließt, so hat
doch schon die energische Art und Weise, wie der Nationalismus
das moderne Wirtschafts- und Büdungsproblern der Frau aufrollte,
ein sehr deutliches Zeugnis für seine Existenzkraft abgelegt. Aus
diesem Grunde erscheint mir überhaupt eine Nationalisierung der
gesamten osmanischen Frauenfrage im Interesse ihrer weiteren
Lovenz, Die Frauenfrage im Osnmnischen Reiche. 201
ZjOCOeO00CCXXXX)eO0»CXXKXX)00O0CX>lXX30O0CO0CI0O0000^
Geschlossenheit und Einheitüchkeit unerläßlich. Denn wir haben
gesehen, daß sich die türkische Frauenbewegung in erster Linie
als eine Frage der mohammedanischen, also türkischen Osmanin
darstellt. Somit trägt sie also, sofern die Erhaltung des türkischen
Staatsganzen sich weiterhin als eine Frage der türkischen Rasse
entwickelt, schon in ihrem Keim den Stempel des Pantürkismus
in sich.
Dürfen wir also an dem gesunden Triebe, a^ elcher die türkische
Frauenfrage in die Wirrsale des öffentlichen Lebens gedrängt hat,
nicht zweifeln, so wollen wir uns auch den Gefahren nicht ver-
schließen, welche sich der jungen Entwicklung in den Weg stellen.
So erfreulich und bemerkenswert auch die Schnelligkeit war, mit
welcher sich die Umgestaltung' im Leben vieler Frauen vollzog, so
sehr muß auch vor einer Überstürzung für die Zukunft gewarnt
werden. Nun ist ja allerdings anzunehmen, daß, wenn nach dem
Ausnahmezustande des Krieges wieder männliche Arbeitskräfte ins
Land strömen und geordnete Familien- und Wirtschaftsverhältnisse
eintreten, sich sehr bald eine gewisse Reaktion gegen das große
Wirkungsfeld der Frau geltend machen wird. Immerhin haben
aber die zahlreichen überraschenden Beispiele doch ein zu deut-
liches Zeugnis für die Lebenskraft der türkischen Frauenfrage ab-
gelegt, um ihre Wünsche und Forderungen je wieder ganz zurück-
schrauben zu können. In jedem Umsturz liegt nun aber eine doppelte
Gefahr: einmal für die Frau selbst, welche bei einer so plötzlichen
Entschleierung, wörtlich und bildlich verstanden, nur schwer Selb-
ständigkeit im öffentlichen Auftreten gewinnt; andererseits ist es
der Fanatismus der niederen Volksmassen, dem die Abrechnung
mit der Tradition als etwas Religionswidriges und deshalb Ver-
abscheuungswürdiges erscheint. Hinter dem Volke steht aber noch
heute sein Erzieher, die Hodschageistlichkeit, welche es ganz zu
seinem gefügigen Werkzeuge macht. Diesen Faktor müssen wir
ganz besonders ins Auge fassen, wenn wir von dem heutigen
Stande der Dinge aus einen BUck in . die Zukunft tun und uns den
nächsten Werdegang der Frauenfrage veranschaulichen.
5. Weiterer Ausbau der Frauenfrage.
Gilt es also, die breite Masse des unaufgeklärten Volkes für die
Notwendigkeit der Frauenbefreiung zu gewinnen, so darf das
religiöse Moment auf keinen Fall außer acht gelassen werden. Man
wird also mit einer gewissen Diplomatie auf den Gegebenheiten
2 02 1>>c ">/' '/''."' hlmm. Bayid H. 1918. f/cft H 4
n'<>3eOOO(X>OOOOOOOaOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOCKXX>OOOOCOO(X>OOOOOOOCXX>OCXXX)^^
der islamisch-relig"iösen Weltanschauung aufbauen und die große
Menge der Analphabeten mit dem wahren Inhalte ihrer Glaubens-
lehre, die ihr durch den Mund der Hodschageistlichkeit über-
liefert wird, genauer vertraut machen müssen. Denn selbst ein
Glaubens- und Rechtsuniversum wie der Koran ist an manchen
Stellen von dem freiheitsdurstenden Geiste des ungezügelten Araber-
tums durchdrungen.
Wenn dann mit der Aufklärung der Masse zugleich eine all-
mähliche Loslösung von den Fesseln der Tradition einhergeht, so
kann dies im Interesse einer gesunden fortschrittlichen Entwicklung
nur begrüßt werden,
GeHngt es erst einmal dieser Schwierigkeit Herr zu werden, so
ruht der Ausbau der Frauenfrage m. E. in vier Kernpunkten: i. in
der religiösen rechtlich-sozialen Umgestaltung, 2. in der richtig'en
Erfassung des Frauenbildungsproblemes, 3. in der bevölkerungs-
politischen Umgestaltung, 4. in der familien- und volkswirtschaft-
üchen Intensivierung der Arbeitskraft der Frau. Sind erst einmal
in diesen vier Punkten die geeigneten Grundlagen geschaffen, so
wird der berufliche und erwerbswirtschaftliche Weg der Frau nicht
mehr über Hindernisse führen.
Was die rechthche Umgestaltung- anlangt, so ist man seit der
Aufhebung der Kapitulationen ernstlich bestrebt, der Teilung der
Rechtsprechung, welche in Händen der geistüchen (Scheriat-
gerichte) und der weltlichen (Tansimatgerichte) Gerichte liegt, ein
Ende zu machen, eine Verweltlichung der Scheriatgerichte herbei-
zuführen. Damit mußte aber auch das Familien- und Erbrecht
eine Entklerikalisierung zugunsten der Frau erfahren. Diese Not-
wendigkeit wurde erst in jüngster Zeit in einem neuen Ehegesetze
niedergelegt, das zunächst in der Form eines vorläufigen Beschlusses
veröffentlicht wurde 1. Mit dieser Neuordnung ist die Zivilehe
für alle osmanischen Staatsangehörigen, also Mohammedaner, Juden
und Christen einheitüch durchgeführt. Für die Mohammedaner
treten drei Neuerungen in die Erscheinung: 1, die EheschUeßung
vor dem Richter, 2. die Registrierung der Eheschließung, und 3.
das vorherige Aufgebot. Es wird nun jedem Reichsangehörigen
zur Pflicht gemacht, die Ehe vor dem Büchter oder dessen Stell-
vertreter abzuschließen, wohingegen sie früher lediglich als Zivil-
1 Hierzu Tanin vom 29. Oktober 1917; der Neue Orient II, Nr. 4; Deutsche Leyante-
Zeitung vom l. Dezember 1917.
Loren:, Die Fraiieiifrape im Ogtnanif^che/i Reiche, 203
C>COOeOOOOCXXXX)OeO«OOOOOOCX3000000000000CXXXXXXXX)OOOOOOCOOOOCXX>CXXX)OC»00000000000000000000000(XXX)^^
kontrakt angesehen wurde. Damit wird der Frau ein gewisser
Rechtsschutz gegen die allzu leichte Scheidung gegeben und der
Familienzusammenhang wesentlich gestärkt. Ebenso soll die Pflicht
zur Registrierung der Ehe sowie die Bestellung des Aufgebotes
Meinungsverschiedenheiten und zuwiderlaufenden Eheschließungen
vorbeugen. Weiterhin wird aber auch die Ehescheidung durch
eine besondere Bestimmung eingeschränkt. Lag sie bisher als
willkürlicher Verstoßungsakt lediglich im Machtbereiche des Mannes,
so soll von nun an auch der Frau ein gewisses Anrecht auf
Lösung der Ehe zustehen. Dem Vorschlage eines Imams (Priester)
zufolge soll für den Fall, daß die Frau die Ehescheidung wünscht,
ein Schiedsgericht von je zwei Personen der beiderseitigen
Verwandten den Versuch einer Aussöhnung unternehmen; bei
Meinungsverschiedenheiten dieses Schiedsgerichtes soll ein Ober-
schiedsgericht gebildet werden. Im Falle des Mißlingens der
versuchten Aussöhnung wird der Streitfall dem Richter vorgelegt.
Auch der Mann, der sich früher nach Willkür von der Frau
scheiden lassen konnte, wird heute gezwungen, vor dem Ehe-
gericht die Notwendigkeit der Scheidung zu beweisen. Für den
Fall, daß die Mitglieder auch dieses Einigungsgerichtes zu keinem
einheitlichen Beschluß gelangen, hat eine höhere Instanz das end-
gültige Urteil zu sprechen.
Abgesehen davon, daß eine erzwungene Ehe keinen Gültigkeits-
wert besitzt, wird der Frau noch eine andere Vergünstigung ge-
währt. Wenn auch theoretisch noch an der Vielweiberei als
einem religiösen Gebote festgehalten wird, so darf der Mann eine
zweite Ehe nur mit Einwilligung der Frau eingehen. Schließlich
regelt das neue Gesetz auch die oft strittige Frage des Ehepreises
dahin, daß der vom Manne ausdrücklich angegebene Kaufwert
Gültigkeit haben soll; man unterscheidet also von nun an nicht
mehr zwischen dem seinen Verhältnissen entsprechend angesetzten
(mahr-i-misl) und dem ausdrücklich genannten (inahr-i-müminma)
Ehepreise. Auch die Grenze der Ehefähigkeit wird für Knaben
und Mädchen geregelt; und zwar wird sie für Knaben auf 12,
für Mädchen auf 9 Jahre festgesetzt. Die Heirat der Mädchen
bleibt bis zum 17. Jahre an die Einwilligung des Vormundes, die der
jungen Männer bis zum 18. Jahre an die des Richters gebunden.
Wenn auch diese viel zu tiefe Heiratsgrenze nicht gerade als
Vorzug zu begrüßen ist, so trägt doch das Gesetz einen gesunden
Kern, nämlich den des staatlichen Interesses an der Erhaltung der
204 /^"? ^^W'! 'Z^.'* hlmiis^ Hand H. 1918, Heft 3,4
Familie und die Erkenntnis ihres volkswirtschaftlichen Wertes, in sich.
Besonders aber — und das wird auch seitens türkischer Soziologen
hervorgehoben — bietet das Gesetz in seinen praktischen Folge-
rungen die sicherste, ja einzige Möglichkeit, den Rückgang und
Tiefstand der Bevölkerungsziffer durch Festigung des Eheverbandes
zu überwinden.
Mit der Rechtsreform muß naturgemäß auch die Bildungsreform
Hand in Hand gehen. Hier galt es also, die allzu großen Bildungs-
unterschiede der JEheleute, welche einen großen Teil der Schuld
auch an der sozialen und rechtlichen Deklassierung der Frau tragen,
durch gründliche und obligatorische Schulbildung auszugleichen,
welche das Kind und heranwachsende Mädchen nicht allein mit
den notwendigsten Elementen des Schulwissens, sondern auch der
Hauswirtschaft ausstattet, die noch zu sehr auf Kosten eines be-
quemen Lebens vernachlässigt wird. Freilich ist sefbst das Pro-
gramm der Volksschule, so einfach es auf den ersten Blick er-
scheint, nicht so leicht durchzuführen, wie es auf dem Papier
steht. Becker sagt hierzu: „Erst, wenn der Staat aufhört, dem
Bauern sein Letztes zu nehmen, erst dann ist der Boden reif für
die Volksschule, erst dann kann an die Hebung der sanitären
Verhältnisse, an die Ausbildung* der Mütter der kommenden Gene-
ration gedacht und damit eine langsame aber sichere Hebung der
ganzen Volkswirtschaft in die Wege geleitet werden". Auch ist
es nötig, die Schule unbedingt von dem reaktionären geistlichen
Einschlage völlig zu befreien und dort, wo er sich auf Kosten
iinderer weltlicher Fächer breit macht, eine völlige Reform herbei-
zuführen. Diese Notwendigkeit betont auch Becker in der Welt
des Islams 1. Gleichzeitig muß aber das neue Schulprogramm durch
regelmäßige Veranstaltungen turnerischer und sportlicher Übungen,
durch hygienische Aufklärung und Unterweisung energisch darauf
hinwirken, daß die Schwäche und Verweichlichung der türkischen
Frau körperlicher Widerstandskraft und Leistungsfähigkeit Platz
macht. Erst in dem Maße, wie der Mann die praktische und
geistige Befähigung einer sozial und rechtlich gehobenen Frau an-
erkennen und schätzen lernt, wie damit gegenseitige Interessen
die Eheleute näher bringen, wird sich auch das türkische Familien-
leben langsam veredeln, um die Grundlage besserer Daseins-
bedingungen für das kommende Frauengeschlecht zu werden.
J a. a. O. S. 106.
Lorenz, Die Frauen frage vii Osinuidschen Reiche, 205
Aus der Lösung der Rechts- und Bildungsfrage folgt auch, wie
selbstverständlich, die bevölkerungs- und wirtschaftspolitische Aus-
gestaltung des Frauenproblems. Diese ist nun aber ihrerseits nur
im Rahmen der gesamten Wirtschaftsverjüngung denkbar. Eine
Wirtschaftsreform ist ohne die Frauenfrage und ebenso diese ohne
eine Wirtschaftsreform hier nicht möglich. Beide folgen ausein-
ander, beide müssen sich in ihrem eigenen sowohl wie im Interesse
der nationalen Gesamtheit ergänzen und können nur in steter
Wechselwirkung zueinander den wichtigen Grundstein zu einer
neuen unabhängigen Türkei legen.
6. Deutsche Kulturarbeit im Dienste der osmanischen
Frauenfrage.
Wenn nun deutsche Forschung, Technik, deutsches Kapital und
deutsche Arbeit ihre Kulturträger in das weite Neuland türkischer
Wirtschaft entsenden, um an ihrem schnellen Aufblühen tatkräftig
mitzuwirken, so können die deutschen Kulturaufgaben unmöglich
an einer Gewinnung der Frauenarbeit uninteressiert bleiben. Weiter
aber muß bei dem Aufeinanderprallen zweier so wesensfremder
Kulturwelten, wie sie Morgenland und Abendland verkörpern,
zunächst ein Ausgleich, eine Verständigung in den Sitten-, Rechts-
und Staatsbegriffen vollzogen werden. Da naturgemäß bei aller
Anpassungsfähigkeit ein moderner Rechtsstaat nicht in die Fuß-
tapfen eines religiös-rechtlichen Staatsgebüdes treten kann, so
muß das Schwergewicht dieses Ausgleiches auf die Modernisierung
der Türkei im europäischen Sinne gelegt werden. Hierzu büden
die mit der Aufhebung der Kapitulationen nötig gewordenen
deutsch-türkischen Rechtsverträge den ersten, wohlgelungenen Ver-
such. In diesem Abkommen, welches auf gegenseitig gleichen
Rechtsansprüchen fußt und Deutschland die Vorteile der meist-
begünstigten Nation in der Türkei zusichert, wird im Auslieferungs-
vertrage (für strafrechtlich verfolgte Personen) von der deutschen
Regierung zu der Möglichkeit der Polygamie Stellung genommen.
Danach gut neben verschiedenen Auslieferungsverbrechen auch
die in Deutschland strafbare Doppelehe eines deutschen Staats-
angehörigen als Auslieferungsdelikt; es besteht also für die türkische
Regierung in diesem Falle die Verpflichtung zur Auslieferung des
Täters ebenso wie umgekehrt für die deutsche im Falle der Doppel-
20Ö l'ir \V>lt (/es I.-</,ii,t.o, liiuul 6. 1918, Hfft 314
ehe eines Türken im Deutschen Reichet Diese Abmaclmiig-
deutet schon energisch auf eine Verdeutschung des moham-
medanischen FamiHenrechtes liin.
Wie soll sich nun die aktive Teilnahme des Deutschen an der
Lösung des osmanischen Frauenproblemes gestalten? Was zunächst
die Methode anbelangt, so haben die schon während des Krieges
gesammelten Erfahrungen den Türken nicht gerade das Zeugnis
sympatliischen Entgegenkommens ausstellen können, das man zu
erwarten gern geneigt war. Woran lag das? Wie Junge in seiner
Einleitung zum Archiv betont, gibt es zwei Möglichkeiten der
Europäisierung: die eine beschränkt sich auf ein äußerliches gewinn-
bringendes Erfassen des Handels; die andere erstrebt auf dem
Wege der Anpassung, des liebevollen und geduldigen Entgegen-
kommens, eine gründliche wissenschaftliche Umgestaltung von unten
herauf. Gerade die erste nur auf das eigene Interesse bedachte
Art der Europäisierung hat aber dem deutschen Kulturträger
mehr Schaden als Nutzen g^ebracht; der zweite mühsamere Weg
ist bisher noch wenig beschritten worden. Gerade das schwerste
aller Orientprobleme aber, die Frauen frage, stellt ganz besondere
Ansprüche an das Feingefühl des Reformators. Diese Rücksicht-
nahme, verbunden mit einer geschickten Anknüpfung an islamische
Kultur, wird auch hier mit Sicherheit auf den rechten Weg führen.
So kann Dr. M. Grunwald^ in bezug auf GeneralfeldmarsclKiU
V. d. Goltz mit Recht sagen: „Seine größten Erfolge hat er hier
sicherlich durch sein psychologisches Feingefühl erworben." Auch
E. Marquardtsen gibt in ihrem Buche über das Wesen des Osmanen
sehr wertvolle Ratschläge für die Gewinnung des Orientalen.
Becker bemerkt hierzu 3; „Nur wenn wir ihnen als Menschen und
Organisatoren imponieren, werden wir den Orient gewinnen."
M. Horten, welcher in der Toleranz und der wissenschaftlich hohen
Stufe des Islams wertvolle Anknüpfungspunkte sieht, äußert sich
folgendermaßen: „Französische Phrasen und englische Äußerlichkeit
und Halbbildung haben schon manchen willigen Schüler des Orients
auf Irrwege geführt. Nur die germanische Gründlichkeit kann
hier als der beste Lehrmeister das bisher Verfehlte wieder gut
' Die rechtlichen Verhältnisse in diesem Punkte vor Inkrafttreten der deutsch-türkischen
Rechtsverträge legt Dr. jur. Beckmann in seiner Dissertation : .,Die Vielehe in der
Türkei" dar.
2 Vossische Zeitung vom 20. April 191Ö: J)eut.sche Berater in der Türkei.
:• a. a. O. S. 33.
J.orenz, Die Franoifrage im 0!<]nanücheii Reiche. 207
0CCO0000000000CX)0000000CXXXXXXX)000000000000000000000CO000CXXXX)00000CXXXX»0(XXXX)00C^^
machen und das noch Fehlende ergänzen." Auch in einsichtigen
türkischen Kreisen verschließt man sich dem Werte gründlicher
deutscher Kulturarbeit nicht. So sagt der ehemalige kaiserlich
ottomanische Generalkonsul Halil Halid Bej in bezug auf Enver
Paschas Arbeit für die Hebung der Türkei: „Viel bleibt jedoch
für die türkische Regierung noch zu tun übrig zur Hebung der
sozialen und intellektuellen Zustände der Anatolier. Das Volk
bedarf gründlichster Aufklärung, und eine vom Volksgeiste getragene
Bewegung muß geschaffen werden zugunsten seiner schnellen in-
tellektuellen und kulturellen Entwicklung"; und verspricht sich
ebenfalls viel von der deutschen Mitwirkung an der Lösung ' des
türkischen Bildungsproblemesi.
Unter diesen Voraussetzungen des Verständnisses und der An-
passungsfähigkeit kann das deutsche Erziehungsprogramm mit
Erfolg" einsetzen. Hier werden deutsche Gründlichkeit und deutscher
Idealismus auf dem großen Gebiete des türkischen Schul- und
Bildungswesens ein fruchtbares Feld ihrer Zukunftsarbeit finden.
Gelingt es dem deutschen Schulmann, mit der Verdrängung der
stark in der Überzahl vorhandenen ausländischen, besonders fran-
zösischen, amerikanischen und englischen Schulen auch die Refor-
mierung des Mädchenschulwesens in die Hand zu bekommen, so
wird die gesamte Frauenfrage eine Entwicklung nehmen, welche
zweifellos zu ihrem Nutzen, im Zeichen systematischer Gründlichkeit
und,' ähnlich wie jene in Deutschland, des langsamen, sicheren von
Extremen freien Fortschreitens stehen wird.
Bisher beschränkte sich der Einfluß deutscher Frauen in der
Türkei auf die häuslichen Erzieherinnen, die, wie wir sahen, oft
eine Gefahr für das türkische Familienleben bedeuteten und mit
deren Persönlichkeit nur selten pädagogisches Ideal verbunden war,
ferner auf Kolonistenfrauen, Diakonissen, Ordensschwestern u. a. m.
Heute haben sich den deutschen Frauen noch eine Reihe anderer
Wirkungskreise eröffnet, in denen sie Hand in Hand mit ihrer
türkischen Schwester den neuen Zeitgeist in die Entfaltung des
türkischen Frauenlebens hineintragen können. E. Grunewald ge-
denkt hier der deutschen Leiterinnen und Lehrerinnen an türkischen
Mädchenschulen, der Ärztinnen und besonders der Frau, welche
in enger Zusammenarbeit mit der Osmanin auf sozialem Gebiete
Fühlung und Anknüpfungspunkte für die Lösung der großen zeit-
gemäßen Kulturaufgabe, der Frauenbefreiung, finden wird.
1 Halü Halid Bej, Das Bildungsproblem in Anatolien. D. N. O. II. Bd., Nr. 3.
2o8 J>ie Weh des Jslanu<, Bund 6. iiti^, Heft Sji
,yD\e Zukunft einer Nation wird durch die Frauen geschaffen",
klingt es verheißungsvoll aus dem türkischen Revolutionsdrama.
Heute haben die türkischen Frauen sich aus allzulangem Dämmer-
zustande langsam zum Bewußtsein dieser Wahrheit durchgerungen.
Werden sie den Mut weiterer Konsequenzen finden? Taten und
Persönlichkeiten haben bereits dafür gesprochen; und wir dürfen
der osmanischen Frauenwelt heute zuversichtlich Worte zurufen,
welche Hartmann an die Spitze seiner unpohtischen Briefe ge-
stellt hat:
„Und Ihr, türkische Frauen, mögt Ihr durch Geburt dem Türken-
tum angehören oder durch Heirat ihm angegliedert sein, Ihr seid
im besonderen Maße berufen, Eurer Volkheit zu dienen. Kämpft
Schulter an Schulter mit den besten Männern um Eure Rechte,
die ein mißverstandenes Gesetz Euch verkümmert, wirkt im Stillen
in treuer häuslicher Arbeit für die Heilung der Schäden, die Eure
Gesellschaft verderben; zieht vor allen Dingen in Euren Kindern
einen Nachw^uchs heran, der mit Euch und für Euch kämpft, der
Euer Volk zu einer Verjüngung und damit zu einer neuen großen
Zeit führt!"
LITERATURVERZEICHNIS.
I. Zeitungen.
Die wichtigsten deutschen Tageszeitungen. Ausländische Zeitungen in deutscher Sprache:
Balkanzeitung. Osmanischer Lloyd. Pester Lloyd. Türkische Tageszeitungen:
Ikdam. Sabah. Serwet-i-Fünun. Le Soir. Tanin. Taswir-i-Efkjar.
II. Zeitschriften und Sammelwerke.
(nicntalisches Archiv. Illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte und Völker-
kunde der Länder des Ostens. Herausgegeben von Hugo Grothe. Jahrgang i — 3.
Leipzig 19 10 — 13.
Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie einschließlich Rassen- und Gesell-
schaflshygiene. Leipzig-Berlin.
Weltwirtschaftliches Archiv. Jena.
Archiv für Wirtschaftsforschung im Orient. Herausgegeben von Reinhard Junge.
Weimar.
Asien. Organ der deutsch-asiatischen Gesellschaft. Berlin.
Berichte für Handel und Industrie. Herausgegeben vom Reichsamt des Innern..
Insbesondere die Jahrgänge 1906, 1907, 1912, 1913.
Correspondence d 'Orient. Revue bimensuelle de politique etrangere. Paris.
Lorenz, Die Tratwnjrage im Omiunmchen Keiclie. 209
oc'Ooeooooooooooeoaooooooo<xxxxMotxxKxxxxxxxx>MO(X»ooooooonnnr^^
Flugschriften der Zentralgeschäftsstelle für deutsch-türkisrhe Wirtschafts-
fragen. Weimar.
Gtoist des Ostens. Monatsschrift flir Asiatenkunde. 1. Jahrgang. München 1913.
66nie civil ottoraan. Konstantiaopel.
]4eutsches Handelsarchiv. Zeitschrift fiir Handel und Gewerbe. Berlin.
Das Handelsmuseum. Berichte der k. und k. Konsularämter. Wien.
Österreichisch-ungarisches statistisches Jahrbuch.
Iktisadiat Medschmuasy. Konstantinopel.
Journal Asiatiquc. Paris.
Der Islam. Zeitschrift für Geschichte und Kultur des islamischen Orients. Heraus-
gegeben von C. H. Becher. Strafiburg.
Kolonie und Heimat. Unabhängige koloniale Wochenschrift. Organ des Frauenbünde»
der deutschen Kolonialgesellschaft.
Korrespondenzblatt der Nachrichtenstelle für den Orient. Berlin.
Länder und Völker der Türkei. Schriften des deutschen Vorderasienkomitees.
Leipzig 1915.
Deutsche Levantezeitung. Hamburg.
Petermanns Mitteilungen. Gotha.
Süddeutsche Monatshefte. München.
Österreichische Monatsschrift für den Orient. Herausgegeben vom k. und k.
Handelsmuseum. Wien.
The Orient. A weekly paper devoted to the religious, educational, political and other
interests of the Ottoman Empire. Konstantinopel. Herausgegeben von der ameri-
kanischen Mission der Kongregationisten.
Der neue Orient. Halbmonatsschrift für das politische, wirtschaftliche und geistige
Leben im gesamten Osten. Band i. Berlin 191 6.
Deutsche Orientbücherei. Herausgegeben von Ernst Jäckh. Weimar 191 5.
Deutsche Politik. Wochenschrift für Welt- und Kulturpolitik. 3. Jahrgang 19 iS.
Weimar-Berlin 191 5.
Qadynlar Dünjasy. Konstantinopel.
Deutsche Revue. Stuttgart.
Revue du monde Musulm an. Publice par la mission scientifique du Maroc. Paris.
Europäische Staats- und Wirtschaftszeitung, i. Jahrgang. Berlin 19 16.
Die Textilw^oche. Insbesondere die Sonder-Nummer: Balkan-Orient. Berlin.
TÜrk-Jurdu. Konstantinopel.
Die neue Türkei. Illustrierte unabhängige deutsch-türkische Wochenschrift, i. Jahr-
gang. Berlin 191 7.
Deutsches Vorderasien- und Balkanarchiv. Blätter zum .Verständnis und zur Er-
kundung des neuen Orients. Mitteilungen des Vorderasieninstituts der deutschen
Vorderasiengesellschaft. Herausgegeben von Hugo Grothe.' I. Jahrgang. Leipzig
1917.
Die Welt des Islams. Zeitschrift der deutschen Gesellschaft ftir Islamkunde. Berlin.
Die islamische Welt. Illustrierte Monatsschrift für Politik, Wirtschaft und Kultur.
1. Jahrgang. Berlin 191 7.
Das Wirtschaftsleben der Türkei. Beiträge zur Weltwirtschaft und Staatenkunde.
Herausgegeben im Auftrage der deutschen Vorderasiengesellschaft von Hugo Grothe.
Berlin 1916.
2 10 l>ie, Welt des Islams, Jiand H. 191&, lieft Sj-i
ecec)too<yx>ooocKxxxK<xxx>oocKX)cxxyx)oooo(X)ix)oo(X)ix)OCKX^^
Wirtscliaftszeitung der Zentralmächte, i. Jahrgang. 191 6.
The Moslem World. A quaterly revue of current events, literaturc and thought among
the Mohammedans and the progress of Christian mission in Moslem lands. London.
The States man 's Yearbook. London 1916.
III. Anonyme Einzelschriften und Aufsätze.
L'JMJtivitö feminine. In: Osraanischer Lloyd vom 5. April 19 16.
Les femmes fonctionnaires. In: Le Soir vom i. April 1917.
Die Prau der neuen Türkei. In: Breslauer Generalanzeiger vom 18. März 1917.
Die türkische Frau. In: Osmanischer Lloyd vom 15. Februar 191 7.
Die türkische Frau im Kino. In: Memeler Dampf boot vom 25. Februar 191 7.
Die türkische Frau im Wirtschaftsleben. In: Hamburger Korrespondent vom
4. Dezember 1916.
Derselbe Artikel findet sich wortgetreu in: Oberschlesischer Anzeiger vom 8. De-
zember 1916, Pester Lloyd vom 27. August 1916, Die Post vom 9. Dezember
1916, Kölner Tageblatt vom 11. Dezember 19 16.
Türkische Frauen, ihr Leben im Harem und im Spiegel türkischer Erzählungen.
München o. J. Delphinverlag.
Frauenschicksal und Frauenarbeit. In: Die islamische Welt. Nr. 7. Jahrgang
1916/17.
Der türkische Rote Halbraond. In: Kolonie und Heimat. Nr. 4. Jahrgang 11.
Osmanly hilal-i-ahmer dschemietinin salnaraesy. .Ahmed Ihsan, Konstantinopel.
Die deutsch-türkischen Rechtsverträge. Reichstag 1 1 1914/17. Drucksache Nr. 755.
Le röle de la femme turque pendant la grande guerre. In: Le Soir vom 28. Oktober
1916.
Die anatolische Teppichindustrie. Berichte für Handel und Industrie 1906.
Das Handelsmuseum. Die Teppicherzeugung im Orient. Herausgegeben im Auftrage
der Direktion des k. k. Handelsministeriums. Wien 1891 — 96.
Die wirtschaftlichen Verhältnisse in Anatolien, Kurdistan und Arabistan. Berichte
für Handel und Industrie. Jahrgang 1907.
Die türkischen Wirtschaftsverhältnisse einschl. Textilindustrie. In: Deutsche
Wirkerzeitung vom 16. November 191 6.
IV. Sonstiges.
Scheich Abdul Azi2 Schauisch: Türkische Frauen des Roten Halbmondes. In: Die
islamische Welt. Nr. 5. Jahrgang 1916/17.
Tekin Alp: Türkismus und Pantürkismus. Weimar 1915. (Deutsche Orientbücherei 2.)
Auerbach, F.: Die syrische Frau. In: Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie.
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Becker, C. H.: Das türkische Bildungsproblem. Bonn 1916.
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Seckmann, Dr. iur. : Die Vielehe in der Türkei. Berlin 1905.
Lotem, Die Frauenfrarje im Osi/umüchen Reiche. z 1 1
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Literatur. 2 1 5
coooosaoooo
LITERATUR.
Halid Sia, Tagebuch eines Toten. Aus dem Türkischen über-
setzt von Habib Edib. Berlin: Der neue Orient 1918. 150 S. 8°
Nach mancherlei literarischen Schicksalen schrieb Halid Sia 1887 das hier übersetzte
..Tagebuch eines Toten", sechs Jahre später verfaßte er seinen berühmtesten Roman „Blau
und Schwarz", in dem er die Litcratenwelt des Stambul seiner Zeit schildert und in seinem
Helden Ahmed Dschemil den Mann, den er als die Vollgestalt des Journalisten
empfand, und in dem alle Qualitäten des literarischen Arbeiters vereinigt sind. Die Vor-
liebe für Beobachtung und Schilderung des Berufsschriftstellers und seiner Art tritt schon
in diesem Frühwerke hervor : der eine von dessen beiden Helden, Hüssam, ist Redakteur
mit Leib und Seele, und er wird mit allem, was drum und dran hängt, beschrieben, nicht
ohne Würzung mit jenem Humor, der sich so häufig bei den Osmanen findet, und der
durch das ganze Buch geht; durch ihn erhalten auch die peinlichsten Lagen etwas Ver-
söhnendes. Der andere Held, Wedschdi, der selbst sagt,, daß er sich langweilt und daß
er sein Blut in Müßigkeit und Bequemlichkeit eintrocknen läßt, ist uns weniger sympathisch.
Aber der Dichter hat verstanden, in seinem Buche so hübsche Kleinmalerei zu treiben,
daß man seinem Plaudern gerne zuhört. Auch ist es nicht ohne Interesse, dieses starke
Rrzählertalent in seinem Anfangsstadium kennen zu lernen.
Die Übersetzung ist ausgezeichnet. Habib Edib hat den Sinn überall scharf erfaßt
und ihn so wiedergegeben, daß Fräulein Pappenheim, der das Buch gewidmet ist, das
kleine Kunstwerk daraus machen konnte, als das sich diese, fast nirgend den Charakter
einer Übersetzung zeigende Arbeit vorstellt. In kurzem Schreiben an Habib Edib gibt
Halid Sia Bericht über die Umstände der Abfassung: „Ich war damals etwa 20 Jahre,
und jung und kindlich wie ich selber, war damals auch die türkische Literatur, die eben
die ersten Schritte auf der Bahn der Entwicklung tat, auf der sie inzwischen mit über-
raschender Schnelligkeit dem Fortschritt zugeeilt ist ... 'Das Tagebuch eines Toten* be-
deutet die Morgenröte der Entwicklung, deren Anbruch eine Reihe wichtiger Tage folgte."
Der unbefangene Beobachter kann den Prozess der türkischen Literaturbildung nicht ganz
so optimistisch ansehen. Die osmanische Literatur hat nicht das gehalten, was sie ver-
sprach, als sie neue Wege einschlug im Gedanklichen und Formellen. Von der Nach-
ahmung des Fremden sich abwendend, wollte sie „national" sein, aber es zeigt sich nirgend
ein tieferes Eindringen in die osmanisch-türkische Psyche in ihren so mannigfaltigen
Äußerungen; sie wollte sprachlich sich zur Einfachheit, Einheitlichkeit und Volkstümlichkeit
durchringen, sie blieb aber auf halbem Wege stecken, und der alte Unfug der Sprach-
mengerei blieb weiter. Beide Fehler entstammen derselben Quelle: Der willensschwachen
Korapromisselei und der Unfähigkeit ernst und zäh zu arbeiten. Die wenigen Männer, die
durch ihren sittlichen Status berufen sind, brachten nicht rein .literarische Werke von
durchschlagender Kraft heraus. Es ist auch von weiterem Betriebe auf rein literarischem
Gebiete in der bisherigen Weise abzuraten. Die Literatur ist heute der Tummelplatz einer
Anzahl jüngerer Herren. Zu zahlreich sind heute die, die durch literarischen Eifer einen
leichten Ruhm sich zu erringen hoffen. Immerwährend werden neue Zeitungen und Zeit-
schriften gegründet, die nach kurzem Leben wieder eingehen. Dagegen können die Organe,
die ernste Ziele verfolgen, nur mit Mühe sich halten, für sie fehlt es an Arbeitsnachwuchs
(wie die Zeitschriften der Universitäts-Fakultäten, die Zeitschrift des Instituts für die Er-
2i6 DU Welt des Islams, Band 6. nU8, Heft Sji
»CO0e0e00(XO00000(»(X»C<XXXXX)00000000CXXXX)0000CXXX)00000000000000000000000000^
lorschung islamischer und türkischer Denkmäler, das Organ des Instituts für osmanisrhe
Geschichte).
Halid Sia selbst hat für die osmanische Literatur Außerordentliches geleistet: er ist der
einzige, der auf dem von ihm geschaffenen Gebiete, dem modernen Roman, Bedeutenderes
hervorgebracht hat. (Neben ihm sind vorhanden eine Anrahl tüchtiger Erzähler, die wohl
von ihm befruchtet wurden, zum Teil über ihn hinausgekummen sind.) Vor etwa zwei
Jahren wandte er sich dem Drama zu, zunächst mit Anpassung fremder Stoffe (Prancillon
Yon Dumas Fils unter „Ferusan", Souris von Paillon unter „Fare"). Neuerdings trat er auch
mit einem Drama hervor: Kabus „Alt", das das Problem der türkischen Frau behandelt
und das von der Kritik nicht unfreundlich aufgenommen wurde.
Es ist ein Zug im türkischen Wesen, der für die Dühnenliteralur versprechend ist: die
Freude an komischen Situationen. Es ist seltsam, daß das nicht zu einer guten Ent-
wicklung des Lustspiels geführt hat.
In der Erzählung stehen neben Ilalid Sia einige Talente, die von ihm selbst an-
erkannt und die in Stambul in allen Kreisen geschätzt werden. Halid Sia selbst nannte
vier: Refik Halid, Falid Rifki, Ja'kub Kadri und Omer Seifeddin. Ich fuge
hinzu: Ruschen Eschref, der sich an Originalität der Erfindung und an Einfachheit
und Ursprünglichkeit der Sprache mit dem ersten jener vier: Ja'kub Kadri, messen
kann. (Von Ja'kub Kadri und Omer Seifeddin erschienen Erzählungen im Mai und Juni
d. J. in der Sonntagsbeilage des Osmanischen Lloyd.) Lag es nicht näher, etwas Ton jenen
fünf modernen Prosateilen vorzulegen als ein, vom Dichter selbst verleugnetes Jugendwerkf
Bedeutend ist nichts, was in der Erzählung geleistet wurde, die reilsten Werke Halid Sias
ausgenommen.
Wird nicht von der neuen Lage, die für die osmanischen Türken durch die Kapitulation
vom 31. Oktober geschaffen ist, die Literatur berührt werden? Wird man sich in dem
schwer geprüften Volke ernstlich fragen: was sind unsere Aufgaben, wenn wir als Volk
von Ansehen und von Eigenpersönlichkeit im Kreise der Staaten und Gesellschaften weiter
bestehen wollen ? Wird man imstande sein, die Frage so zu lösen, daß dem osmanischen
Volke eine Zukunft bleibt? ^'on der Antwort wird die Zukunft auch der osmanischen
Literatur abhängen. Martin Hartmann ■}•
Golem an Philippson and Noel Buxton: The Ouestion of the
Bosphorus and Dardanelles. London: Stevens and Haynes 1917.
XVI und 264 S. 8°
Bei dem alten Politikbetrieb war das Schwarzmeer ein Tummelplatz des furor navalis.
Nachdem die Türken als Seemacht ausgefallen, trieb die russische Flottenwut dort ihr
Wesen. Der Riegel, der in den türkischen Befestigungen der Meerengen vorgeschoben
war, hinderte nicht den Bau von Schlachtschififen auf russischen Werften, und gelegentlich
wischte ein oder das andere Schiff durch ins Mittelmeer oder umgekehrt, auch in den
Zeiten, wo durch Staatsverträge allen Kriegsschiffen die Durchfahrt verboten war. Am
schärfsten beleuchtete alle diese Fragen Goriainow in seiner, fast nur auf archivalischen
Studien beruhenden Tendenzschrift (Empfehlung der Rückkehr zu der starken Politik
Katharinas II): „Lc Bosphore et les Dardanelles" (Paris 1910 mit (Geleitwort von Gabriel
Hanotaux, vgl. darüber Hasenclever in Göttingische Gelehrte Anzeigen 191 2, No. 2,
S. 103 — 117 und den juristisch scharfen Bericht v. Martitz' in Zeitschrift für Ost-
europäische Geschichte I (1911) S. 420 fr.). Neben der russischen Darstellung hat be-
sonderes Interesse diese neueste englische von Philippson und Buxton. Die Verfasser
JÄteratur. 2 1 7
aC<)C«0000000CXX>00«000OiX>(XXXXX)CXX3000000CKXO00000000000COCO000CX^^
sind objektiv genug, um auch russische Stimmen gegen den Byzanztraum wiederzugeben,
wie die Denkschrift des Gesandten v. Rosen (jetzt abgedruckt in der Septembernummer
der „Neuen Rundschau", vgl. Neuer Orient 111 S. 5^3 f-j wo Auszug gegeben ist). Die
Verfasser neigen der Lösung durch Internationalisierung der Meerengen zu: über frühere
Vorschläge dieser Art s. Dascovici, „La Question du Bosphore et des Dardanelles",
Gen^ve 1915. (Auch Dascovici will mehr eine große Übersicht geben als Ergebnisse
der Spezialforschung ; bei ihm spielt die Hauptrolle Rußland, dessen Verhalten er scharf
geißelt: Als Rumäne lehnt er die Sasonoff'sche Auffassung „Das schwarze Meer ist das
russische Meer" als unerträglich für Rumänien, Bulgarien und die Türkei ab; vortrefflich
ist seine stete Heranziehung des wirtschaftlichen Moments; hinsichtlich der Zukunftsgcstaltung
kommt er nicht über die alte Neutralisierung hinaus, die durch internationale Ordnung ge-
sichert werden müsse, deren Hut aber nicht Rußland anvertraut werden dürfe. Für Ver-
suche internationaler Lösung verweist Dascovici auf den Plan des Griechen Dionysios
Rattos, „Constantinople Ville libre", Paris 1870, den Bericht betreffend die Meerengen
und Kanäle im Kriege für die 18. Sitzung im Haag, 3. — 5. September 1913? endlich die
Nationalitätenkonferenz in der Plcole des Hautes Etudes Sociales, Juni 191 5 unter Painleve
und Seignobos mit Forderung der Internationalisierung der Meerengen und Kanäle). Durch
die neueste Entwicklung ist der Internationalisierangsgedanke in eine breitere Sphäre gerückt;
man wird bei den ,, Meerengen" nicht stehen bleiben dürfen, es sind vielmehr alle Welt-
straßen jeder Art einzubeziehen. Philippson und Buxton heben trefflich hervor das
Schwanken der russischen Haltung in der neuesten Zeit, das illustriert wird durch Miljukoff,
der als Außenminister im April 191 7 die Herrschaft Rußlands über das Schwarzmeer
verlangt, während ein paar Tage später Prinz Lvoff die Okkupation ablehnt und am
15. Mai 1917 Miljukoff auf Konstantinopel verzichtet. Auf den letzten Seiten des Werkes
werden, neben etwas kühner Zukunftsmusik, Einzeläuflerungen der älteren Zeit herangezogen
wie Pinons Worte (Revue des deux mondes 1905, S. 604) über das rücksichtslose, alle
internationalen Maßnahmen im eigenen Interesse ausbeutende England, worauf nur erwidert
wird, daß die andern es noch schlimmer machen. Wo von der einheitlichen zwischen-
völkischen Regelung der Wasserstraßen der Welt gehandelt wird (Grundlegung in Teil i
Kap. 2), geschieht es ohne die juristische Schärfe, mit der v. Martitz im Referat über
Goriainow auf das Problem eingeht. Martin Hartmann f
oeoceeoüooooooooc)ooooooooooooooooooocxxxx»ooo(xyx)ocKX30ooooooooooooooo o oooooooooo»XK^ao 9 000000<^^
2i8 T)'ie Weh d'^ Islams, Band H. i,9/.v, Heft 314
ef«0C000OO0OCXX»00O000000000OCX50CKXXXXX<XXXXXDOOOOOCI0OO0OCKXKXXX>X)OOOOCXX)OC»0CXX^
BIBLIOGRAPHIE.
♦ bedeutet Vorhandensein in der Bibliothek der Gesellschaft, f Vorhandensein in der
Deutschen Auslands-Bibliolhek. Nach dem Titel in [ ] stehen Zugangsnummer der Bibliothek
und gegebenenfalls Name des Geschenkgebers. *
Ausführliche Besprechung einzelner Werke h)leibt vorbehalten.
857. Der Islam und seine modernistischen Strömungen. Von Said
Memun [Ma'mün] Abul-Fadl. o. O. (1917.) 15 S. 8°
858. Die russische Gesetzgebung über den Islam bis zum Ausbruch
des Weltkrieges. Von Hermann Koch. Berlin: Neue Orient 1918.
119 S. 8°
859. [Arab. u. Ant.] Tahijjat al-*alam. Le Salut au drapeau.
T^moignages de loyalisme des musulmans fran9ais. 1. Paris:
Leroux 1916. 8° (Collection de la Revue du monde musulman.)
860. Louis Madelin. L'Expansion fian9aise. De la Syrie au Rhin.
Conferences faites au 'Foyer'. Paris: Plön 1918. xxxm, 325 vS. 8'^
861. The Turkish Empire, its growth and decay. By Lord [George
John Shaw-Lefevre] Eversley. With a frontisp. and 3 maps.
London: Unwin (1917). 10, 392 S. 8°
862. Bertrand Bareilles. Constantinople, ses cites franques et
levantines (Pera, Galata, Banlieue). 1 pl. par Edgar Chahine, 32 ill.
par Adolph Thiers, 1 pl. de Constantinople. Paris: Bossard 1918.
405 S. 8°
863. Abendländische Künstler zu Konstantinopel im xv. und xvi.
Jahrhundert. Von Josef v. Karabacek. 1. Wien: Holder in
Komm. 1918. 4° (K. Ak. d. Wiss. in Wien. Phü.-hist. Kl.
Denkschr. Bd 62, Abh. 1.)
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a la Chambre des deput^s le 3 mars 1333 (1917) sur le budget
g^neral de l'exercice 1333 par Djavid Bey, Ministre des finances.
(Const. 1917: Dette publ. ottoman.) 60 S. 8°
866. Der Türkenhof. Eine Geschichte a. d. Zeit d. Türkenkriege
von Clara Hacker. 2. Aufl. Jena: Schmidt 1918. 150 S. 8^
867. The War and the Bagdad railway. The story of Asia Minor
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«•oo»oeooooooooooooooc<»oooo(>y>oooooooocxxxxx>ooooo«x«aoooooooooooooc»ooooooo oo ocBO«ao» ooocio oooo»c»^
2 20 Die yVelf des Js/ams, Band fi 1'.)18, Heft 3j4
TTrff'T«m«mfyinf)fHTfli>ntnrnrwofXK>nr>fwv)nr*»x)rionooooivii'ii'ii muh ><>onrirKXinoriririrr»>vioorririTrf)fTriorririr^
NAMENREGISTER \
(VERFASSER, VORTRAGENDE, REFERENTEN.)
'Abdallah, Artin, T. *3i
Abul-Fadl, Sai'd Ma'mün *2ii
Ahmed Muhieddin *3i
Ahmed Rüstern Bey *2i9
*AlI, Hasan *66
Alowzo *2i9
Artin T. *3i
Banse *3o
Bareilles *2i8
Benson *30. *64
Bierbaum '-'31
Bolland, Wely Bey *3i
Brereton *65
Brockelmann t,^. *64
Buxton *3o, *2i6
Canton ^219
Christ-Socin *3i
Giemen *29
demente da Terzorio *6,5
Cohen ^219
Cooper *3o
Djavid Bey *2i8
Dieterich *3o
Eberhard *2 9
Einstein *3o
Emin, Achmed *64
Endres *32
Enfrey *64
Eversley *2i8
Fa'iz al-Husain *6,5
Fudali *29
Gairdner *3 2
Griesinger ^219
Griselle *65
Grothe *2 9
Guthe ■■'219
Hachtmann 1. 28
Haecker *2i8
Halid Sia ^=215
Hartmann *29. 40. 216. 217
Hasan 'Ali *66
Hassert ^64
Hedin *^2. *65. *2i9
Heffening- 26. 63
Henschke *32
Hoare *65
Hurgronje, Christian Snouck *32
al-Husain, Fa'iz *65
Hyamson *2i9
Jabotinsky *64
Jaenecke *65
Jäschke *3o
Jastrow *2i8
Is6t M61yh *2 7.
^31
Kahle '•'^^z
Karabacek *2i8
1 Der Stern vor einer Zahl bedeutet, daß an dieser Stelle eine unter dem roranstebendea
Namen erfolgte Veröffentlichung besprochen oder angeführt wird.
iVa inen rd/laler.
2 2 1
Ivlabund "^^2
Kluge *3i
Knapp *2i8
Koch *2i8
Krause, Paul R. *2 9
Kurayyim Sallam '*:^2
Lorenz 72
Lucas *66
Madelin *2i8
Ma'mün Abul-Facll, Said *2ii
Mandelstam *3o
Marschall 28
Meda *65
M%h, Iset '■•2j. *3i
Mirbt *2 9
Morgan *64
Mugerditchian '-^Os
Muhieddin, Ahmed ===31
Munir, Sälih ^64
M2ik *64
Parfit *3i. *66
Phillipson ••=30. *2 1 6
Piquet *66
Rüstern Bey, Ahmed *2 1q
Sachs *66
Sallam, Kurayyim ^32
Sanusi *29
Schmidt, Franz *2 8
Schmidt, Hans ^32
Sia, Hahd *2 15
Sieveking *3o
Süssheim *65
Toynbee =''30
' U m a r-i-ij[ aj j ä m '^-^2
Ussher *2i8
Wagener *2 8
Wehberg *2 8
Willcocks *66
Willmore *2 19
222 Die Weh (hK /s/ainx. Band 6. /.''/'S', lli'ft .7/4
■oooeoooooooooooe<oooooooooooooooooooooc < xx30ooooooooooooooooooooooooooocx)ooocxx)ooooooooooooooooco^
SACHREGISTER.
Abclbil 25
al-AJibär 25
Akseham 62
Aktstycken, Diplomatiska 64
Aleppo 24
Ano-Kato 63
Ansprache an die islamische Welt
Arab, The, of Mesopotamia 2 1 9
Armenien 31. 65. 219
Aty 61
Aurore 26
Bagdad 31. 66
Beirut 26
Beirat (Zeitung) 26
Bibliographie, Religions-
geschichtliche 29
al-Bilag 26
Brotherhood 65
Damaskus 25
Deutschland und der Orient 29
Domination, The Ottoman 30
Domination Ottomane 65
Empros 63
Frauenfrage im Osmanischen
Reiche 72
Furät 25
Future, The commercial, of
Baghdad 31
Glaubenslehre, Muhammedani-
sche 29
Great Britain, Palestine and the
Jews 2 1 9
Haftalyq Gazeta 62
Hairenik 62
Handelstoekomst van Bagdad 31
Hartmann, Martin t 67
Hilal-i-ahmer 62
Jeni gün 62
al-Iha' al-utmani 26
Journal de Beyrout 26
Journal d'Orient 62
al-Iqbäl 26
Islam 218
Italia e la Palestina 65
al-Ittihad al-islaml 25
Jugend, Türkische, in Deutsch-
land 65
Kentri 63
Konstantinopel 26. 61. 218
Koran [schwed.] 64
Korrespondenz, Deutsch -Arme-
nische 219
Kriegsurkunde aus Mekka t^t^
Mekka t,^
Mesopotamien 31. 65 f.
Mitteilungen, Deutsch-Türkische
Vereinigung 31
al-Muqtabas 25
Nea Zöi 62
Overheersching, De Turksche 30
S/'-'h-register. 223
ooooeooocxxx)ooo(X)oooooooooooooooooocxxx)oooooooooooooooooocooooooooooooo^^
Palästina ^,2. 05. 219
Persien 66
Pharos 62
Presse Syriens 24
ar-Ra'jal-*amir 25
Reich, Das Türkische 29
Report of the Mesopotamia Com-
mission 31
Salut au drapeau 218
a§-Sarq 25
Scheitän 03
Schu'le 62
Sort de la Perse 66
Staatsbürgerbibliothek 28
Steppe, Die große, Asiens und
die Westoststraßen 40
Sürijja 25
Syrien 24
Tachydromos 62
Treatment of Armenians 31
Türkei 29. 64. 218
Türkisch 31
Türkische Übersetzungen 1
Turan (Zeitschrift) 29. 04
Übersetzungen, Türkische 1
Urkunden, Türkische, aus Ungarn
30
Vereinigung, Deutsch-Türkische
31
Waqyt üi
Witzblätter in Konstantinopel 63
Zeitungen in Damaskus 25
Zeitungen in Konstantinopel 26.61
Zemän 62
op<x)Qeoooooooooooooooooocxxxx»oaoooc»ooooooooooooooooooooooooooooooocxx3ooooo(xxxaoooeooeoooo(xx3goa«^
DRUCK VON AUGUST HOPFER IN BURG BEI MAGDEBURG
NACHRICHTEN ÜBER
ANGELEGENHEITEN DER
DEUTSCHEN GESELLSCHAFT
FÜR ISLAMKUNDE
Naehrichien über Ai igele gnuhidten di-r Gesdlschafi. HI
roooeooooooc>ooeooooooooooocxxxxxx3000000C)ooooc«ooaxxx)oooooooocxx)oooooocxxxxxx]^^
Auszug aus dem Protokoll
der
siebenten ordentlichen Hauptversammlung,
die am 18. März 1918 nachmittags 6 Uhr
in den Räumen der Kolonialbank A.-G., Berlin, Behrenstr. 31,
stattgefunden hat.
Anwesend die Herren Geheimrat Becker, Dr. Krnst Feder, Professor Dr. Hart mann,
Direktor HeUmann. Professor Dr. Kampffmeyer, Fräulein Friedel Pappenheim.
Kaiserlicher Gesandter z. D. Rasch d au. Professor Dr. Sobernheim.
Nach Eröffnung der Sitzung legte Herr Hartmann zu Punkt i der Tagesordnung den
Geschäftsbericht des Vorstandes vor. Am 22. Februar 191 7 betrug die Zahl der Mit-
glieder 414. Durch den Tod verlor die Gesellschaft 3 Mitglieder, die Herren General-
leutnant z. D. Imhoff Pascha, Franz Saulmann und cand. phil. Otto Schleich, der
auf dem Felde der Ehre fiel, durch Austritt 9 Mitglieder. Die Versammlung ehrte die
Dahingeschiedenen durch Erheben von den Sitzen. Dem verstorbenen Imhoff Pascha
wurden warme Worte des Andenkens gewidmet: seit den Anfängen der Gesellschaft ihr
Mitglied, wurde er 1915 in den Vorstand gewählt; mit besonderem Dank vrarde seine
Tätigkeit bei Sonderarbeiten der Gesellschaft erwähnt; er war mehrfach Mitglied von
Kommissionen und leistete bei diesen Gelegenheiten wertvolle Arbeit. Neueingetreten
in die Gesellschaft sind seit dem 22. Februar 191 7 18 Mitglieder. Der gegenwärtige
Bestand beträgt 420 Mitglieder.
Der Vorsitzende griff sodann auf den Beschluß der 5. Hauptversammlung (1916) zunick,
daß seitens der Gesellschaft Kurse über den Islam abgehalten werden sollten; es wiirde
dazu ein Ausschuß gewählt. In der 6. Hauptversammlung wurde berichtet, daß die Aus-
führung des Planes auf Schwierigkeiten gestoßen sei, und daß daher für den Winter
1916/17 davon Abstand genommen werden mußte; der Plan sei aber nicht auligegeben
worden. Im Berichtjahre betraute der Ausschuß Herrn Prof. Hartmann, die Probleme des
Islams in Vergangenheit und Gegenwart, die Gegenstand solcher Kurse werden müßten,
in einer kleinen Zahl von Vorträgen zu behandeln. In diesem Sinne hat Herr Prof.
Hart mann vier Vorträge gehalten.
In den Beziehungen zu der Nachrichtenstelle für den Orient trat keine Änderung eint
es wurde an dem Programm der Arbeitsteilung, wie es in dem Protokoll der 6. Haupt-
versammlung mitgeteilt ist, festgehalten. Das Organ der Nachrichtenstelle, ,,Der Neue
Orient", konnte den Mitgliedern der Gesellschaft kostenlos geliefert werden, da das Aus-
wärtige Amt der GeseUschafl im Jahre 1917 eine Unterstützung von M. 3360. — gewährte,
für die der Vorsitzende den warmen Dank der Gesellschaft aussprach. Der Vorsitzende
erwähnte sodann die Gründung der Deutsch-Persischen Gesellschaft, deren konstituierende
VersammJung am 29. Januar stattfand. Es wurde Mitteilung gemacht von dem Wunsche
unsere» Vorstandsmitgliedes, Dr. Fr ob erger, daß den persischen Dingen in unserer Arbei;
besondere Beachtung geschenkt werde, und der Vorsitzende begrüßt diese Anregung als
dankenswert.
Ao uas sich darin aussprechende Interesse für die Persischen Angelegenheiten knüpfte
der Vorsitzende die Mitteilung, daß von Dr. Fr ob erger ein Antrag auf besondere Be-
I*
"[V Sacfiriehten über Angeli'fjetiltciteii
SOOOeOOO(XXXXXXX90(XXXXXXX30000000000(X)OOOOOOOOOOOOOeOOOOOOOOOOOOO(XXXXXX>0000000000(X>^^
achtung der persischen Dinge durch die Gesellschaft beabsichligl war, daß aber mit Rück-
sicht auf ihren allgemeinen Charakter diese Anregung fallen gelassen wurde. Die Grundlagen
für eine systematische Arbeit für Persien seien gelegt; immerhin sei die Anregung des Herrn
Froberger dankenswert und der Herr Herausgeber der Welt des Islams werde gewiß gern
den persischen Dingen einen breiteren Raum gewähren, wenn brauchbare Arbeiten eingehen.
Herr S ober nheim erstattete darauf den Kassenbericht für das Jahr 1917, der folgendes
Bild zeigt:
Jahresrechnung 1917.
Einnahmen:
1. I. 17 Kassenbestand . . . M. 7285.70
Mitgliederbeiträge 3661.05
Einzahlung Dr. Wentzel . . „ 5°- —
Absatzergebnis des Heftes 3/4
von Bd. IV „ 288.—
Verkauf von Bd. 1— IV . . . „ 27.—
Zinsen „ 124.50
M. 1 1436.25
.■^
usgaben:
Herstellung v. Bd.
IV, Heft 34
= ^Vi Bg. Satz, Druck,
Papier und Honorar . . . M.
1608.05
Herstellung v. Bc
. V, Heft 12
= 7 Bg. Satz,
Druck usw. ,,
1164.23
Honorar für Bd.
V. Heft 3 . „
301.50
Gehälter . . .
1200. —
An die Verlagsbuchhandlung
für Mitglieder
laut Vertrag ,,
256.20
10 "/o Vergütung
auf Vertrieb
von Bd. I— IV
!1
3-70
Resthonorar Heffening . . . „
94.50
Unkosten :
Telephon . .
M. 100.70
Porti ....
r '73-56
Prof.Hartmann
kl. Ausgaben
1, 97-90
Materialien .
„ 194.06
Verschiedenes
„ 108.58
Bücher . .
„ 98.99
Transport .
M 55-—
Schreibhilfe
„ 40.—
Argus . . .
„ 70.—
Drucksachen
„ 39.85
Bankspesen
., 28.35
Gerichtskosten
„ 41.66 „
1048.65
Osmanischer Lk
yd .... „
13-—
Kassenbestand
11
5746.42
M.
11436.25
Sonderkonto.
Einnahmen :
Beitrag für den Neuen Orient
vom Auswärtigen Amt . .
M. 3360. —
M. 3360.
Geprüft und für richtig befundea.
Berlin, den 13. März 1918.
R. Junge.
Ausgaben:
Abonnement usw M. 1812.18
Saldo bei der Deutschen Ban k „ 1547.82
M. 3360. —
Berlin, den 15. März 1918.
Dr. Feder. Rechtsanwalt.
der (jnseiiK>'li(ift. ^
O0OO€)O0OCXXXXXXXXXX>90O(X)CKXXXXXXXX)(X)000O0C»CXX»OOOOOOC)OOOO0OCXXX)^^
Die Vcrsanunluiig erteiltf dem Geschältsführenden Vorstande Entlastung.
Nach Eintritt in Punkt 2 der Tagesordnung: „Haushaltsplan für das kommende Jahr"
trug Herr Sobernheim den Voranschlag für 1918 und den Kassenbericht vor, die in
der von ihm vorgelegten Fassung hier folgen.
Kassenbestand 31. Dezember 1 9 ' 7-
iJankguihaben der Deutschen Gesellschaft für Islamkunde . . M. 5310.76
Bankguthaben, Sonderkonto • » 1547-82
Bankguthaben am 31. Dezember 1917 auf der Deutschen Bank M. 6858.58
nach Auszug der Bank
Kasse Professor Sobernheim M. 384.85
Kassenbestand des Büros -.i 5°-8t
M. 7294.24
Kassenbestand der Deutschen Gesellschaft für Islamkunde . . M. 5746.42
Kassenbestand, Sonderkonto ^^ i547-02
M. 7294.24
Voranschlag für 1918.
Einnahmen: Ausgaben:
Rest aus dem Jahre 191 7 ■ • M. 5746-42 Gehälter M. 1200.—
Einnahmen aus Beiträgen . . ,. 2500.— | Spesen „ 1600.—
Absatz „ 200.— Druck „ 45oo-—
Fehlbetrag „ 2665.15 , Honorare , 1200.—
I Schulden: Bd. V, Heft 3 u. 4
I Druck usw • -., 26x1.57
M. II 111.57 I M. II1II.57
Zu Funkt 3: „Wahl des neuen Vorstandes" stellte der Vorsitzende zunächst fest, da(ä
der in der vorigen Hauptversammlung gewählte Herr Geheimrat Prof. Dr. Becker die Wahl
angenommen habe. Durch den Tod des Vorstandsmitgliedes Generalleutnant z. D. Imh off
Pascha ist eine Stelle im Vorstande freigeworden. Die Wiederbesetzung sei nicht erforder-
lich, da nach § 7 der Satzung der Gesamtvorstand aus mindestens 9 Personen besteht, der
gegenwärtige Bestand aber 17 Personen beträgt; jedoch sei es vränschenswert, entstehende
Lücken durch Männer auszufüUen, von denen Teilnahme an den Arbeiten der Gesellschaft
zu erwarten ist; der Geschäftsführende Vorstand schlage Herrn Dr. Junge als Ersatz für
Imh off Pascha vor. Der Vorschlag wurde angenommen. Die übrigen Mitglieder des
Vorstandes wurden darauf auf Vorschlag Seiner Exzellenz Raschdau durch Zuruf wieder-
gewählt, ebenso der Geschäftsführende Vorstand.
Punkt 4 der Tagesordnung „Wahl der Revisoren" wurde durch Wieaerwahl des
bisherigen Revisors Herrn Dr. Feder und Neuwahl des Herrn Bankdirektor Hellmann
erledigt.
Anträge waren nicht eingegangen.
Schluß der Sitzung 7 Uhr.
gez. Prof. Dr. Hartmann, gez. Prof. Dr. Sobernheim
Erster Vorsitzender. in Vertretung
des abwesenden Schriftführers.
VI hiii-lnic1it> II iihi-r Ai (ji lege nh eilen
OOO0eO0<XXX)OC«OOO0OOOO0OO000O0OOO00CXX)0OC)OO0O0OOCXXXXXXXXXXX)O0OOO0O0O0OOO^^
Der Ausschuß der Deutschen Gesellschaft für Islamkunde.
Dr. Ar ning , Mitglied des Abgeordnetenhauses. Jlannover. Lic. theol. K. Axenfeld,
Missionsinspeklor, Berlin. Dr. C. Bachern, Justizrat, Siegln-; b. Berlin. Dr. C. Bezold,
Geb. Ilofral. Professor an der Universität Heidelberg. Karl von BöhlendorfF-KÖlpLn,
Kittergutsbesitzer, Rittmeister a. D., M. d. R., M. d. .'\., Regezow a. Usedom. Dr. C.
Brockelmann, Prolessor an der Universität Halle a. S. Dr. F. Delitzsch, (ieh.
Regierungsrat. Professor an der Universität Berlin. Dr. B. Dernburg, Exzellenz, Wirk-
licher Geh. Rat. Staatssekretär des Reirhskolonialamts a. D., Grunewald b. Berlin. M. Brz-
berger, M. d. R., Berlin. Dr. B. M. Grunwald, Konstantinopel. Dr. H. Guthe,
Professor an der Universität, Vorsitzender des Deutschen Vereins zur Erforschung Palästinas,
Leipzig. Otto Harrassowitz, Hofrat, Verlagsbuchhändler, Leipzig. Dr. von Hart-
mann, Direktor der Deutschen Orientbank. Konstantinopel. D. Haußleiter, Professor
an der Universität Halle a. S. Dr. O. von Hentig, Exzellenz, Wirklicher Geh. Rat,
Staatsminister z. D., Berlin. Dr. F. Hommel, Professor an der Universität München.
Professor Dr. E. Jäokh, Berlin. Pi'ofessor Dr. A. von Le Coq, Dahlem b. Berlin.
Dr. Johannes Lepsius, Vorsitzender der Deutschen Orient-Mission, Potsdam. Fürst
zu Löwenstein-Wertheim, Durchlaucht, M. d. R., Berlin. Dr. F. von Luschan,
Geh. Regierungsrat, Professor an der Universität. Direktor am Königl. Museum für Völker-
kunde. Südende b. Berlin. D. Mirbt, Geh. Konsistorialrat, Professor an der Universität
Göttingen. Dr. Eberhard Graf von Mülinen, Kammerherr Seiner Majestät des
Kaisers und Königs. Rosengarten, Gerzensee (Kanton Bern). Dr. Pavil Nathan, Berlin.
Professor Dr. H. Nützel, Kustos bei den Kgl. Museen, Berlin. Professor Dr.
C. Paul, Missionsdirektor, Leipzig. Dr. M. Rade, Professor an der Universität Mar-
burg i. H. A. Renschhausen, Königl. Kommerzienral, Kötzschenbroda bei Dresden.
Adolf Rost, Verlagsbuchhändler, Leipzig. Dr. Schmidlin, Professor an der Universität,
Herausgeber der Zeitschrift für Missionswissenschaft. Münster i. W. Dr. F. Schultheß,
Professor an der Universität Straßburg i. E. Dr. Gh. F. Seybold, Professor an der
Universität Tübingen. Dr. H. Stumme, Professor an der Universität Leipzig.
J. K. Victor, Groökaufmann, Bremen. Waldstein, Justizrat, M. d. R., M. d. A.,
Altona. Dr. J. Warneek, Missionsinspektor, Barmen. Friedrich Würz, Herausgeber
des Ev. Missions-Magazins. Lörrarh-Stetten. Baden.
Der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Islamkunde.
Professor Dr. C. H. Becker, Geh. Regierungsrat. Dr. Ernst Feder. Dr. Josef
Froberger. Professor Dr. Hubert Grimme. Professor Dr. Friedrich Giese.
Professor Dr. Martin Hartmann. Direktor Julius Hellmann. Referendar
Dr. G. Jäschke. Redakteur Otto Jöhlinger. Dr. R. Junge. Professor Lic.
theol. Dr. Paul Kahle. Professor Dr. Georg Kampffmeyer. Professor Dr.
E. Mittwoch. Professor D. Dr. Julius Richter. Professor Dr. M. Sobernheim.
Konsul a. D. Ernst Vohsen. Professor D. Westermann. Dr. Alfred Wiener.
Geschäftsführung 1918.
Erster Vorsitzender: Professor Dr. Martin Hartmann.
Zweiter Professor Dr. Georg Kampffineyer.
Schriftführer: Referendar Dr. G. Jäschke.
Schatzmeister: Professor Di'. M. Sobernheim.
Herausgeber der Zeitschrift: Professor Dr. Georg Kampffmeyer.
der GeMÜschaft. VIT
BoooeococxioooeBoettooooooo(xx)Oooooo(xxaot »x »oeoooeooooooooo<xx)OOOüoo«xxxxx>oooooo(y»cxx
Mitglieder -Verzeichnis.
(Stand vom i. Juni 1918.)
• bedeutet: lebenslängliches Mitglied. — • bedeutet: beigetreten nach dem 15. Juni 1917.
Kaiser]. Deutsches Konsulat, Adana (272)
Kaiserl. Deutsches Konsulat, Aleppo (273)
Kaiser]. Deutsches Konsulat, Bagdad (274)
Kaiser). Deutsches Konsulat, Beirut (275)
Ballian - Syndikat der Deutschen Maschinen -Industrie, Berlin W 50, Tauentzien-
straße 19 b (53 1)
• Türkische Abteilung der Nachrichtenstelle für den Orient, Berlin W 50,
Tauentzienstr. 19 a (546)
Nachrichtenstelle für den Orient, Berlin W 50, Tauentzienstr. 19a (467)
• Orientalisches Seminar, Bonn (Rhein), Poppelsdorfer Allee 25 (554)
Königl. Universitäts-Bibliothek, Bonn (Rhein) (^97)
Städtisches Museum für Natur-, Völker- und Handelskunde (Direktor Prof. Schau-
insland). Bremen (51)
Königl. und Universitäts-Bibliothek, Breslau (254)
Stadtbibliothek, Budapest, IV. Gröf Kärolyt-utca 8 (530)
Bayerische Missionskonferenz, Vorsitzender: Pfarrer Gerhard von Zezschwitz, Burg-
bernheim (Mittelfranken) (376)
Universitäts-Bibliothek, Christiania (durch Jacob Dybwad, Univ.-Buchhdlg) . . . (94)
Kaiserl. Deutsches Konsulat, Damaskus (276)
Das Kaiserl. Gouvernement von Deutsch-Ostafrika, Daressai am (Deutsch -Ostafrika) (162)
Großherzogl. Hof-Bibliothek, Darmstadt (230)
Königl. Landesbibliothek, Dresden- N. 6 (47')
Landes- und Stadibibliothek, Düsseldorf. Friedrichplatz 7 (49 1)
Biblioteca Nazionale Centrale, Florenz (260)
Orientalisches Seminar der Universität Frankfurt a. M (458)
• Stadtbibliothek, Frankfurt a. M.. Schöne Aussicht 2 (561)
Königl. Universitäts-Bibliothek, Frankfurt a. M (463)
Redaktion der Katholischen Missionen (Herdersche Verlagshandlung), Freiburg i. Br. (219)
Großherzogl. Universitäts-Bibliothek, Gießen (Hessen) (245)
Königl. Universitäts-Bibliothek, Göttingen (m)
Bibliothek des Herzogl. Hauses, Gotha (226)
Kaiserl. Deutsches Konsulat, Haifa (277)
Marokko-Mannesraann Compagnie, Hamburg, Domhof, Mönckebergstraße 18 . .■ (208)
Seminar fiir Geschichte und Kultur des Orients, Hamburg, Edmund SiemersaUee (195)
Kaiserl. Deutsches Konsulat, Jaffa (278)
Deutsches evangelisches Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes,
Jerusalem (248)
Kaiserl. Deutsches Konsulat, Jerusalem (279)
Syrisches Waisenhaus. Jerusalem (249)
Kaiserl. Station Banjo. Kamerun ^^3^8)
VIH Nachrichten über Angelegmhcilen
ixxx)eooooocxxx>eee«ooooooooooooooocxx>ooooooooooooooc]ooooooooocxxioooooooooooocxx>ooooooooooooooooo«exxx]
Kaiserl. Gouvcrneiucul, Buea, Kanit-run (332)
Kaiserl. Obergericht, Buea, Kamerun • (333)
Kaiserl. Re.sidentur, Ciarua, Kamerun (335)
Kaiserl. Hauptslaüon des Bezirks Logont- (Bumo), Kamerun (337)
Kaiserl. Residentur, Mora, Kamerun (334)
Kaiserl. Residentur Ngaundere, Kamerun (33^)
Kgl. Institut für Seeverkehr uüd Weltwirtschaft, Kiel (5 '3)
Königl. Seminar für internationales Recht an der Universität Kiel, Kiel, Dänische
Suaße 15,11 (533)
• Königl. Universitäts-Bibliothek, Kiel (559)
Königl. und Universitäts-Bibliothek, Königsberg i. Fr (47)
Kaiserl. Deutsche Botschaft, Konstantinopel (271)
Nachrichtenstelle der Kaiserlich Deutschen Botschaft, Konstantinopel 1512)
Kaiserl. Deutsches Konsulat, Konstantinopel (280)
Soldatenheim in Konstantinopel, Vorsitzender Pfarrer Kieser (480)
Deutsche Gesellschaft „Teutonia", Konstantinopel (96)
Königl. Universitäts-Bibliothek, Leipzig, Beethovenstr. 6 (-03)
Institut für Kultur- und Universalgeschichte, Leipzig, Universität (80)
Semitistisches Institut der Universität Leipzig, Arabisch -islamische Abteilung,
Leipzig (524)
Königl. Universitäts-Bibliothek, Marburg (Lahn) . (381)
Kaiserl. Deutsches Konsulat, Mosul (281)
• Münchener Orientalische Gesellschaft E. V., München (549)
Königl. Hof- und Staats-Bibliothek, München, Ludwigstr. 23 (43)
• Türkische Gesellschaft, Münster i. W., stellv. Vorsitzender: Hermann Doeken
Münster i. VV., Jägerstr. 14 (542)
• Universitäts-Bibliothek, Münster i. W (552)
Orientalisches Seminar an der Westfälischen Wilhelms -Universität, Münster,
Westf. (536)
Kaiserl. Königl. Universitäts-Bibliothek Prag, durch J. G. Calve, k. u. k. Hof- und
Univ.-Buchhandlung Robert Lerche, Prag I, Kleiner Ring 12 (91)
Der muselmanische Studenten-Sportklub (Muslimanski Gjacki Sportski Klub), Saraj ev o
(Bosnien-Herzegowina) (3S2)
Königl. Bibliothek, Stockholm (209)
Kaiserl. Universitäts- und Landesbibliothek, Straßburg i. E (306)
Königl. Landes-Bibliothek, Stuttgart J[93)
Museum für Länder- und Völkerkunde (Linden-Museum), Stuttgart (73)
Kaiserl. Deutsches Konsulat, Trapezunt (282)
Stadtbibliothek, Trier (462)
Königl. Universitäts-Bibliothek, Tübingen ('07)
Großherzogl. Bibliothek, Weimar (250)
Kaiserl. Königl. Universitäts-Bibliothek, Wien (204)
Forschungsinstitut für Osten und Orient, Wien 1, Mölkerbastei 10 (508)
Sudan Pionier Mission, Wiesbaden, Emser Str. 12 (290)
Hauptbibliothek der Marinestation der Nordsee, Wilhelmshaven (466)
Königl. Universitäts-Bibliothek, Würzburg (228)
de)- (res('Usrh''f/. IX
0(XX3000000000(>X30eOOOOO(>>>XXXXXIO(XXXXXX>OOCXXX>OOOOOOOCK>OCOCXXXXXX)OC<XXXX^^
Abel, Hans, Dr.. Leipzig, Kronprinzenstr. 04 (124J
Acker, Amandus, Provinzial der Väter vom Heiligen Geist, Missionshaus Knechts-
steden bei Köln. Rheinpr (101
Aflandil, Arsfene. Banque d'Escompte de Perse in Tauris (341
Ahrens, Karl. Prof., Oberlehrer am Kaiserin Auguste Viktoria-üymnasiuni, Plön,
Prinzenstraße (i?^.
Alb er lall, A., Konstantinopel (283
• Albu, Curt, Rechtsanwalt, Berlin W 8, Taubenstr. 43, U (553
Anders, Edgar, Kaiserl. Vizekonsul, Erzerum (Asiat. Türkei), Deutsches Konsulat.
Jetzige Adresse unbekannt (236
• Andersen, Hinrich, stud. phil., Flensburg (Schleswig-Holstein), Brixstr. 8 . . (541
„Anthropos", Administration des „Anthropos". Mödling, Nieder-Österreich . . . (534
Arne, T. J., Dr. phil., Statens Historika Museum, Stockholm 15 (392
Arning, Dr., M. d. A., Hannover. Korvinusstr. 5 (66
Asseo, Leon, Salonique (Türkei), Quartier frang (146
Axenfeld, K., Lic. theol., Missionsdirektor, Berlin NO 43, Georgenkirchstr. 70 . (154
Bachern, Carl, Dr. Justizrat, Köln, Kaiser Wilhelm-Ring 13 (17
Bachern, Franz X., i. Fa. J. P. Bachem, Verleger, Köln a. Rh.. Kölnische Volks-
zeitung, Marzellenstr. 35^ — 43 (52
Back, Frau General. Berlin-Schmargendorf. Orber Str. 2 (4
Baer & Co., Josef, Frankfurt a. M., Hochstr. 6 (196
Beck, Sebastian, Orientalist und Mitglied der Nachrichtenstelle für den Orient,
Berlin W 62, Bayreuther Str. 27/28, III (455
Becker, Carl Heinrich, Prof. Dr., Geh. Regierungsrat, Vortragender Rat im Kultus-
ministerium, Berlin-Steglitz, Schillerstr. 2 . (18
• Becker, H., Missionsinspektor, Barmen, Rudolfstr. 137 (544
Bei, Alfred, Directeur de la Medersa de Tlemcen, Tlemcen (Algerien) (I02
Prinzessin Viktoria zu Bentheim, Berlin- Wilmersdorf, Aschaffenburger Str. 24 . . (404
Berghaus, Walter, Agenturen, Konstantinopel (217
• Bergstraesser, Prof. Dr., Konstantinopel-Pera, Serkisstr. 11 (551
Berthold, Frau Louise, Berlin W 30, Gleditschstr. 35 (140
Bezold, Carl, Geh. Hofrat, Prof. Dr.. Heidelberg. Brückenstr. 45 (23
Bindernagel, Ludwig, Alexandrien (Ägypten) Postfach 240 (233
Biscaborn, D., Bucarest, Strada Tudor Vladirairescu i (86
Blum, Nicolaus, Steyl, Post Kaldenkirchen (Rheinland) (171
Blumenfeld, Kurt, Generalsekretär der Zionistischen Organisation, Berlin-Wilmers-
dorf, Rüdesheimer Platz 7, z. Zt. Danzig, Frauengasse 39 (403
de Boer, T. J., Prof. Dr., Amsterdam, Jacob Obrecht Str. 75 (201
Bonn, M. J., Prof. Dr., Direktor d. Handelshochschule, München, Ludwigstr. 4 . (372
Borchardt, Paul, Kolonialgeograph, Berlin- Wilmersdorf, Prinzregentenstr. 76, s. Zt.
Unteroffizier, Oberetappen-Inspektion. Deutsche Feldpost 512 (452
• Brass, Adolph, Dr., Bonn (Rhein), BaumschulaUee 29 (555
Braun, Johannes, Generalsekretär, Bonn, Marienstr. 16 (484
V. Bredow, Frau Hedwig, Berlin W 35, Magdeburger Str. 4 (405
Brinck, G., Rechtsanwalt, Berlin-Schöneberg, Hauptstr. 136 II (390
Brockelmann, C, Dr., Prof. a. d. Univ. Halle a. S., Reilstr. 91 (85
X Nachnchten illny Arigelege.nheiteti
Briinnuw. Ruclulph V... Dr.. Prof. a. d. L'niv. Prinrclon, N'c\v-|crsey. U. S. \..
40 Library I^lacc (n6)
• Hryde, Edmund, sind, lur , llanihurg 37, Hraliinsallec 21, I (547)
• Huchberger. Carl, k. u. k. Vizekonsul, zugeteilt der k. u. k. Ostern -Ungar.
Botschaft, Berlin, Kronprinzenufer 14 (545)
Buchmann, Ed., Dr., Berlin W 30, Landshuler Str. 17 (402)
Budde, K., D.. Geh. Konsistorialrat, Prof. a. d. Univ. Marburg a. 1.., Rent-
hof 17 (128)
Büttner, Frau E., Charlottenburg, Kaiserdamm 10 • . (407)
Freifrau v. d. Bussche, Berlin W 57, Keithstr 14 (406)
Byhan, A., Dr.. Abteilungsvorsteher am Museum für Völkerkunde, llamhurg 13,
Binderstr. 14 (257)
Caetani, Leone, Principe di Teano, Rom, Palazzo Caetani (237)
Ccntralbureau, Zionistisches, Berlin W 15, Sächsische Str. 8 (532)
Chamberlain, Houston Stewart, und Frau, Bayreuth i. Bayern (106)
Chamizer, E., Dr., Leipzig-Schleussig, Seumestr. 36 {a'^S)
Chrambach, Fritz, Kaiserl. Türkischer Konsul, Dresden-A, Licbigs^tr. 7 . . . . (48)
Christian, Viktor, Dr , Wien Xin'9, Lainzerstr. 120 (83)
Denker, C, Geh. Regierungsrat, Berlin W 50, Culmbacher Str. 13 (198)
Dernburg, B., Dr., Exzellenz, Staatssekretär a. D., Berlin-Grunewald, Erbacher
Straße i (292)
Dieckmann, P., Preuß. Eisenbahndirektor, z. Zt. Direktor der Iledschazbahn u.
der vom Staate verwalteten Eisenbahnen in Syrien, Damaskus (514)
Dietterle, Richard, Alexandrien (Ägj'pten). Postfach 376 (174)
von Döbeln, Ernst, Dr., Bibliothekar, Uppsala (Schweden), Ö-Agatan iq . . . . (241)
Dürener Metallwerke A.-G., Düren (Rheinland) (517)
von Duisburg, Adolf, überleutn. der Schutztruppe, Mora (Kamerun) (377)
Duvinage, Heinrich, Pastor, Hussinetz bei Strehlen (Schlesien) (350)
Dynamit-Aktien-Gesellschaft vorm. Alfred Nobel & Co.. Hamburg, Europa-
Haus (506)
Eberhard, Schulrat und Seminardirektor, Greiz (473)
Eisenberg, J., Dr., Dobfisch b. Prag (448)
End erlin, Missionar, Daraw, Oberägypten (306)
Endres, Franz Carl, Kaiserl. ottoman. Major, München, Clemensstr. 43, III . . . (456)
Erzberger, M., M. d. R., Berlin W 9. Budapester Str. 14 (i77)
Fadilbeg Fadilpasic, Sarajevo, Filipovic Qai i (451)
Feder, Arlur, Marrakesch (Marokko). Adr.: Dr. Ernst Feder \>. i\.\ (39)
Feder, Ernst, Dr., Rechtsanwalt, Berlin W 8, Leipziger Str. 103 (4)
Fehler, W., Bezirksrichter, Berlin W 62, Maaßenstr. 34 (477)
F'eldmann, Wilhelm, Dr., Korrespondent des ,, Berliner Tageblatts". Konstantinopel-
Pira, Postfach 20 (3^7)
Fiedler, Feodor, Ratsassesor, Plauen i.V.. \m Preisselpöhl J. 76 Erdg (89)
Fraude, K.. Smyrna (98)
der Ge^elhchafl. XI
Freund t, A.. Kaiserl. Konsul, Heilsberg/Ostpr., z. Zt. Oberleutnant, Deutsche
Abteilung a. cl. Dardanellen. Durch Marine-Postbureau, Berlin C 2 ... (157)
Frey, Th. Dr., Pater, Provinzialoberer der Weißen Väter, Trier, Dietrichstr. 30 . (168)
Freytag, Kurt, Fabrikbesitzer, Deutsch-Lissa (459)
Frisch, Albert, Kunstanstalt, Berlin W 35, Lützowstr. 66 (408)
Frobenius, L., Prof., Berlin-Grunewald, Karlsbader Str. 16 (409)
Froberger. Josef, Dr.. Bonn, Marienstr. 14 (2)
Fromholz, R. J., Feldunterarzt, Eberswakle, Eisenbahnstr. 7 (396)
• Funck-Misousch. Dr., Monti della Trinitä (Schweiz) (556)
Garbaty-Rosenthal, trugen L., Berlin-Pankow, Berliner Str. 127 (l33)
Geuthner, Paul, Buchhändler, Paris VI-, 13 Rue Jacob (90)
Geyer, Rudolf, Prof. Dr., Wien XVIIl/i, Türkenschanzstr. 22 (114)
Ghaleb Hassib, Chef du Bureau, Deutsche Orientbank in Kaza Djaihan, Wilajet
Adana (Klein- Asien) (187)
Giese, Friedrich, Dr., Prof. a. d. Univ. Konstantinopel-Pera, Jemenidschistr. Camon-
dohan Nr. 17 bei Frl. Weiß (5)
Gimmel, Paul, Kaufmann, Dresden -A, Schlüterstr. 19,1 (465)
Glatzel, Jeserig b. Götz, Kreis Zauch-Belzig (411)
Goldziher, Ignaz, Dr., Prof. a. d. Univ.. Budapest VII, Hollö-utcza 4 (75)
Goossens, Dr., Sendenhorst, Kr. Beckum i. Westf. (535)
Grabowsky, Adolf, Dr., Berlin W 62, Wichmannstr. 18 . (450)
Graeter, Eduard, Dr. phil., Basel, Birmannsgasse 48 (320)
Graßhoff, Richard, Dr. phil. et jur., Rechtsanwalt, Berlin W 57, Bülowstr. 21 . (16)
Gratzl, Emil, Dr.. Bibliothekar a. d. Königl. Hof- und Staatsbibliothek, München,
Erhardtstr. 11 (218)
Greenfield, James, Dr., Berlin- Wilmersdorf, Brandenburgische Str. 22 (74)
Grimme, Hubert, Dr., Prof. a. d. Univ. Münster i. W.. Erphostr. 49 (31)
Grobba, Dr., Oberltn. d. R., Deutsche Militärmission, Türkei, IV. Armee, Exped.
Korps. Durch Marinepostbureau Berlin C 2 (410)
Grünert, Max, Prof. Dr., Prag-Weinberge. Puchmajergasse 31 (200)
Grunwald, E. M.. Dr., Konstantinopel (294)
Grussendorf, Th. Dr., Chefarzt des Deutschen Diakonissenhospitals, Jerusalem . (118)
Güterbock, Bruno, Prof. Dr., Nicolassee b. Berlin, An der Rehwiese 12. . . . (136)
Guthe, Hermann, Dr., Prof. a. d. Univ., Leipzig, Grassistr. 38 (29)
Gutmann, Herbert M., Direktor d. Dresdner Bank, Berlin W 8, Budapester Str. 21 (167)
von Gwinner. Arthur. Direktor d. Deutschen Bank, Berlin W 8. Behrensstraße . (36)
Hachtmann, Dr.. Dessau, Albrechtsplatz 18, 1 (529)
Haffner, A., Dr., Prof. a. d. Univ. Innsbruck, Hall i. Tirol (115)
Baronesse Hahn, Hedwig, Wiesbaden, Emser Str. 12 (324)
Hahn, Georg, Dr., Berlin W 10, Tiergartenstr. 21 (417)
Hahn, W., Dr., Rechtsanwalt, Berlin W 62, Lützowplatz 2, z. Zt. Marine-Intendantur-
rat, Kiel, Niemannsweg 32 (durch Feldpost) (412)
Handke, Hermann, Dr., Leiter des politischen Büros des Dresdener Anzeigers,
Berlin-Schöneberg, Kaiser-Friedrich-Str. 13 (375)
Hantke. .^rtur, Dr., Charlottenburg, Bleibtreustr. 19 (489)
Xn \.: /ir>'-'''r:> iilii'r .Aiijiflif/i'ithf'iten
°«X)eO0C)OOC>OOO(X<l9O<XXXXXXXXXXX»0O00O0O00000OCXXXXX»XXX)<^^
lliircler, E., Dr., Cliarlotlenburj;, Goethc^.sir. S. (jarlcnhaus 1 (6)
Harrassowilz, Otto, Hofrat, Vcrlagsbucliliändler, Leijjzig. (juerslr. 14 .... (28)
von Hart mann, Dr., Geh. Leg.-Ral. Charlottenburg, Küslernallce 27 (35)
Hartraann, Martin. Dr., Prof. am Sem. f. <)r. Spr.. Cliarlottenburg. (ioclhestr. 8,
Gartenhaus II (1)
U art mann, Richard, Dr., Privaldozciit. Kiel. Düppelstr. 64. 111 (126)
Ilartmann, Dr., Oberarzt, unbek. verzogen (37')
Hartwig, O., Berlin NW 21, Essener Str. y (416)
• Hasenclever, Adolf, Prof. Dr., Halle a. S., Easanenstr. 6 (557)
Haufi, Otto, Charlottenburg II, Niebuhrstr. 78 (362)
Hauflleiter, G., Prof. D., Halle a. S., Zieten.^tr. 10 (235)
Heffening, Willi, cand. phil., Düsseldorf. Gartcnstr. 43. /.. Zt. im EeUk' . . . (323)
Hei man, S., Berlin W 30, Maaßenstr. 17 (413)
Heinz, Jacob, Redakteur, Mülheim (Ruhr), Eppinghofer Str. 134. z. Zt. UiUc-roffz.,
Akonach 7. Abt. A. Deutsche Feldpost 688 (129)
Ilelfferich, Karl. Dr., Exz., Staatsminister, Berlin NW 7, Unter den Linden 72/73 (37)
Hell, Josef, Dr., Univ.-Prof., Berlin W 10, Königin- Augusta-Str. 29 (356)
Hellmann, Julius. Direktor d. Kolonialbank Akt.-Ges., Berlin W 8. Behren-
straße 31 (287)
• Henne, Herbert, Hamburg 5, D.inziger Str. 30 1543)
von Hentig, Dr., Exzellenz, Staatsminister a. D.. Pieskow (Mark) (38)
Herkommer & Bangerter, Farbwaren- und Chemikalien-CJroßhandlung, Stuttgart,
Postfach 170 (504)
Herrmann, Eugen, Dr., Heidelberg, Kohrbacher Str. 19 (127)
Heydenreich. Daniel, Berlin W 15, Fasanenstr. 71 (414)
Heymann, Hans, Dr., Köln a. Rh., Clever Str. 29 (4^7)
Hoffmann, Wilhelm, Dr., Neuulm, Moltkestr. 32, 1. Im Frieden Haifa (Syrien),
z. Zt. im Felde (498)
llolma, Harri, Dr. phil., Privatdozent. Helsingfors (Finnland), liögberg.sgatan 31 33 (246)
V. Holtzendorff, Direktor, Berlin W 10, Viktoriastr. 8, I (S4o)
Holzhausen, H., Bible House, Port Said (Ägypten) (253)
Hommel, Fritz, Dr., Geh. Rat, Prof. a. d. Univ., München, Leopoldstr. 1 14 . . (24)
Horovitz, J., Prof. Dr., Frankfurt a. M., Melemstr. 2 (l44)
Houtsma, M. Th., Prof. Dr., Utrecht, Maliestraat 6 (222)
Hupe, Frau Prof., Charlottenburg, Niebuhrstr. 8 (137)
Jacobson, V., Dr., Direktor d. .Anglo-Levaniinc Banking Co.. Kon^iantinopel . . (303)
jäckel, Friedrich, Pastor, Weitenhagen, Kr. Stolp i. P (47 ö)
Jäckh, Ernst, Prof. Dr., Berlin W 35, Schöneberger Ufer 36a (61)
Jäschke, Dr. iur., Konstantinopel-Pera, Deutsches (ieneralkonsulat (526)
Jaffe, Georg, Dr. jur., Berlin W 15, Bleibtreustr. 26 (418)
Jeck, J., Lehrer, Winden bei Bad Nassau/Lahn, z. Zt. im Felde (507)
Jenny, »Ernst, Dr., Rittergutsbesitzer, Berlin W 15, Lietzenburger Str. 30 ... . (193)
JöhJinger, Otto, Handelsredakteur des ., Berliner Tageblatts", Berlin SW 47,
Yorkstr. 84 D (286)
Jost, Else, Frau Baurat, Berlin VV 57, l'.lßholzslr. 2 (266)
Junge, Reinhard, Dr., Berlin-Steglitz, Lindenstr. 12 (299)
Jungmann, Dr., Geh. Reg.-Rat, Berlin W 62, Laudgrafenslr. 14, II (4'9)
il^ Geselhchuft. XHl
3(>XIOOOOOOOOO(XMeO(XXX>30CIOOOOO(X)OOOOOOOOOCXXXXXXXXX)OOOOOOOOOOOOOOC>00000000000000000(^
Kahle, Paul, Lic. Dr., Prof. a. d. Univ. Gießen, Liebigstr. 80 (32)
Kahn, Bernhard, Dr., Syndikus, Berlin-Wilmersdorf, Konstanzer Str. 54 (142)
Kai au V. Hofe. Konteradmiral z. D., Freiburg i. Br., Tumseestr. 55 (366)
Kampffmeyer, Cieorg, Dr., Prof. am Sem. f. Or. Spr.. Berlin-Lichterfelde West,
Werdersir. 10 . 17)
Kapp. Karl, Kaiserl. Deutscher Generalkonsul in Budapest (SiS)
Karge, Paul, Prof. Dr., Privatdozent, Münster i. W., Heisstr. 5 (520)
Karstedt. Dr., Berlin-Steglitz, Stindeslr. 4 (424)
Karutz, Dr., Lübeck, Sandstr. 16 (227)
Katz, Dr., Berlin NO 55. Greifswalder Str. i (423)
Katz, Ludwig, Charlottenburg, Giesebrechtstr. 11 (425)
Kauffmann, Felix, Dr. phil., Frankfurt a. M., Staufenstr. 31 (221)
Kaufmann, A., Stadtpfarrer. Lahr i. Baden (i55)
Kayser, E., Oberregierungsrat. Adr.: Ministerialrat Kayser. Straßburg i. E., An
der Aar 11 (53)
T. Kehler, Curt, Leutnant und Adjutant. Fuß-Art.-ßatl. 157. Stab. Deutsche
Feldpost 44 (468)
Kemner, Wilhelm. Berlin-Grunewald. Caspar-Theys-Str. 23 (349)
Kemmerich. Max. Kaiserl. Türkischer Generalkonsul, München NW 2, Elisabeth-
straße 20 (45)
Kern, Friedrich, Dr., Berlin W 50, Rankestr. 22, Pension von Versen, z. Zt. Dol-
metscher im Halbmondlager Wünsdorf b. Zossen, Märkischer Hof .... (8)
Kirchhoff, Postinspektor, Berlin W 30, Luitpoldstr. 17 (355)
Kleveta, Franz, Oberstaatsbahnrat, Wien Xni;2, Pfadenhauergasse 20 (31
Klotz, F., Dresden-N.. König- Albert- Str. 31 (383)
Koppel, W., Smyrna (97)
Kräcker, Julius, Neukölln. Pflügerstr. 18 (422)
* Krause, G., Prof. Dr., Cöthen (Anhalt) (229)
Kressmann, P. H., Großkaufmann, Charlottenburg 2, Fasanenstr. 77 (421)
Kröhnke, O., Dr., Chemiker, Zehlendorf (Wannseebahn), Kleiststr. 26 (483)
Kübel, Oberstleutnant, nähere Adresse unbekannt (364)
Kühnel, Ernst, Dr., Berlin W 15, Düsseldorfer Str. 22, z. Zt. im Felde .... (348)
Künos. Ignaz, Dr., Direktor d. Königl. Ungar. Orient. Handelsakademie, Buda-
pest Vin, Esterhäzy-utcza i (44)
Kurz, Hermann, Pfarrer, Genkingen, O.-A. Reutlingen (Württemberg) (380)
Lange, Hauptmann im Großen Generalstabe, unbekannt verzogen (309)
▼. Le Coq, A., Prof. Dr., Berlin-Dahlem, Humboldtstr. 25b (82)
Leick, Erich, Dr., Prof. a. d. Univ. Konstantinopel, Bebek b. Konstantinopel . . (522)
Lentz, Henry, Kaufmann, Hamburg 33, Bramfelder Str. 23 (457)
Lepique, Heinrich, Schibin el-Kanater (Ägyptenl (251
Lepsius, Johannes, Dr., Missionsdirektor, Potsdam, Große Weinmeisterstr. 45 . . (263)
Liebl, Fritz, Dr. med., Stabsarzt d. Res., Tittmoning, Ober-Bayern, z. Zt. Neu-
Ulm, Festungslazarett, Augsburger Str. 15V2 (322)
Lindberg, O. E., Prof. a. d. Hochschule, Gotenburg (Schweden) (34o)
Linke, Hugo, stud. jur., p. Adr. Herrn Klingsporn, Friedrichshagen b. Berlin,
Viktoriastr. 31 (152)
XrV .\iiclirii Idrn iiher AnyeLfgenheitea
OOOOOOOOOCXXMOOOO«OOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOCO(X)OOOOCKXX>OOOCXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
l.ittraanii, fcinnu, Dr., l'rul, a. d. l'niv. Hdiin. /. Zt. Bi-rlin W 50. Aiigsburger
Straße 34 (164)
Loewe, Cieorg, Direktor, Berlin W 15, Liclzcnburgcrblr. 10 (426)
Fürst zu Löwenstein -Werthei m. Alois. Durchlaucht. M. d. K.. Berlin W O2.
Kurfürstendamm 264 (188)
Loh mann, Pastor, Uchtenhagen b. Kalkeuberg (Mark) (398)
• Lokotsch, Karl, Dr., Dozent der orientalischen Sprachen an der Handelshoch-
schule zu Cöln, Cöln, Weißenburgstr. 6 (55°)
Lorenz, A., Regierungslehrer, Tanga (Deutsch -()j.talVika) (i^3)
Lucht, Missionsinspektor, Pastor, Lokstedt b. Hamburg (359)
von Luschan, F., Dr., Geh. Regierungsrat. Prof. a. d. Univ.. Berlin-Südende,
Öhlertstr. 26 (70)
Machmoud Bey Salem, Cairo, 48 Boulevard de Choubra (304)
Mann, Traugott, Dr., Berlin NW 21, Bimdesralsufer 9 (117)
Marum, F., Kaiserl. Legationsrat, Tanger (Marokko) (365)
Martin, A., unbekannt verzogen (432)
Meidinger, Dr., Justizrat, Nikolassee b. Berlin, Libellenstr. 13 (88)
Meier, Max, i. Fa. Renschhausen & Co., Tanger (Marokko) (363)
Menzel, Theodor, Dr., Odessa, 8. Statipn, Datscha Menzel (185)
Metzdorf, Karl, Hofrat, Zehlendorf-West, Derfflingerstr. 27 (300)
Meurer, Erich, Nieder-Marsberg i. W (470)
Meyer, Erich, Pfarrer, Frankfurt a. M., Schifferstr. 31, z. Zt. Ktappenpfarrer. Feld-
post 38, Kommandantur 117 (296)
Mielck, Reinhard, Hamburg, Graumannsvireg 50 (191)
Mielmann, Fritz, Berlin - Friedenau, Hedwigstr. 5 bei Herrn Kunstmaler Otto
Lagemann, z. Zt. Konstantinopel, Etappenlazarett (523)
Mirbt, Dr., Geh. Konsistorialrat, Prof. a. d. Univ., Göttingen, Ritterplan 5 . . . (63)
Mittag, Frau Heinrich, Ballenstedt (252)
Mittwoch, Eugen, Prof. Dr., Berlin NW 52, Kirchstr. 23 (15)
Möllenhoff, Oberverwaltungsgerichtsrat, Berlin-Grunewald, Parkstr. 18 (43^)
Moeller, Hans, Redakteur, Wildpark b. Potsdam, Viktoriastr. 43 (259)
Moock, W., Oberlehrer, Lippstadt, Lüning 18 (i73)
Morgenslern, Karl, Zehlendorf-Mitte, .\lsenstr. 42 (427)
Graf von Mülinen, E., Dr., Kammerherr Sr. Maj. d. Kaisers u. Königs. Gerzen-
see, Kanton Bern, Rosengarten (25)
Müller, Karl, cand. theol., Herrnhut i. Sachsen, Archiv, w.ährend des Krieges
Kleinwelka bei Bautzen . (297)
Muheldinoff, Abdulkadir, Sarai Ulugbek, Staraja Buchara (Rußland) (190)
Mukhtar Pascha, Exzellenz, Berlin W lo. Rauchslraße 20, Türkische Bot-
schaft 1368)
Muth, J. F., Oberstleutnant, Stabsoffizier des Ingenieur- und Pionierkorps der
Festung Brest-Litowsk, Feldpost Nr. iqi (357)
V. M2ik, Hans, Dr., Kaiserl. Königl. Kustos an der Kaiserl. Königl. Hof-
bibliothek, Privatdozeut an der Universität, Wien Xlll. l.eopoldmüller
Gasse i (262)
,7^- Ge-'^eUxchafi. X\'
OOOOeOOOOOOCX>XXX90CXXXXX>OOOOOOOOOOOOCICXXXXXXXXXXXX)eOO(XXXXXX>CKX]CXXXX)C»OOOOC030C<^^
Nallino, Carlo Allonso, Prof.. Rom, Via Altilio Regolo 12 (232J
Nathan, Paul, Dr., Berlin NW 23, Allonaer Sir. 26 (55)
Neudörfer, Ernst, Konsul, Leipzig, Springersir. 16 (453)
Neuhaus, Bernhard, Berlin-Wilmersdorf, Güntzelstr. 59 (482)
V. Neumann, Otto, Privatgelehrter, Charlottenburg, Trendelenburgstr. 1 (265)
Nickoley, Edward F., Missionar, Prof. an „The Syrian Protestant College'*, Beirut
(Syrien) (132)
Niitzel, H., Prof. Dr.. Kustos b. d. Königl. Museen, Berlin-Schlachtensee, Adal-
bertstr. 25 a (22)
Oltow, Marine-CJeneraloberarzt, Cu.xhaven (472)
Pappenheim, Frl. Fricdel, Berlin W 15, Bayerische Sir. 3 (460)
Paul, Prof. Dr., Missionsdirektor, Leipzig, Karolinenstr. 19 (295)
Peiser, F., Dr., Prof. a. d. Univ., Königsberg i. Pr., Goltzallee 11 (130)
Pelz, Arthur, Dr.. Königsberg i. Pr., Steindamm 1 30/1 31 (492)
Petersen, C. F. Wiebe, Berlin-Steglitz, Kurfürstenstr. 7 (446)
Philipp, Karl, Prof. Dr.. Cottbus, Wallslr. 45 (216)
Pieper, Ernst, Generalsekretär d. Deutschen Jungmännermission im Orient. Aleppo
(Syrien) (239)
Pollak, Isidor. Dr., Privatdozent, Dejwitz b. Prag 331 (223)
Praetor ius, V.. Dr.. Prof. a. d. Univ., Breslau IX, Hedwigstr. 40 (41)
Rackow, Ernst, Zeichenlehrer, Prenzlau. Neustädter Damm 20, z. Zt. im Felde (13)
Kamdohr, Max, stud. jur., Leipzig-Anger, Breite Str. 9, z. Zt. im Felde .... (385)
Rapp, Gottfried, Dr., Landrichter, Hamburg 36, Feldbrunnenstr. 54 (206)
* Raschdau, L., Exzellenz, Kaiserl. Gesandter z. D., Berlin NW 7, Sommerstr. 6 (212)
Rauschburg, Gustav, Buchhandlung u. Antiquariat, Budapest IV, Franziskanerplatz 2 (247J
Reckendorf, H., Prof. Dr., Freiburg i. Br., Maximilianstr. 34 (240)
Redlin, Johannes, Ger.-Assessor a. D., Verwaltungssyndikus, Berlin-Siemensstadt,
Nonnendammallee 93 (479)
Reinhardt, Dr., Leipzig, Astersir. 1 7 pt (367)
Reinhold, Karl, stud. phil., Berlin N 24, Gr. Hamburger Sir. 38 (521)
Rei Singer, Gg., Lehrer an d. Deutschen Schule in Haidar Pascha, Konstantinopel (527)
Reilemeyer, Else, Dr., München, Königinstr. 4, U r (34)
Renschhausen, A., Kgl. Kommerzienrat, Kötzschenbroda b. Dresden, Villa
Tanger (131)
Res eher, O., Dr., z. Zt. Dolmetscher, Halbmondlager, Wünsdorf b. Zossen . . . (179)
Retzmann & Co., Hamburg, Steinstr. iio (360)
Rhodokanakis, N., Prof. Dr., Graz, MandeUstr. 7 (225)
Richarz, Konsul a. D., Bagdad (Asiat. Türkei) (194)
Richter, Bruno, Kunstmaler, Berlin-Friedenau, Offenbacher Str. 5, z. Zt. Landstm.,
Kommandoführer in Weißig a. Bober, Post: Gr. Reichenau (399)
Richter, Julius, Prof. D. Dr., Berlin-Steglitz, Grillparzerslr. 15 (33)
Rinck, Wilhelm, Charlottenburg, Grolmanstr. 42. Gegenwärtige Adresse unbekannt (435)
Ripke, Axel, Haiensee, Hektorstr. 14 (434)
RiUcr, Hellmut, Dr.. Leutnant d. R., Stab der Deutschen Irakgruppe, Mosul,
z. Zt. Heeresgruppenkommando F. Übersetzungsstelle (537)
XVI ^<u'/ifiihtt'7i '(her Angclegeiihitt^'ii
Ritzau, C, Lcutnanl, Gruppcn-Funken-Stalion 554. Deutsche Feldpost 945 . . (528)
Roeder, (1., l'rof. Dr., Direktor des I'tlizaeus-Museums, Ilildesheim, Mozartstr. 20 (433)
Rößler, Walther, Kaiserl. Deutscher Konsul, Aleppo (Syrien) (156)
Roh de, Hans, Leutnant im Inf.-Reg. 29, Trier, Eusener Str. 79, z. Zt. im Felde (s^ß)
Roloff, Max, Privatgelehrter und Journalist, Breslau V, Zietenstr. 7, 11 fi8i)
Ruser, Clara, verw, Frau Wirkl. Geh. Kriegsrat, Berlin W 30, Bamberger Str. 49 (436)
Said-Me.un, p. adr. l'rof. i'robenius, Berlin-G: newaKI. Karlsbader Str. 16 . . (430)
Said-Ruete, Rudolph, Zürich, Gladbachstr. 65 (438)
Sandhagen, Anton, Frankfurt a. M.. Brentanostr. 23 (461)
Sante, Georg Wilhelm, stud. bist., z. Zt. Ciefreiter im Feld-Art. -Regt. 11, Kassel,
Hedwigstr. 1 1 , III (464)
Sarre, F., Prof. Dr., Neu-Babelsberg, Kaiserstr. 39, z. Zt. im Felde (87)
Schabinger, K., Kaiserl. Konsul in Jaffa, durch Auswärtiges Amt (291)
Schachtel, Hugo, Zahnarzt, Breslau, Königsplatz 3b (493)
Scheffler, Herrmann, Kunstmaler, Berlin-Grunewald, Caspar-Theys-Str. 12 . . . (394)
Schetelig, Leutnant d. 1,., Berlin SW 11, Hedemannstr. 15. Gegenwärtige Adresse
unbekannt (475)
Schickedantz, Frau Marianne, Charlottenburg, Knesebeckstr. 22 (388)
Schindler, Bruno, Leipzig, Christianstr. 27, z. Zt. im Felde (301)
Schmidlin, Josef, Dr., Prof. der Missionswissenschaften a. d. Univ. Münster i. W.,
Erphostr. 35, z. Zt. im Felde (58)
Schmidt, Franz F., Dr. jur. et phil., Konstantinopel, Anatol. Eisenbahnges. Galata (95)
Schmidt, Franz, Geh. Regierungsrat, Prof. Dr., Konstantinopel-Arnautköi, Quai 214 (509)
Schmidt, H., i. Fa. Theodor Blanke Nachf., Cöln Zollstock, Gottesweg 18 . . . (516)
Schmidt, Oberstleutnant u. Vorstand des Bekleidungsamtes, 10. A.-K., Hannover,
Kriegerstr. 44 (99)
Schmidt, P.Wilhelm, Prof., St. Gabriel, Mödling b. Wien (238)
Schneider, F., Direktor, Konstanz i. Baden, Reichenaustr. 13 (4401
Schocken jun., S., Zwickau i. Sa., Hauptmarkt 26 , (494)
Schoeller'sche und Eitorfer Kammgarnspinnerei A.-G., Eitorf (Rheinprov.) . . (503)
Schreiber, A. W., Missionsdirektor, Berlin-Steglitz, Humboldtstr. 14 (391)
Schuchmann, Dr., Hauptmann d. Res. im 12. Inf.-Regt. in Neu-Ulm, Marienstr. 7 (519)
Schultheß, F., Dr., Prof. a. d. Univ. Basel, Hebelstr. 92 (26)
Schulz, Alfons, Prof. Dr., Braunsberg, O.-Pr (123)
Schumacher, G., Dr., Königl. Württemb. Baurat, Haifa (Syrien) (mO
Schwally, Friedrich, Dr., Prof. a. d. Univ. Königsberg i. Pr., Tiergartenstr. 53 . (234)
Schwarzschild, H., Haiensee, Johann-Siegismund-Str. 16 (44>)
• Seidel, Prof. Dr., Meißen, Haasestr. 2 (538^
Seiler, Albert, Kaufmann, Neukölln, Berliner Str. 18/19. z. Zt. Preuß. Re«.-Inf.-
Rcgt. I. II. Komp. III. Bau (328)
Senekerim ter Akopian, Tauris (Persien) (3 '3)
Seybold, C. F., Dr., Prof. a. d. Univ., Tübingen, Eugenstr. 7 (62)
Simon, G., Pastor, Missionar (f. d. Theolog. Schule), Barmen, Meckelstr. 54 . . (104)
Simonsen, D., Prof., Kopenhagen, Skindergade 28 (213)
Sobernbeim, Moritz, Prof. Dr., Charlottenburg, Steinplatz 2 (iq1
von Soden, Hans, Freiherr, Lic. theol., Privatdozent a. d. Univ., Berlin-Lichter-
felde 3, Ehrenb-rgstr. 33 (34?)
der Gesellschaft. XVII
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Solf, Dr., Exzellenz, Staatssekretär d. Reichskolonialamts, Berlin VV 8, Wilhelmstr. 66 (120)
Sperling, Bezirksamtmann, Dodoma (Deutsch-Ostafrika) (l75)
Spitzer, A., Dr., Advokat, Konstantinopel (17°)
von Staden, Hermann, Dr., Berlin-Schmargendorf, Cunowstr. 45 (Post Grunewald) (298)
Steiner, Michael, Dr., Arzt, Meißen i. Sachs., Dresdner Str. 7, z. Zt. im Felde . (351)
Stocker, Heinz, Gratz-Waltendorf, Sonnenstr. 6 (319)
Strandes, Justus, Senator, Hamburg, Mittelweg 89 (27)
Straub, Pfarrverweser, Hagendingen, Bahnstr. 39 i^oi)
Strauß, Raphael, Dr., München, Rauchstr. 4 (495)
Streck, Max, Prof. Dr., Würzburg, Friedenstr. 5 (393)
Struck, Hermann, Radierer, Berlin NW 23, Briickenallee 33 (211)
Stube, R., Dr., Prof., Leipzig, Scheffelstr. 17 I (255)
Stumme, Hans, Dr., Prof. a. Univ., Leipzig, Südstr. 72 II (56)
Stummer, Friedrich, D. Dr., Schlachtensee, Mariannenstr. 9, z. Zt. Würzburg,
Goethestr. 10, HI (347)
Taeschner, Franz, Dr., Berlin C 19, Seydelstr. 16, z. Zt. Landsturmmann in Cismar
i. Holstein, Landratsamt (5^0
Vicomte de Tarrazi, Philippe, Beirut (288)
• Teschke, G., stud. phil., Berlin NW 5, Havelberger Str. 18 (539)
Thommen, Eduard, Dr., Basel, Leonhardsstr. 31 (386)
Thomsen, Peter, Prof. Dr. phil., Dresden-A. 19, Kügelgenstr. 11 (310)
Thon, J., Dr. jur., Jaffa (Palästina) (313)
Torrey, Charles C, Universitätsprof., New-Haven (Conn.), 191 Bishopstr (315)
Traub, Gottfried, Dr., M. d. A., Dortmund (50°)
Traulsen, U. C, Hamburg 26, Auf den Blöcken 16 (469)
Tschudi, R., Prof. Dr., Hamburg 24, Uhlandstr. 44,1 (454)
Ullrich, Dr. jur., Korrespondent d. ,, Kölnischen Zeitung", während d. Krieges:
Berlin-Schöneberg, Grunewaldsir. 42, z. Zt. im Ausland (314)
Ulrich, Lic. theol., Pfarrer, Berlin SW 68, Oranienstr. 104, I (143)
Untersweg, Hans, Dr., Graz, Johanneum (Landesbibliothek) (243)
Vassel, Philipp, Dr., Konsul^ Mitgl. d. Kaiserl. Türk. Finanzkommission, Kon-
stantinopel-Pera (378)
Veiten, Karl, Dr., Prof. am Sem. f. Or. Spr., Berlin NW 23, Brückenallee 35 (14)
Venetianer, Ludwig, Dr., Rabbiner, Ujpest b. Budapest (67)
Vielhaber, Mitglied d. Direktoriums d. Friedrich Krupp A.-G., Essen (Ruhr),
Hohenzollemstr. 23 (184)
Vohsen, Ernst, Konsul a. D., Verlagsbuchhändler, Berlin W 35, Genthiner Str. 13c (10)
Voigt, €., Magdeburg 70, Poltestr. 8 ^ pt (151)
Voigt, H., Dr. iur., Kaiserl. Deutsche Botschaft Konstantinopel (12)
Vollbehr, Otto H. F., Dr., Charlottenburg IV, Wilmersdorfer Str. 98/99. . . . (525)
• Wajanos, Jordan, Dolmetscher, Offz.-Stellv. E. B. S. K. 5. Kleinasien .... (560)
Wallroth, Toni, Schwester, Berlin N 65, Virchow-Krankenhaus (373)
Warburg, A., Prof. Dr., Hamburg, HeUwigstr. 114 (192)
Warburg, O., Prof. Dr., Berlin W, Uhlandstr. 175 (344)
Die Welt des Islams, Band 6. 11
XVni Narlinrhfen üher Angelegenheiten
War neck, Dr., theol., Missionsinspektor, Bethel b. Bielefeld (30)
• Weber, Christoph, Dr. phil., Leutnant d. L. beim Chel des Nachrichtenwesens (A),
Großes Hauptquartier Sr. Maj (558)
Weber, Th., Dr., Konsul, Smyrna, Deutsches Konsulat (242)
Wegelein, Rud., Kaiserl. Bezirkslandwirt, Kilwa (Deutsch-Ostafrika) (158)
Weil, Gotlhold, Dr., Privatdozent, Charlottenburg, Carmerstr. i, I (449)
• Weinberg, M., Dr., Jerusalem (548)
Wentzel, Hermann, Dr., Berlin-Karlshorst, Waldowallee 5 (267)
von Wesendonk, Otto, Kaiserl. Legationssekretär, Berlin W 10, Ilohenzollernstr. 12 (496)
Wespy, Prof. Dr., Berlin-Schöneberg, Mühlenstr. 8b (443)
von Westarp, Graf, Oberleutn. i. i. Garde-Feld- Art. -Reg., Berlin NW, Perleberger
Straße 11, unbekannt verzogen (346)
Westermann, Diedrich, Prof. am Sem. f. Or. Spr., Berlin-Südende, Berliner Str. 13 a (9)
Wetzel, Fr., Dr.-Ing., Halbmondlager, Wünsdorf, Kr. Teltow (445)
Wiener, Alfred, Dr., Berlin-Halensee, Johann-Georg-Str. 16, z. Zt. im Felde . . (3)
Wilke, Bruno, stud. jur., Berlin SO 33, Eisenbahnstr. 3, z. Zt. Leutn. u. Kompagnie-
fiihrer d. Res.-Inf.-Regts. 131, 12. Komp (33°)
Wilhelm, Eugen, Dr., Hofrat, Prof. a. d. Universität, Jena, Löbdergraben 25 . (42)
Wolf, Robert, Dr., Berlin W 35, Potsdamer Str. 55 (444)
Woycieszyk, Paul R., Pflanzer, Plantage Goltzhof, Post Muheza, via Tanga (Deutsch-
Ostafrika) (180)
Würz, F., Herausgeber d. Zeitschrift „Evangelisches Missionsmagazin", Riehen b. Basel
(Schweiz) (71)
Würz, Hermann, Dr., Kunsthistoriker, Stuttgart, Hasenbergsteige 79, Haus Hohen-
berg (78)
Yenidze, Orient. Tabak- u. Zigarettenfabrik. Dresden, Inh. Kommerzienrat Hugo
Zietz, Dresden, Weißeritzstr. 3 (5^5)
Zahn, Ernst, Dr. jur., Leipzig, Waldstr. 3, z. Zt. im Felde (447)
von Zambaur, Eduard, Major, Marburg (Drau), Steiermark (220)
Zanutto, Cav. Silvio, Ministerio delle Colonie, Biblioteca, Rom (205)
Zeeden, Dr., Amtsrichter, Berlin W 15, Düsseldorfer Str. 22 (186)
Zettersteen, K. V., Dr., Prof. a. d. Univ., Uppsala (Schweden), Kungsgatan 65 . (110)
von Zicten-Schwerin, Graf D., Vorsitzender des Jerusalemsvereins, Wustrau
(Kr. Ruppin) (379)
Zlocisti, Theodor, Dr., Berlin N 37, Weißenburger Str. 6 (497)
Zwemer, Samuel M., Missionar, Kairo, Sharia Sakakini 20 (289)
Den Tod für das Vaterland haben erlitten unsere Mitglieder
DR. A. JACOBSOHN,
LEUTNANT SCHLEICH.
der Gesellschaft. XIX
Am 26. Februar 191S erlag unser hochverdientes Vorstands-
mitglied
GENERALLEUTNANT IMHOFF PASCHA
einem Herzschlage. Die äußeren Umstände seines bewegten
Lebens wurden bei seinem Hinscheiden vielfach eingehend ge-
schildert. Während seines Dienstes in der osmanischen Armee
machte Imhoff Pascha sich gründlich mit der Landessprache
bekannt, erwarb auch die Fähigkeit, die moderne Literatur-
sprache mit Verständnis zu lesen. Unermüdlich verfolgte er
die Erscheinungen auf dem Gebiete des staatlichen und kultu-
rellen Lebens der Türkei, unterstützt von seinen zahlreichen
türkischen Freunden, die ihm das Wichtigste von literarischen
Erzeugnissen sofort nach Herauskommen zugängig machten.
Er suchte das, was ihm am bedeutendsten schien, durch Über-
setzung zu vermitteln. So erschien von ihm „Die Geschiedene"
aus dem Türkischen des Hüsein Rahmi (zusammen mit
einer anderen Übersetzung aus dem Türkischen unter dem
Gesamttitel „Aus dem türkischen Leben" 1908 bei Stilke in
Berlin erschienen). Diese Tätigkeit ging her neben der auf-
merksamen Verfolgung der militärischen Vorgänge im Orient
während des großen Krieges, über die er im Militär- Wochen-
blatt regelmäßig Bericht erstattete. Der Deutschen Gesellschaft
für Islamkunde stand der Verstorbene besonders nahe. Von
ihren Anfängen an hat er ihr eine lebhafte Teilnahme ge-
widmet, hat auch mehrfach bei Sondergelegenheiten wertvolle
Arbeit geleistet. Seit 1915 gehörte er dem Vorstande an.
Die Gesellschaft bewahrt ihm ein verehrungsvolles und dank-
bares Andenken.
Ebenfalls durch den Tod verlor unsere Gesellschaft ihre
Mitglieder
FRANZ SAULMANN,
PROF. DR. A. MEZ.
OeCKX>=OOOOOCOOOC>OOOC>CX30000000000COOOOOCXXXXX>XXXXXXXXXXXXXXXXXXX30^
DRUCK VON AUGUST HOPFER IN BURG BEI MAGDEBURG
DS Die Welt des Islams
36
Bd. 6
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